Verwaltungsrecht

Rechtsweg für kommunalen Benutzungsanspruch

Aktenzeichen  4 CE 19.161

Datum:
23.1.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 1038
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GVG § 17a Abs. 4, § 17b Abs. 2
VwGO § 40 Abs. 1 S. 1, § 123
BayGO Art. 21

 

Leitsatz

1 Der Streit um das “ob” der Benutzung einer (vermeintlichen) kommunalen Einrichtung (Art. 21 BayGO) ist auch dann öffentlich-rechtlicher Natur, wenn die Gemeinde gleichzeitig aus einer rechtskräftigen Entscheidung die zivilrechtlich zu beurteilende Zwangsräumung dieser Einrichtung betreibt. (Rn. 3 und 6) (redaktioneller Leitsatz)
2 § 17b Abs. 2 GVG ist nicht anwendbar auf Kosten eines zwischengeschalteten Beschwerdeverfahrens. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 4 E 19.92 2019-01-21 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 21. Januar 2019 wird aufgehoben.
II. Der Verwaltungsrechtsweg ist zulässig.

Gründe

Die nach § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG i.V.m. §§ 146 Abs. 1, 147 VwGO zulässige Beschwerde hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Verwaltungsrechtsweg zu Unrecht für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Weißenburg verwiesen (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG).
1. Nach dem gestellten Antrag begehrt der Antragsteller, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO vorläufig zu untersagen, bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren (Az. AN 4 K 18.01945) die Zwangsvollstreckung, insbesondere die Räumung aus dem Urteil des Amtsgerichts Weißenburg (Az. 2 C 574/17) zu betreiben, und die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Zwangsvollstreckung vorläufig einzustellen.
In der Beschwerde trägt er vor: Er stütze seinen Anspruch auf Art. 21 GO. Dem Antragsteller stehe ein öffentlich-rechtlicher Anspruch auf Benutzung der hier angenommenen öffentlichen Einrichtung zu. Zur Sicherung dieses Anspruchs diene die beantragte einstweilige Anordnung. Streitgegenstand der Klage vor dem Amtsgericht Weißenburg sei eine zivilrechtliche Kündigung eines Nutzungsverhältnisses gewesen. Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Klage in der Hauptsache sei dagegen das nach Auffassung des Antragstellers weiterhin bestehende öffentlich-rechtliche Verhältnis nach Art. 21 GO. Das Verwaltungsgericht habe das eigentliche Kernbegehren des Antragstellers nicht zutreffend gewürdigt. Der Antragsteller wende sich mit dem streitgegenständlichen Antrag nicht gegen den zivilrechtlichen Titel als solchen. Dieser sei rechtskräftig. Auch wende er sich nicht gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung. Da die Zwangsvollstreckung (im Sinne einer Räumung) aus dem Urteil des Amtsgerichts Weißenburg zwingend einen Antrag der Antragsgegnerin gemäß §§ 753 f. ZPO voraussetze und die Antragsgegnerin diesen Antrag auch jederzeit zurücknehmen und den Gerichtsvollzieher anweisen könne, die Zwangsvollstreckung einzustellen, könne der Antragsteller beanspruchen, dass die Antragsgegnerin von diesen Möglichkeiten Gebrauch mache, um den Anspruch des Antragstellers auf Benutzung der gemeindlichen Einrichtung nach Art. 21 GO zu gewährleisten. Hierbei handele es sich nur mittelbar um einen Vollstreckungsschutz gegen den Titel.
Unter Berücksichtigung dieser Ausführungen, mit denen der Antragsteller sein Rechtsschutzziel präzisiert, ist der Verwaltungsrechtsweg zulässig. Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Hier handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in diesem Sinn.
Für die Entscheidung über die Frage, ob dem Antragsteller ungeachtet der durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigten Kündigung des früheren zivilrechtlichen Vertragsverhältnisses ein öffentlich-rechtlicher Anspruch auf Benutzung einer gemeindlichen Einrichtung nach Art. 21 GO zusteht, ist – unabhängig von der Frage, ob ein solcher Anspruch hier glaubhaft gemacht wurde und ob überhaupt eine für die Benutzung durch die Bürger gewidmete öffentliche Einrichtung der Antragsgegnerin vorliegt – der Verwaltungsrechtsweg gegeben. Der Antragsteller erhebt nach seiner Begründung ausdrücklich nicht die in der Zivilprozessordnung vorgesehenen Rechtsbehelfe gegen die Vollstreckung zivilgerichtlicher Urteile (§ 767, § 769 ZPO); dieses Rechtsschutzziel kommt im gestellten Antrag auch dadurch zum Ausdruck, dass er (vorläufige) Maßnahmen der Antragsgegnerin begehrt (z.B. Rücknahme des Antrags nach §§ 753 f. ZPO) und nicht solche des Vollstreckungsgerichts.
Das rechtskräftige und vollstreckbare Urteil des Amtsgerichts Weißenburg vom 1. März 2018 (Az. 2 C 574/17) steht dem nicht entgegen. Zwar weist das Verwaltungsgericht zu Recht darauf hin, dass nach § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG das Gericht des zulässigen Rechtswegs den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten entscheidet. Hier ging es nach Aktenlage aber im Klageverfahren beim Amtsgericht Weißenburg um die Kündigung des Nutzungsverhältnisses und nicht um die Frage eines (öffentlich-rechtlichen) Benutzungsrechts. Diese Frage, die das „ob“ der Benutzung einer (vermeintlichen) gemeindlichen Einrichtung betrifft, und nicht das „wie“, ist eine öffentlich-rechtliche. Über sie ist daher im Verwaltungsrechtsweg zu entscheiden.
2. Eine Entscheidung in Bezug auf die in diesem Verfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten – Gerichtskosten fallen nach Nr. 5502 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG nicht an – ist ebenso wie eine Streitwertfestsetzung nicht veranlasst. Zwar ist grundsätzlich über die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 4 Satz 3, Abs. 2 Satz 1 GVG und §§ 146 ff. VwGO nach Maßgabe der §§ 154 ff. VwGO zu befinden, wobei § 17b Abs. 2 GVG nicht anwendbar ist, weil diese Vorschrift nur die Kosten in Verfahren vor dem „angegangenen“, also dem erstinstanzlichen Gericht erfasst und keine Regelung zu den Kosten des zwischengeschalteten Beschwerdeverfahrens trifft (BVerwG, B.v. 15.10.1993 – 1 DB 34.92 – NVwZ 1995, 84/85; BGH, B.v. 17.6.1993 – V ZB 31/92 – NJW 1993, 2541; BSG, B.v. 1.4.2009 – B 14 SF 1/08 R – juris Rn. 19). Das Erfordernis einer Kostenentscheidung besteht im Falle eines erfolgreichen Rechtsmittels aber nur, soweit eine Gegenpartei vorhanden ist, der Kosten auferlegt werden können (vgl. BGH, B.v. 3.7.1997 – IX ZB 116/96 – juris Rn. 20; BayVGH, B.v. 27.9.2007 – 5 C 07.1823 – juris Rn. 14; OVG Berlin-Bbg, B.v 28.10.2013 – OVG 5 L 31.13 – NVwZ-RR 2014, 288; OVG NW, B.v. 27. April 2010 – 1 E 406/10 – NVwZ-RR 2010, 587/588; VGH BW, B.v. 2.5.2001 – 4 S 667/01 – juris Rn. 8; Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 41/§§ 17-17b GVG Rn. 45). An dieser Voraussetzung fehlt es hier (vgl. zum Ganzen BayVGH, B.v. 8.12.2015 – 4 C 15.2471 – juris Rn. 9).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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