Verwaltungsrecht

Rechtsweg bei Klage gegen Anlassbeurteilung im Rahmen von angestrebter Verbeamtung

Aktenzeichen  6 C 19.2409

Datum:
19.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 34577
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BBG § 126 Abs. 1
GVG § 17a Abs. 4 S. 3
VwGO § 123, § 173 S. 1

 

Leitsatz

1. Nach der Sonderzuweisung des § 126 Abs. 1 BBG ist der Verwaltungsrechtsweg für alle Klagen aus dem Beamtenverhältnis und damit auch auf Ansprüche vorbeamtenrechtlicher Art als auch auf Ansprüche von Ruhestandsbeamtinnen, Ruhestandsbeamten, früheren Beamtinnen, früheren Beamten und der Hinterbliebenen aus dem Beamtenverhältnis anwendbar. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2. Maßgeblich für die Bestimmung des Rechtswegs ist die wahre Natur des (angestrebten bzw. früheren) streitigen Rechtsverhältnisses (hier: Antrag auf Übernahme in das Beamtenverhältnis) und nicht die vom Rechtsschutzsuchenden vorgenommene rechtliche Zuordnung. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 16 E 19.2205 2019-11-14 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 14. November 2019 – AN 16 E 19.2205 – aufgehoben. Der Verwaltungsrechtsweg ist zulässig.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Die Antragstellerin ist Tarifbeschäftigte in der Entgeltgruppe 6 TVöD (Bund) beim Bundesamt für … (Bundesamt). Sie bewarb sich auf eine der ausgeschriebenen Verbeamtungsstellen für Tarifbeschäftigte des vergleichbar mittleren Dienstes (Verbeamtungsaktion 2018). Daraufhin wurde für sie zur Vorbereitung der Auswahlentscheidung eine „dienstliche Beurteilung“ als „Anlassbeurteilung“ wegen „Verbeamtung“ für den Zeitraum vom 1. Januar 2018 bis 31. Dezember 2018 nach Maßgabe von Nr. 2.2 der Richtlinie für die Beurteilung von Beamtinnen und Beamten im Geschäftsbereich des BMI (ohne Bundespolizei) erstellt und am 22. Oktober 2019 eröffnet.
Die Antragstellerin hat am 8. November 2019 Klage beim Verwaltungsgericht Ansbach mit dem Antrag erhoben, die Antragsgegnerin zu verurteilen, die dienstliche Beurteilung aus der Personalakte zu entfernen (AN 16 K 19.2206). Zugleich hat sie einstweiligen Rechtsschutz begehrt und beantragt, der Antragsgegnerin aufzugeben, die dienstliche Beurteilung bis zur Rechtskraft der Klage für Auswahlentscheidungen nicht zu verwenden (AN 16 E 19.2205). In beiden Verfahren hat die Antragstellerin beantragt, die Rechtssache an das ihrer Meinung nach zuständige Arbeitsgericht Nürnberg zu verweisen.
Mit Beschlüssen vom 14. November 2019 hat das Verwaltungsgericht jeweils den Verwaltungsrechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Nürnberg verwiesen. Es liege weder eine Klage aus dem Beamtenverhältnis im Sinn von § 126 Abs. 1 BBG noch eine öffentliche Streitigkeit gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO vor, sondern eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern im Sinn von § 2 Abs. 1 ArbGG.
Die Antragsgegnerin wendet sich mit ihrer Beschwerde vorliegend gegen die Verweisung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren, im Verfahren 6 C 19.2407 gegen die Verweisung im Hauptsacheverfahren. Die Antragstellerin tritt dem entgegen.
II.
Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG, §§ 146 f. VwGO) und begründet.
Der Rechtsstreit, in dem die Antragstellerin sich im Hauptsacheverfahren der Sache nach gegen ihre Anlassbeurteilung im Rahmen der angestrebten Verbeamtung wendet und im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Verwendung dieser Beurteilung im Auswahlverfahren vorläufig verhindern will, fällt entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht in die Rechtswegzuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen. Die Antragstellerin verfolgt vielmehr einen Anspruch aus einem – angestrebten – Beamtenverhältnis, für den nach der Sonderzuweisung des § 126 Abs. 1 BBG im Hauptsacheverfahren (6 C 19.2407) als auch im Eilverfahren (6 C 19.2409) der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist.
Diese Vorschrift eröffnet den Verwaltungsrechtsweg für alle Klagen der Beamtinnen, Beamten, Ruhestandsbeamtinnen, Ruhestandsbeamten, früheren Beamtinnen, früheren Beamten und der Hinterbliebenen aus dem Beamtenverhältnis. Sie ist nach allgemeiner Auffassung auch anwendbar auf Ansprüche vorbeamtlicher Art aus einer der dem Beamtenrecht zugeordneten Anspruchsgrundlagen (Battis, BBG, 5. Aufl. 2017, § 126 Rn. 12 m.w.N.). Maßgeblich ist die wahre Natur des Rechtsverhältnisses, nicht die vom Rechtsschutzsuchenden vorgenommene rechtliche Zuordnung (Plog/Wiedow, BBG, Stand November 2019, § 126 Rn. 12). So sind Klagen auf Einstellung als Beamter oder gegen die Ablehnung einer solchen Einstellung – anders als Klagen auf Abschluss eines Arbeitsvertrags als Tarifbeschäftigter im öffentlichen Dienst (BVerwG, B.v. 19.7.2917 – 2 A 9.16 – juris; vgl. auch BAG, U.v. 11.6.2013 – 9 AZR 668/11 – juris Rn. 14 ff.) – beamtenrechtlich und fallen in die Rechtswegzuständigkeit der Verwaltungsgerichte. Anspruchsgrundlage ist das durch den Antrag auf Übernahme in das Beamtenverhältnis begründete beamtenrechtliche Bewerbungsverhältnis (BVerwG, U.v. 25.10.2010 – 2 C 22.09 – BVerwGE 136, 140 Rn. 13). Der in Art. 33 Abs. 2 GG verankerte Grundsatz der Bestenauswahl vermittelt dabei jedem Bewerber ein grundrechtsgleiches Recht auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl (ständige Rechtsprechung; vgl. BVerfG, B.v. 20.9.2016 – 2 BvR 2453/15 – BVerfGE 143, 22 Rn. 18; BVerwG, B.v. 21.12.2016 2 VR 1.16 – BVerwGE 157, 168 Rn. 21; BayVGH, B.v. 23.4.2019 – juris Rn. 9).
Die Antragstellerin verfolgt mit ihrem gegen die Anlassbeurteilung gerichteten Rechtsschutzbegehren einen solchen (vor-)beamtenrechtlichen Anspruch, für den der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist. Bei dem Streitgegenstand handelt sich nicht um eine „normale“ dienstliche Beurteilung der Antragstellerin als Tarifbeschäftigte im öffentlichen Dienst im Rahmen des Arbeitsvertragsverhältnisses, für deren Prüfung die Gerichte für Arbeitssachen zuständig wären (zur gerichtlichen Kontrolle solcher Beurteilungen etwa BAG, U.v. 18.8.2009 – 9 AZR 617/08 – BAGE 131, 367 ff.). Es handelt sich vielmehr um eine Anlassbeurteilung, die der Dienstherr ausschließlich im Rahmen des Auswahlverfahrens zur Besetzung der ausgeschriebenen Beamtenstellen im mittleren Dienst erstellt hat, nachdem die Antragstellerin sich um eine dieser Beamtenstellen beworben hatte. Als Grundlage für die Anlassbeurteilung hat der Dienstherr dementsprechend die Richtlinie für die Beurteilung von Beamtinnen und Beamten im Geschäftsbereich vom 7. April 2017 herangezogen, die nach Nr. 1.1. und 2.2 nur in dieser Fallkonstellation auf Tarifbeschäftigte Anwendung findet. Das Rechtsschutzziel der Antragstellerin ist darauf gerichtet, dass die streitige Anlassbeurteilung bei der Auswahlentscheidung keine Berücksichtigung findet. Anspruchsgrundlage ist nicht das Arbeitsvertragsverhältnis als Tarifbeschäftigte, sondern das (vor-) beamtenrechtliche Bewerbungsverhältnis, das die Antragstellerin mit Einreichung ihrer Bewerbung um eine der ausgeschriebenen Beamtenstellen begründet hat.
Die Kosten der erfolgreichen Rechtswegbeschwerde sind gemäß § 154 Abs. 1 VwGO von der Antragstellerin als unterliegende Partei zu tragen, weil sie die Rechtswegverweisung beantragt hatte und der Beschwerde mit förmlicher Antragstellung entgegengetreten ist. Gerichtskosten fallen für das erfolgreiche Beschwerdeverfahren nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) nicht an. Eine Streitwertfestsetzung war daher entbehrlich. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 17a Abs. 4 Satz 5 GVG liegen nicht vor.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 4 Satz 4 GKG; vgl. BVerwG‚ B.v. 16.3.1994 – 4 B 223.93 – NVwZ 1994‚ 782).
Schmitz
Greve-Decker
Greger


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