Verwaltungsrecht

Rückkehr für jungen Mann in den Süden Malis zumutbar

Aktenzeichen  Au 5 K 17.35406

Datum:
8.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 2956
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3e

 

Leitsatz

Im Süden Malis besteht eine innerstaatliche zumutbare Fluchtalternative, da dieser Bereich vom Bürgerkrieg nicht betroffen ist. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Der Einzelrichter (§ 76 Abs. 1 AsylG) konnte über die Klage des Klägers entscheiden, ohne dass die Beklagte an der mündlichen Verhandlung vom 8. März 2018 teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten ausweislich der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Die Beklagte ist zur mündlichen Verhandlung form- und fristgerecht geladen worden.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie für die Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG und die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Auf die zutreffenden Begründungen des mit der Klage angegriffenen Bescheids wird in vollem Umfang verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG) und ergänzend ausgeführt:
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG.
a) Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560 – Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Dabei kann die Verfolgung i. S. des § 3 AsylG nach § 3c Nr. 3 AsylG auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern der Staat oder ihn beherrschende Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten. Hiervon ausgehend kann der Kläger nicht als Flüchtling anerkannt werden.
b) Der Kläger hat eine Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG nach Überzeugung des Gerichtes nicht glaubhaft gemacht. Zwar hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 8. März 2018 erstmalig ausgeführt, dass die nach … einrückenden Rebellen versucht hätten, ihn zu rekrutieren, jedoch knüpft auch dieser Vortrag selbst bei Wahrunterstellung nicht an ein in den §§ 3, 3b AsylG genanntes flüchtlingsrelevantes Merkmal an. Im Übrigen ist das Vorbringen des Klägers widersprüchlich. So hat der Kläger bei seiner persönlichen Anhörung beim Bundesamt am 29. September 2017 lediglich auf die allgemeine Lage in … verwiesen. Dort hat er auf Nachfrage erklärt, dass ihm persönlich nichts geschehen sei. Dass er selbst von Seiten der Rebellen angegangen worden sei, hat der Kläger erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 8. März 2018 geltend gemacht. Insofern bestehen erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Klägers. Diese werden dadurch bestärkt, dass der Kläger beim Bundesamt ausgeführt hat, dass seine Mutter nach wie vor in … lebe. In der mündlichen Verhandlung vom 8. März 2018 hat der Kläger hingegen ausgeführt, dass seine Mutter zusammen mit seiner Tante in … lebten. Auch hat der Kläger beim Bundesamt vorgetragen, dass er drei Schwestern habe, die in … lebten. In der mündlichen Verhandlung vom 8. März 2018 hat sich der Kläger hingegen dahingehend eingelassen, dass er lediglich eine Schwester habe, die bereits seit längerer Zeit verstorben sei. Auch diesbezüglich sind erhebliche Widersprüche im Sachvortrag des Klägers festzustellen. Gleiches gilt hinsichtlich seines geltend gemachten Besuches einer Koranschule. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass er diese vom Kindesalter bis zu seiner Ausreise aus Mali im Jahr 2012 besucht habe. Da der Kläger bei Wahrunterstellung seines Vortrages im Zeitpunkt seiner Ausreise bereits 24 Jahre alt gewesen ist, ist der beim Bundesamt vorgetragene Schulbesuch von zehn Jahren einer Koranschule, beginnend im Kleinkindalter unschlüssig.
Im Übrigen kommt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG auch bei Wahrunterstellung des klägerischen Vortrags nicht in Betracht, weil der Kläger jedenfalls auf eine innerstaatliche Fluchtalternative im Süden Malis, insbesondere in der Hauptstadt Bamako, zu verweisen ist (§ 3e AsylG).
Der Süden Malis ist bürgerkriegsfrei. Von den Kampfhandlungen islamistischer Gruppen, die im Januar 2012 ihren Anfang nahmen, war der Norden Malis betroffen (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Mali: Aktuelle Lage, Auskunft der SFH-Länderanalyse vom 30. Oktober 2012). Zu den gegen das Militär kämpfenden Gruppierungen gehörte u.a. die Gruppierung „MNLA“ und „Ansar Dine“. Bereits im Juni 2013 war zwischen der malischen Regierung und mehreren bewaffneten Gruppen, ein Friedensabkommen zur Stabilisierung der Lage im Norden Malis geschlossen worden (Amnesty International, Mali-Report 2015). Auch mit der „MNLA“ schloss die Regierung am 18. Juni 2013 eine Waffenruhe. Am 15. Mai und 20. Juni 2015 wurde erneut ein innerstaatliches Friedensabkommen zur nachhaltigen Befriedung von Nord-Mali geschlossen. Von den bürgerkriegsähnlichen Zuständen im Norden Malis blieb der Süden Malis jedoch verschont, auch wenn selbst in der Hauptstadt Bamako eine Gefährdung durch terroristische Gruppen nicht ausgeschlossen werden kann (Auswärtiges Amt, Mali: Reise- und Sicherheitshinweise, Stand: 2.11.2016). Auch in jüngster Zeit gab es vereinzelte terroristische Anschläge in Bamako, wobei aber insbesondere ausländische Einrichtungen ins Visier genommen wurden. Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass vereinzelte Anschläge bereits die Qualität eines Bürgerkriegs erreicht haben, bestehen nicht (s. hierzu auch VG Magdeburg, U.v. 27.5.2016 – 1 A 125/15 MD). Nach den Erkenntnissen des Gerichts erreicht der einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad der Gewalt jedenfalls im Süden Malis kein so hohes Niveau, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dieser Region einer ernsthaften individuellen Bedrohung im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AsylG ausgesetzt wäre. Diese Einschätzung stimmt auch mit dem Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Mali vom 6. November 2017 (Gz.: 508-516.80/3 MLI) (Stand: November 2017) überein.
Aus dem Vortrag des Klägers ergeben sich auch keinerlei andere Hinweise darauf, dass er landesweit gesucht werden könnte. Der Kläger ist bereits im Jahr 2012, d.h. vor über fünf Jahren aus Mali ausgereist. Er hat sich in keiner Weise besonders exponiert. Ausweispapiere, die eine landesweite Suche nach ihm ermöglichen könnten, hatte und hat der Kläger nicht. Anhand welcher Kriterien er deshalb landesweit ausfindig gemacht werden könnte, ist für das Gericht nicht nachvollziehbar. Im Übrigen beziehen sich die vom Kläger geschilderten Ereignisse sämtlich auf den Norden Malis (…). Eine Verfolgung des Klägers bis in die Hauptstadt Bamako auch Jahre nach seiner Ausreise ist vor diesem Hintergrund nach Überzeugung des Gerichts ausgeschlossen. Der Kläger kann deshalb im Süden Malis eine sichere Zuflucht finden.
Das Gericht geht auch davon aus, dass der Kläger als alleinstehender junger Mann seinen Lebensunterhalt im Süden Malis sicherstellen kann, selbst wenn hierfür mehr zu fordern ist als die bloße Sicherung des Existenzminimums. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass die humanitäre Lage in Mali nach wie vor schlecht ist. Nach wie vor ist das Land auf humanitäre Unterstützung von außen angewiesen, wobei insbesondere der Norden Malis betroffen ist (s. hierzu auch UN, Security Council Report Mali vom 28.9.2017, Rn. 51 ff.). Vor diesem Hintergrund kann im Einzelfall besonders schutzbedürftigen Personen eine Rückkehr nach Mali möglicherweise nicht zugemutet werden. Der Kläger gehört nach Überzeugung des Gerichts jedoch nicht zu diesem Personenkreis. Der Kläger hat in Mali nach seinem eigenen Vorbringen zumindest zehn Jahre lang die Koranschule besucht. Nach seinem eigenen Vorbringen hat er sich überdies bereits in der familieneigenen Landwirtschaft in … betätigt. Dem Kläger ist es auch gelungen, zumindest in Libyen über einen längeren Zeitraum eine Arbeit und Unterstützung für sich zu organisieren und so seinen Lebensunterhalt sicher zu stellen. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vom 8. März 2018 vorgetragen, dass er in Libyen im Baugewerbe als Maurer gearbeitet habe. Ohne familiären Rückhalt schaffte er es, von Mali zunächst nach Burkina Faso und Libyen und im Anschluss nach Europa zu gelangen. Der Kläger ist es demnach offensichtlich gewohnt, auch mit widrigen Umständen zu Recht zu kommen. Der Kläger hat keinerlei Unterhaltsverpflichtungen und ist mit den Gegebenheiten in Mali durchaus vertraut. Für eine zumutbare Rückkehr des Klägers nach Mali spricht auch, dass sich sowohl seine Mutter als auch seine Tante nach seinem eigenen Vorbringen derzeit in … aufhalten.
3. Auch die Voraussetzungen für die Gewährung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 AsylG liegen nicht vor. Der Kläger hat keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht, dass ihm bei einer Rückkehr nach Mali ein ernsthafter Schaden i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 3 AsylG drohe.
Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 und Nr. 2 AsylG liegen nicht vor. Wie bereits ausgeführt, droht dem Kläger bei einer Rückkehr nach Mali nach Überzeugung des Gerichts zum einen keine Verfolgung mehr durch die Gruppierung „MNLA“, zum anderen ist er auf eine innerstaatliche Fluchtalternative zu verweisen (§ 4 Abs. 3, § 3e Abs. 1 AsylG). Offen bleiben kann in diesem Zusammenhang, ob auch die Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK wegen schlechter humanitärer Bedingungen einen ernsthaften Schaden i.S. des § 4 AsylG darstellen kann, weil das Gericht, wie ausgeführt, davon ausgeht, dass der Kläger in Mali seinen Lebensunterhalt sicherstellen kann.
Auch die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG liegen nicht vor, weil der Süden Malis bürgerkriegsfrei ist.
4. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind ebenfalls nicht ersichtlich.
Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger bei seiner Abschiebung nach Mali befürchten müsste, auf derart schlechte humanitäre Bedingungen zu stoßen, dass die Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK besteht, gibt es nicht. Wie bereits ausgeführt, geht das Gericht davon aus, dass der Kläger in Mali seinen Lebensunterhalt sicherstellen kann.
Auch die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor. Ernsthafte Beschwerden bzw. Erkrankungen sind im Verfahren nicht bekannt geworden.
5. Auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 AufenthG erweist sich als rechtmäßig, das Bundesamt hat in der Befristungsentscheidung die maßgeblichen Belange in ordnungsgemäßer Weise abgewogen. Besondere persönliche Umstände, die eine kürzere Befristung rechtfertigen könnten, hat der Kläger weder vorgetragen noch sind sie ersichtlich. Überdies wurde Nr. 6. des streitgegenständlichen Bescheides vom Kläger gar nicht explizit mit seiner Klage angegriffen.
6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als im Verfahren unterlegen trägt der Kläger die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO.

Verwandte Themen: , , , ,

Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben