Verwaltungsrecht

Senegal als sicheres Herkunftsland

Aktenzeichen  M 4 S 16.30585

Datum:
30.3.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 29a Abs. 1, Abs. 2
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
GG GG Art. 16a Abs. 3

 

Leitsatz

Zwar kann grundsätzlich auch eine Erkrankung zu einem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG führen. Hierzu ist jedoch eine konkrete erhebliche Gefahr substantiiert darzulegen (hier verneint). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen einen Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt), mit dem sein Asylbegehren als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden ist.
1. Der ohne Ausweispapiere in das Bundesgebiet eingereiste Antragsteller gibt an, senegalesischer Staatsangehöriger zu sein.
Nach den Angaben des Antragstellers bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am … November 2015 habe er den Senegal im Jahr 2010 verlassen. In Spanien habe er sich für etwa 1,5 Jahre aufgehalten und sei dann im Oktober 2013 in die Bundesrepublik eingereist.
Er habe im Senegal den Militärdienst geleistet und habe deswegen Angst gehabt.
Auf die Niederschrift über die Anhörung des Antragstellers vor dem Bundesamt wird im Einzelnen verwiesen.
Mit Bescheid vom 02. März 2016, dem Antragsteller zugestellt am 16. März 2016, lehnte das Bundesamt sowohl den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigte (Ziffer 2. des Bescheids) als auch die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1. des Bescheids) als offensichtlich unbegründet ab, ebenso wurde der Antrag auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus abgelehnt (Ziffer 3. des Bescheids). Das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG wurde verneint (Ziffer 4. des Bescheids), die Antragstellerinnen wurden zur Ausreise aufgefordert, die Abschiebung wurde bei nicht fristgerechter Ausreise angeordnet (Ziffer 5. des Bescheids). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 7 AufenthG wurde auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (Ziffer 6. des Bescheids), das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet ab dem Tag der Abschiebung auf 30 Monate (Ziffer 7. des Bescheids).
Der Antragsteller stamme aus einem sicheren Herkunftsland im Sinne von § 29a Abs. 2 AsylG. Er hätte nichts vorgetragen, was ein Abweichen von dieser allgemeinen Einschätzung gebieten würde. Sein Vorbringen enthalte keine Anhaltspunkte für eine flüchtlingsrelevante Verfolgungshandlung. Deshalb seien sowohl die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als auch die Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet abzulehnen, die Zuerkennung des subsidiären Schutzes sei mangels individueller Gefährdung ebenfalls abzulehnen. Auch konkrete individuelle Gefahren, die das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes begründen könnten, seien nicht erkennbar.
Auf die Begründung des Bescheids wird im Einzelnen verwiesen.
2. Am 21. März 2016 ließ der Antragsteller Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes erheben (…).
Mit dieser wird unter Aufhebung des Bescheids die Verpflichtung der Beklagten, zur Feststellung des Vorliegens des Flüchtlingsschutzes nach § 3 AsylG, hilfsweise zur Anerkennung des subsidiären Schutzes sowie hilfsweise zur Feststellung des Vorliegens von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG begehrt.
Vorgelegt wurde ein ärztliches Attest vom … Februar 2016, das dem Kläger eine Sprunggelenksfraktur infolge einer Schlägerei bescheinigt, die operiert wurde.
Über die Klage ist noch nicht entschieden.
Gleichzeitig wurde im vorliegenden Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung im Bescheid anzuordnen.
Die Antragsgegnerin hat sich im Verfahren nicht geäußert, sie hat die Behördenakten vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakte des Bundesamtes Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist zulässig, er bleibt in der Sache ohne Erfolg.
1. Der Eilantrag richtet sich darauf, dass das Gericht die aufschiebende Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) gegen die kraft Gesetzes ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung in Ziffer 5. Satz 2 des angefochtenen Bescheids anordnen soll.
Dieser Antrag ist zulässig, da nach § 75 Abs. 1 Asylgesetz (AsylG) i. d. F. d. Bek. vom 2. September 2008 (BGBl I S. 1798), zuletzt geändert durch Art. 1 Nr. 50 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 (BGBl I. S. 3474), Klagen gegen ablehnende Asylentscheidungen nur im Falle einer mit der Ablehnung verbundenen Ausreisefrist von 30 Tagen (§ 38 Abs. 1 AsylG) aufschiebende Wirkung haben. Dies ist nach § 36 Abs. 1 AsylG bei den als offensichtlich unbegründeten abgelehnten Asylanträgen der Antragstellerinnen nicht der Fall, der Antrag richtet sich zulässig damit auf die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung (§ 36 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 AsylG).
Der Antrag wurde rechtzeitig innerhalb der Wochenfrist des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG gestellt.
2. Der Antrag ist unbegründet.
a) Nach § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG i. V. m. § 30 Abs. 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung in den Fällen, in denen der Asylantrag und der Antrag auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden sind, nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Diese ernstlichen Zweifel liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Abschiebungsandrohung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (grundlegend zur Ablehnung des Asylantrags als „offensichtlich unbegründet“ und zum Umfang der gerichtlichen Prüfung: BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/189 ff. = juris Rn. 86 ff.). Anknüpfungspunkt zur Frage der Bestätigung oder Verwerfung des Sofortvollzugs durch das Gericht muss daher die Prüfung sein, ob das Bundesamt den Antrag zu Recht als offensichtlich abgelehnt hat und ob diese Ablehnung auch weiterhin Bestand haben kann.
Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Einschätzung des Bundesamtes, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) nicht vorliegen, zum Gegenstand der Prüfung zu machen. Dies ist zwar der gesetzlichen Regelung des § 36 AsylG nicht ausdrücklich zu entnehmen, jedoch gebieten die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen der Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG) die diesbezügliche Berücksichtigung auch im Verfahren nach § 36 AsylG (vgl. zur Rechtslage nach dem dem Abschiebungsverbot gemäß § 60 AufentG entsprechenden § 51 Ausländergesetz 1990: BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/221)
b) Nach der Maßgabe dieser Grundsätze bestehen im maßgeblichen Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylG) keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen, an die Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) anknüpfenden Abschiebungsandrohung. Das Gericht folgt den Ausführungen des Bundesamtes im angefochtenen Bescheid vom 7. Januar 2016 und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend wird ausgeführt:
aa) Im Klage- und Antragsvorbringen ist zur Frage der Ablehnung des Asylbegehrens des Antragstellers nichts vorgetragen, was eine Abweichung von der gesetzlichen Wertung in Art. 16a Abs. 3 GG, § 29a Abs. 1 AsylG begründen könnte. Der Senegal ist in der Anlage II zu § 29a Abs. 2 AsylG als sogenannter sicherer Herkunftsstaat gelistet. Vom Antragsteller sind keine Tatsachen oder Beweismittel angegeben, die eine von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat abweichende Bewertung rechtfertigen (vgl. § 29a Abs. 1 AsylG).
bb) Die Ablehnung mit der Folge des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung erfasst auch die Verneinung des Vorliegens von (nationalen) Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Auch insoweit hat der Antragsteller bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung nichts Entscheidungserhebliches vorgetragen.
Hinsichtlich der vorgetragenen Erkrankung gilt Folgendes:
Zwar kann grundsätzlich auch eine Erkrankung zu einem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen. Aus den vorgelegten Attesten ergibt sich jedoch keine konkrete erhebliche Gefahr i. S. v. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG; der Antragsteller wurde erfolgreich am … Februar 2016 am Sprunggelenk operiert. Nach acht Wochen sollte der Fuß des Antragstellers wieder voll belastbar sein.
Eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben, d. h. dass eine entsprechende wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht, ergibt sich daraus in keinster Weise (zum Ganzen: BVerwG, B. v. 24.5.2006 – 1 B 118.05 – juris; NdsOVG, U. v. 10.11.2011 – 8 LB 108/10 – juris; VG Aachen, U. v. 9.12.2013 – 1 K 2546/12.A juris; VG Bremen, U. v. 15.7.2013 – 4 K 2074/10.A – juris).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 100 Zivilprozessordnung (ZPO). Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83b AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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