Verwaltungsrecht

Senegal sicherer Herkunftsstaat

Aktenzeichen  M 4 S 16.32334

Datum:
29.8.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3e, § 29a Abs. 1, § 29a Abs. 2
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1
GG GG Art. 16a Abs. 3 S. 1

 

Leitsatz

Nach der derzeitigen Auskunftslage ist davon auszugehen, dass der senegalesische Staat willens und in der Lage ist, seine Staatsangehörigen zu schützen; diese finden jedenfalls ausreichende Ausweichmöglichkeiten innerhalb der Großstädte des Landes. Die allgemein harten Lebensbedingungen, insbesondere die schlechte Versorgungslage im Senegal begründen kein Abschiebungsverbot im Sinne des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen einen Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt), mit dem sein Asylbegehren als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden ist.
Der im September 2015 eingereiste Antragsteller stellte am 8. Juni 2016 einen Asylantrag und gibt an, die senegalesische Staatsangehörigkeit zu besitzen.
Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am … Juli 2016 trug er zu seiner Ausreise vor, er habe sein Heimatland im September 2012 verlassen und sei nach längeren Aufenthalten in Libyen und Italien im September 2015 in das Bundesgebiet weitergereist.
Als Grund gab er an, in seinem Heimatland von seiner Tante erfahren zu haben, dass ihn der Ehemann seiner früheren Freundin bedroht habe, da das Gerücht entstanden sei, dass er Vater des von der Freundin erwarteten Kindes sei. Da der Ehemann der früheren Freundin als Imam ein mächtiger Mann sei, habe er Angst bekommen und sei auf Anraten seiner Tante hin außer Landes gegangen. Die Idee, sich an die Polizei zu wenden, sei ihm erst gar nicht gekommen. Er befürchte, bei seiner Rückkehr mit denselben Problemen konfrontiert zu werden.
Auf die Niederschrift der Anhörung des Antragstellers vor dem Bundesamt wird im Einzelnen verwiesen.
Mit Bescheid vom 4. August 2016, zugestellt am 9. August 2016, lehnte das Bundesamt sowohl den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter (Ziffer 2 des Bescheids) als auch die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1 des Bescheids) als offensichtlich unbegründet ab, ebenso wurde der Antrag auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus abgelehnt (Ziffer 3 des Bescheids). Das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes -AufenthG- wurde verneint (Ziffer 4 des Bescheids), der Antragsteller wurde zur Ausreise aufgefordert, die Abschiebung bei nicht fristgerechter Ausreise angedroht (Ziffer 5 des Bescheids). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 7 AufenthG wurde auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (Ziffer 6 des Bescheids), das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet nach § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 7 des Bescheids). Zur Begründung führte das Bundesamt im Bescheid aus, dass der Antragsteller aus einem sicheren Herkunftsland im Sinne von § 29a Abs. 2 AsylG -AsylG- stamme. Er habe nichts vorgetragen, was ein Abweichen von dieser allgemeinen Einschätzung gebieten würde. Der Antragssteller habe keinerlei Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass er bei einer Rückkehr mit relevanten staatlichen oder nichtstaatlichen Repressionen zu rechnen hätte. Gegen die vorgetragene Bedrohung hätte er sich an die örtliche Polizei wenden können; diese sei schutzwillig und schutzfähig, so dass im Heimatland Hilfe zur Verfügung gestanden hätte. Der Umstand, dass der Antragsteller gar nicht in Betracht gezogen habe, sich an die örtliche Polizei zu wenden, sei seine persönliche Entscheidung gewesen. Sie sei nicht geeignet, um glaubhaft zu machen, dass der Staat keinen Schutz gewährt hätte.
Auf die Begründung des Bescheids wird im Einzelnen verwiesen.
Am 16. August 2016 erhob der Antragsteller fristgerecht Klage gegen den Bescheid vom 4. August 2016 (M 4 K 16.32333). Mit dieser wird unter Aufhebung des Bescheids die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft begehrt; weiter hilfsweise die Anerkennung des subsidiären Schutzes sowie die Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG geltend gemacht. Über die Klage ist noch nicht entschieden.
Gleichzeitig wird im vorliegenden Verfahren nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO- beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Die Antragsgegnerin hat sich im Verfahren nicht geäußert, sie hat die Behördenakte vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakte des Bundesamts verwiesen.
II.
Der zulässig erhobene Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO bleibt erfolglos. Die Ablehnung des Asylbegehrens sowie der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als jeweils offensichtlich unbegründet und die Ablehnung des subsidiären Schutzes unterliegen keinen durchgreifenden Bedenken. Auch das Vorliegen von Abschiebungsverboten ist nicht erkennbar, so dass eine Aussetzung der Abschiebung im Ergebnis nicht geboten ist.
1. Nach § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG i. V. m. § 30 Abs. 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung in den Fällen, in denen der Asylantrag und der Antrag auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden sind, nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Diese ernstlichen Zweifel liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Abschiebungsandrohung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (grundlegend zur Ablehnung des Asylantrags als „offensichtlich unbegründet“ und zum Umfang der gerichtlichen Prüfung: BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/189 ff. – juris Rn. 86 ff.). Anknüpfungspunkt zur Frage der Bestätigung oder Verwerfung des Sofortvollzugs durch das Gericht muss daher die Prüfung sein, ob das Bundesamt den Antrag zu Recht als offensichtlich abgelehnt hat und ob diese Ablehnung auch weiterhin Bestand haben kann.
Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Einschätzung des Bundesamtes, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, zum Gegenstand der Prüfung zu machen. Dies ist zwar der gesetzlichen Regelung des § 36 AsylG nicht ausdrücklich zu entnehmen, jedoch gebieten die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen der Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG) die diesbezügliche Berücksichtigung auch im Verfahren nach § 36 AsylG (vgl. zur Rechtslage nach dem Abschiebungsverbot gemäß § 60 AufenthG entsprechenden § 51 Ausländergesetz 1990: BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/221).
2. Nach Maßgabe dieser Grundsätze bestehen vorliegend keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen, mit einer Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) anknüpfenden Abschiebungsandrohung. Das Gericht folgt zunächst den Ausführungen des Bundesamtes im angefochtenen Bescheid und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung von Entscheidungsgründen ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend wird ausgeführt:
a) Im Antragsvorbringen ist zur Frage der Ablehnung des Asylbegehrens des Antragstellers nichts vorgetragen, was eine Abweichung von der gesetzlichen Wertung in Art. 16a Abs. 3 GG, § 29a Abs. 1 AsylG begründen könnte. Der Senegal ist in der Anlage II zu § 29a Abs. 2 AsylG als sogenannter sicherer Herkunftsstaat gelistet. Vom Antragsteller sind keine Tatsachen oder Beweismittel angegeben, die eine von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat abweichende Bewertung rechtfertigen (vgl. § 29a Abs. 1 AsylG). Der Asylantrag war somit nach § 29a Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abzulehnen. Die gleiche Beurteilung gilt für die Ablehnung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet.
Die vom Antragsteller vorgetragene Verfolgungsgeschichte ist unglaubwürdig. Schon die zeitlichen Aspekte rund um das Datum des Ausbildungsabbruchs, der Beziehung zu seiner früheren Freundin und dem Jahr der Ausreise sind in sich widersprüchlich. So gibt der Antragsteller in seiner Anhörung an, er habe seine als Vierzehnjähriger begonnene Ausbildung wegen der Probleme mit dem Imam nach ca. 1 Jahr und 4 Monaten beendet. Später gibt er an, ca. 18 Jahre alt gewesen zu sein, als er mit seiner früheren Freundin zusammen war.
Darüber hinaus würde die vorgetragene Verfolgungsgeschichte – auch wenn man sie als wahr unterstellt – nicht für eine asylrelevante Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure genügen.
Unabhängig davon bleibt das Begehren auf Asylanerkennung bzw. auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aber jedenfalls deshalb ohne Erfolg, weil dem Antragsteller in Anwendung von §§ 3d, 3e AsylG ausreichend interner Schutz bei einer Rückkehr in den Senegal zur Verfügung steht. Es ist nach der Auskunftslage davon auszugehen, dass der senegalesische Staats willens und in der Lage ist, seine Staatsangehörigen zu schützen. Jedenfalls finden sie innerhalb der Großstädte des Landes ausreichende Ausweichmöglichkeiten (Bericht des Auswärtigen Amtes im Hinblick auf die Einstufung der Republik Senegal als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29a AsylG vom 21.11.2015, S. 12).
b) Die Ablehnung mit der Folge des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung erfasst auch die Verneinung des Vorliegens von (nationalen) Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Auch zum Vorliegen von Abschiebungsverboten hat der Antragsteller bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung nichts vorgetragen, was ein Abweichen von der Bewertung im angegriffenen Bescheid rechtfertigt.
(1) Die allgemein harten Lebensbedingungen im Senegal eröffnen keine Berufung auf den Schutz aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Zwar ist nach der Auskunftslage (Bericht des Auswärtigen Amtes a. a. O., dort zu Ziffer IV.1 – S. 15) davon auszugehen, dass die Versorgungslage im Senegal schlecht ist. Im Hinblick auf die Lebensbedingungen kann der zurückkehrende Ausländer Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aber nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei seiner Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre, d. h. gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgesetzt ist (vgl. BVerwG, U. v. 12.7.2001 – 1 C 5/01 – BVerwGE 115, 1 m. w. N.; BVerwG, U. v. 29.9.2011 – 10 C 24/10 – NVwZ 2012, 451 Rn. 20). Auch ist in § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG zudem mittlerweile ausdrücklich geregelt, dass nicht erforderlich ist, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik gleichwertig sein muss.
(2) Das Vorliegen einer extremen Gefahrenlage bei Rückkehr kann beim Antragsteller nicht angenommen werden. Dieser ist als junger arbeitsfähiger Mann in der Lage, wie jeder andere dort Lebende in der vergleichbaren Situation, seinen Lebensunterhalt im Senegal durch eigene Tätigkeit sicherzustellen. Eine drohende Lebensgefahr ist bei einer Rückkehr nach der Auskunftslage nicht erkennbar
c) Damit ist insgesamt die nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG erlassenen Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden. Die gesetzte Ausreisefrist entspricht der Regelung in § 36 Abs. 1 AsylG.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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