Verwaltungsrecht

Rückgabe des Staatsangehörigkeitsausweises – Zugehörigkeit zur Reichsbürgerbewegung

Aktenzeichen  B 1 K 18.471

Datum:
26.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 23947
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG § 5 Abs. 1 Nr. 2, § 45 Abs. 2 S. 1
SprengG § 8 Abs. 1 S. 1, § 18a Abs. 1 Nr. 2, § 34 Abs. 2
VwGO § 42 Abs. 1, § 80 Abs. 5
GG Art. 116
PStG § 26

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die erhobene Klage ist hinsichtlich der Anfechtung der Ziffer 8 des streitgegenständlichen Bescheids unzulässig, im Übrigen unbegründet.
I.
Die erhobene Klage gegen die Ziffer 8 des verfahrensgegenständlichen Bescheids ist unzulässig. Die Sofortvollzugsanordnung ist kein Verwaltungsakt im Sinne des Art. 35 S. 1 BayVwVfG, sondern eine verfahrensrechtliche Nebenentscheidung zum Hauptverwaltungsakt, die rechtliche Aussagen zum Zeitpunkt der Wirksamkeit des Verwaltungsaktes trifft. Rechtsschutz gegen die erfolgte Anordnung der sofortigen Vollziehung richtet sich daher ausschließlich nach § 80 Abs. 5 VwGO und ist nicht im Rahmen eines Klageverfahrens (§ 42 Abs. 1 VwGO) zu gewähren (vgl. hierzu Hoppe in Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Auflage 2019, § 80 Rn. 42 m.w.N; Schoch in Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, Stand: 36. EL Februar 2019, § 80 Rn. 199 m.w.N.).
II.
Im Übrigen hat die Klage in der Sache keinen Erfolg. Der Bescheid vom 20. April 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, vorliegend des Bescheiderlasses (vgl. BVerwG, U.v. 16.5.2007 – 6 C 24.06 – juris Rn. 35 m.w.N.).
1. Der in den Ziffern 1 bis 3 des streitgegenständlichen Bescheids erfolgte Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse des Klägers ist rechtmäßig. Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG hat die zuständige Behörde eine waffenrechtliche Erlaubnis, vorliegend die Waffenbesitzkarten nach § 10 Abs. 1 WaffG, zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Eine waffenrechtliche Erlaubnis ist unter anderem zu versagen, wenn eine Person nicht die erforderliche Zuverlässigkeit nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 Var. 1 WaffG i. V. m. § 5 WaffG besitzt. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, b und c WaffG besitzen Personen die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden werden (Buchst. a), mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden (Buchst. b) oder Waffen oder Munition Personen überlassen werden, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind (Buchst. c).
Zur Beurteilung der Frage, ob einer dieser absoluten Unzuverlässigkeitsgründe vorliegt, ist auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen eine Prognose zu erstellen und der allgemeine Zweck des Gesetzes zu berücksichtigen, beim Umgang mit Waffen und Munition die Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu wahren (§ 1 Abs. 1 WaffG). Die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, sind nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen. Dabei ist in Anbetracht des vorbeugenden Charakters der gesetzlichen Regelungen und der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter ausgehen, für die gerichtlich uneingeschränkt nachprüfbare Prognose nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich, sondern es genügt vielmehr eine hinreichende, auf der Lebenserfahrung beruhende Wahrscheinlichkeit, wobei ein Restrisiko nicht hingenommen werden muss (vgl. BayVGH, B.v. 22.12.2014 – 21 ZB 14.1512 – juris Rn. 12; B.v. 4.12.2013 – 21 CS 13.1969 – juris Rn. 14 mit Hinweis auf stRspr des BVerwG z.B. B.v. 31.1.2008 – 6 B 4/08 – juris, sowie B.v. 2.11.1994 – 1 B 215/93 – juris). Bloße Vermutungen reichen hingegen nicht.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der sich das Verwaltungsgericht anschließt, sind Personen, die der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zugehörig sind oder sich deren Ideologie als für sich verbindlich zu eigen gemacht haben, waffenrechtlich unzuverlässig (vgl. bspw. BayVGH, B.v. 16.1.2019 – 21 C 18.578 – juris Rn. 14 ff.; B.v. 10.1.2018 – 21 CS 17.1339 – juris Rn. 13; B.v. 5.10.2017 – 21 CS 17.1300 – juris Rn. 12 ff.).
Der Verfassungsschutzbericht 2018 des Bundes (S. 94) definiert „Reichsbürger“ als eine personell, organisatorisch und ideologisch äußerst heterogene Gruppe, der jedoch die fundamentale Ablehnung des Staates, seiner Repräsentanten sowie der gesamten Rechtsordnung gemein ist. Nach dem Verfassungsschutzbericht Bayern 2018 (S. 175 ff.; vgl. so auch Verfassungsschutzbericht Bayern 2019, S. 197 ff.) sind „Reichsbürger“ Gruppierungen und Einzelpersonen, die aus unterschiedlichen Motiven mit unterschiedlichen Begründungen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem ablehnen. Den Vertretern des Staates sprechen sie die Legitimation ab oder definieren sich gar in Gänze als außerhalb der Rechtsordnung stehend. Sie berufen sich in unterschiedlichster Form auf den Fortbestand des Deutschen Reiches. „Reichsbürger“ behaupten, Deutschland habe keine gültige Verfassung und sei damit als Staat nicht existent, oder das Grundgesetz habe mit der Wiedervereinigung seine Gültigkeit verloren. Daher fühlen sich „Reichsbürger“ auch nicht verpflichtet, den in der Bundesrepublik geltenden Gesetzen Folge zu leisten. Die „Reichsbürgerbewegung“ wird als sicherheitsgefährdende Bestrebung eingestuft. Die „Reichsbürgerideologie“ insgesamt ist geeignet, Personen in ein geschlossenes verschwörungstheoretisches Weltbild zu verstricken, in dem aus Staatsverdrossenheit Staatshass werden kann. Dies kann Grundlage für Radikalisierungsprozesse sein (Verfassungsschutzbericht Bayern 2018, S. 176 und Verfassungsschutzbericht Bayern 2019, S. 198).
Wer der Ideologie der „Reichsbürgerbewegung“ folgend die Existenz und Legitimation der Bundesrepublik Deutschland negiert und die auf dem Grundgesetz fußende Rechtsordnung generell nicht als für sich verbindlich anerkennt, gibt Anlass zu der Befürchtung, dass er auch die Regelungen des Waffengesetzes nicht strikt befolgen wird. Dies gilt für den Umgang mit Waffen ebenso wie für die Pflicht zur sicheren Waffenaufbewahrung, die Pflicht zur getrennten Aufbewahrung von Waffen und Munition, die Pflicht zu gewährleisten, dass andere Personen keinen Zugriff haben können, sowie die strikten Vorgaben zum Schießen mit Waffen im Besonderen (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a bis c WaffG). Ausgehend von dem Grundsatz, dass nur derjenige im Besitz von Waffen sein soll, der nach seinem Verhalten das Vertrauen darin verdient, dass er mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen wird (vgl. BVerwG, B.v. 26.3.1997 – 1 B 9/97 – juris), muss einer der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zuzuordnenden Person anknüpfend an die Tatsache, dass sie die waffenrechtlichen Normen gerade nicht als für sich verbindlich ansieht, die nach § 5 WaffG erforderliche Zuverlässigkeit abgesprochen werden (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 5.10.2017 – 21 CS 17.1300; OVG Lüneburg, B.v. 18.7.2017 – 11 ME 181/17; VG Minden, U.v. 29.11.2016 – 8 K 1965/16; VG Cottbus, U.v. 20.9.2016 – VG 3 K305/16; VG München, B.v. 8.6.2017 – M 7 S 17.933; einschränkend VG Gera, U.v. 16.9.2015 – 2 K 525/14 Ge – jeweils juris).
„Reichsbürger“ sind davon überzeugt, dass sie aus der Bundesrepublik Deutschland austreten können. Als ersten Schritt zu ihrem vermeintlichen Austritt betrachten sie häufig die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises unter Berufung auf das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz von 1913 (Verfassungsschutzbericht Bayern 2016, S. 184). Vom Staatsangehörigkeitsausweis erhofft sich dieser Personenkreis – rechtlich völlig unzutreffend – u.a. den „Ausstieg aus der Firma BRD“. Er wird zudem als Nachweis der „Rechtsstellung“ als Staatsangehöriger des vorgeblich fortbestehenden „Deutschen Reichs“ angesehen. Die Rückgabe amtlicher Ausweisdokumente an die Behörde und eine erklärte „Kündigung“ in diesem Zusammenhang legen „reichsbürgertypisch“ nahe, dass sich der Betreffende nicht als zur Bundesrepublik Deutschland zugehörig ansieht, sondern die Geltung der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland und damit auch die Regelungen des Waffengesetzes in Abrede stellt. Letztlich hat er sich damit als außerhalb der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland stehend definiert (vgl. Verfassungsschutzbericht Bayern 2018, S. 180 f.; Verfassungsschutzbericht Bayern 2019, S. 204 f.).
Die Kammer hat keine Zweifel daran, dass sich der Kläger die Ideologie der sogenannten „Reichsbürger“ als für sich verbindlich zu eigen gemacht hat. Das und damit die für den Kläger negative Prognose im Sinn des § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG stützen sich zum einen darauf, dass der Kläger durch die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises am 14. Juni 2016 unter Berufung auf das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz (RuStAG) in der Fassung von 1913 („Abstammung gemäß § 4 Abs. 1 RuStAG“) und unter der Angabe „Königreich Bayern“ als Geburts- und Wohnsitzstaat ein für „Reichsbürger“ typisches Verhalten gezeigt hat. Dieses „reichsbürgertypische“ Vokabular verwendete der Kläger auch bei seinem Antrag auf Wiedereinbürgerung nach Art. 116 Abs. 2 GG vom 8. März 2018, obwohl er bereits mit den Schreiben des Landratsamts vom 11. April 2017 und 8. Mai 2017 im Rahmen des Widerrufsverfahrens darauf hingewiesen wurde, dass aufgrund der getätigten Formulierungen der Verdacht der Zugehörigkeit zur „Reichsbürgerbewegung“ und damit der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit besteht. Der Kläger hat trotz seiner Beteuerung am 22. Mai 2017, dass er „Königreich Bayern“ im Antrag für den Staatsangehörigkeitsausweis aufgrund von Angaben aus dem Internet angegeben habe und dies verkehrt und ein Fehler gewesen sei, da er in der Bundesrepublik geboren worden sei und lebe, nochmals und bewusst bei einer offiziellen Antragstellung den Begriff „Königreich Bayern“ bei seinem Wohn- und Geburtsort angegeben. Der Kläger hat daher, obwohl er bereits Kenntnis davon hatte, dass die Verwendung der Phrase „Königreich Bayern“ ein Indiz für die Zugehörigkeit zur „Reichsbürgerbewegung“ ist, wiederholt und absichtlich diesen Wortlaut gewählt. Zum anderen beantragte der Kläger die Abänderung/Berichtigung seines Personenstandes nach § 26 Personenstandsgesetz aufgrund seiner durch den Staatsangehörigkeitsausweis festgestellten Staatsangehörigkeit. Bereits das Verlangen, dass der Familienname des Klägers fortan von den Behörden in Sperrschrift geschrieben wird, ist ein weiteres Indiz für die Zugehörigkeit zur „Reichsbürgerbewegung“ (vgl. Süddeutschen Zeitung, „Die wirre Welt der ‚Reichsbürger‘“, 20.10.2016, abrufbar unter: https://www.sueddeutsche.de/bayern/georgensgmuend-die-wirre-welt-der-reichsbuerger-1.3214590, Stand: 19.6.2020; VG Bayreuth, U.v. 28.5.2017 – B 1 K 17.334). Der Kläger hat auch beharrlich die Verwendung der Sperrschrift (Schreiben vom 11. April 2018 und vom 17. April 2018) verlangt. Die Verwendung der Begriffe „Forderungsempfänger“ und „Der Unterzeichner ersucht aus diesem Grund um Abhilfe seines Rechtemangels […].“ und der generell unterschiedliche Stil und Sprachduktus in den Schreiben vom 11. April 2018 und 17. April 2018 stellen ebenfalls Indizien auf die Zugehörigkeit zur „Reichsbürgerbewegung“ dar (vgl. Caspar/Neubauer, LKV 2012, S. 532). All diese Tatsachen sprechen für eine Zugehörigkeit des Klägers zur „Reichsbürgerbewegung“.
Der Antragsteller konnte sich auch nicht hinreichend von der „Reichsbürgerszene“ distanzieren. Wie dargestellt sind „Reichsbürger“ eine organisatorisch und ideologisch äußerst heterogene Gruppe. Es ist daher nicht erforderlich, dass für eine Einordnung zur „Reichsbürgerbewegung“ alle Indizien, die auf einen „Reichsbürger“ hindeuten würden, erfüllt sein müssen. Die „Loyalitätserklärung“ sowie der Vortrag des Klägers, dass er immer seine Steuern und Gebühren bezahlt habe, in diversen Vereinen tätig sei und einen Reisepass/Personalausweis besitze bzw. beantragt habe, genügen für sich allein nicht, um sich hinreichend von der „Reichsbürgerbewegung“ zu distanzieren. Vielmehr konnte der Kläger in den wesentlichen Punkten nicht von der „Reichsbürgerbewegung“ Abstand nehmen. So gab er als Hauptgrund für die Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises im Rahmen des Widerrufsverfahrens an, dass er aus nostalgischen und traditionellen Gründen einen Staatsangehörigkeitsausweis beantragt habe. Die Idee hierzu sei ihm gekommen, als er von einem Arbeitskollegen (einem Kriegsflüchtling) davon erfahren habe. In der mündlichen Verhandlung nannte der Kläger die gleichen Motive. Was genau der Kläger als seine nostalgischen und traditionellen Gründe erachtete und warum er, obwohl er gerade kein Kriegsflüchtling wie sein Arbeitskollege ist, die Notwendigkeit eines Staatsangehörigkeitsausweises für sich sah, ließ er offen. Auch die Beantragung von Staatsangehörigkeitsausweisen für ein eventuelles Auslandsstudium seiner Kinder, obwohl diese noch jung waren und nie den Wunsch eines Auslandsstudiums geäußert hatten, ist nicht plausibel. Auf die Frage, warum er „Königreich Bayern“ als Wohn- und Geburtsort angab, verwies der Kläger im gerichtlichen und verwaltungsrechtlichen Verfahren auf eine Anleitung aus dem Internet. An die Internetseite könne er sich nicht mehr genau erinnern. Auf Rückfrage des Gerichts, warum er als seinen Wohnort und seinen Geburtsort „Königreich Bayern“ angab und hierfür eine Anleitung gebraucht hat, wich der Kläger der Frage aus und monierte stattdessen, dass die Behörde ihn bei der Abgabe des Antrags nicht auf die fehlerhaften Angaben hingewiesen habe. Das selbe ausweichende Verhalten zeigte der Kläger, als das Gericht seine Gründe für die Eintragung „Königreich Bayern“ in seinem Antrag nach Art. 116 Abs. 2 GG ansprach. Eine Antwort darauf, warum er nochmals und trotz mehrmaliger Belehrungen das „reichsbürgertypische“ Vokabular verwendete, blieb er schuldig. Er erklärte lediglich, dass er den Antrag nach Art. 116 Abs. 2 GG stellte, um nicht als „Reichsbürger“ zu gelten und zur Entnazifizierung. Der Kläger hat jedoch nicht dargelegt, wie er sich durch einen Antrag auf Wiedereinbürgerung, bei dem er die ihm bekannten „reichsbürgertypischen“ Formulierungen verwendete, vom Verdacht der Zugehörigkeit zur „Reichsbürgerbewegung“ befreien wollte. Insbesondere unter dem Aspekt, dass der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland geboren wurde und seine deutsche Staatsangehörigkeit nie verloren hat, ist die Beantragung einer Einbürgerungsurkunde zur Distanzierung von der „Reichsbürgerbewegung“ nicht nachvollziehbar. Warum ihm eine Einbürgerungsurkunde weiterhelfen sollte, legte der Kläger nicht dar. Auch weshalb der Kläger es erforderlich erachtete, sich zu entnazifizieren, wurde nicht schlüssig erklärt. Der Kläger konnte auch seine Motivlage für die Beantragung der Änderung seiner Personenstandsdaten nach § 26 Personenstandsgesetz nicht nachvollziehbar darlegen. Dass er hierdurch lediglich darauf hinweisen wollte, dass im Staatsangehörigkeitsausweis sein Nachname in Sperrschrift geschrieben wird, in Schreiben des Landratsamts hingegen nicht, erklärt nicht die Beharrlichkeit des Klägers, dass sein Nachname nur noch in Sperrschrift geschrieben wird und warum er angenommen hat, dass er einen neuen – nicht in Sperrschrift geschriebenen – Familiennamen erhalten hat (Schreiben vom 17. April 2018). Eine stimmige Erklärung für die Formulierungen („Forderungsempfänger“, „Rechtemangel“) in seinem Schreiben an das Landratsamt vom 11. April 2018 gab der Kläger ebenso wenig ab. Als Hauptbeweggrund, warum der Kläger einen Antrag nach Art. 116 Abs. 2 GG und § 26 Personenstandsgesetz gestellt hat, gab er in der mündlichen Verhandlung an, dass er diese Ideen aus dem Internet hatte. Warum der Kläger, obwohl er selbst schriftlich am 22. Mai 2017 gegenüber dem Landratsamt eingeräumt hatte, dass die Anleitung aus dem Internet („Königreich Bayern“) falsch sei, sich wiederholt und wider besseren Wissens auf den Inhalt von Internetseiten, die einen „rechtsbürgerbezogenen“ Inhalt gehabt haben müssen, verlassen hat und den Inhalt im laufenden Widerrufsverfahren zur Vermeidung weiterer Fehler nicht kritisch hinterfragt hat, wurde ebenso wenig vom ihm aufgeklärt. Eine hinreichende Distanzierung von der „Reichsbürgerbewegung“ fand daher nicht statt.
Der Umstand, dass der Kläger seinen Staatsangehörigkeitsausweis am 17. Januar 2019 zurückgegeben hat, kann für die Beurteilung der Distanzierung von der „Reichsbürgerbewegung“ nicht herangezogen werden, da der maßgebliche Zeitpunkt für die gerichtliche Entscheidung der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung ist. Selbiges gilt für die Ausführungen des Bevollmächtigten des Klägers dazu, dass die Angaben des Klägers in seinen Anträgen aufgrund rechtshistorischer Gründe richtig gewesen seien. Aus dem Vorbringen des Klägers im Widerrufsverfahren, dass er mittlerweile wisse, dass seine Angaben verkehrt und ein Fehler gewesen seien (Schreiben vom 22. Mai 2017), lässt sich gerade darauf schließen, dass die von seinem Bevollmächtigten im Rahmen der mündlichen Verhandlung gemachten Ausführungen für den Kläger im Zeitpunkt der Stellung der verschiedenen Anträge unter Verwendung „reichsbürgertypischen“ Vokabulars nicht maßgeblich bzw. sogar unbekannt waren.
Insgesamt zeichnet sich der Vortrag des Klägers zu seinen Beweggründen der Stellung diverser Anträge unter der wiederholten und bewussten Verwendung „reichsbürgertypischer“ Formulierungen durch seine Detailarmut und Unschlüssigkeit aus. Der Kläger konnte wie oben dargestellt nicht nachvollziehbar darlegen, dass er gerade nicht der „Reichsbürgerbewegung“ angehört. Kritischen Fragen im Rahmen der mündlichen Verhandlung wich er aus oder beantwortete sie gar nicht. Es ist daher davon auszugehen, dass es sich bei den Loyalitätsbekundungen (Schreiben vom 22. Mai 2017, Gesprächsnotiz vom 26. Juni 2017) des Klägers um bloße Schutzbehauptungen handelte. Dass der Kläger vermehrt – und nach behördlichen Belehrungen – „reichsbürgertypische“ Formulierungen verwendete und auf Internetseiten unterwegs gewesen ist, die eindeutig einen rechtsbürgertypischen Inhalt hatten und ihm die Ideen für die Stellung von Anträgen nach Art. 116 Abs. 2 GG und § 26 Personenstandsgesetz gegeben haben, zeigt, dass der Kläger sich mit dem Gedankengut der „Reichsbürgerbewegung“ im Zeitpunkt des Bescheiderlasses intensiv auseinandergesetzt hat. Sein damaliges Handeln, wissentlich und wiederholt die „reichsbürgertypischen“ Formulierungen zu verwenden und beharrlich auf die Anerkennung seines Nachnamens in Sperrschrift zu bestehen, lassen darauf schließen, dass der Kläger sich im Jahr 2018 nicht nur mit der „Reichsbürgerbewegung“ beschäftigt hat, sondern sich das Gedankengut der „Reichsbürgerbewegung“ als für sich überzeugend übernommen und danach gehandelt hat. Er hat dadurch mehrfach und über einen längeren Zeitraum (14. Juni 2016 bis zum Bescheiderlass am 20. April 2018) hinweg erklärt, dass für ihn die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland keine Gültigkeit beanspruchen.
2. Der nach § 34 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 27 Abs. 3 Nr. 1, § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 8 a Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, b und c SprengG erfolgte Widerruf der dem Kläger erteilten sprengstoffrechtlichen Erlaubnis ist nicht zu beanstanden. Für den Umgang mit explosionsgefährlichen Stoffen im Sinne des Sprengstoffgesetzes gelten die gleichen Grundsätze der Zuverlässigkeit wie für die waffenrechtliche Zuverlässigkeit (vgl. BayVGH, B.v. 12.12.2017 – 21 CS 17.1332 – juris Rn. 13). Bezüglich der Zuverlässigkeitsprüfung wird auf obige Ausführungen verwiesen.
3. Die begleitenden Anordnungen in den Ziffern 5 bis 7 erweisen sich ebenfalls als rechtmäßig. Die Aufforderung, die in den Waffenbesitzkarten eingetragenen Waffen innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung des Bescheids einem Berechtigten zu überlassen oder unbrauchbar zu machen und dies dem Landratsamt nachzuweisen (Ziffer 5), basiert auf § 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG. Die Verpflichtung hinsichtlich der Abgabe und oder Vernichtung der sich noch in Besitz des Klägers befindlichen Munition und explosionsgefährlichen Stoffe binnen eines Monats (Ziffer 6) beruht auf § 32 Abs. 5 Satz 1 SprengG. Die Rückforderung der Waffenbesitzkarten folgt aus § 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG. Die Anordnung zur Rückgabe der sprengstoffrechtlichen Erlaubnis stellt eine Annexentscheidung zum Widerruf dar und hat ihre Rechtsgrundlage in Art. 52 Satz 1 BayVwVfG i. V. m. § 27 SprengG.
4. Die Zwangsgeldandrohungen in den Ziffern 9 bis 11 wurden auf der Grundlage der Art. 18 Abs. 1, 19 Abs. 1 Nr. 3, 29, 30, 31, 36 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG) erlassen. Die Erfüllungsfrist (Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG) von jeweils einem Monat ist ausreichend bemessen, um den verschiedenen Abgabeverpflichtungen und der Erbringung von Nachweisen nachzukommen. Die jeweils angedrohten Zwangsgelder befinden sich im unteren Rahmen, den Art. 31 Abs. 1 Satz 1 VwZVG vorgibt.
5. Schließlich begegnet die Kostenfestsetzung in den Ziffern 12 und 13 des Bescheids keinen rechtlichen Bedenken. Die Gebührenfestsetzung bewegt sich innerhalb des der Behörde vorgegebenen Rahmens (vgl. Tarif-Stellen 39 und 40 der Lfd. Nr. 2.II.7, 1.18 und 1.13 der Lfd. Nr. 7.I.3 des Kostenverzeichnisses und § 6 Abs. 1 Satz 2 KG). Das Landratsamt hat die Höhe der einzelnen Positionen ausführlich und nachvollziehbar begründet.
III.
Der Kläger trägt als unterliegender Beteiligter die Kosten des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 1 VwGO.
IV.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung basiert auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11 Zivilprozessordnung (ZPO). Der Einräumung einer Abwendungsbefugnis bedurfte es angesichts der – wenn überhaupt anfallenden – jedenfalls geringen, vorläufig vollstreckbaren Aufwendungen des Beklagten nicht, zumal dieser auch die Rückzahlung garantieren kann, sollte in der Sache eine Entscheidung mit anderer Kostentragungspflicht ergehen.


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