Verwaltungsrecht

Rüge von Verfahrensfehlern im Prüfungsverfahren – unzumutbare Hitze

Aktenzeichen  Au 3 K 15.1763

Datum:
22.6.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RaPO RaPO § 10 Abs. 1, § 19 Abs. 4 S. 1
BGB BGB § 121
BayHSchG BayHSchG Art. 49 Abs. 2 Nr. 3
BayHSchG Art. 49 Abs. 2 Nr. 3 BayHSchG
RaPO § 10 Abs. 1 RaPO
RaPO § 19 Abs. 4 Satz 1 RaPO
VwGO § 86 VwGO

 

Leitsatz

Die erforderliche aber unterbliebene Zweitkorrektur kann nachgeholt werden, sogar noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Die Prüfungskommission kann sodann – auch im Umlaufbeschluss – erneut das Prüfungsergebnis feststellen und die Hochschule einen neuen Prüfungsbescheid erlassen, den der Kläger entweder im Wege der Klageänderung in das laufende Gerichtsverfahren einbeziehen oder das Verfahren für erledigt erklären und ihn gesondert anfechten kann. (redaktioneller Leitsatz)
Die erforderliche Rüge zu äußeren Prüfungsbedingungen ist bei Aufsichtsarbeiten förmlich zu Protokoll des Aufsichtsführenden zu erheben; bloße Beschwerden reichen nicht. Die Rüge ist in jedem Fall nicht mehr unverzüglich, wenn der Prüfling die Kenntnis des Prüfungsergebnisses abwartet. Nur bei offensichtlich unzumutbaren Prüfungsbedingungen, für die der Prüfling darlegungspflichtig ist, kann eine Rüge entfallen. (redaktioneller Leitsatz)
Prüfungen bei Außentemperaturen von 28,5 Grad und bei Überschreiten der Schwülegrenze sind nicht unzulässig, weil dies den Durchschnittsprüfling im Leistungsvermögen nicht unzumutbar beeinträchtigt. (redaktioneller Leitsatz)
Mit dem Vortrag eines zu umfangreichen Modullernstoffes wird die Rüge eines Verfahrensfehlers und nicht eines materiellen Bewertungsmangels erhoben, die deshalb unverzüglich zu erfolgen hat. Der maßgebliche Prüfungsstoff ergibt sich aus der Prüfungsordnung, nicht aus dem verwandten Unterrichtsmaterial oder dem in der Vorlesung behandelten Stoff. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Gründe

Das Urteil kann aufgrund des Verzichts der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung ergehen.
Die Klage hat keinen Erfolg.
1. Sie ist zwar zulässig.
Alleiniger Klagegegenstand ist nunmehr der Bescheid der Hochschule … vom 3. März 2016, der ursprünglich beklagte Bescheid vom 5. August 2015 wurde hierin ausdrücklich aufgehoben.
Der Bescheid vom 3. März 2016 wurde durch die Klagepartei mit Schriftsatz vom 23. März 2016 wirksam in das vorliegende Klageverfahren einbezogen. Bei Erlass eines Änderungs- oder Ersetzungsbescheids während eines anhängigen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens steht der Klagepartei ein Wahlrecht zu; danach hat sie die Möglichkeit, entweder den Änderungs- oder Ersetzungsbescheid in das laufende Gerichtsverfahren im Wege der Klageänderung nach § 91 VwGO einzubeziehen oder aber ihn gesondert anzufechten und gleichzeitig das Gerichtsverfahren für erledigt zu erklären (vgl. VG Bayreuth, U.v. 13.11.2002 – B 4 K 02.446 – juris Rn. 22; Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 79 Rn. 17). Die Einbeziehung des Bescheids vom 3. März 2016 war insbesondere ohne erneutes Widerspruchsverfahren zulässig, da ein solches auch bei personenbezogenen Prüfungsentscheidungen lediglich fakultativ ist (Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AGVwGO).
2. Die Klage ist jedoch nicht begründet.
a) Soweit es die inmitten stehende Prüfungsentscheidung betrifft, ist die mit Bescheid der Hochschule … vom 3. März 2016 als Körperschaft – vgl. Art. 12 Abs. 2 BayHSchG – getroffene Feststellung, dass der Kläger die Prüfungsleistung „BWL des Gesundheitswesens II“ auch im zweiten Wiederholungsversuch – und damit endgültig, § 10 Abs. 1 RaPO i. V. m. § 11 Abs. 2 Satz 4 der Studien- und Prüfungsordnung für den Bachelor-Studiengang Betriebswirtschaft im Gesundheitswesen an der Hochschule für angewandte Wissenschaften … i. d. F. für Studienanfänger bis Wintersemester 2014/15 (SPO) – nicht bestanden hat, rechtlich einwandfrei. Der Kläger hat daher keinen Anspruch auf Verpflichtung der Hochschule zur Fortsetzung des Prüfungsverfahrens durch Einräumung einer weiteren Wiederholungsprüfung im Fach „BWL des Gesundheitswesens II“ (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Die Bewertung der gegenständlichen Prüfung des Klägers am 15. Juli 2015 im Fach „BWL des Gesundheitswesens II“ als nicht bestanden ist rechtsfehlerfrei. Insbesondere leidet das Prüfungsverfahren nicht an den klägerseitig geltend gemachten Verfahrensfehlern, eine Wiederholungsprüfung ist daher nicht geboten (vgl. allg. zur Wiederholung von Prüfungen bei Verfahrensfehlern BayVGH, B.v. 15.10.2009 – 22 ZB 08.834 – juris Rn. 7 f. unter Bezugnahme auf BVerwG, B.v. 11.4.1996 – 6 B 13/96 – NVwZ 1997, 502).
aa) Ein Verfahrensfehler ergibt sich nicht aus dem Umstand, dass vorliegend die Zweitkorrektur der klägerischen Arbeit erst am 26. August 2015 – nach erstmaliger Feststellung des Prüfungsergebnisses durch die Prüfungskommission und Widerspruchseinlegung – stattgefunden hat, die Prüfungskommission aus diesem Grunde mit Umlaufbeschluss vom 25. Februar 2016 (Blatt 39 f. der Gerichtsakte) nochmals das streitgegenständliche Prüfungsergebnis des Klägers festgestellt und daraufhin die Hochschule den erneuten – nunmehr streitgegenständlichen – Bescheid vom 3. März 2016 erlassen hat.
Die nach § 19 Abs. 4 Satz 1 RaPO aufgrund der Benotung der schriftlichen Prüfungsarbeit mit „nicht ausreichend“ grundsätzlich erforderliche Zweitkorrektur hat vorliegend unstreitig stattgefunden (Blatt 18 der Verwaltungsakte); Bewertungsrügen werden klägerseitig insoweit ausdrücklich nicht erhoben (siehe Schriftsatz der Klägerseite v. 13.4.2016, Blatt 60 der Gerichtsakte). Auch der Umstand, dass die Zweitkorrektur vorliegend erst am 26. August 2015 – und damit nach Widerspruchseinlegung durch den Kläger – erfolgt ist, führt zu keinem für den Kläger günstigen Ergebnis. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine zunächst fehlerhaft unterbliebene Zweitkorrektur einer schriftlichen Arbeit nachgeholt werden kann, dies sogar noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren (vgl. VG Berlin, U.v. 13.8.2012 – 3 K 204.10 – juris Rn. 34; VG Köln, B.v. 24.1.2011 – 6 L 1453/10 – juris Rn. 10; Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rn. 550 m. w. N.).
Gemäß § 15 RaPO i. V. m. § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 RaPO obliegt der Prüfungskommission die Feststellung des Ergebnisses von Prüfungsleistungen; die Bewertung von Prüfungsleistungen obliegt hingegen den Prüfern i. S.v. § 3 Abs. 6 RaPO (vgl. BayVGH, B.v. 7.12.2009 – 7 ZB 09.146 – juris Rn. 6 f.; VG Augsburg, U.v. 28.9.2010 – Au 3 K 10.1117 – juris Rn. 21). Hiervon ausgehend ist festzustellen, dass die ursprüngliche Feststellung des Prüfungsergebnisses des Klägers durch die Prüfungskommission am 30. Juli 2015 (Blatt 15 der Verwaltungsakte) insoweit verfahrensfehlerhaft gewesen ist, als die nach § 19 Abs. 4 Satz 1 RaPO erforderliche Zweitkorrektur der Arbeit des Klägers erst am 26. August 2015 (Blatt 18 der Verwaltungsakte) – mithin zeitlich danach – erfolgt ist. Jedoch konnte die Prüfungskommission die Feststellung des Prüfungsergebnisses des Klägers durch Umlaufbeschluss vom 25. Februar 2016 (Blatt 39 f. der Gerichtsakte) ordnungsgemäß nachholen und die Hochschule sodann einen erneuten Prüfungs- und Exmatrikulationsbescheid erlassen. Hinsichtlich dieser Vorgehensweise bestehen keine rechtlichen Bedenken. Insbesondere ist mangels abweichender Regelung in § 3 RaPO auch ein Beschluss der Prüfungskommission im Umlaufverfahren zulässig (vgl. allg. VG Lüneburg, U.v. 14.4.2016 – 6 A 449/14 – juris Rn. 106; VG Hannover, U.v. 29.5.2002 – 6 A 181/02 – juris Rn. 57).
Nach alledem vermag der klägerische Vortrag, dass nicht die nochmalige formale Feststellung des Prüfungsergebnisses durch Umlaufbeschluss der Prüfungskommission vom 25. Februar 2016, sondern der tatsächliche Zeitpunkt der Zweitkorrektur am 26. August 2015 (siehe handschriftlicher Datumsvermerk „26.8.“, Blatt 18 der Verwaltungsakte) maßgeblich und insoweit ein Fehler im Prüfungsverfahren gegeben sei, nicht zu überzeugen. Es sind – wie ausgeführt – keine Gründe ersichtlich oder vorgetragen, warum der tatsächliche Zeitpunkt der Zweitkorrektur am 26. August 2015 für sich genommen einen Verfahrensfehler begründen bzw. einer nachfolgenden (ggf. nochmaligen) Feststellung des Prüfungsergebnisses durch die Prüfungskommission entgegenstehen sollte.
bb) Auch soweit die Klägerseite unzumutbare äußere Bedingungen im Prüfungsraum rügt, führt dies nicht zu einem Fehler im Prüfungsverfahren.
(1) Auch ohne ausdrückliche Regelung in der einschlägigen Prüfungsordnung obliegt es dem Prüfungsteilnehmer bereits im eigenen Interesse, Fehler im Prüfungsverfahren möglichst unverzüglich und eindeutig zu rügen. Dies ergibt sich aus der Pflicht des Prüflings, an der ordnungsgemäßen Durchführung des Prüfungsverfahrens mitzuwirken, und dem Grundsatz der Chancengleichheit. Unterlässt der Prüfling eine unverzügliche Rüge, so ist ihm die spätere Geltendmachung eines solchen Verfahrensfehlers verwehrt. Das Erfordernis, Prüfungsmängel im Rahmen des Zumutbaren unverzüglich – d. h. ohne schuldhaftes Zögern, vgl. § 121 BGB – zu rügen, soll zum einen verhindern, dass der Prüfling sich bei Fortsetzung der Prüfung in Kenntnis des Verfahrensmangels bei negativer Bewertung nachträglich eine ihm nicht zustehende weitere Prüfungschance verschafft, und ermöglicht zum anderen der Prüfungsbehörde eine zeitnahe Überprüfung des gerügten Mangels mit dem Ziel einer noch rechtzeitigen Korrektur oder Kompensation. Die Rüge ist rechtzeitig, wenn sie zu dem nach Zumutbarkeitskriterien zu bestimmenden frühestmöglichen Zeitpunkt – jedenfalls vor der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses oder dem Ablauf einer rechtsverbindlichen Ausschlussfrist – erhoben worden ist. Grundsätzlich muss sich der Prüfling an die erkennbar zuständige Person wenden. Eine mündliche Rüge von Verfahrensmängeln muss über eine bloße Unmutsäußerung im Hinblick auf den Ablauf der Prüfung hinausgehen und auf eine Entscheidung des zuständigen Prüfungsorgans gerichtet sein; dies muss der Prüfling unmissverständlich zum Ausdruck bringen. Auch von einem nicht rechtskundigen und anwaltlich nicht vertretenen Prüfungsteilnehmer kann erwartet werden, dass er sich insoweit mit den Anforderungen der einschlägigen Prüfungsordnung vertraut macht. Die Mitwirkungslast des Prüflings endet – je nach den Umständen des Einzelfalls – zum einen an der Grenze der Zumutbarkeit für den Prüfling und zum anderen dann, wenn der betreffende Mangel auch ohne Rüge für die Prüfungsbehörde nicht nur erkennbar, sondern offensichtlich und zweifelsfrei ist (vgl. zum Ganzen: BVerwG, B.v. 18.8.2010 – 6 B 24/10 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 20.8.2012 – 7 ZB 12.554 – juris Rn. 10; B.v. 7.1.2010 – 7 ZB 09.1921 – juris Rn. 10; VG Ansbach, U.v. 22.12.2011 – AN 2 K 08.234 – juris Rn. 61 – RaPO; VG München, U.v. 23.1.2006 – M 3 K 04.6222 – juris Rn. 19 – RaPO).
Zur ordnungsgemäßen Rüge äußerer Prüfungsbedingungen ist bei Aufsichtsarbeiten nach allgemeinen Grundsätzen des Prüfungsrechts eine förmliche Rüge des Prüflings zu Protokoll des Aufsichtführenden erforderlich (vgl. BVerwG, B.v. 15.1.1993 – 6 B 11/92 – juris Rn. 3-5 – stickige Luft bzw. Lärmbelästigung im Prüfungsraum; VGH BW, B.v. 5.11.2015 – 9 S 2284/14 – juris Rn. 13 – stickige Luft im Prüfungsraum; VG Würzburg, U.v. 24.6.2009 – W 2 K 09.93 – juris Rn. 28 – Lärmbelästigung im Prüfungsraum; Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rn. 479 Fn. 848).
(2)Unter Berücksichtigung obiger Grundsätze ist im Fall des Klägers keine unverzügliche Rüge der äußeren Bedingungen im Prüfungsraum gegeben. Daher kann der Kläger mit seinem diesbezüglichen Vortrag nicht gehört werden.
Grund hierfür ist, dass der Kläger die äußeren Bedingungen im Prüfungsraum nicht während der Prüfung ordnungsgemäß gerügt hat. Die Klägerseite selbst trägt hierzu lediglich vor, dass der Kläger – wie zahlreiche weitere Studenten – Beschwerden bezüglich einer unerträglichen Hitze im Prüfungsraum erhoben habe (Schriftsatz v. 13.4.2016, Blatt 61 der Gerichtsakte). Die bei Aufsichtsarbeiten nach höchstrichterlicher Rechtsprechung erforderliche förmliche Rüge der äußeren Prüfungsbedingungen zu Protokoll der Aufsichtsführenden wird jedoch von Klägerseite nicht vorgetragen. Ausweislich des Protokolls zur gegenständlichen Prüfung vom 15. Juli 2015 (Blatt 82 – 84 der Gerichtsakte) wurden förmliche Rügen hinsichtlich der äußeren Umstände im Prüfungsraum tatsächlich weder durch den Kläger noch durch andere Prüflinge erhoben; denn im Protokollabschnitt „Besondere Vorkommnisse, die für die Feststellung des Prüfungsergebnisses von Bedeutung sind (Täuschung, vorzeitiger Abbruch wegen Krankheit u. a.)“ ist insoweit nichts vermerkt. Soweit die Klägerseite zum Prüfungsprotokoll vom 15. Juli 2015 ausführt, dass die Nichtaufnahme der Beschwerden logisch erscheine, da die Hochschule habe vermeiden wollen, dass die Prüfung angesichts der gegebenen Umstände gar nicht stattfinden könne, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Der betreffende Vortrag ist bereits gänzlich unsubstantiiert. Letztlich ist es ohnehin Aufgabe des Prüflings darauf zu bestehen, dass eine förmliche Rüge der äußeren Prüfungsbedingungen in seiner Gegenwart durch die Aufsichtführenden schriftlich im Prüfungsprotokoll festgehalten wird; tut er dies nicht, geht dies zu seinen Lasten.
Die somit erstmals mit dem Schriftsatz zur Klagebegründung vom 8. Februar 2016 (Blatt 24 f. der Gerichtsakte) erhobene Rüge der äußeren Bedingungen im Prüfungsraum war hingegen ersichtlich nicht mehr unverzüglich. Wie ausgeführt ist eine Rüge im Lichte des Grundsatzes der Chancengleichheit jedenfalls nach Kenntnis des Prüfungsergebnisses nicht mehr rechtzeitig; denn ein Prüfling, der das Prüfungsergebnis in Kenntnis eines Mangels im Prüfungsverfahren abwartet, würde sich gegenüber den anderen Prüflingen eine ungerechtfertigte zusätzliche Prüfungschance verschaffen (vgl. nur VG Würzburg, U.v. 24.6.2009 – W 2 K 09.93 – juris Rn. 26). So liegt der Fall auch hier; der Kläger hatte seit dem Erstbescheid vom 5. August 2015 grundsätzlich Kenntnis von seinem negativen Prüfungsergebnis, am 22. Oktober 2015 hatte er Akteneinsicht genommen und jedenfalls ab diesem Zeitpunkt Kenntnis von der Bewertung seiner Prüfungsarbeit durch den Erst- und Zweitkorrektor. Selbst wenn man vorliegend davon ausginge, dass die endgültige förmliche Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses erst mit dem nunmehr streitgegenständlichen Bescheid vom 3. März 2016 – und damit nach der Klagebegründung vom 8. Februar 2016 – erfolgt ist, führt dies zu keinem für den Kläger günstigen Ergebnis. Denn unabhängig vom Zeitpunkt der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses ist eine im Februar 2016 – und damit mehr als ein halbes Jahr nach der Prüfung am 15. Juli 2015 – erhobene Rüge der bereits zum Prüfungszeitpunkt ohne weiteres erkennbaren äußeren Bedingungen im Prüfungsraum nicht mehr als unverzüglich anzusehen.
In diesem Zusammenhang ist klarzustellen, dass weder klägerseitig substantiiert dargelegt worden noch sonst für das Gericht ersichtlich ist, dass die äußeren Bedingungen im Prüfungsraum zum Prüfungszeitpunkt für die Prüfungsbehörde erkennbar offensichtlich und zweifelsfrei objektiv unzumutbar gewesen sind, so dass es ausnahmsweise einer entsprechenden förmlichen Rüge durch den Kläger nicht bedurft hätte und die Hochschule von Amts wegen zum Einschreiten verpflichtet gewesen wäre.
Nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen ist insoweit vorliegend der Kläger darlegungspflichtig, da er sich auf das Vorliegen eines für ihn günstigen Ausnahmetatbestands beruft (vgl. allg. OVG NW, U.v. 14.3.2006 – 15 A 1845/04 – juris Rn. 30; OVG Mecklenburg-Vorpommern, U.v. 2.11.2011 – 1 L 161/09 – juris Rn. 20; VG Saarland, U.v. 18.9.2009 – 10 K 109/09 – juris Rn. 74).
Diesbezüglich ist jedoch festzustellen, dass die Klägerseite keinerlei Nachweise oder Belege für die behaupteten unzumutbaren äußeren Umstände im Prüfungsraum vorgelegt hat. Weder hat sie Daten des in Bezug genommenen Deutschen Wetterdienstes zum Beleg der behaupteten Außentemperatur im Bereich … zum Prüfungszeitpunkt von 29 – 30 °C vorgelegt, noch sonst ihren Vortrag etwa zur fehlenden Belüftung im Prüfungsraum, Beschwerden auch anderer Studenten sowie einer hitzebedingten räumlichen Verlegung der unmittelbar vorangegangenen Prüfung näher – etwa durch eidesstattliche Versicherungen von (Mit-)Prüflingen – substantiiert oder sonstige Beweisangebote gemacht. Klägerseitig werden somit letztlich nur unsubstantiierte Behauptungen formuliert, die durch die Beklagten im Wesentlichen bestritten worden sind, ohne dass die Klägerseite hierauf mit einer Substantiierung ihres tatsächlichen Vortrags reagiert hätte. Letztlich sind für das Gericht keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte ersichtlich, dass am 15. Juli 2015 im Prüfungsraum für die Prüfungsbehörde erkennbare, offensichtlich und zweifelsfrei objektiv unzumutbare Prüfungsbedingungen vorgelegen haben könnten.
Auch soweit die Höchsttemperatur am Prüfungstag des 15. Juli 2015 im Bereich … – dies räumen auch die Beklagten ein (vgl. Schriftsatz v. 12.5.2016, Blatt 68 der Gerichtsakte) – jedenfalls 27,1 °C betragen hat (vgl. hierzu www.wetter.com, Blatt 79 der Gerichtsakte; vgl. auch die diesen Wert grundsätzlich bestätigenden Daten von www.wetteronline.de, Blatt 78 der Gerichtsakte; vgl. auch die Temperatur von 27 °C, die die klägerseitig im Schriftsatz v. 20.6.2016 benannte Website http://kachelmannwetter.com für … am 15.7.2015, 17.00 Uhr ausweist, Blatt 91 der Gerichtsakte), so ist dies für sich genommen nicht geeignet, für die Prüfungsbehörde erkennbare, offensichtlich und zweifelsfrei objektiv unzumutbare Prüfungsbedingungen anzunehmen oder zumindest als Anhaltspunkt hierfür zu dienen. Grund hierfür ist, dass es nicht als generell prüfungsrechtlich unzulässig angesehen werden kann, bei Außentemperaturen selbst von 28,5 °C und bei Überschreiten der Schwülegrenze Prüfungen abzuhalten. Denn für die klimatischen Bedingungen im Prüfungsraum besagt dies allein noch nichts. Zudem sind Temperaturen dieser Art im Sommer nicht derart ungewöhnlich, dass sie bereits zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung des Leistungsvermögens führten. Ein Prüfling muss zudem Belästigungen selbst verkraften, die wettermäßig bedingt sind und sich in den Grenzen der üblichen – für gesunde Menschen erträglichen – Temperaturschwankungen halten, wobei von einem Durchschnittsprüfling auszugehen ist und individuelle Empfindlichkeiten einzelner Prüflinge grundsätzlich außer Betracht zu bleiben haben (vgl. zum Ganzen: BVerwG, U.v. 1.10.1971 – VII C 5.71 – juris Rn. 34; VG Berlin, U.v. 24.9.2009 – 3 A 550.07 – juris Rn. 18).
Aufgrund des objektiven Maßstabs des Durchschnittsprüflings ist somit das klägerseitig vorgelegte fachärztliche Kurz-Attest vom 23. Januar 2016 (Blatt 27 der Gerichtsakte), nach dem der Kläger seit Herbst 2014 an einer hormonellen Dysfunktion mit unkontrolliertem überschießendem Schwitzen leidet, vorliegend nicht von Relevanz, zumal der Kläger die betreffende Erkrankung der Hochschule zum Prüfungszeitpunkt des 15. Juli 2015 offenbar nicht angezeigt hatte.
Es sind nach dem Vortrag der Beklagten auch keine weiteren Klagen gegen das Nichtbestehen einer Prüfung aufgrund der vom Kläger beanstandeten äußeren Prüfungsbedingungen im Sommersemester 2015 eingegangen.
Bei dieser Sachlage drängt sich dem Gericht auch im Lichte seiner Amtsermittlungspflicht aus § 86 VwGO vorliegend keine weitere Sachverhaltsaufklärung hinsichtlich der objektiven Bedingungen im Prüfungsraum zum Prüfungszeitpunkt auf (vgl. hierzu BVerwG, B.v. 22.11.2013 – 7 B 16/13 – juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 2.6.2015 – 22 ZB 15.535 – juris Rn. 16). Insbesondere ist die mit dem klägerischen Schriftsatz vom 20. Juni 2016 zuletzt angeregte Einholung eines Sachverständigengutachtens insoweit nicht geboten.
Letztlich gilt ohnehin, dass im Lichte des Grundsatzes der Chancengleichheit keine Wahlmöglichkeit des Prüflings bestehen darf, eine Aufsichtsarbeit jeweils nach ihrem Ergebnis gelten zu lassen oder zu wiederholen. Dies gilt auch dann, wenn ausnahmsweise eine unverzügliche Rüge oder die unverzügliche Geltendmachung von Rechten wegen Verfahrensfehlern nicht erforderlich ist, da der Mangel für die Prüfungsbehörde nicht nur erkennbar, sondern offensichtlich und zweifelsfrei ist (vgl. VGH BW, B.v. 16.8.2006 – 9 S 675/06 – juris Rn. 11; Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rn. 485). Der Kläger wäre daher vorliegend in jedem Fall gehalten gewesen, die objektiven Prüfungsbedingungen unverzüglich im Anschluss an die Prüfung vom 15. Juli 2015 – jedenfalls vor Kenntnis des Prüfungsergebnisses – zu rügen, was jedoch unterblieben ist (siehe oben).
cc) Auch soweit die Klägerseite einen zu umfangreichen Prüfungsstoff rügt, führt dies nicht zu einem Fehler im Prüfungsverfahren.
Insoweit beanstandet der Kläger nicht die konkrete Aufgabenstellung in der Prüfung vom 15. Juli 2015 selbst, etwa mit Blick auf eine thematische Überschreitung des nach den einschlägigen Vorschriften zulässigen Prüfungsstoffs oder auf einen quantitativ nicht bewältigbaren Aufgabenumfang. Der Kläger rügt vielmehr sinngemäß einen unzulässigerweise von vornherein generell zu umfangreichen prüfungsrelevanten Modullernstoff (u. a. 591 Seiten Skript sowie 807 Seiten prüfungsrelevantes Zusatzmaterial), der im Rahmen der Prüfungsvorbereitung nicht in vollem Umfang zu rekapitulieren bzw. zu beherrschen gewesen sei. In der Folge dieses Verfahrensfehlers sei die inmitten stehende Prüfung allgemein unverhältnismäßig und zu schwer gewesen; sie sei nicht geeignet gewesen, die tatsächlich vorliegenden Kenntnisse und Fähigkeiten des Klägers zu ermitteln.
(1) Zunächst ist klarzustellen, dass der klägerische Vortrag als Rüge eines Verfahrensfehlers zu qualifizieren ist.
Die aus Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 4 GG hergeleiteten bundesrechtlichen Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Prüfungsverfahren und sodann an eine rechtmäßige Bewertung der in diesem Prüfungsverfahren von den Prüflingen erbrachten Prüfungsleistungen gebieten eine grundsätzliche Unterscheidung zwischen Mängeln im Prüfungsverfahren einerseits und materiellen Beurteilungsfehlern andererseits. Mängel im Prüfungsverfahren sind solche, die den Sinn des rechtlich geordneten Prüfungsverfahrens verletzen, alle Prüflinge gleichermaßen in die Lage zu versetzen, ihre Leistungsfähigkeit bestmöglich in die von ihnen abverlangte Prüfungsleistung umzusetzen. Wird der Einzelne daran im Stadium der Erbringung der Prüfungsleistung durch beachtliche Einflüsse gehindert oder gestört, so kann seine Prüfungsleistung dadurch beeinträchtigt sein. Als typische Verfahrensbeeinträchtigungen sind u. a. Erkrankung, erhebliche Lärmstörung, Verkürzung der Prüfungsdauer oder Befangenheit des Prüfers anerkannt. Der Unterschied zu einem materiellen Bewertungsmangel liegt mithin darin, dass die Beeinträchtigung bereits eintritt, bevor die Leistung von den Prüfern beurteilt wird. Auch wenn sie sich auf die Bewertung auswirkt, begründet sie keinen Bewertungsfehler im engeren Sinne. Insofern führen Mängel im Prüfungsverfahren typischerweise zu einer unzutreffenden materiellen Beurteilung der Leistungsfähigkeit des betroffenen Prüflings, „schlagen auf diese durch“, und zwar unabhängig davon, ob die in diesem fehlerhaften Verfahren erbrachten Prüfungsleistungen ihrerseits materiell richtig oder fehlerhaft beurteilt werden. Zu beheben sind solche Verfahrensmängel nur durch eine Wiederholung des Prüfungsverfahrens, wohingegen bei den materiellen Bewertungsfehlern im engeren Sinne (nur) eine Neubewertung der von dem Prüfling frei von Verfahrensmängeln erbrachten Leistungen stattzufinden hat. Bei einem gegebenen Verfahrensmangel scheidet eine zutreffende Bewertung der erbrachten Leistung jedoch bereits objektiv aus, da es dafür an einer hinreichenden und geeigneten Grundlage fehlt und/oder die Chancengleichheit aller Prüflinge verletzt würde (vgl. zum Ganzen: BVerwG, U.v. 22.6.1994 – 6 C 37/92 – BVerwGE 96, 126 – juris Rn. 23-27; VGH BW, U.v. 29.11.2006 – 9 S 987/06 – juris Rn. 17; HessVGH, U.v. 29.4.2010 – 8 A 3247/09 – juris Rn. 32 f.; VG Ansbach, U.v. 24.2.2005 – AN 2 K 04.1309 – juris Rn. 36 f.).
Hiervon ausgehend stuft die Rechtsprechung prüfungsstoffbezogene Rügen – soweit ersichtlich – ganz überwiegend als Beanstandungen des Prüfungsverfahrens ein. Dies gilt etwa für eine thematische Überschreitung des nach den einschlägigen Vorschriften zulässigen Prüfungsstoffs in konkreten Prüfungsaufgaben als auch für zu umfangreiche Prüfungsaufgaben (vgl. zum Ganzen: OVG NW, B.v. 10.9.2009 – 14 B 1009/19 – juris Rn. 12; VG Karlsruhe, U.v. 4.11.2015 – 4 K 1093/13 – juris Rn. 21; VG Augsburg, U.v. 23.9.2014 – Au 3 K 14.360 – juris Rn. 46; VG Düsseldorf, U.v. 1.4.2014 – 26 K 5876/12 – juris Rn. 58-62; VG Mainz, U.v. 21.3.2013 – 1 K 919/12.MZ – juris Rn. 24; VG Ansbach, U.v. 16.11.2006 – AN 2 K 05.4271 – juris Rn. 43; U.v. 24.2.2005 – AN 2 K 04.1309 – juris Rn. 35-38; vgl. zum Wehrprüfungsrecht auch BVerwG, B.v. 18.12.2012 – 1 WB 68/11 – juris Rn. 39, 42 f.: zu umfangreicher Prüfungsstoff als Verstoß gegen Verfahrensvorschriften und Grundsatz der Chancengleichheit im Prüfungsverfahren).
Unter Berücksichtigung obiger Grundsätze ist auch die vorliegend klägerseitig erhobene prüfungsstoffbezogene Rüge der Kategorie des Mangels im Prüfungsverfahren zuzuordnen. Es geht hierbei insbesondere um Prüfungsgerechtigkeit hinsichtlich adäquater Vorbereitungsmöglichkeiten eines Prüflings. Bei einem von vornherein unzulässigerweise zu umfangreichen Modulprüfungsstoff ist daher – unabhängig von den tatsächlichen konkreten Prüfungsaufgaben in einer Abschlussprüfung – nicht erst die Prüferbewertung fehlerbehaftet, vielmehr musste der Prüfling seine Prüfungsleistung bereits unter (Vorbereitungs-)Bedingungen erbringen, die eine unbeeinträchtigte Entfaltung seiner Möglichkeiten bzw. eine unverfälschte Feststellung seiner Leistungsfähigkeit nicht zulassen. Dass sich ein solcher prüfungsstoffbezogener Verfahrensfehler zugleich denknotwendig auch auf die Bewertung auswirkt, begründet hingegen keinen materiellen Bewertungsfehler im engeren Sinne.
Auch die Klägerseite selbst geht letztlich vorliegend ausdrücklich davon aus, dass mit der Rüge des Umfangs des Prüfungsstoffs ein Verfahrensfehler – und nicht etwa ein materieller Bewertungsfehler im engeren Sinne – geltend gemacht wird (Schriftsatz der Klägerseite v. 13.4.2016, Blatt 60 f. der Gerichtsakte).
(2) Mit dem mithin geltend gemachten Verfahrensfehler eines von vornherein zu umfangreichen Modulprüfungsstoffs kann die Klägerseite jedoch nicht gehört werden.
Denn auch insoweit wäre eine unverzügliche Rüge des Prüflings erforderlich gewesen. Eine solche ohne weiteres mögliche und zumutbare Rüge ist vorliegend jedoch seitens des Klägers unterblieben, so dass er insoweit nunmehr präkludiert ist (vgl. hierzu OVG NW, B.v. 10.9.2009 – 14 B 1009/19 – juris Rn. 12; VG Mainz, U.v. 21.3.2013 – 1 K 919/12.MZ – juris Rn. 23-25/28; VG Ansbach, U.v. 24.2.2005 – An 2 K 04.1309 – juris Rn. 34-38/47; VG Düsseldorf, U.v. 1.4.2014 – 26 K 5876/12 – juris Rn. 58-62; Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rn. 401). Insoweit gelten die obigen Ausführungen zur fehlenden Unverzüglichkeit einer klägerischen Rüge hinsichtlich der äußeren Bedingungen im Prüfungsraum entsprechend. Von der Präklusion ist auch die Geltendmachung solcher materieller Bewertungsrügen im weiteren Sinne umfasst, die sich aus einem etwaigen nicht rechtzeitig gerügten Verfahrensfehler ergeben (vgl. BVerwG, U.v. 22.6.1994 – 6 C 37/92 – BVerwGE 96, 126 – juris Rn. 23-27).
(3) Unabhängig von einer nicht rechtzeitigen Verfahrensrüge des Klägers ist vorliegend auch in der Sache kein prüfungsstoffbezogener Verfahrensfehler ersichtlich.
Soweit die Klägerseite insoweit offenbar auf Skripten und sonstige Unterrichtsmaterialien Bezug nimmt, so ist dies nicht von Relevanz. Der maßgebliche Prüfungsstoff ergibt sich aus den einschlägigen Prüfungsordnungen und Prüfungsrichtlinien, nicht aus verwendeten Unterrichtsskripten oder Unterrichtsmaterialien (vgl. BayVGH, B.v. 29.1.2013 – 22 ZB 12.2181 – juris Rn. 22; B.v. 7.5.2009 – 22 ZB 09.343 – juris Rn. 10). Auch der konkrete Inhalt der Lehrveranstaltungen ist insoweit nicht von Bedeutung (vgl. OVG BE-BB, U.v. 8.6.2010 – OVG 10 B 4.09 – juris Rn. 40). Es ist kennzeichnend für ein Hochschulstudium, dass die selbstständige aktive Erarbeitung nicht in den Vorlesungen behandelten Stoffes erwartet wird und notwendig ist, um die Prüfungen zu absolvieren; die von den Lehrkräften in ihren Unterrichtsveranstaltungen und Sprechstunden erteilten Hinweise auf geeignete Fachbücher und sonstige Lernmaterialien haben weder verpflichtenden noch abschließenden Charakter (BVerwG, B.v. 18.5.1982 – 1 WB 148/78 – juris Rn. 47-49; BayVGH, B.v. 4.2.2008 – 7 CE 07.3468 – juris Rn. 25; VG Köln, U.v. 21.7.2011 – 6 K 4771/10 – juris Rn. 34).
Ausgangspunkt für die Ermittlung des zulässigen Prüfungsstoffs ist vorliegend vielmehr zunächst § 3 SPO („Studienziel“). Ziel des Bachelorstudiengangs ist es demnach, einschlägige betriebswirtschaftliche Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln, die erforderlich sind, um in Einrichtungen des Gesundheitswesens Fachpositionen im Verwaltungsbereich sowie Führungspositionen zu besetzen. Dazu wird der betriebswirtschaftliche Fokus ab dem ersten Semester auf die Gesundheitsbranche ausgerichtet. Neben funktionsübergreifenden Inhalten werden die zwei Vertiefungsrichtungen Finanzierung/Controlling und Personal/Organisation angeboten, welche den Studierenden Spezialwissen vermittelt, die für leitende Fachpositionen qualifizieren. Die Studierenden erwerben auf der Grundlage von Fallstudien und Praxisprojekten umfangreiches methodisches Wissen zur Entwicklung von anwendungsorientierten Problemlösungen. Neben der fachlichen und methodischen Kompetenz werden Schlüsselkompetenzen im sozialkommunikativen Bereich sowie im Bereich der Selbstorganisation und -reflexion erworben. Gemäß § 4 Abs. 5 SPO werden in einem Studienplan die Pflicht- und Wahlpflichtmodule festgelegt, deren Abschluss für den erfolgreichen Abschluss der Bachelorprüfung erforderlich ist. Im in § 20 SPO enthaltenen Studienplan ist sodann das hier streitgegenständliche Modul „BWL des Gesundheitswesens II“ mit seinen wesentlichen Grundinformationen enthalten (Seminaristischer Unterricht/Übung, 5 ECTS, 4 SWS, Klausurarbeit 90 min). Im Modulhandbuch der Hochschule für den Bachelor-Studiengang Betriebswirtschaft im Gesundheitswesen (für Studienanfänger vor dem Sommersemester 2015, abrufbar unter www.hs-….de; Blatt 77 der Gerichtsakte) ist sodann als Seite 18 eine detaillierte Beschreibung für das Modul „BWL des Gesundheitswesens II“ (Stand: 10.2.2014) enthalten, die hinreichende Angaben zur Einordnung und Bedeutung des Moduls bezogen auf die Ziele des Studiengangs, zu Lernergebnissen, Inhalten sowie zu Literatur enthält:
„Einordnung und Bedeutung des Moduls bezogen auf die Ziele des Studiengangs
Für Rehabilitationseinrichtungen, soziale Einrichtungen und Pflegeeinrichtungen gelten betriebswirtschaftlich besondere Rahmenbedingungen und Spielregeln. Ein freier Wettbewerb wird in hohem Maße durch spezifische rechtliche Rahmenbedingungen eingeschränkt. Vor diesem Hintergrund ergeben sich spezifische Anforderungen für die Einrichtungen hinsichtlich der operativen wie auch strategischen Geschäftsführung. Ziel des Moduls ist es den Studierenden die spezifischen Spielregeln für die genannten Einrichtungen aufzuzeigen, mit Praxisbeispielen zu illustrieren und den Bereich gegenüber dem Krankenhausbereich abzugrenzen. Die Veranstaltung ist im Kontext der BWL I (Krankenhaus) und BWL III (Kostenträger und Pharma) zu sehen. Erstere beinhaltet die, in der Regel vorgelagerte Versorgungsstufe. Letztere die Kostenträgerseite und damit die unmittelbaren Marktpartner der Einrichtungen.
Lernergebnisse
Nach erfolgreichem Abschluss des Moduls haben die Studierenden folgende Kompetenzen erworben:
Fachkompetenz
– Kenntnis der wesentlichen rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Bereich der Rehabilitationseinrichtungen, sozialen Einrichtungen und Pflegeeinrichtungen.
– Umsetzung von Controlling und Finanzierung in den genannten Einrichtungen
– Kenntnis spezifischer Spannungsfelder im Bereich Markt, Personal und Finanzierung
– Kenntnis von Entwicklungsperspektiven, Trends und Chancen im Bereich der Rehabilitationseinrichtungen, sozialen Einrichtungen und Pflegeeinrichtungen
Methodenkompetenz
– Grundkenntnisse im Bereich des Reha-Rechts und Pflegerechts (SGB) und Konsequenzen für die betriebswirtschaftliche Leitung der Einrichtungen
– Kalkulation und Bewertung von Vergütungssätzen, Personalbedarfsplanungen und Finanzierungsmodellen im Kontext der spezifischen Markterfordernisse und der rechtlichen Rahmenbedingungen
Sozial- und Selbstkompetenz
– Übersichtliches und strukturiertes Arbeiten lernen
– Sozialpolitische und gesundheitsökonomische Zusammenhänge reflektieren
– Kritische Beurteilung von Finanzierungsmodellen
Inhalte
– Rechtliche Grundlagen für Rehabilitationseinrichtungen, sozialen Einrichtungen und Pflegeeinrichtungen (SGB V, VI, IX und XI)
– Finanzierungsmodelle im Bereich der Rehabilitation (tagesgleiche Vergütungen, Fallpauschalenmodelle)
– Trends und Entwicklungen im Bereich der Rehabilitation & Pflege
– Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung (u. a. Angehörigenmanagement)
Literatur
– Müller, Herbert: Arbeitsorganisation in der Altenpflege. Ein Beitrag zur Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung. 4., akt. und erw. Auflage, Hannover, Schlütersche Verlagsgesellschaft 2011,
– Lingenfelser, Stefanie: Freie Wohlfahrtspflege in Deutschland, sozialwirtschaftliches Handeln zwischen ethischen und ökonomischen Anforderungen, Marburg, Metropolis‐Verl., 2011,
– Brinkmann, Volker: Sozialwirtschaft, Grundlagen, Modelle, Finanzierung, Wiesbaden, Betriebswirtschaftlicher Verlag Gabler, 2010“
Die obige maßgebliche Modulbeschreibung gibt jedoch bei einer Präsenzzeit von 60 Stunden und einer Zeit des Selbststudiums von 90 Stunden für sich genommen keinen Anlass, von einem generell zu umfangreich konzipierten Prüfungsstoff auszugehen. Auch die Klägerseite hat hierzu jenseits des pauschalen Verweises auf für den Prüfungsstoff des Moduls – wie ausgeführt – nicht relevante Unterrichtsmaterialien („10 Übungsaufgaben“, „591 Seiten Folien Skript“ und „807 Seiten Zusatz, auch prüfungsrelevant“; Klagebegründung v. 8.2.2016, Blatt 26 der Gerichtsakte) nichts weiter substantiiert vorgetragen. Dies gilt auch mit Blick auf den durch die Beklagten bestrittenen klägerischen Vortrag einer Durchfallquote von über 50 v. H. in der streitgegenständlichen Prüfung. Denn selbst das Vorliegen einer ausgewöhnlich hohen Misserfolgsquote gäbe für sich genommen keinen Anlass für die Annahme, dass der relevante Prüfungsstoff von vornherein zu umfangreich konzipiert gewesen wäre (vgl. VG Berlin, B.v. 3.4.2013 – 3 K 889.12 – juris Rn. 16; VG München, B.v. 29.9.2005 – M 3 E 05.3126 – juris Rn. 55 f.). Vor diesem Hintergrund drängt sich dem Gericht auch im Lichte seiner Amtsermittlungspflicht aus § 86 VwGO keine weitere diesbezügliche Sachverhaltsaufklärung auf (vgl. hierzu BVerwG, B.v. 22.11.2013 – 7 B 16/13 – juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 2.6.2015 – 22 ZB 15.535 – juris Rn. 16).
Abschließend ist klarzustellen, dass ein Prüfer nicht verpflichtet ist, den vorgegebenen Prüfungsstoff aus eigenem Antrieb oder auf Nachfrage des Prüflings einzugrenzen und diesem vorab gezielt das konkrete Prüfungsthema zu offenbaren (vgl. NdsOVG, B.v. 16.3.2010 – 2 ME 143/10 – juris Rn. 26). Eine prüferseitige Beschränkung des vorgegebenen Prüfungsstoffs dürfte vielmehr mit Blick auf den Grundsatz der Chancengleichheit grundsätzlich ebenso wenig zulässig sein wie ein Überschreiten des vorgegebenen Rahmens (vgl. OVG NW, B.v. 27.10.2011 – 14 E 978/11 – juris Rn. 3; VGH BW, B.v. 3.4.1986 – 9 S 151/86 – NVwZ 1987, 1013).
b) Soweit es die ausgesprochene Exmatrikulation betrifft, ist der durch die Hochschule … als staatliche Einrichtung – vgl. Art. 12 Abs. 3 Nr. 5 BayHSchG -erlassene Bescheid vom 3. März 2016 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen subjektivöffentlichen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Nach Art. 49 Abs. 2 Nr. 3 BayHSchG sind Studierende von der Hochschule u. a. dann zwingend zu exmatrikulieren, wenn sie eine nach der Prüfungsordnung erforderliche Prüfung endgültig nicht bestanden haben. Für die Rechtmäßigkeit der Exmatrikulation kommt es nicht auf die Bestandskraft der Prüfungsentscheidung an (BayVGH, B.v. 22.5.2013 – 7 ZB 12.2542 u. a. – juris Rn. 5; B.v. 30.10.2012 – 7 C 12.1641 – juris Rn. 2).
Die Voraussetzungen des Art. 49 Abs. 2 Nr. 3 BayHSchG sind vorliegend gegeben. Der Kläger hat – wie ausgeführt – die Prüfung im Fach „BWL des Gesundheitswesens II“, das nach dem in § 20 SPO festgelegten Studienplan für den Bachelor-Studiengang „Betriebswirtschaft im Gesundheitswesen“ eine erforderliche Prüfung (Pflichtfach i. S.v. § 5 Abs. 2 SPO) darstellt, endgültig nicht bestanden. Als Folgeentscheidung war der Kläger nach Art. 49 Abs. 2 Nr. 3 BayHSchG zwingend zu exmatrikulieren (vgl. VG Ansbach, U.v. 29.1.2013 – AN 2 K 12.1567 u. a. – juris Rn. 33).
3.Nach alledem ist die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg, Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg, schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Hausanschrift in München: Ludwigstr. 23, 80539 München, oder Postfachanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München, Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach einzureichen. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind die in § 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO genannten Personen vertreten lassen.
Der Antragsschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 7.500,- festgesetzt.
Gründe:
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Fassung 2013). Dort ist in Nr. 18.1 für Streitigkeiten hinsichtlich einer Exmatrikulation der Auffangwert von EUR 5.000,- vorgesehen, in Nr. 18.6 für Streitigkeiten hinsichtlich eines hochschulrechtlichen Leistungsnachweises der halbe Auffangwert von EUR 2.500,-. Insgesamt war daher vorliegend ein Betrag von EUR 7.500,- als Streitwert festzusetzen (vgl. VG Ansbach, U.v. 29.1.2013 – AN 2 K 12.1567/1568 – juris Rn. 36).


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