Verwaltungsrecht

Senegal ist sicherer Herkunftsstaat – Asylantrag offensichtlich unbegründet

Aktenzeichen  M 17 S 16.30722

Datum:
14.4.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
GG GG Art. 16a Abs. 2
AsylG AsylG § 3, § 4, § 26a Abs. 2, § 29 Abs. 2
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

Familiäre oder wirtschaftliche Schwierigkeiten vermögen mangels Anknüpfung an die dort genannten Merkmale keine Verfolgung iSd Art. 16a GG oder § 3 AsylG zu begründen (vgl. § 30 Abs. 2 AsylG). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist Staatsangehöriger des Senegal. Er reiste nach eigenen Angaben im Oktober 2014 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 18. Dezember 2014 Asylantrag.
Bei einem persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates am … Dezember 2014 vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) gab der Antragsteller unter anderem an, die Staatsangehörigkeit Senegals zu besitzen. Bei der Anhörung am … März 2016 führte er im Wesentlichen aus, dass er zwei Staatsangehörigkeiten, die von Gambia und die des Senegal, besitze. Den Ausweis aus Senegal habe er nicht mehr, da er ihn in Libyen verloren habe, den aus Gambia habe seine Mutter. Als er zwei Jahre alt gewesen sei, seien sie nach Gambia zu seinem Onkel gegangen. Der Onkel habe gewollt, dass er für ihn Traktor fahre. Die Frau des Onkels habe sie schlecht behandelt. Es habe nichts zu essen gegeben und er habe nur gearbeitet. Seine Mutter habe dann das Haus verlassen. Er sei über Senegal, Mali, Burkina Faso und Niger nach Libyen ausgereist, nachdem sein Bruder ihm das empfohlen habe. Dort sei er für seine Arbeit aber nicht bezahlt worden und der Kollege des Bruders, der ihn nach Libyen gebracht hatte, habe ihn in der Sahara gelassen; der Antragsteller habe ihn nicht erreichen können. In Libyen sowie anschließend in Italien sei er über ein Jahr gewesen.
Mit Bescheid vom 17. März 2016, zugestellt am 31. März 2016, lehnte das Bundesamt die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) und auf Asylanerkennung (Nr. 2) als offensichtlich unbegründet ab, lehnte den Antrag auf subsidiären Schutz ab (Nr. 3) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Nr. 4). Es forderte den Antragsteller auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, anderenfalls wurde ihm die Abschiebung in den Senegal oder in einen anderen Staat, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 5). Zudem wurde das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 7 des Aufenthaltsgesetzes angeordnet und auf zehn Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (Nr. 6) sowie das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 7).
Zur Begründung führte das Bundesamt insbesondere aus, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung internationalen Schutzes und die Anerkennung als Asylberechtigter offensichtlich nicht vorlägen. Sofern der Antragsteller vortrage, die Frau seines Onkels habe ihn schlecht behandelt, handele es sich ausschließlich um einen familiären Konflikt, der nicht an asylerhebliche Merkmale im Sinne des § 3 AsylG anknüpfe. Aus dem Vorbringen des Antragstellers sei nicht ersichtlich, dass sich die Befürchtung ergebe, dass er bei einer Rückkehr nach Senegal Verfolgungshandlungen flüchtlings- oder asylrechtlich erheblicher Intensität ausgesetzt wäre. Es sei daher auch nicht nur ansatzweise zu sehen, dass der Antragsteller sich in einer akuten Zwangslage befunden habe, die ihn zum Verlassen seines Herkunftslandes veranlasst haben könnte. Sofern der Antragsteller sich Anfeindungen durch die Frau seines Onkels ausgesetzt fühle, stehe es ihm frei, sich in einem anderen Landesteil oder im Senegal niederzulassen. Der Antragsteller habe ausdrücklich erklärt, Senegalese zu sein und der Heimatstaat bestimme sich grundsätzlich nach dessen Staatsangehörigkeit und nicht nach dessen gewöhnlichem Aufenthaltsort. Der Antragsteller sei auch kein subsidiär Schutzberechtigter. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Es sei davon auszugehen, dass der Antragsteller als volljähriger, gesunder Mann auch ohne nennenswertes Vermögen, ohne abgeschlossene Berufsausbildung und ohne familiären Rückhalt im Falle einer Rückkehr in der Lage wäre, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rande des Existenzminimums zu finanzieren. Die Ausführungen des Antragstellers gingen nicht über das Maß hinaus, was alle Bewohner im Senegal hinzunehmen hätten, die in vergleichbarer Situation lebten. Ihm drohe auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben.
Hiergegen erhob der Antragsteller mit Schreiben vom 6. April 2016, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München eingegangen am 7. April 2016, Klage (M 17 K 16.30721) und beantragte gleichzeitig,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung wurde auf die Angaben im Verfahren Bezug genommen und im Übrigen im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger zwar davon ausgehe und angegeben habe, senegalesischer Staatsbürger zu sein. Er habe jedoch nie einen senegalesischen Pass besessen oder positive Kenntnis von Dokumenten, aus denen seine senegalesische Staatsbürgerschaft hervorgehe. Er sei bereits im Kleinkindalter nach Gambia gekommen und habe dort bis zu seiner Flucht gelebt. Sein Vater sei Senegalese, er selbst habe aber mit Senegal nie in Verbindung gestanden. Er habe einen gambischen Pass besessen, der von der Polizeidirektion … bei einer Kontrolle eingezogen worden sei. Dieser laute auf den Namen, der von seinem Vater abgeleitet sei (…). … leite sich von der Mutter ab und beide Namen seien im Umgang mit dem Antragsteller gebräuchlich gewesen.
Im Falle einer Abschiebung nach Gambia befürchte der Kläger Verfolgung. Er habe erfahren, dass Rückkehrern Gefängnis und Misshandlung drohe. Im Senegal könne er als illegaler Ausländer inhaftiert oder weiter nach Gambia abgeschoben werden. In Italien habe er vermutlich eine Art Asylverfahren durchlaufen, die Aufenthaltserlaubnis könne jedoch nicht vorgelegt werden, da sie sich in den Händen der Polizeibehörden befinde.
Diverse Berichte von amnesty international zur Situation in Gambia in englischer Sprache wurden vorgelegt.
Die Antragsgegnerin stellte keinen Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und im Verfahren M 17 K 16.30721 sowie auf die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antragsteller möchte erreichen, dass die kraft Gesetzes (§ 75 AsylG) ausgeschlossene aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid vom 17. März 2016 nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO i. V. m. § 36 Abs. 3 AsylG angeordnet wird.
I.
Der Antrag ist unzulässig, soweit die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Nr. 7 des Bescheids beantragt wird.
In dieser Nummer wird lediglich das sich unmittelbar aus dem Gesetz ergebende Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG gemäß § 11 Abs. 2 AufenthG zeitlich befristet. Der Antrag ist insoweit mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig. Denn die schlichte Aufhebung der Nr. 7 des Bescheids aufgrund einer Anfechtungsklage bzw. die Anordnung der aufschiebenden Wirkung beträfen lediglich die getroffene Befristungsentscheidung als solche, so dass ein erfolgreiches Rechtsmittel zur Folge hätte, dass das – unmittelbar kraft Gesetz geltende – Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG unbefristet gelten würde. Die Rechtsstellung des Antragstellers wäre somit nicht verbessert. Das Ziel einer kürzeren Befristung der gesetzlichen Sperrwirkung nach § 11 Abs. 2 AufenthG müsste, ebenso wie die (vorläufige) Erteilung einer Betretenserlaubnis gemäß § 11 Abs. 8 AufenthG, im Wege der Verpflichtungsklage bzw. im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes über einen Antrag nach § 123 VwGO erstritten werden (vgl. NdsOVG, B. v. 14.12.2015 – 8 PA 199/15 – juris Rn. 5; VG München, B. v. 12.1.2016 – M 21 S 15.31689 – UA S. 8; VG Ansbach, B. v. 20.11.2015 – AN 5 S 15.01667 – juris Rn. 2; B. v. 18.11.2015 – AN 5 S 15.01616 – UA S. 2; VG Aachen, B. v. 30.10.2015 – 6 L 807/15.A – juris Rn. 8; Funke/Kaiser in Gemeinschaftskommentar zum Aufenthaltsgesetz, Stand Dezember 2015, § 11 Rn. 183, 190, 193, 196; a.A. wohl VG München, U. v. 9.12.2015 – M 2 K 15.31158 – UA S. 14).
II.
Im Übrigen ist der Antrag zulässig, aber unbegründet, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen (vgl. Art. 16a Abs. 4 GG, § 36 Abs. 4 AsylG).
1. Gemäß Art. 16a GG, § 36 Abs. 4 AsylG kann das Verwaltungsgericht auf Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO die Aussetzung der Abschiebung anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag ist im Hinblick auf den durch Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz zu prüfen, ob das Bundesamt zu Recht davon ausgegangen ist, dass der geltend gemachte Anspruch auf Asylanerkennung bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG offensichtlich (vgl. §§ 29a, 30 AsylG) nicht besteht – wobei eine nur summarische Prüfung nicht ausreicht – und ob dieser weiterhin Bestand haben kann (BVerfG, B. v. 2.5.1984 – 2 BvR 1413/83 – BVerfGE 67, 43). Offensichtlich unbegründet ist ein Asylantrag dann, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16a GG) und die Voraussetzungen des § 3 AsylG offensichtlich nicht vorliegen (§ 30 Abs. 1 AsylG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegen ernstliche Zweifel i. S. v. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166 ff.), was nach ständiger Rechtsprechung aber nicht anzunehmen ist, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen, und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Abweisung geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B. v. 5.2.1993 – 2 BvR 1294/92 – Inf-AuslR 1993, 196).
2. An der Rechtmäßigkeit der insoweit seitens des Bundesamts getroffenen Entscheidungen bestehen hier keine derartigen ernstlichen Zweifel.
2.1 Ein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16a GG) scheidet schon deswegen aus, weil der Antragsteller auf dem Landweg und damit aus einem sicheren Drittstaat im Sinne von Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG, § 26a Abs. 2 AsylG eingereist ist.
2.2 Aber auch ein Verfolgungs- oder Lebensschicksal, das die Zuerkennung einer Rechtsstellung als Flüchtling rechtfertigen würde, ist vorliegend aus dem Vortrag des Antragstellers nicht erkennbar.
Senegal ist ein sicherer Herkunftsstaat (vgl. § 29a Abs. 2 AsylG und Anlage II zu § 29a AsylG). Die Gerichte sind an diese Einstufung gebunden, es sei denn, sie sind der Überzeugung, dass sich die Einstufung als verfassungswidrig erweist (BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1507/93 – juris Rn. 65). Verfassungs- oder europarechtliche Bedenken gegen die Einstufung Senegals als sicherer Herkunftsstaat bestehen jedoch nicht.
Es ist auch davon auszugehen, dass der Antragsteller die Staatsangehörigkeit Senegals besitzt. Dies wurde vom Antragsteller dem Bundesamt gegenüber nicht nur mehrfach behauptet, sondern sogar „beteuert“ (Bl. 42 der Behördenakte). Die dazu im Widerspruch stehenden nunmehrigen Angaben in den Gerichtsverfahren sind insoweit als reine Schutzbehauptungen zu werten. Auf eine etwaige Verfolgungsgefahr in Gambia kommt es daher nicht an, zumal dem Antragsteller im streitgegenständlichen Bescheid nur die Abschiebung in den Senegal und nicht nach Gambia angedroht wird.
Der Antragsteller hat die durch § 29a AsylG normierte Nichtverfolgungsvermutung bzgl. Senegal auch nicht durch den schlüssigen Vortrag von individuellen Verfolgungstatsachen erschüttern können. Vielmehr hat er sich allein auf wirtschaftliche und familiäre Schwierigkeiten berufen. Diese begründen aber mangels Anknüpfung an die dort genannten Merkmale keine Verfolgung im Sinne von Art. 16a GG oder § 3 AsylG (vgl. a. § 30 Abs. 2 AsylG). Das Gericht folgt daher der zutreffenden Begründung der Antragsgegnerin im angegriffenen Bescheid, auf die verwiesen wird (§ 77 Abs. 2 AsylG).
2.3 Das Bundesamt hat auch zu Recht die Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) und das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgelehnt. Das Gericht nimmt auch insoweit vollumgänglich auf die Begründung des Bundesamts im streitgegenständlichen Bescheid Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG). Weder im Eilverfahren noch im Hauptsacheverfahren wurden von Antragstellerseite Gründe vorgebracht, die den streitgegenständlichen Bescheid in Frage stellen könnten.
2.4 Nach alledem ist auch die vom Bundesamt nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG erlassene Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden.
2.5 Schließlich stellt sich das auf § 11 Abs. 7 AufenthG gestützte befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot nach der insoweit im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage als rechtmäßig dar.
Die Ermessenserwägungen der Antragsgegnerin sind im Rahmen der auf den Maßstab des § 114 Satz 1 VwGO beschränkten gerichtlichen Überprüfung nicht zu beanstanden, zumal der Antragsteller gegen das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG keine substantiierten Einwendungen vorgebracht und insbesondere kein fehlerhaftes Ermessen gerügt hat.
Der (gerichtskostenfreie, § 83b AsylG) Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.


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