Verwaltungsrecht

Rechtsweg bei Streit um Anlassbeurteilung im Rahmen von angestrebter Verbeamtung

Aktenzeichen  AN 16 E 19.02205

Datum:
14.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 34578
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BBG § 126 Abs. 1
VwGO § 40 Abs. 1 S. 1
ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3

 

Leitsatz

Der Rechtsstreit um eine Anlassbeurteilung eines Tarifbeschäftigten im Rahmen einer angestrebten Verbeamtung fällt nicht unter die Sonderzuweisung des § 126 Abs. 1 BBG auf den Verwaltungsrechtsweg. Auch nach § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet (aufgehoben durch VGH München BeckRS 2019, 34577). (Rn. 8 – 9) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Verwaltungsrechtsweg ist unzulässig.
2. Der Rechtsstreit wird an das Arbeitsgericht … verwiesen.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt die Verpflichtung der Antragsgegnerin, die dienstliche Beurteilung zum Stichtag 1. Januar 2019 für den Beurteilungszeitraum vom 1. Januar 2018 bis 31. Dezember 2018 bis zur Rechtskraft der Klage der Antragstellerin, mit der die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Entfernung der dienstlichen Beurteilung aus der Personalakte begehrt wird, für Auswahlentscheidungen nicht heranzuziehen.
Die Antragstellerin ist Tarifbeschäftigte im öffentlichen Dienst. Die Antragsgegnerin erstellte am 14. Juni 2019 bzw. 26. Juli 2019 zur Vorbereitung einer Auswahlentscheidung für eine Verbeamtung eine dienstliche Anlassbeurteilung für die Antragstellerin für den Beurteilungszeitraum vom 1. Januar 2018 bis 31. Dezember 2018, welche der Antragstellerin am 22. Oktober 2019 eröffnet worden ist.
Mit Schriftsatz vom 7. November 2019, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach eingegangen am 8. November 2019, erhob der Antragstellerbevollmächtigte Klage mit dem Antrag, die Antragsgegnerin zu verurteilen, die dienstliche Beurteilung der Antragstellerin für den Beurteilungszeitraum vom 1. Januar 2018 bis 31. Dezember 2018 aus der Personalakte zu entfernen. Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom selben Tag suchte die Antragstellerin zudem um einstweiligen Rechtsschutz nach und beantragt, die Antragsgegnerin zu verurteilen, die dienstliche Beurteilung zum Stichtag 1. Januar 2019 für den Beurteilungszeitraum vom 1. Januar 2018 bis 31. Dezember 2018 bis zur Rechtskraft ihrer Klage gegen diese dienstliche Beurteilung für Auswahlentscheidungen nicht zu verwenden. Für beide Verfahren beantragte die Antragstellerin eine Verweisung der Rechtssachen an das sachlich und örtlich zuständige Arbeitsgericht … Zur Antragsbegründung wies der Antragstellerbevollmächtigte zunächst darauf hin, dass für dienstliche Beurteilungen von Tarifangestellten die Arbeitsgerichtsbarkeit zuständig sei. Zwar stelle die Auswahlentscheidung eine verwaltungsgerichtliche Angelegenheit dar, nicht jedoch das Anfertigen von dienstlichen Beurteilungen für Tarifangestellte, auch wenn diese für eine Auswahlentscheidung benötigt würden. Dass mit der dienstlichen Beurteilung weitere Zwecke verbunden seien, mache diese weiteren Zwecke nicht zum Streitgegenstand. Das Rechtsverhältnis eines öffentlichrechtlichen Dienstherrn zu seinen Tarifangestellten sei ein privatrechtliches.
In der Sache habe die Antragsgegnerin kein vertragliches, tarifliches, personalvertretungsrechtliches oder gesetzliches Recht, die Klägerin dienstlich zu beurteilen. Demnach könne die Antragstellerin in der Hauptsache die Entfernung der dienstlichen Beurteilung aus der Personalakte gemäß §§ 242, 1004 BGB analog i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG verlangen. Wegen der weiteren Einwände des Antragstellerbevollmächtigten gegen die verfahrensgegenständliche Beurteilung der Antragstellerin in formeller und materieller Hinsicht wird auf seine Ausführungen in der Antragsbegründung verwiesen.
Die Antragsgegnerin äußerte sich trotz entsprechender gerichtlicher Aufforderung nicht zur Frage der Rechtswegeröffnung zu den Verwaltungsgerichten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen. II.
Der Verwaltungsrechtsweg ist nicht eröffnet, da weder eine Klage bzw. vorliegend ein Eilantrag aus dem Beamtenverhältnis im Sinne von § 126 Abs. 1 BBG noch eine öffentlichrechtliche Streitigkeit gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO vorliegt, sondern eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG.
Der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten ist nicht nach § 126 Abs. 1 BBG gegeben. Hiernach ist für alle Klagen der Beamtinnen, Beamten, Ruhestandsbeamtinnen, Ruhestandsbeamten, früheren Beamtinnen, früheren Beamten und der Hinterbliebenen aus dem Beamtenverhältnis sowie für Klagen des Dienstherrn der Verwaltungsrechtsweg gegeben; dasselbe gilt für derartige Eilanträge. Die Antragstellerin ist jedoch gerade keine Beamtin der Antragsgegnerin, sondern angestellte Arbeitnehmerin im öffentlichen Dienst. Von § 126 Abs. 1 BBG werden in entsprechender Anwendung zwar auch solche Rechtsbehelfe erfasst, die erst auf Begründung eines Beamtenverhältnisses gerichtet sind, weil sie ungeachtet des noch nicht gegebenen Beamtenverhältnisses im Beamtenrecht wurzeln (vgl. Schnellenbach, BeamtenR in der Praxis, 8. Aufl. 2013, § 3 Rn. 44, OVG Münster, B.v. 27.4.2010 – 1 E 404/10 – juris Rn. 7). Die Antragstellerin begehrt allerdings mit ihrem Eilantrag nicht die vorläufige Sicherung eines Bewerbungsverfahrensanspruchs. Ebenso richtet sich die diesem Antrag im einstweiligen Rechtsschutz zugrundeliegende Klage in der Hauptsache ersichtlich eindeutig nicht auf eine Ernennung der Antragstellerin zur Beamtin oder Neuverbescheidung eines Bewerbungsverfahrensanspruchs durch die Antragsgegnerin. Dies ergibt sich bereits aus dem im Wortlaut eindeutigen Klageantrag, der sich allein gegen die dienstliche Beurteilung der Antragsgegnerin richtet, nicht jedoch gegen eine Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin über die Vergabe von Beamtenstellen des mittleren Dienstes. Eine solche Auswahl wurde ausweislich des Antragssowie Klagevorbringens auch noch nicht getroffen.
Auch nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet. Nach dieser Vorschrift ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlichrechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Die vorliegende Streitigkeit ist als Streitigkeit aus dem Arbeitsverhältnis indes nicht öffentlichrechtlicher, sondern bürgerlichrechtlicher und dabei arbeitsrechtlicher Natur, so dass nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. a) ArbGG der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet ist. Die Art der Streitigkeit richtet sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch bzw. im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 123 VwGO der Anordnungsanspruch hergeleitet wird. Öffentlichrechtlich ist eine Streitigkeit dann, wenn sie sich als Folge eines Sachverhalts darstellt, der nach öffentlichem Recht zu beurteilen ist. Die Natur des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses bemisst sich nach dem erkennbaren Ziel der Klage bzw. hier des Antrags nach § 123 VwGO und den vorgetragenen Behauptungen tatsächlicher Art. Dabei ist maßgeblich allein die wirkliche Natur des behaupteten Rechtsverhältnisses, nicht die rechtliche Qualifizierung des geltend gemachten Anspruchs durch den Antragsteller selbst (vgl. BayVGH, B. v. 18.7.2002, Az. 23 C 02.462 und B. v. 24.8.2006, Az. 23 C 06.1986, beide Juris; Eyermann, VwGO, 13. Aufl., zu § 40, RdNr. 31 ff.). Auch hiernach ist die vorliegende Streitsache nicht öffentlichrechtlich, weil die streitentscheidenden Normen bürgerlichrechtlichen, speziell: arbeitsrechtlichen Charakter haben. Denn das Recht der dienstlichen Beurteilung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern hat seine Grundlage im bürgerlichen Recht (Arbeitsrecht). Es leitet sich aus dem bestehenden Rechtsverhältnis ab, in welchem die Antragstellerin zu der Antragsgegnerin steht; dieses ist aber ein arbeitsvertraglich geprägtes Rechtsverhältnis. Arbeitnehmer werden nicht auf Grundlage von § 21 BBG, sondern privatrechtlich beurteilt. Auch der Umstand, dass die verfahrensgegenständliche Anlassbeurteilung der Antragsgegnerin im sachlichen Zusammenhang einer zu treffenden Auswahlentscheidung, deren Grundlage sie bilden wird, erstellt worden ist, genügt zur Begründung des Verwaltungsrechtswegs nicht. Erst wenn die Antragstellerin im Rahmen eines Antrags nach § 123 VwGO zur vorläufigen Sicherung ihres Bewerbungsverfahrensanspruchs eine Inzidentüberprüfung der dienstlichen Beurteilung der Antragsgegnerin anstrebt, handelt es sich nach den vorstehenden Erwägungen um eine dem Verwaltungsrechtsweg unterfallende öffentlichrechtliche Streitigkeit. Für die vorliegend begehrte gerichtliche Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz, der in der Hauptsache eine reine Beurteilungsklage zugrunde liegt, ist hingegen der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten aus den dargestellten Gründen nicht eröffnet. Der Verwaltungsrechtsweg ist daher nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG, der auch in verwaltungsgerichtlichen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes Anwendung findet, für unzulässig zu erklären und der Rechtsstreit an das gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. a), § 48 Abs. 1a Satz 1 ArbGG sachlich und örtlich zuständige Arbeitsgericht … zu verweisen.
Die Entscheidung über die bisher angefallenen Kosten bleibt gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m.§ 17b Abs. 2 Satz 1 GVG dem Arbeitsgericht … vorbehalten.


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