Verwaltungsrecht

Ruhegehaltsfähigkeit der Vollstreckungsvergütung für Gerichtsvollzieher

Aktenzeichen  3 ZB 15.2495

Datum:
22.9.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 128027
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
BayBeamtVG Art. 12 Abs. 1 S. 1 Nr. 6
BayBG Art. 90 Abs. 1 Nr. 2
BayVwVfG Art. 38

 

Leitsatz

1 Die Vollstreckungsvergütung für Gerichtsvollzieher ist nicht ruhegehaltsfähig, wenn sie bei Eintritt in den Ruhestand nicht bezogen wurde, weil der Beamte bis zur Versetzung in den Ruhestand auf eigenen Antrag ohne Dienstbezüge beurlaubt war. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2 Aus einer falschen Versorgungsauskunft kann sich kein Anspruch ergeben, weil die Auskunft unverbindlich ist und nicht als Zusicherung qualifiziert werden kann. Eine höhere als die gesetzlich zustehende Versorgung kann nicht zugesichert werden (Art. 3 Abs. 2 BayBeamVG). (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 2 K 14.1657 2015-09-24 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 4.210,32 Euro festgesetzt.

Gründe

Der auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils), § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten), § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung) und § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO (Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung beruht) gestützte Antrag bleibt ohne Erfolg.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens nicht. Ernstliche Zweifel im Sinne dieser Vorschrift, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Berücksichtigung der Vollstreckungsvergütung für Gerichtsvollzieher bei der Berechnung des Ruhegehalts der Klägerin unter Abänderung des Bescheids des Landesamtes für Finanzen vom 5. August 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 15. Oktober 2014, hilfsweise auf Verpflichtung zur Neufestsetzung der Ruhegehaltsbezüge unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts, zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass die Vollstreckungsvergütung für Gerichtsvollzieher bei der Berechnung ihrer Versorgungsbezüge als ruhegehaltfähig berücksichtigt wird (§ 113 Abs. 5, Abs. 1 VwGO).
Soweit das Verwaltungsgericht zur Auffassung gelangt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ruhegehaltfähigkeit der Vollstreckungsvergütung nach Art. 12 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 Satz 1 BayBeamtVG (Bayerisches Beamtenversorgungsgesetz vom 5.8.2010 – GVBl. 2010, 410) bei der Klägerin nicht vorliegen, da die Vollstreckungsvergütung zum Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung nicht mehr bezogen wurde, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden.
Gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 BayBeamtVG ist die Vollstreckungsvergütung für Gerichtsvollzieher nur dann ruhegehaltfähig, wenn sie mindestens zehn Jahre lang und noch bei Eintritt in den Ruhestand bezogen wird oder für den Fall, dass der Beamte vor Eintritt in den Ruhestand dienstunfähig war, bezogen worden wäre, wenn die Dienstunfähigkeit nicht bestanden hätte. Dies ist jedoch bei der Klägerin nicht der Fall. Sie hat die Vollstreckungsvergütung letztmalig im Dezember 2012 erhalten. Für den Zeitraum vom 1. Februar 2013 bis zur Versetzung in den Ruhestand zum 1. Juli 2014 war sie auf eigenen Antrag gemäß Art. 90 Abs. 1 Nr. 2 BayBG (Bayerisches Beamtengesetz) ohne Dienstbezüge beurlaubt und hat somit die Vollstreckungsvergütung bei Eintritt in den Ruhestand nicht bezogen.
1.1. Eine erweiternde Auslegung des Art. 12 Abs. 2 Satz 1 BayBeamtVG dergestalt, dass für die Ruhegehaltfähigkeit generell der Bezug der Vollstreckungsvergütung zum Ende der aktiven Dienstzeit ausreichend wäre, also im Fall der Klägerin der Bezug der Vollstreckungsvergütung zum Zeitpunkt der Beurlaubung (1. Februar 2013), kommt nicht in Betracht. Für die insoweit vom Bevollmächtigten der Klägerin befürwortete verfassungskonforme Auslegung fehlt es bereits an einer hinreichend substantiierten Darlegung eines Verfassungsverstoßes, für den aus Sicht des Senats kein Anhalt besteht. Der Gesetzgeber hat in Art. 12 Abs. 2 Satz 2 und Satz 4 BayBeamtVG mit den Fällen der Inanspruchnahme der Altersteilzeit im Blockmodell und der anderweitiger Verwendung wegen Verlustes der Tauglichkeit für den Vollstreckungsaußendienst (der hier keinesfalls vorlag, da die Klägerin vorträgt, bei zutreffender Auskunft den Gerichtsvollzieherdienst fortgesetzt zu haben) ausdrücklich zwei Sachverhalte geregelt, in denen der Bezug der Vollstreckungsvergütung zum Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung nicht mehr gegeben ist, jedoch gleichwohl ausnahmsweise Ruhegehaltfähigkeit bestehen soll. Der Ausnahmecharakter dieser Regelungen ergibt sich auch aus der Gesetzesbegründung zu Art. 12 Abs. 2 Satz 4 BayBeamtVG (vgl. LT.-Drs. 16/3200, S. 457). Angesichts des Perfektionsstrebens des Gesetzgebers auf dem Gebiet des Versorgungsrechts ist es grundsätzlich ausgeschlossen, mittels Analogie Ansprüche dem Grunde nach herzuleiten. Auch eine extensive oder ergänzende Auslegung mit diesem Ziel ist ausgeschlossen (vgl. Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, § 3 BeamtVG Rn. 71). Weitere Fälle der Beendigung der Vollstreckungstätigkeit vor Ruhestandseintritt, wie z. B. die freiwillige Beurlaubung bis zur Ruhestandsversetzung nach Art. 90 Abs. 1 Nr. 2 BayBG, sind deshalb von Art. 12 Abs. 2 Satz 1 BayBeamtVG nicht erfasst.
1.2 Die Klägerin kann den vorliegend geltend gemachten Anspruch auch nicht aus der ihr erteilten Versorgungsauskunft vom 21. Juli 2011 des Landesamts für Finanzen herleiten, in der die Vollstreckungsvergütung fälschlicherweise als Teil der ruhegehaltfähigen Bezüge ausgewiesen wurde. Eine solche Auskunft erfüllt nicht die Voraussetzungen einer als Verwaltungsakt zu qualifizierenden Zusicherung i. S. v. Art. 38 BayVwVfG (Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz). Hiervon geht auch die Klägerin selbst nicht aus. Die Versorgungsauskunft ist grundsätzlich unverbindlich und steht unter dem Vorbehalt künftiger Sach- und Rechtsänderungen sowie der Richtigkeit und Vollständigkeit der zugrunde liegenden Daten. Zudem wäre eine solche Zusicherung gemäß Art. 3 Abs. 2 BayBeamtVG unwirksam, weil sie darauf hinaus liefe, der Klägerin eine höhere als die ihr gesetzlich zustehende Versorgung zu verschaffen (vgl. auch Art. 9 Abs. 3 BayBeamtVG, wonach Entscheidungen über die Bewilligung von Versorgungsleistungen aufgrund von Kann-Vorschriften erst bei Eintritt des Versorgungsfalls getroffen werden dürfen und vorherige Zusicherungen unwirksam sind). Ebenso wie im Besoldungsrecht gilt im Beamtenversorgungsrecht ein strenges Gesetzlichkeitsprinzip (vgl. Reich, BeamtVG, 2013, § 3 Rn. 2). Ansprüche auf Leistungen nach Beamtenversorgungsrecht bestehen nur aufgrund und nach Maßgabe gesetzlicher Bestimmungen (Beck-Online Kommentar, Beamtenrecht Bayern, Brinktrine/Voitl, 7. Edition Stand 1.6.2017, BayBG Rn. 16).
1.3. Das Vorbringen der Klägerin, aufgrund der Versorgungsauskunft vom 21. Juli 2011 habe sie auf die Ruhegehaltfähigkeit der Vollstreckungsvergütung im Fall der Beurlaubung bis zur Versetzung in den Ruhestand vertrauen dürfen, ist ebenfalls nicht geeignet, ernstliche Zweifel am erstinstanzlichen Urteil zu begründen. Die gesetzlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs liegen nicht vor. Auf das Vertrauen der Klägerin kommt es im vorliegenden Verfahren ebenso wenig an wie auf die Frage, ob sich der Sachverhalt, der der Versorgungsauskunft zugrunde lag, nachträglich deshalb geändert hat, weil die Klägerin einen Monat früher beurlaubt und drei Jahre früher, als ursprünglich geplant, in den Ruhestand versetzt wurde. Diese Überlegungen würden sich ebenso wie die Frage, ob in der fehlerhaften Auskunft eine schuldhafte Pflichtverletzung liegt, allein im Rahmen der Prüfung eines Schadensersatzanspruchs z.B. wegen Verletzung der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht (§ 45 BeamtStG) stellen (vgl. BVerwG, U.v. 7.4.2005 – 2 C 5.04 – juris Rn. 56).
2. Aus den unter Ziff. 1 dargestellten Gründen ergibt sich zugleich, dass die Rechtssache keine besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufweist.
Die Klägerin trägt selbst vor, dass tatsächliche Schwierigkeiten auch nach ihrer Ansicht nicht bestehen, da die Tatsachen unstreitig seien. Soweit behauptet wird, das Verwaltungsgericht hätte Schwierigkeiten gehabt, den Sachverhalt zu subsumieren, erfüllt dieses Vorbringen nicht die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO. Im Hinblick auf die rechtlichen Schwierigkeiten fehlt es sowohl an Anhaltspunkten als auch an substantiierten Ausführungen.
3. Auch der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung) liegt nicht vor.
Eine Rechts- und Tatsachenfrage ist dann grundsätzlich bedeutsam, wenn sie für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich ist, höchstrichterlich oder durch die Rechtsprechung des Berufungsgerichts noch nicht geklärt und über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam ist. Klärungsbedürftig in diesem Sinn ist die Frage dann, wenn ihre Entscheidung offen und ihre Lösung umstritten ist (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, Rn. 36 zu § 124).
Die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage, ob Art. 12 Abs. 2 Satz 1 BayBeamtVG dahin auszulegen sei, dass die Vollstreckungsvergütung bei der Berechnung des Ruhegehalts auch dann zu berücksichtigen ist, wenn ein Gerichtsvollzieher bei einer Beurlaubung ohne Dienstbezüge die Vollstreckungsvergütung bis zum Ende seiner aktiven Dienstzeit bezieht, ist ohne weiteres aus dem Gesetz zu beantworten und zu verneinen (vgl. Ziff. 1). Die Klägerin versäumt es zudem, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ordnungsgemäß darzustellen.
4. Auch auf einen Verfahrensmangel gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 kann sich die Klägerin nicht berufen.
Ein Verstoß gegen die dem Verwaltungsgericht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO obliegende Aufklärungspflicht ist nicht ersichtlich. Eine weitere Sachaufklärung durch die Vernehmung des Ehemanns der Klägerin hat sich dem Gericht nicht aufgedrängt. Dass die Klägerin im Vertrauen auf die Versorgungsauskunft ihre Beurlaubung beantragt hat, wurde vom Beklagten nicht bestritten. Dies kann als wahr unterstellt werden, ist aber vorliegend nicht entscheidungserheblich (vgl. Ziff. 1.3). Im Übrigen verstößt ein Gericht grundsätzlich dann nicht gegen seine Aufklärungspflicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die eine anwaltlich vertretene Partei in der mündlichen Verhandlung nicht ausdrücklich beantragt hat (BVerwG v. 2.3.1978, Buchholz 310, § 132 VwGO Nr. 164 st. Rspr.). Die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in erster Instanz zu kompensieren.
5. Der Zulassungsantrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 10.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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