Verwaltungsrecht

Rückkehr eines Säuglings mit Bruder und alleinstehender Mutter nach Algerien

Aktenzeichen  W 8 K 20.31016

Datum:
11.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 2887
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3, § 4, § 14a Abs. 2
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
EMRK Art. 3

 

Leitsatz

1. Der minderjährigen Klägerin droht zusammen mit ihrer Mutter und ihrem Bruder bei einer Rückkehr nach Algerien schon deshalb keine Verfolgung bzw. ernsthafte Gefahr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit seitens Dritter (ihrer Verwandten), weil sie insoweit zum einen gehalten sind, sich an die staatlichen Stellen zu wenden, um um Schutz nachzusuchen, und weil zum anderen für sie eine zumutbare inländische Flucht- bzw. Aufenthaltsalternative besteht. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Auch wenn absoluter Schutz naturgemäß nicht gewährleistet werden kann, ist nicht auszuschließen, dass bei gewalttätigen Übergriffen nicht doch die Polizei schutzwillig und schutzfähig wäre. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
3. Aufgrund des mangelhaften Meldewesens in Algerien ist ein Verstecken in der Anonymität der Großstadt möglich. In Algerien besteht im Grundsatz Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit, die lediglich in den südlichen Bezirken eingeschränkt ist. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Mutter der Klägerin ist gehalten, die in Algerien gebotenen Hilfemöglichkeiten (in Frauenhäusern, Frauenorganisationen und NGOs) soweit möglich wahrzunehmen und ggf. schon von Deutschland aus Kontakt zu den betreffenden Stellen oder NGOs aufzunehmen, um Hilfe und Unterstützung in Algerien schon direkt nach ihrer Rückkehr erlangen zu können. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
5. Auch wenn die Lebensverhältnisse alleinerziehender Frauen ohne familiäres Netzwerk in Algerien schwierig sind, ist ihnen eine Existenzsicherung möglich und zumutbar. Die Annahme einer extremen Gefährdungslage ist nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit gegeben, zumal es bei einer (freiwilligen) Rückkehr Möglichkeiten finanzieller und anderer Hilfen gibt. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
6. Die weltweite Covid-19-Pandemie begründet kein Abschiebungshindernis, weil nach den aktuellen Fallzahlen in Algerien keine hohe Gefahr der Ansteckung oder gar eines schweren oder lebensbedrohlichen Verlaufs besteht. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die Klage, über die entschieden werden, obwohl nicht alle Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erschienen sind (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig, aber unbegründet.
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 25. August 2020 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG sowie auf Anerkennung als Asylberechtigte nach Art. 16a Abs. 1 GG. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG sowie für die Feststellung von Abschiebungsverboten nach des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor. Die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sowie die Anordnung und Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots sind ebenfalls nicht zu beanstanden (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). Das Gericht folgt im Ergebnis sowie in der wesentlichen Begründung dem angefochtenen Bescheid und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend wird auf das allen Beteiligten bekannte Urteil betreffend die Mutter der Klägerin (VG Würzburg, U.v. 28.9.2020 – W 8 K 20.30307 – juris) verwiesen, in dem die Klage der Mutter der Klägerin gegen ihren Asylbescheid abgewiesen worden ist und unter anderem ausgeführt ist, dass der Mutter der Klägerin als alleinstehende Frau eine Rückkehr nach Algerien zusammen mit ihren Kindern – ausdrücklich unter Einbezug der Klägerin – zumutbar ist, ohne dass rechtliche Hinderungsgründe entgegenstehen.
Das Gericht kommt aufgrund der zum Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens gemachten Erkenntnismittel – ebenso wie das Bundesamt im angefochtenen Bescheid – zu dem Ergebnis, dass der Klägerin bei einer Rückkehr nach Algerien keine politische Verfolgung oder sonst eine ernsthafte Gefahr, insbesondere auch eine Leib- oder Lebensgefahr, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht (vgl. auch BayVGH, B.v. 29.10.2018 – 15 ZB 18.32711 – juris; B.v.14.8.2018 – 15 ZB 18.31693 – juris).
Ein Ausländer darf gemäß § 3 ff. AsylG nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Verfolgungshandlungen müssen an diese Gründe anknüpfend mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (siehe zum einheitlichen Wahrscheinlichkeitsmaßstab BVerwG, U.v. 1.6.2011 – 10 C 25/10 – BVerwGE 140, 22; U.v. 27.4.2010 – 10 C 5/09 – BVerwGE 136, 377). Eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit liegt dann vor, wenn die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Maßgebend ist letztlich, ob es zumutbar erscheint, dass der Ausländer in sein Heimatland zurückkehrt (BVerwG, U.v. 3.11.1992 – 9 C 21/92 – BVerwGE 91, 150; U.v. 5.11.1991 – 9 C 118/90 – BVerwGE 89, 162). Über das Vorliegen einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit gegebenen Gefahr politischer Verfolgung entscheidet eine wertende Gesamtbetrachtung aller möglichen verfolgungsauslösenden Gesichtspunkte, wobei in die Gesamtschau alle Verfolgungsumstände einzubeziehen sind, unabhängig davon, ob diese schon im Verfolgerstaat bestanden oder erst in Deutschland entstanden und von dem Ausländer selbst geschaffen wurden oder ob ein Kausalzusammenhang zwischen dem nach der Flucht eingetretenen Verfolgungsgrund und entsprechend den schon in dem Heimatland bestehenden Umständen gegeben ist (BVerwG, U.v. 18.2.1992 – 9 C 59/91 – Buchholz 402.25, § 7 AsylVfG Nr. 1).
Aufgrund seiner prozessualen Mitwirkungspflicht hat ein Kläger (oder eine Klägerin) seine (ihre) Gründe für seine politische Verfolgung schlüssig und vollständig vorzutragen (§ 25 Abs. 1 und 2 AsylG, § 86 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz VwGO). Er muss unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich – als wahr unterstellt – bei verständiger Würdigung die behauptete Verfolgung ergibt. Bei den in die eigene Sphäre des Klägers fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen, muss er eine Schilderung abgeben, die geeignet ist, den Abschiebungsschutz lückenlos zu tragen. Unauflösbare Widersprüche und erhebliche Steigerungen des Vorbringens sind hiermit nicht vereinbar und können dazu führen, dass dem Vortrag im Ganzen nicht geglaubt werden kann. Bleibt ein Kläger hinsichtlich seiner eigenen Erlebnisse konkrete Angaben schuldig, so ist das Gericht nicht verpflichtet, insofern eigene Nachforschungen durch weitere Fragen anzustellen. Das Gericht hat sich für seine Entscheidung die volle Überzeugung von der Wahrheit, nicht bloß von der Wahrscheinlichkeit zu verschaffen (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 106.84 – BVerwGE 71, 180).
Der Klägerin ist es nicht gelungen, die für ihre Ansprüche relevanten Gründe in der dargelegten Art und Weise geltend zu machen. Unter Zugrundelegung der Angaben der Klägerin bzw. ihrer Mutter – die bis zur mündlichen Verhandlung trotz Aufforderung unter Fristsetzung nach § 87b Abs. 3 VwGO keine Klagebegründung abgegeben hatte – ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass eine begründete Gefahr politischer Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit besteht oder sonst eine ernsthafte Gefahr, insbesondere eine Leib- oder Lebensgefahr, droht.
Das Bundesamt hat im streitgegenständlichen Bescheid schon zutreffend ausgeführt: Alleinstehende Mütter seien in Großstädten, insbesondere in Algier und Oran in geringerem Ausmaß von Stigmatisierung betroffen. Am Ort des internen Schutzes sei das Existenzminium gewährleistet. Es sei nicht erkennbar, dass der Großvater der Klägerin diese ohne Weiteres auffinden könnte, wenn sie den ursprünglichen Heimatort der Mutter meide. Es sei auch nicht ersichtlich, dass die Familienmitglieder überhaupt mitbekommen müssten, dass sich die Klägerin bzw. ihre Mutter in Algerien aufhielten. Somit bestünde eine inländische Fluchtalternative. Es gebe in der Hauptstadt Algier ein von einer Organisation betriebenes Haus, das mit einem Frauenhaus vergleichbar sei. Außerdem gebe es zwei staatliche Frauenhäuser. Zudem setzten sich zahlreiche NGOs für die Rechte der Frauen ein. Es erscheine zumutbar, den Lebensunterhalt durch einfache und gegebenenfalls befristete Tätigkeiten zu sichern. Es sei nicht ersichtlich, dass die Beschränkungen wegen der Corona-Pandemie dauerhaft bestehen blieben, so dass es der Mutter der Klägerin im öffentlichen Leben möglich sein werde, einer Arbeit nachzugehen. Die Mutter sei jung, gesund und erwerbsfähig. Sie könnte auch von ihrer Schwester Unterstützung erhalten. Im Übrigen werde sie auf mögliche Rückkehr- und Starthilfen für freiwillige Rückkehrer verwiesen. Es sei nicht ersichtlich, dass die Klägerin im Falle einer Rückkehr durch den Corona-Virus mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahr ausgesetzt wäre. Sie zähle nicht zum gefährdeten Personenkreis. Minderjährige Kinder würden nicht getrennt von ihren Eltern abgeschoben.
Die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid decken sich mit der bestehenden Erkenntnislage, insbesondere mit dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes (Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Volksrepublik Algerien vom 11.7.2020, Stand: Juni 2020; vgl. ebenso BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Algerien vom 26.6.2020; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Länderreport 11, Algerien, Marokko, Tunesien, Menschenrechtslage, im Focus: vulnerable Personen, Stand: 6/2019; Länderreport 3, Algerien, November 2018) und mit der Rechtsprechung der Kammer (vgl. etwa VG Würzburg, U.v. 21.12.2020 – W 8 K 20.30845; U.v. 28.9.2020 – W 8 K 20.30307 – juris sowie U.v. 28.9.2020 – W 8 K 19.32130; B.v. 22.9.2020 – W 8 S 20.31066 – juris; U.v. 24.8.2020 – W 8 K 20.30714 – juris; B.v. 13.8.2020 – W 8 S 20.30940; B.v. 6.8.2020 – W 8 S 20.30912 – juris; jeweils m.w.N.).
Ergänzend ist anzumerken, dass das Vorbringen der Klägerseite, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, nicht zu einer anderen Beurteilung führt. Im Einzelnen wird auf die betreffenden Ausführungen im Urteil zur Mutter der Klägerin Bezug genommen (VG Würzburg, U.v. 28.9.2020 – W 8 K 20.30307 – juris Rn. 26 f., UA S. 9). Dort ist unter anderem auch schon auf Ungereimtheiten im Vorbringen der Mutter verwiesen, etwa zur Frage, ob sie religiös verheiratet sei. Eine Hochzeit stritt die Mutter der Klägerin auch in der mündlichen Verhandlung am 11. Januar 2021 ab, obwohl sie bei ihren eigenen Anhörungen wiederholt angegeben hatte, religiös verheiratet zu sein.
Zweifelhaft ist des Weiteren die – gesteigerte – Angabe, mit der die Mutter der Klägerin nun den Eindruck erwecken will, sie sei geflohen, weil ihr Bruder ihr mit dem Tod gedroht habe bzw. dass dieser sie nunmehr bei einer Rückkehr mit dem Tod bedrohe. Denn in ihrem eigenen Verfahren hatte die Mutter angeben, sie werde durch ihren eigenen Vater bedroht, der auch einen entsprechenden „Haftbefehl“ gegen sie erwirkt habe. Der Bruder der Mutter sei nur vom Vater der Mutter (also vom Großvater der Klägerin) dazu gezwungen worden, deren Hände festzuhalten, als der Großvater sie an den Armen verbrannt habe. Auch im vorliegenden Verfahren hatte die Mutter der Klägerin im Schreiben an das Bundesamt vom 20. August 2020 (Bl. 51 der Bundesamtsakte) lediglich auf die Bedrohung durch ihren Vater (den Großvater der Klägerin) verwiesen.
Weitere Zweifel ergeben sich aus der Tatsache, dass die Mutter der Klägerin erstmalig in der jetzigen mündlichen Verhandlung vorgebracht habe, sie sei vom Vater ihres Sohnes quasi zur Prostitution gezwungen worden, um Geld auch für den Drogenkonsum zu beschaffen. Außerdem hat sie erstmals jetzt in der mündlichen Verhandlung erwähnt, dass der Vater ihres Sohnes (des Bruders der Klägerin) in dessen Beisein ihr gegenüber sehr aggressiv gewesen sei, sodass ihr Sohn nun verhaltensauffällig sei, wie auch die erst in der mündlichen Verhandlung – nach Ablauf der nach § 87b Abs. 3 VwGO gesetzten Frist – vorgelegte ärztliche Bescheinigung vom 30. September 2020 belegt. Zum ärztlichen Attest ist anzumerken, dass dieses im Wesentlichen wohl einfach die Aussagen der Mutter übernommen hat, ohne diese zu hinterfragen. In dem Attest ist darüber hinaus nur diagnostiziert: Sprachentwicklungsstörung sowie Verdacht auf Entwicklungsverzögerung, jedoch nicht, wie in der mündlichen Verhandlung von der Klägerbevollmächtigten zusätzlich erwähnt, eine Bindungsstörung. Insgesamt bleiben erhebliche Zweifel an der Glaubhaftigkeit des Vorbringens der Mutter der Klägerin, auch wenn das Gericht nicht verkennt, dass der Bruder der Klägerin in den beiden mündlichen Verhandlungen jeweils einen recht lebhaften und unruhigen Eindruck hinterlassen hat.
In dem zitierten Urteil zur Mutter (VG Würzburg, U.v. 28.9.2020 – W 8 K 20.30307 – juris Rn. 28, UA S. 10) hat das Gericht schon weiter ausgeführt, dass es in Algerien zwar nicht völlig auszuschließen ist, dass es zu Ehrenmorden kommen mag, dass dies aber nicht beachtlich wahrscheinlich ist. Konkret heißt es dort:
„Des Weiteren sprechen die zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Auskünfte gegen eine beachtliche wahrscheinliche Verfolgungsgefahr. Zwar ist es in Algerien möglich, dass es zu Ehrenmorden kommen kann, insbesondere im ländlichen Bereich und insbesondere gegenüber Frauen (vgl. BAA, Bundesasylamt der Republik Österreich, Bericht zur Fact Finding Mission, Algerien 2012 mit den Schwerpunkten Menschenrechtsfragen und rückkehrrelevante Themen, Februar 2013, S. 11 f.). Tatsächlich würden sich gesellschaftliche Reaktionen primär gegen Frauen richten, die außereheliche Beziehungen eingingen. Da die Familie ihr Gesicht verlieren würde, würde die Frau verstoßen (ACCORD, Anfragebeantwortung zu Algerien: Strafbarkeit vom vorehelichen Geschlechtsverkehr; Gilt in solchen Fällen die Scharia oder ist dies im Strafgesetzbuch gereg…, vom 29.7.2014). Die meisten Berichte im Kontext von Ehrenmorden bezögen sich auf weibliche Opfer (ACCORD, Anfragebeantwortung: Männliche Opfer von Gewalttaten wegen außerehelicher Beziehungen, vom 22.8.2007; vgl. auch schon VG Würzburg, U.v. 24.8.2020 – W 8 K 20.30714 – juris; U.v. 5.11.2018 – W 8 K 18.31898 – juris; U.v. 23.5.2018 – W 8 K 18.30250 – juris). Insgesamt erachtet es das Gericht danach zwar als möglich, dass es in Algerien zu Ehrenmorden kommen kann, aber als nicht beachtlich wahrscheinlich.“
Daran hält das Gericht fest. Ergänzend hierzu kann auf weitere – gleichlaufende – Entscheidungen der 8. Kammer verwiesen werden (vgl. VG Würzburg, U.v. 28.9.2020 – W 8 K 19.32130 und B.v. 14.1.2020 – W 8 S 20.30008 – juris).
Jedenfalls droht der Klägerin zusammen mit ihrer Mutter und ihrem Bruder bei einer eventuellen Rückkehr nach Algerien schon deshalb keine Verfolgung bzw. ernsthafte Gefahr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit seitens Dritter – konkret seitens ihrer Verwandten in Algerien bzw. des Vaters ihres Bruders -, weil sie insoweit zum einen gehalten sind, sich an die staatlichen Stellen zu wenden, um um Schutz nachzusuchen, und weil zum anderen für sie eine zumutbare inländische Flucht- bzw. Aufenthaltsalternative besteht (vgl. § 3e, § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG). Für die Klägerin, ihrer Mutter und ihrem Bruder besteht in Algerien eine zumutbare inländische Aufenthaltsalternative, wenn sie sich in einen anderen Teil des Landes, insbesondere in einer anderen Großstadt Algeriens niederlassen (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der demokratischen Volksrepublik Algerien vom 11.7.2020, Stand: Juni 2020, S. 18). Die Klägerin, ihre Mutter und ihr Bruder müssen sich auf interne Schutzmöglichkeiten in ihrem Herkunftsland verweisen lassen. Das Auswärtige Amt sieht selbst für den Fall der Bedrohung durch islamistische Terroristen in den größeren Städten Algeriens ein wirksames (wenngleich nicht vollkommenes) Mittel, um einer Verfolgung zu entgehen. Es ist nicht erkennbar, dass die Verwandten der Klägerin bzw. der Vater ihres Bruders, die Klägerin und ihre Mutter sowie ihren Bruder ohne weiteres auffinden können sollten, wenn sie ihren ursprünglichen Heimatort meiden und in andere Großstädte gehen. Angesichts der Größe Algeriens und der Größe der dortigen Städte hält es das Gericht nicht für beachtlich wahrscheinlich, dass die Klägerin mit ihrer Mutter und ihrem Bruder fürchten müssten, von ihren Verwandten entdeckt und gefährdet zu werden. Darüber hinaus ist nicht auszuschließen, dass bei gewalttätigen Übergriffen nicht doch die Polizei schutzwillig und schutzfähig wäre, wenn auch ein absoluter Schutz naturgemäß nicht gewährleistet werden kann (vgl. VG Minden, B.v. 30.8.2019 – 10 L 370/19.A – juris; U.v. 28.3.2017 – 10 K 883/16.A – juris; U.v. 22.8.2016 – 10 K 821/16.A – juris; VG Magdeburg, U.v. 6.12.2018 – 8 A 206/18 – juris; BayVGH, B.v. 29.10.2018 – 15 ZB 18.32711 – juris; VG Köln, B.v. 24.8.2016 – 3 L 1612/16.A – juris; SaarlOVG, B.v. 4.2.2016 – 2 A 48/15 – juris).
Ergänzend wird noch angemerkt, dass aufgrund des jedenfalls mangelhaften Meldewesens in Algerien ein Verstecken in der Anonymität einer Großstadt möglich ist. Denn im Grundsatz besteht in Algerien Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit, welche durch die Regierung lediglich in südlichen Bezirken eingeschränkt ist. Auch die möglicherweise bestehenden Beschränkungen infolge der COVID-19-Pandemie stellen keine Hinderungsgründe dar. Das Gericht ist vielmehr überzeugt, dass die Klägerin mit ihrer Mutter und ihrem Bruder sicher und legal einen anderen Landesteil oder eine andere algerische Großstadt erreichen und sich dort niederlassen könnte (vgl. VG Würzburg, U.v. 21.12.2020 – W 8 K 20.30845; U.v. 28.9.2020 – W 8 K 20.30307 – juris; U.v. 24.7.2020 – W 8 K 20.30188).
Des Weiteren haben die Klägerin und ihre Mutter nicht konkretisiert, inwiefern ihre Verwandten bzw. der Vater ihres Bruders überhaupt von ihrer Rückkehr erfahren und sie ausfindig machen könnten. Das Gericht hält eine Festnahme am Flughafen angesichts des angeblichen „Haftbefehls“ gegenüber ihrer Mutter, welche eher eine Vermisstenanzeige darstellt, als nicht beachtlich wahrscheinlich (vgl. dazu schon VG Würzburg, U.v. 28.9.2020 – W 8 K 20.30307 – juris Rn. 27 u. 30, UA S. 9 u. 11). Weiter hat das Gericht nach den vorliegenden Erkenntnissen keine Anhaltspunkte, dass die Mutter der Klägerin als alleinstehende Frau sonst im Falle einer Kontrolle durch die Polizei ohne oder gegen ihren Willen zu ihrer Familie zurückgebracht würde. Die Klägerseite hat für diese Behauptung auch keine Belege genannt. Die Vermutung bzw. die theoretische Möglichkeit, dass die Klägerin bzw. ihre Mutter und ihr Bruder gleichwohl entdeckt werden könnten, reicht nicht aus, zumal sich die Mutter der Klägerin schon über fünf Jahre außerhalb des Landes aufhält. Weiter sind alleinstehende Mütter in Algerien in Großstädten in geringerem Ausmaß von Stigmatisierung betroffen. Auch für diese gibt es bei einer unehelichen Beziehung einen zumutbaren Ausweg innerhalb Algeriens (vgl. auch ACCORD, Anfragebeantwortung zu Algerien: Strafbarkeit von vorehelichem Geschlechtsverkehr, vom 29.7.2014; vgl. dazu auch schon VG Würzburg, U.v. 28.9.20020 – W 8 K 20.30307 – juris sowie U.v, 28.9.2020 – W 8 K 19.32130; U.v. 24.8.2020 – W 8 K 20.30714 – juris; B.v. 14.1.2020 – W 8 S 20.30008 – juris; VG Würzburg, U.v. 5.11.2018 – W 8 K 18.31898 – juris).
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat des Weiteren darauf hingewiesen, dass es in der Hauptstadt Algier ein von der Organisation S.O.S. Femmes en Détresse betriebenes Haus gebe, das mit einem Frauenhaus vergleichbar sei. Die Regierung führe zwei Frauenhäuser und drei weitere sollen im Bau sein. In den zwei staatlichen Frauenhäusern würden jährlich ca. 220 Frauen unterstützt. Zudem gebe es ein von einer Frauenorganisation organisiertes „Call-Center“ sowie zahlreiche NGOs, die Frauen mit ihren Kindern betreuten und ihnen Orientierungshilfe gäben (vgl. auch BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Algerien vom 26.6.2020, S. 23; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Länder-Report 11, Algerien, Marokko, Tunesien, Menschenrechtslage – im Focus: Vulnerable Personen, Stand: 6/2019 sowie VG Würzburg, U.v. 28.9.20020 – W 8 K 20.30307 – juris sowie U.v, 28.9.2020 – W 8 K 19.32130; B.v. 14.1.2020 – W 8 S 20.30008 – juris). Die Mutter der Klägerin ist gehalten, die in Algerien gebotenen Hilfemöglichkeiten soweit möglich wahrzunehmen und gegebenenfalls auch schon von Deutschland aus Kontakt zu den betreffenden Stellen oder NGOs aufzunehmen, um Hilfe und Unterstützung in Algerien schon direkt nach ihrer Rückkehr erlangen zu können (vgl. VG Würzburg, U.v. 20.1.2020 – W 8 K 19.30861 – juris Rn. 30 – zu Marokko).
Das Gericht hat des Weiteren keine durchgreifenden Zweifel, dass der Klägerin und ihrem Bruder durch ihre Mutter im Anschluss an ihrer Rückkehr die Sicherung ihrer wirtschaftlichen Existenz möglich sein wird. Der Mutter der Klägerin ist es insbesondere zuzumuten, sich eine Arbeit zu suchen bzw. auf sonstige Hilfen zurückzugreifen, so dass sie sich jedenfalls ihr Existenzminimum sichern kann. Gegenteiliges folgt auch nicht aus der wirtschaftlichen und sozialen Lage Algeriens, wie auch das Bundesamt im streitgegenständlichen Bescheid ausgeführt hat. In Algerien ist die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln und auch die medizinische Grundversorgung gewährleistet (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Volksrepublik Algerien vom 11.7.2020, Stand: Juni 2020, S. 6, 8 f. und 21; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Algerien vom 26.6.2020, S. 27 ff.). Die Mutter der Klägerin ist noch jung, gesund und erwerbsfähig; ihr ist zuzumuten, zur Sicherung ihres Existenzminimums den notwendigen Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit zu verdienen und gegebenenfalls – soweit gefahrlos möglich – auf die Unterstützung durch Familienangehörige der in Algerien noch lebenden (Groß-)Familie zurückzugreifen oder sonstige Hilfemöglichkeiten zurückzugreifen. Letztlich ist der Mutter der Klägerin zusammen mit ihren Kindern eine (Re-)Integration in die Lebensverhältnisse ihres Heimatstaates möglich und zumutbar (ebenso VG München, B.v. 2.7.2020 – M 26 S 20.31428 – juris; VG Frankfurt, U.v. 5.3.2020 – 3 K 2341/19.F.A – juris; SaarlOVG, B.v. 25.9.2019 – 2 A 284/18 – juris; VG Minden, B.v. 30.8.2019 – 10 L 370/19.A – juris; U.v. 28.3.2017 – 10 K 883/16.A – juris; U.v. 22.8.2016 – 10 K 821/16.A – juris; BVerwG, U.v. 25.4.2019 – 1 C 46/18 – InfAuslR 2019, 309; U.v. 27.3.2018 – 1 A 5/17 – Buchholz 402.242, § 58a AufenthG Nr. 12; VG Stade, U.v. 1.4.019 – 3 A 32/18 – juris; VG Magdeburg, U.v. 6.12.2018 – 8 A 206/18 – juris; VG Köln, B.v. 24.8.2016 – 3 L 1612/16.A – juris).
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat im streitgegenständlichen Bescheid schon zu Recht ausgeführt, dass bei realitätsnaher Betrachtung im Rahmen der Gefährdungsprognose vom Regelfall der Annahme einer gemeinsamen Rückkehr im Familienverband, also hier der Klägerin zusammen mit ihrer Mutter und ihrem Bruder, auszugehen ist (vgl. OVG NRW, B.v. 15.4.2020 – 19 A 915/19.A – juris m.w.N.). Auch wenn die Lebensverhältnisse misshandelter und alleinerziehender Frauen ohne familiäres Netzwerk in Algerien schwierig sind, ist nach Auffassung des Gerichts eine Existenzsicherung möglich und zumutbar. Jedenfalls ist die Annahme einer extremen Gefährdungslage für eine Mutter mit einem oder zwei unehelichen Kindern nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit gegeben, zumal es bei einer (freiwilligen) Rückkehr auch die Möglichkeit finanzieller und anderer Hilfen gibt (so ausdrücklich auch VG Stade, U.v. 1.4.2019 – 3 A 32/18 – juris sowie schon VG Würzburg, U.v. 28.9.20020 – W 8 K 20.30307 – juris sowie U.v, 28.9.2020 – W 8 K 19.32130; B.v. 14.1.2020 – W 8 S 20.30008 – juris).
Das Auswärtige Amt hat in seinem Lagebericht darauf hingewiesen, dass IOM im letzten Jahr ein Programm zur Unterstützung der freiwilligen Rückkehr nach und die Integration in Algerien ins Leben gerufen habe. Das Programm werde aus EU-Mitteln und auch bilateral von deutscher Seite unterstützt (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage der Demokratischen Volksrepublik Algerien vom 11.7.2020, Stand: Juni 2020, S. 22). Des Weiteren werden in Algerien Lebensmittelrationen gerade auch an Kinder und an schwangere und stillende Frauen seitens des Welternährungsprogramms verteilt (vgl. WFP, Algeria Country Brief, November 2020, https://reliefweb.int/report/algeria/wfp-algeria-country-brief-november-2020).
Letztlich ist nicht ersichtlich, dass sich die Klägerin mit ihrer Mutter und ihrem Kind im Fall einer Rückkehr nach Algerien in einer extremen Situation befände, dass sie sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert wäre, wenn auch möglicherweise gewisse Anfangsschwierigkeiten zu überwinden sein mögen, gerade, wenn sie die privaten und öffentlichen Hilfemöglichkeiten in Algerien sowie auch aus Deutschland in Anspruch nehmen. So kann die die finanzielle Situation verbessert werden, um Startschwierigkeiten bei einer Rückkehr zu überbrücken. Gegen diese Möglichkeiten kann die Klägerin nicht mit Erfolg einwenden, dass entsprechende Hilfen teilweise nur bei freiwilliger Rückkehr, also nicht bei zwangsweiser Rückführung, erfolgen. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein Asylbewerber, der durch eigenes zumutbares Verhalten – wie insbesondere durch freiwillige Rückkehr – im Zielstaat drohende Gefahren abwenden kann, nicht vom Bundesamt die Feststellung eines Abschiebungsverbotes verlangen (BVerwG, U.v. 15.4.1997 – 9 C 38.96 – BVerwGE 104, 265; VGH BW, U.v. 26.2.2014 – A 11 S 2519/12 – juris).
Das Gericht hat nach alledem keine Bedenken, dass die Mutter der Klägerin eine Existenzsicherung für sich und ihre Kinder möglich ist, selbst wenn man die Verhaltensauffälligkeit des Bruders der Klägerin in die Betrachtung mit einbezieht – jedenfalls, soweit sie attestiert oder sonst erkennbar ist -, weil die Mutter der Klägerin aufgrund der Hilfemöglichkeiten nicht ganz auf sich allein gestellt bleiben muss. Nicht zuletzt die zahlreichen NGOs bieten die Möglichkeit der Hilfe und Unterstützung für Alleinstehende mit Kindern, auch durch Betreuung (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Länder-Report 11, Algerien, Marokko, Tunesien, Menschenrechtslage – im Focus: Vulnerable Personen, Stand: 6/2019, S. 6)
Eine abweichende Beurteilung ergibt sich auch nicht im Hinblick auf etwaige negative wirtschaftliche Auswirkungen aufgrund der weltweiten COVID-19-Pandemie. Das Gericht hat keine triftigen Anhaltspunkte geschweige denn konkrete Belege, dass sich die Lebensverhältnisse und die humanitären Lebensbedingungen infolge der Corona-Pandemie in Algerien in der Weise verschlechtert hätten oder alsbald verschlechtern würden, dass generell für jeden Rückkehrenden davon ausgegangen werden müsste, dass keine zumutbare inländische Aufenthaltsalternative vorliegt und dass den Klägerin bei einer Rückkehr eine gegen Art. 3 EMRK verstoßende Behandlung droht (vgl. schon VG Würzburg, U.v. 21.12.2020 – W 8 K 20.30845; U.v. 28.9.2020 – W 8 K 20.30307 – juris; U.v. 24.7.2020 – W 8 K 20.30188). Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass gerade hinsichtlich der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie Ausgleichsmaßnahmen zur Unterstützung notleidender Bevölkerungsteile geschaffen wurden. Hilfsmaßnahmen kommen vor allem aus der Zivilgesellschaft. Außerdem kommt es zur Stundung von Steuerzahlungen und Krediten sowie weiteren staatlichen wirtschaftlichen Erleichterungen. Anzeichen für eine Wasser- oder Lebensmittelknappheit bestehen nicht (siehe WKO – Wirtschaftskammer Österreich, Coronavirus: Situation in Algerien, vom 7.1.2021, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus-situation-in-algerien.html; Auswärtiges Amt, Algerien: Reise- und Sicherheitshinweise; Deutsche Botschaft Algier, Aktuelle Corona-Maßnahmen in Algerien; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Länderinformation – Algerien, Gesundheitssystem und Covid-19-Pandemie, Dezember 2020; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Kurzinformation der Staatendokumentation, Afrika, COVID-19 – aktuelle Lage, vom 9.7.2020, S. 14 f.; Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Algerien, v. 26.6.2020, S. 30).
Sonstige Gründe für das Bestehen eines Abschiebungsverbots, insbesondere nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Ergänzend wird lediglich noch angemerkt, dass insbesondere auch die weltweite COVID-19-Pandemie kein Abschiebungshindernis begründet, weil nach den aktuellen Fallzahlen in Algerien – auch im Vergleich zu Deutschland, dass knapp doppelt so viele Einwohner wie Algerien hat -, wie sie das Gericht in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt hat (siehe Sitzungsprotokoll, S. 2), keine hohe Wahrscheinlichkeit der Gefahr der Ansteckung oder gar eines schweren oder lebensbedrohlichen Verlaufs besteht, so dass nicht ersichtlich ist, dass die Klägerin bei einer Rückkehr nach Algerien krankheitsbedingt einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib oder Leben oder sonst einer extremen materiellen Not mit der Gefahr der Verelendung ausgesetzt wäre. Dies gilt gerade, wenn die Klägerin zusammen mit ihrer Mutter und ihrem Bruder die vom algerischen Staat getroffenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie (wie etwa Ausgangssperren, Verbot von Großveranstaltungen sowie Personenansammlungen bei Zeremonien, Schließungen von Sport- und Kulturstätten sowie Vergnügungsparks, Beschränkungen des nationalen Flug- und Zugverkehrs und bei öffentlichen Verkehrsmitteln, Ein- und Ausreiseverbote, Anordnung von Hygieneregeln, Schließung von Betrieben, Geschäften, Restaurants usw.) sowie individuelle Schutzmaßnahmen (Einhaltung von Abstand, Hygieneregeln, Mund-Nasen-Schutzmasken usw.) beachtet und die bestehenden Hilfemöglichkeiten in Anspruch nimmt (siehe WKO – Wirtschaftskammer Österreich, Coronavirus: Situation in Algerien, Stand: 7.1.2021; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Länderinformation – Algerien, Gesundheitssystem und COVID-19-Pandemie, Dezember 2020; Auswärtiges Amt, Algerien: Reise- und Sicherheitshinweise; Deutsche Botschaft Algier, aktuelle Corona-Maßnahmen in Algerien; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Kurzinformation der Staatendokumentation, Afrika, COVID-19 – aktuelle Lage, vom 9.7.2020, S. 14 f.; Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Algerien, v. 26.6.2020, S. 30; siehe auch VG München, B.v. 2.7.2020 – M 26 S 20.31428 – juris; vgl. zum Ganzen ausführlich VG Würzburg, U.v. 21.12.2020 – W 8 K 20.30845; U.v. 28.9.2020 – W 8 K 20.30307 – juris; B.v. 22.9.2020 – W 8 S 20.31066 – juris; B.v. 6.8.2020 – W 8 S 20.30912 – juris; B.v. 17.7.2020 – W 8 S 20.30824 – juris; jeweils m.w.N.).
Abgesehen davon hat die Klägerin keinerlei Angaben gemacht, wie sich aktuell die Lage zur Ausbreitung von Covid-19 in Algerien darstellt, insbesondere wie viele Menschen sich dort mit dem zugrundeliegenden Krankheitserreger Sars-CoV-2 infiziert haben, hierdurch schwer erkrankt oder gar verstorben sind, von wie vielen Ansteckungsverdächtigen derzeit auszugehen ist und welche Schutzmaßnahmen mit welcher Effektivität der algerische Staat zur Eindämmung der Pandemie ergriffen hat, um beurteilen zu können, ob und welche Wahrscheinlichkeit für eine möglicherweise befürchtete Ansteckung mit COVID-19 im Fall einer Rückkehr besteht. Denn für die Beurteilung ist auf die tatsächlichen Umstände des konkreten Einzelfalls abzustellen, zu der auch eine eventuelle – bei der Klägerin nicht gegebene – Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe gehört (vgl. OVG NRW, B.v. 23.6.2020 – 6 A 844/20.A – juris).
Im Übrigen wäre die Klägerin gehalten, im Bedarfsfall die Möglichkeiten des – nicht europäischem Niveau entsprechenden – algerischen Gesundheits- und Sozialsystems auszuschöpfen. Darüber hinaus bestehen – wie auch in anderen Staaten – wie etwa in Deutschland, in dem die Zahl der nachweislich mit dem Coronavirus Infizierten bzw. der betreffenden Todesfälle um ein Vielfaches höher ist als in Algerien (auch unter Berücksichtigung der jeweiligen Einwohnerzahlen) – individuelle persönliche Schutzmöglichkeiten, wie das Tragen einer Gesichtsmaske (durch die Mutter der Klägerin), Hygienemaßnahmen, z.B. Waschen der Hände, oder Wahrung von Abstand zu anderen, um das Risiko einer Ansteckung durch eigenes Verhalten zu minimieren.
Im Übrigen wird auf den angefochtenen Bundesamtsbescheid Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Gründe abgesehen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Dies gilt auch hinsichtlich der Begründung der Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sowie der Anordnung und Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG abzuweisen.

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