Verwaltungsrecht

Rechtswidriger Widerruf einer Waffenbesitzkarte mangels Aufforderung zur Beibringung eines Eignungsgutachtens

Aktenzeichen  21 CS 16.1247

Datum:
15.8.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG WaffG § 4 Abs. 1 Nr. 2, § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 6 Abs. 2, § 10 Abs. 1, § 45 Abs. 2, § 45 Abs. 5
WaffVwV Nr. 6.3
BayVwZVG BayVwZVG Art. 21a, Art. 24 Abs. 1, Art. 26 Abs. 2

 

Leitsatz

Die Feststellung einer Blutalkoholkonzentration ab 1,6 Promille begründet Bedenken gegen die persönliche Eignung, rechtfertigt aber nicht ohne weiteres die Annahme einer Alkoholabhängigkeit. Hat die Behörde im Widerrufsverfahren dem Antragsteller nicht die Vorlage eines fachärztlichen oder fachpsychologischen Attestes aufgegeben, wird die Anfechtungsklage im Hauptsacheverfahren aller Voraussicht nach Erfolg haben. (redaktioneller Leitsatz)
Anders als nach früherer Rechtslage (vgl. § 5 Abs. 4 WaffG 1976) ist der Betroffene nicht verpflichtet, von sich aus ein Zeugnis über seine Eignung zum Waffenbesitz beizubringen. Vielmehr muss er lediglich bei der Ermittlung des Sachverhalts mitwirken und einer Aufforderung der Behörde zur Begutachtung Folge leisten, damit seine waffenrechtliche Eignung geklärt werden kann. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 23. Mai 2016 mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert.
Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Landratsamts M. vom 4. Dezember 2015 in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 3. März 2016 wird hinsichtlich der Regelungen in Nr. 1 (Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis) und Nr. 3 (Zwangsmittelandrohung) angeordnet, hinsichtlich der Regelung in Nr. 2 (Überlassung von Waffen) wiederhergestellt.
II.
Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.
III.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.875,00 € festgesetzt.

Gründe

I. Der Antragsteller, ein Sportschütze, begehrt die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen den Widerruf seiner Waffenbesitzkarte und der dazu ergangenen Nebenentscheidungen.
Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen gemeinschädlicher Sachbeschädigung, das gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurde, wurde beim Antragsteller am 17. Juli 2015 eine Blutalkoholkonzentration von 2,18‰ festgestellt (Atemalkohol 1,09 mg/l). Polizeiliche Ermittlungen wegen eines Körperverletzungsdelikts ergaben beim Antragsteller am 25. Juli 2013 eine Blutalkoholkonzentration von 1,36‰ (Atemalkohol: 0,68 mg/l).
Nach vorheriger Anhörung widerrief das Landratsamt M. mit Bescheid vom 4. Dezember 2015 eine dem Antragsteller im Jahre 1994 erteilte Waffenbesitzkarte, in die zwei Kurzwaffen eingetragen sind (Nr. 1). Gleichzeitig ordnete es an, dass der Antragsteller die in seinem Besitz befindlichen und in der Waffenbesitzkarte eingetragenen Waffen bis zum 5. Januar 2015 an einen Berechtigten zu überlassen oder zu Dekorationswaffen umarbeiten zu lassen hat (Nr. 2). In Nr. 3 des Bescheids wurde für den Fall der nicht fristgerechten Rückgabe der Erlaubnis verfügt, dass „ein Zwangsgeld in Höhe von 50,00 € für jeden nach diesem Tag fallenden Monat fällig werde“. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Antragsteller die erforderliche persönliche Eignung (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 WaffG) nicht besitze, da bei ihm Tatsachen die Annahme rechtfertigten, er sei abhängig von Alkohol. Personen ab einer Blutalkoholkonzentration von 2‰ litten an einem dauerhaften Alkoholproblem. Auch die Begutachtungsleitlinien gingen bei einer Blutalkoholkonzentration mit Werten über 1,5 ‰ von einem chronischen Alkoholkonsum aus. Aufgrund der wiederholten Feststellung eines alkoholisierten Zustands des Antragstellers sei die waffenrechtliche Erlaubnis zu widerrufen.
Am 19. Januar 2016 erhob der Antragsteller Klage und beantragte gemäß § 80 Abs. 5 VwGO die „Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage“.
Mit Bescheid vom 3. März 2016 änderte das Landratsamt M. den Bescheid vom 4. Dezember 2015 dahingehend, dass in den Nrn. 2 und 3 als Frist nunmehr der 30. März 2016 gelte. Grund hierfür sei der Umstand, dass der Bescheid vom 4. Dezember 2015 dem Antragsteller erst am 5. Januar 2016 habe zugestellt werden können.
Mit Bescheid vom 18. April 2016 ordnete das Landratsamt die sofortige Vollziehung der Nr. 2 des Bescheids vom 4. Dezember 2015 im überwiegenden öffentlichen Interesse an (§ 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO).
Mit Schriftsatz vom 25. April 2016 stellte der Antragsteller einen „weiteren Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO“ und wies auf die Pflicht der Behörde hin, dem Kläger eine Gutachtensaufforderung abzuverlangen.
Das Verwaltungsgericht München hat mit Beschluss vom 23. Mai 2016 die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen Nr. 3 (Zwangsgeldandrohung) des Bescheids vom 4. Dezember 2015 in der Gestalt des Bescheids vom 3. März 2016 angeordnet, soweit darin ein weiteres Zwangsgeld für jeden nach dem 20. März 2016 fallenden Monat angedroht wird. Im Übrigen wurde der Antrag abgelehnt. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Erfolgsaussichten der Klage seien derzeit als offen anzusehen. Das Gericht könne nicht abschließend beurteilen, ob dem Antragsteller die persönliche Eignung wegen Alkoholabhängigkeit fehle. Die Behörde habe dem Antragsteller zwar nicht die Vorlage eines Eignungsgutachtens nach § 6 Abs. 2 WaffG aufgegeben. Da aber Bedenken an der persönlichen Eignung des Antragstellers im Sinne des § 6 Abs. 2 WaffG bestünden, sei im Hauptsacheverfahren die persönliche Eignung des Klägers durch Einholung eines ärztlichen Gutachtens aufzuklären. Das aus der polizeilichen Kurzauskunft ersichtliche Verhalten des Antragstellers in der Vergangenheit lasse eine aggressive Grundhaltung und eine starke Gewöhnung an Alkoholkonsum erkennen. Bei der Interessenabwägung überwiege das Aussetzungsinteresse das Vollzugsinteresse.
Dagegen richtet sich die Beschwerde, die u. a. damit begründet wird, dass es die Behörde versäumt habe, dem Antragsteller die Beibringung eines Eignungsgutachtens aufzugeben.
Nach Auskunft des Antragsgegners befinden sich die in der Waffenbesitzkarte eingetragenen Waffen nach wie vor im Besitz des Antragstellers.
II. Die Beschwerde des Antragstellers hat Erfolg.
Aus den mit der Beschwerde dargelegten Gründen (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) ergibt sich, dass das Verwaltungsgericht den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu Unrecht abgelehnt hat. Die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung fällt zugunsten des Antragstellers aus, weil die Klage des Antragstellers im Hauptsacheverfahren gegen den streitgegenständlichen Bescheid voraussichtlich erfolgreich sein wird. Der angefochtene Bescheid des Antragsgegners wird sich im Klageverfahren aller Voraussicht nach als rechtswidrig erweisen.
1. Nach Auslegung der Beschwerdebegründung begehrt der Antragsteller einstweiligen Rechtsschutz gegen alle mit dem streitgegenständlichen Bescheid verfügten Maßnahmen, d. h. die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Widerruf der Waffenbesitzkarte (Nr. 1, § 80 Abs. 5 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 45 Abs. 5 Satz 1 WaffG) und gegen die Zwangsgeldandrohung (Nr. 3, Art. 21a BayVwZVG) sowie die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung bezüglich der Verfügung in Nr. 2 des Bescheids (Überlassung der Waffen, § 80 Abs. 5 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO).
2. Der in Nr. 1 des angefochtenen Bescheids verfügte Widerruf der Waffenbesitzkarte wird sich voraussichtlich im Klageverfahren als rechtswidrig erweisen. Die Widerrufsvoraussetzungen lagen im hier maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung nicht vor.
2.1 Der Widerruf findet seine Rechtsgrundlage in § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG. Danach ist eine waffenrechtliche Erlaubnis – hier die Waffenbesitzkarte (§ 10 Abs. 1 WaffG) -zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Eine Erlaubnis ist zu versagen, wenn der Antragsteller nicht die erforderliche persönliche Eignung besitzt (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG). Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG besitzen Personen die erforderliche persönliche Eignung nicht, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie abhängig von Alkohol sind.
Sind Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die persönliche Eignung nach § 6 Abs. 1 begründen, so hat die zuständige Behörde dem Betroffenen auf seine Kosten die Vorlage eines amts- oder fachärztlichen oder fachpsychologischen Zeugnisses über die geistige oder körperliche Eignung aufzugeben (§ 6 Abs. 2 WaffG). Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen oder bringt er der zuständigen Behörde das von ihr geforderte Gutachten aus von ihm zu vertretenden Gründen nicht fristgerecht bei, darf die Behörde bei ihrer Entscheidung nach § 4 Abs. 6 Satz 1 AWaffV auf seine Nichteignung schließen, wenn er in der Beibringungsaufforderung auf diese Möglichkeit hingewiesen wurde. Der Schluss auf die Nichteignung ist aber nur zulässig, wenn die Anordnung des Gutachtens formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist (vgl. BVerwG, U.v. 5.7.2001 – 3 C 13.01 – juris Rn. 23ff.; BayVGH, B.v. 24.7.2015 – 11 CS 15.1203 – juris Rn. 19).
2.2 Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Widerrufsverfügung ist die im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung bestehende Sach- und Rechtslage – hier der Zeitpunkt des Bescheidserlasses – maßgeblich. Danach liegende Umstände, etwa die nachträgliche Vorlage eines Sachverständigengutachtens, sind daher nicht für die Rechtmäßigkeit der Widerrufsentscheidung maßgebend, sondern können sich gegebenenfalls erst in einem neuen Verfahren auf Erteilung der waffenrechtlichen Erlaubnis auswirken (zu einem für den Betroffenen günstigen Sachverständigengutachten im Fahrerlaubnisrecht vgl. BVerwG, U.v. 27.9.1995 – 11 C 34.94 – juris Rn. 9).
2.3 Nach der gebotenen summarischen Prüfung geht der Senat nicht davon aus, dass die im entscheidungsmaßgeblichen Zeitpunkt vorhandenen und von der Behörde dem Antragsteller zur Last gelegten Tatsachen – die Blutalkoholkonzentration von 2,18 ‰ am 17.7.2015 und von 1,36 ‰ am 25.7.2013 – die Annahme rechtfertigten, dass der Antragsteller abhängig von Alkohol ist (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG). Die Behörde hat dem Antragsteller im Verwaltungsverfahren nicht gemäß § 6 Abs. 2 WaffG die Vorlage eines amts- oder fachärztlichen oder fachpsychologischen Gutachtens aufgegeben. Sie ist nicht lediglich vom Vorliegen von Tatsachen ausgegangen, die Bedenken gegen die persönliche Eignung nach § 6 Abs. 1 WaffG begründen, sondern bereits davon, dass sich die „Bedenken“ gegen die persönliche Eignung zu Tatsachen im Sinne des Abs. 1 „verdichtet“ hätten.
Diese Annahme steht nicht im Einklang mit den insbesondere im Fahrerlaubnisrecht entwickelten Grundsätzen zum Thema „Alkoholproblematik und Eignungszweifel“, die in ihren wesentlichen Grundzügen auch der Klärung von Eignungszweifeln im Waffenrecht zugrunde gelegt werden können:
Nach dem aktuellen Stand der Alkoholforschung deutet eine Blutalkoholkonzentration (BAK) ab 1,6 ‰ auf deutlich normabweichende Trinkgewohnheiten und eine ungewöhnliche Giftfestigkeit hin (vgl. zum Fahrerlaubnisrecht BR-Drs. 443/98, Beschluss S. 6). Auch die Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung der Bundesanstalt für Straßenwesen (gültig ab 1.5.2014, Nr. 3.13 „Alkohol“, abgedruckt in Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Mensch und Sicherheit, Heft M 115), die als Niederschlag sachverständiger Erfahrung von Gewicht sind (vgl. BVerwG, U.v. 27.9.1995 – 11 C 34.94 – juris Rn. 14) bestätigen, dass mit einer entsprechenden Alkoholgewöhnung ein erhöhtes Gefährdungspotential einher geht. Im Einklang mit den Richtlinien hat das Bundesverwaltungsgericht zur Eignung von Fahrerlaubnisinhabern wiederholt entschieden, dass Personen, die Blutalkoholwerte von 1,6‰ und mehr erreichen, regelmäßig – auch wenn sie Ersttäter sind – an einer dauerhaften ausgeprägten Alkoholproblematik leiden, so dass die Straßenverkehrsbehörde in solchen Fällen Art, Inhalt und Folgen einer möglichen Alkoholabhängigkeit des betreffenden Fahrerlaubnisinhabers und ihre Auswirkungen auf sein Verhalten im Straßenverkehr mit den erforderlichen und angemessenen Mitteln aufzuklären habe (vgl. BVerwG, U.v. 27.9.1995 – 11 C 34.95 – juris Rn. 14).
Auch die allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Waffenrecht vom 5. März 2012 (WaffVwV) benennt als Beispiel für das Bekanntwerden von Tatsachen, die Bedenken gegen die persönliche Eignung im Sinn von § 6 WaffG begründen, die amtliche Feststellung einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,6‰ (Nr. 6.3 WaffVwV) und überträgt damit diese Erkenntnisse auf das Waffenrecht.
Vor diesem Hintergrund boten die Tatsachen – insbesondere die hohe BAK von 2,18‰ – hinreichenden Anlass zu Bedenken gegen die persönliche Eignung des Antragstellers. Diese Bedenken im Sinne des § 6 Abs. 2 WaffG hatten sich aber noch nicht soweit verdichtet, dass sie schon die Annahme gerechtfertigt hätten, der Antragsteller sei abhängig von Alkohol.
2.4 Im Falle des Widerrufs einer Waffenbesitzkarte ist es Sache der Behörde, die Tatsachen zu ermitteln, die Zweifel an der persönlichen Eignung rechtfertigen. Der Betroffene ist nur verpflichtet, mitzuwirken und ein zu Recht angeordnetes Gutachten beizubringen (vgl. zum Fahrerlaubnisrecht: BayVGH, B.v. 25.4.2016 – 11 CS 16.227 – juris Rn. 17).
Nach Art. 24 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG ermittelt die Behörde den Sachverhalt von Amts wegen (Untersuchungsgrundsatz). Ziel und Umfang der vorzunehmenden Ermittlungen einschließlich der Erhebung von Beweisen werden dabei durch die Rechtssätze bestimmt, welche die formellen und materiellen tatbestandlichen Voraussetzungen regeln, die erfüllt sein müssen. Die Beteiligten haben Mitwirkungsobliegenheiten (vgl. Art. 12 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Aufl. 2015, § 24 Rn. 12b).
In Abweichung vom ehemals geltenden Recht (vgl. § 5 Abs. 4 WaffG 1976) verpflichtet § 6 Abs. 2 WaffG den Beteiligten nicht mehr, der Erlaubnisbehörde ein amts- oder fachärztliches Zeugnis über seine Eignung zum Waffenbesitz vorzulegen. Damit wird der grundlegenden Bestimmung des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG entsprochen, wonach die Beteiligten bei der Ermittlung des Sachverhalts lediglich mitwirken sollen (Lehmann, Aktuelles Waffenrecht, Kommentar, Stand Nov. 2015, § 6 WaffG, Rn. 56, 57).
Legt der Betroffene das Gutachten vor und bestätigt dies die Eignungszweifel, d. h. haben sich die Bedenken zu Tatsachen im Sinne des § 6 Abs. 1 WaffG verdichtet, ist die waffenrechtliche Erlaubnis zu widerrufen. Bringt der Betroffene das rechtmäßig angeordnete Gutachten nicht bei, kann die Behörde nach § 4 Abs. 6 Satz 1 AWaffV vorgehen.
Der vom Antragsgegner herangezogene Beschluss des Senats vom 3. Juni 2013 (21 C 13.835 – juris) ist schon insoweit nicht vergleichbar, als es sich dort um ein Waffenbesitzverbot gehandelt hat, vor dessen Erlass die Behörde dem dortigen Kläger Gelegenheit zur Ausräumung der Eignungszweifel durch ein fachärztliches Gutachten eingeräumt hatte (§ 41 Abs. 1 Satz 2, § 6 Abs. 2 WaffG, § 4 Abs. 6 AWaffV).
Nach alldem hat die Behörde den Sachverhalt im Hinblick auf das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 WaffG vorliegend nicht im erforderlichen Umfang ermittelt. Ein Vorgehen nach § 6 Abs. 2 WaffG i. V. m. § 4 Abs. 6 AWaffV war der Behörde mangels Gutachtensbeibringungsanordnung verwehrt.
2.5 Der Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) gibt dem Gericht, das über die waffenrechtliche Eignung zu entscheiden hat, die Befugnis, vom Waffenbesitzer Untersuchungen und Begutachtungen zu verlangen. Allerdings dürfen im Anfechtungsprozess wegen des maßgeblichen Entscheidungszeitpunkts nur solche Tatsachen Berücksichtigung finden, die bereits bei Abschluss des Verwaltungsverfahrens vorlagen. Dementgegen dürfte im verwaltungsgerichtlichen Hauptsacheverfahren im vorliegenden Fall, dem bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens ausschließlich die beim Antragsteller festgestellten Blutalkoholkonzentrationen von 2,18‰ und 1,36‰ zugrunde lagen, eine die waffenrechtliche Eignung ausschließende Alkoholabhängigkeit nicht für den zurückliegenden Zeitpunkt des Bescheidserlasses festgestellt werden können. Ein darauf gerichtetes Gutachten, das im Regelfall auf einer medizinisch psychologischen Untersuchung beruht, könnte mit Blick auf die medizinischen und psychologischen Fragestellungen sowie dem Umstand, dass ein Mensch in seiner aktuellen Situation Gegenstand der Untersuchung ist, nach Lage der Dinge nur auf den Zeitpunkt der Begutachtung bezogen erstellt werden.
2.6 Es bleibt der Waffenbehörde unbenommen, vom Antragsteller mit entsprechender Fragestellung und Begründung die Beibringung eines amts- oder fachärztlichen oder fachpsychologischen Gutachtens zu verlangen. Der Antragsteller ist so lange zur Mitwirkung verpflichtet, bis die Frage der waffenrechtlichen persönlichen Eignung geklärt ist. Sollte sich der Antragsteller weigern, sich untersuchen zu lassen oder ein Gutachten beizubringen, darf die Behörde bei ihrer Entscheidung nach Maßgabe des § 4 Abs. 6 AWaffV auf die Nichteignung des Antragstellers schließen (BVerwG, U.v. 5.7.2001 – 3 C 13/01 – juris Rn. 26).
3. Nachdem die Beschwerde hinsichtlich des Widerrufs der waffenrechtlichen Erlaubnis begründet ist und die Klage des Antragstellers hinsichtlich der Widerrufsverfügung höchstwahrscheinlich Erfolg hat, gilt dies auch für die Verpflichtung zur Überlassung der Waffen sowie für die an die Rückgabe der Erlaubnis anknüpfende Zwangsgeldandrohung (Nrn. 2 und 3 des Bescheids).
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i. V. m. den Nummern 1.5 und 50.2 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, Anhang § 164, Rn. 14).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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