Verwaltungsrecht

Schießerlaubnis zum Abschuss von Kormoranen, Eingriff in das Jagdausübungsrecht (verneint)

Aktenzeichen  RO 4 K 19.674

Datum:
13.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 49120
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG § 10 Abs. 4 und 5
BJagdG § 1 Abs. 4,
BJagdG § 2 Abs. 1 und 2
Art. 33 Abs. 1 Nr. 1 BayJG i.V.m. § 18 AVBayJG
AAV § 1 Abs. 4

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I.
Die Klage ist zulässig (dazu 1.), aber nicht begründet (dazu 2.), weil der Bescheid des Landratsamts Schwandorf vom 21.3.2019 den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt.
1. Die Klage ist zulässig, insbesondere steht dem Kläger im Hinblick auf sein Jagdausübungsrecht die erforderliche Klagebefugnis zu. Die Behörde hat dem Beigeladenen eine Erlaubnis zum Schießen nach § 10 Abs. 5 WaffG und zum Führen einer Waffe nach § 10 Abs. 4 WaffG in einem räumlichen Bereich erteilt, der zum Gemeinschaftsjagdrevier …n gehört, in welchem der Kläger Jagdpächter und damit zur Jagdausübung berechtigt ist (§ 11 Abs. 1 BJagdG, Art. 7 BayJG). Beim Jagdausübungsrecht handelt es sich um ein absolutes Recht i.S.d. §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB, das den Schutz des Art. 14 GG genießt und das gegenüber jedermann einen Anspruch auf Unterlassung von störenden Handlungen gewährt (Schuck, Bundesjagdgesetz, 2. Aufl. 2015, § 3 Rn. 17 und 18 m.w.N.). Durch die Erteilung einer Erlaubnis zum Schießen und zum Führen einer Waffe an einen Dritten durch eine Behörde ist eine solche Störung grundsätzlich denkbar, so dass der Kläger geltend machen kann, durch den angefochtenen Verwaltungsakt gem. § 42 Abs. 2 VwGO in seinen Rechten verletzt zu sein.
2. Die Klage bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg, weil der Kläger im konkret zu entscheidenden Fall durch die dem Beigeladenen erteilte Erlaubnis zum Schießen und Führen einer Waffe in seinem Revier nicht in dem hier einzig in Betracht kommenden Jagdausübungsrecht verletzt wird.
Wie sich aus § 1 Abs. 4 BJagdG ergibt, erstreckt sich die Jagdausübung auf das Aufsuchen, Nachstellen, Erlegen und Fangen von Wild, wobei unter „Wild“ nach der Legaldefinition von § 1 Abs. 1 BJagdG die auf einem bestimmten Gebiet wildlebenden Tiere, die dem Jagdrecht unterliegen, zu verstehen sind. Unter dem Jagdausübungsrecht versteht man in diesem Zusammenhang die allgemeine Befugnis, das Jagdrecht auf einer bestimmten Fläche umfassend zu nutzen und andere davon auszuschließen (Metzger in Lorz / Metzger / Stöckel, Jagdrecht. Fischereirecht, 4. Aufl. 2011, § 3 Rn. 3, ähnlich Schuck, a.a.O., § 3 Rn. 12 m.w.N.).
Im vorliegenden Fall liegt eine Verletzung des Jagdausübungsrechts nicht vor, weil der Abschuss der Kormorane selbst das Jagdausübungsrecht des Klägers nicht verletzt (dazu a)), sich der Kläger auf eine Beunruhigung geschützter wildlebender Tiere nicht berufen kann (dazu b)) und für eine Beeinträchtigung des dem Kläger zustehenden Jagdausübungsrechts durch eine Beunruhigung von dem Jagdrecht unterliegenden Tieren keine hinreichenden Anhaltspunkte bestehen (dazu c)). Selbst wenn man insoweit von einem Eingriff in das Jagdausübungsrecht des Klägers ausginge, wäre dieser im Hinblick auf die vom Beklagten vorgenommene Interessenabwägung nicht zu beanstanden (dazu d)).
a) Durch den Abschuss von Kormoranen wird das Jagdausübungsrecht des Klägers nicht verletzt. Dies ergibt sich daraus, dass es sich beim Kormoran nicht um ein Tier handelt, das dem Jagdrecht unterliegt. Welche Tiere dem Jagdrecht unterliegen, ergibt sich aus § 2 BJagdG, wobei die Länder gem. § 2 Abs. 2 BJagdG die Möglichkeit haben, über die in § 2 Abs. 1 BJagdG genannten Tiere hinaus weitere Tierarten zu bestimmen. Der Kormoran ist weder im Katalog des § 2 Abs. 1 BJagdG aufgeführt, noch ist er in § 18 der Verordnung zur Ausführung des Bayerischen Jagdgesetzes (AVBayJG) genannt, den der Freistaat Bayern aufgrund von Art. 33 Abs. 1 Nr. 1 BayJG zur Ausfüllung der Öffnungsklausel in § 2 Abs. 2 BJagdG erlassen hat. Der Kormoran ist damit nicht dem Jagdrecht unterstellt, so dass die Befugnis des Klägers, in seinem Revier das Jagdrecht auszuüben, durch seinen Abschuss nicht tangiert wird.
Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht daraus, dass der Kläger gem. § 1 Abs. 4 der Verordnung über die Zulassung von Ausnahmen von den Schutzvorschriften für besonders geschützte Tier- und Pflanzenarten (Artenschutzrechtliche Ausnahmeverordnung – AAV) vom 3. Juni 2008 als Jagdausübungsberechtigter zum Abschuss der Kormorane in seinem Revier berechtigt ist. Denn diese Vorschrift dient gerade nicht dem Interesse des Jagdausübungsberechtigten. Vielmehr ergibt sich bereits aus dem Wortlaut von § 1 Abs. 1 AAV, dass diese Ausnahmevorschrift „zur Abwendung erheblicher fischereiwirtschaftlicher Schäden und zum Schutz der heimischen Tierwelt“ erlassen wurde. Eine Berufung des Klägers auf ihm als Jagdausübungsberechtigter zustehende Rechte scheidet somit aus.
b) Eine Rechtsverletzung des Klägers ergibt sich nicht aus einer möglichen Beunruhigung geschützter Tierarten. Der Kläger hat insoweit im Rahmen der Klagebegründung auf Eisvogel, Schwarzstorch oder geschützte Entenarten Bezug genommen. Da diese Tiere nicht dem Jagdrecht unterliegen, scheidet eine unmittelbare Beeinträchtigung des Jagdausübungsrechts des Klägers aufgrund einer Beunruhigung dieser Tiere von vorneherein aus. Eine etwaige Verletzung von § 39 Abs. 1 Nr. 1 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG), für die im Übrigen nichts ersichtlich ist, könnte der Kläger schon deshalb nicht rügen, weil dieser Vorschrift im Hinblick auf den Jagdausübungsberechtigten kein Drittschutz zukommt.
c) Das Gericht vermag auch nicht zu erkennen, dass die dem Beigeladenen erteilte Schießerlaubnis aufgrund einer Beunruhigung von Wild im Sinn von § 1 Abs. 1 BJagdG das Jagdausübungsrecht des Klägers verletzen könnte. Zwar hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass sich die Beunruhigung von Wild dadurch erhöhe, dass neben den Revierjägern „noch jemand“ berechtigt sei zu schießen und insoweit darauf verwiesen, dass das betroffene Gebiet das Einstandsgebiet von Schwarzwild sei, das nicht mehr effektiv bejagt werden könne. Der Kläger hat jedoch diese Behauptung weder näher belegt noch erscheint sie dem Gericht im Hinblick auf die Zahl der tatsächlich vorgenommenen Abschüsse von Kormoranen plausibel. Auch wenn man zugrunde legt, dass sicher nicht jeder Kormoran beim ersten Schuss erlegt werden kann, ist bei einem Rahmen von acht (2020) bis 14 (2016) durch die Beigeladenen geschossenen Kormoranen nicht davon auszugehen, dass dies neben der Zahl der in einem Jagdrevier im Rahmen der Jagdausübung ohnehin abgegebenen Schüsse entscheidend ins Gewicht fallen könnte.
d) Selbst wenn man insoweit einen Eingriff in das Jagdausübungsrecht des Klägers annehmen würde, wäre dieser jedenfalls gerechtfertigt. Insoweit ist die durch das Landratsamt vorgenommene Interessenabwägung nicht zu beanstanden. Denn im Rahmen einer Interessenabwägung ist zu würdigen, dass das Jagdausübungsrecht des Klägers durch die dem Beigeladenen erteilte waffenrechtliche Erlaubnis wenn überhaupt nur geringfügig beeinträchtigt wird, während sich der Beigeladene auf sein Recht am eingerichteten Gewerbebetrieb berufen kann. In diesem Zusammenhang ist nach der Überzeugung der entscheidenden Kammer zum einen in die Abwägung einzustellen, dass seitens des Beigeladenen keine rechtliche Möglichkeit besteht, den Kläger zum Abschuss von Kormoranen zu verpflichten, weil diesem nach § 1 Abs. 4 AAV lediglich ein Recht zum Abschuss zusteht, diesem Recht aber keine entsprechende Abschusspflicht korrespondiert. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass im Fall eines plötzlichen Auftretens von Kormoranen ein rasches Handeln des Beigeladenen zum Schutz seines Gewerbebetriebs notwendig werden kann. Dem steht auf Seiten des Klägers keine vergleichbar schwerwiegende Beeinträchtigung gegenüber, da örtlich nur ein sehr geringer Teil seines Reviers betroffen ist und jagdbare Tiere allenfalls mittelbar betroffen sind.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO. Es entsprach der Billigkeit, dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen, da dieser einen Antrag gestellt und sich einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§§ 162 Abs. 3 i.V.m. 154 Abs. 3 VwGO).
III.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist in § 167 Abs. 1 Satz, Abs. 2 VwGO i.V. m. §§ 708 ff. ZPO begründet.


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