Verwaltungsrecht

Sicherheitslage in Afghanistan – Kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft

Aktenzeichen  W 2 K 15.30772

Datum:
19.5.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3, § 4
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

Bei der Prüfung, ob eine inländische Fluchtalternative als zumutbar angesehen werden kann, sind die individuellen Besonderheiten wie Sprache, Bildung, persönliche Fähigkeiten, vorangegangene Aufenthalte in dem in Betracht kommenden Landesteil, örtliche und familiäre Bindungen, Geschlecht, Alter, ziviler Status, Lebenserfahrung, soziale Einrichtungen, gesundheitliche Versorgung und verfügbares Vermögen zu berücksichtigen. (redaktioneller Leitsatz)
Entscheidend dafür, ob eine inländische Fluchtalternative als zumutbar angesehen werden kann, ist dabei insbesondere auch die Frage, ob an dem verfolgungssicheren Ort das wirtschaftliche Existenzminimums des Asylsuchenden gewährleistet ist. Dies ist in der Regel dann anzunehmen, wenn der Asylsuchende durch eigene Arbeit oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Anfangsschwierigkeiten das für seinen Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen kann. (redaktioneller Leitsatz)
Aus den aktuellen Erkenntnismitteln ergibt sich trotz der sich verschlechternden Sicherheitslage keine derart hohe Gefahrendichte, dass praktisch jede Zivilperson schon alleine aufgrund ihrer Anwesenheit in Kabul bzw. der Provinz Panjsher einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt wäre. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

Die zulässige Klage, über die auch in Abwesenheit eines Vertreters der Beklagten verhandelt und entschieden werden konnte (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist unbegründet. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG noch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG. Es liegen in seiner Person auch keine nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vor.
1.
Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG liegen nicht vor.
1.1
Gemäß § 3 Abs. 4 i. V. m. Abs. 1 AsylG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt. In den §§ 3a bis 3e AsylG sind in Umsetzung von Art. 6 bis 10 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337/9 vom 20.12.2011) – QRL – (vgl. BT-Drs. 17/13063 S. 19) die Voraussetzungen für Verfolgungshandlungen, Verfolgungsgründe, Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann und Akteure, die Schutz bieten können, und für internen Schutz geregelt. Nach § 3c AsylG kann eine Verfolgung nicht nur vom Staat, sondern auch von nicht-staatlichen Akteuren ausgehen. Nach § 3a Abs. 1 AsylG gelten als Verfolgung i. S. des § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 – II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Damit entspricht die neue Gesetzeslage inhaltlich der Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids.
Der Schutzsuchende muss sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darlegen. Er muss die in seine Sphäre fallenden Ereignisse, zu denen insbesondere seine persönlichen Erlebnisse fallen, in einer Art und Weise schildern, die geeignet ist, den geltend gemachten Anspruch lückenlos zu tragen (VG Bayreuth, U. v. 13.7.2015 – B 3 K 14.30344 – juris). Dies ist nicht der Fall, wenn der Schutzsuchende im Laufe der Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen unauflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe nicht nachvollziehbar erscheinen, und auch dann, wenn er sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgeblich erachtet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (vgl. VGH BW, U. v. 27.8.2013 – A 12 S 2023/11 – juris, VGH Kassel, U. v. 4.9.2014 – 8 A 2434/11.A – juris).
1.2
Unter Zugrundelegung der Voraussetzungen des § 3 AsylG hat der Kläger zur Überzeugung des Gerichts vor seiner Ausreise keine solche Verfolgung erlitten. Im Klageverfahren wurde deutlich, dass die vom Kläger geltend gemachte Verfolgungsgeschichte nicht der Wahrheit entsprechen kann. Insoweit kann die Tätigkeit des Klägers bei der Armee als wahr unterstellt werden. Allerdings ist bereits nicht nachvollziehbar, warum die Taliban den Vater des Klägers nach dessen Beendigung der Armeetätigkeit noch entführt haben sollten. Schließlich verfügte der Kläger zu diesem Zeitpunkt über keinen Zugang mehr zu Militärküche und konnte das Essen nicht mehr vergiften. In der mündlichen Verhandlung sind zudem im Hinblick auf die behauptete an die Armeetätigkeit anknüpfende Verfolgung durch die Taliban erhebliche Widersprüche im Sachvortrag zu Tage getreten. Während der Kläger gegenüber dem Bundesamt angab, nach seinem Aufenthalt in Panjsher für einen Monat nach Kabul zurückgekehrt zu sein, machte er in der mündlichen Verhandlung einen Aufenthalt in Kabul von nur zwei Stunden geltend. Während er gegenüber dem Bundesamt angab, sein Vater sei 10 bis 12 Tage entführt gewesen, sprach er in der mündlichen Verhandlung von 25 Tagen. Auch sind die klägerischen Ausführungen zum Verlassen der Armee widersprüchlich. In der mündlichen Verhandlung gab der Kläger an, er sei zu dem zuständigen Kommandanten gegangen, habe die Pistole, seine Karte und seinen Ausweis auf den Tisch gelegt und sei gegangen. Demgegenüber hatte der Kläger in der Anhörung gegenüber dem Bundesamt zunächst von einer Kündigung gesprochen, dann aber angegeben, Urlaub genommen zu haben. Der Verweis auf den geringen Bildungsgrad des Klägers ist unzureichend, um die Widersprüche zu erklären. Zum einen hat der Kläger die Schule bis zur 8. Klasse besucht und kann lesen und schreiben, so dass er sich von einer Vielzahl von Afghanen abhebt. Auch machte der Kläger auf das Gericht in der mündlichen Verhandlung nicht den Eindruck, dass es sich um eine „einfach gestrickte“ Person handelt, wie der Klägerbevollmächtigte meint. Der pauschale Einwand, der Kläger habe sich während der Anhörung in einem schlechten Zustand befunden und sei von der rabiaten Gesprächsführung des Entscheiders beeinflusst gewesen, dringt nicht durch. Es ist nicht nachvollziehbar, warum der Kläger seine Beanstandungen gegenüber der Anhörung erstmals mit Schriftsatz seines Klägerbevollmächtigten vom 9. Mai 2016 und damit mehr als ein halbes Jahr nach deren Durchführung vorbrachte. Der Kläger teilte zu Beginn der Anhörung am 4. November 2015 mit, er sei gesund und könne die Anhörung machen. Auf die Frage nach Beanstandungen über die durchgeführte Anhörung gab der Kläger an, es sei alles sehr gut gewesen. Ihm wurde eine Niederschrift über die Anhörung ausgehändigt. Demnach bestanden für den Kläger ausreichend Möglichkeiten, sein Befinden sowie etwaige Einwände gegen die Anhörung zu einem deutlichen früheren Zeitpunkt vorzubringen. Auch der Einwand, der Hinweis des Entscheiders im angegriffenen Bescheid, wonach es sich bei den vom Kläger vorgelegten Bildern um Bildmontagen handeln könne, belege dessen „negative Gesinnung“, dringt nicht durch. Der Entscheider hat lediglich zum Ausdruck gebracht, nicht von der Echtheit der Bilder überzeugt zu sein.
1.3
Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass dem Kläger bei Wahrunterstellung seines Vorbringens – Bedrohung durch die Taliban; Aufforderung zur Abgabe einer giftigen Flüssigkeit in das Essen der von ihm überwachten Köche – eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 3e AsylG) zur Verfügung stehen würde. Nach § 3e Abs. 1 AsylG wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zum Schutz vor solcher Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftiger Weise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Beim internen Schutz sind nach § 3e Abs. 2 Satz 1 AsylG die im sicheren Teil des Herkunftslandes vorhandenen allgemeinen Gegebenheiten sowie die persönlichen Umstände des Antragstellers gemäß Art. 4 QRL zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts zu berücksichtigen. Dieser Zumutbarkeitsmaßstab geht über das Fehlen einer im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 2 AufenthG beachtlichen existenziellen Notlage hinaus (BVerwG, U. v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris Rn. 20) und erfordert eine Einzelfallprüfung (ständige Rechtsprechung, z. B. BayVGH, B. v. 23.9.2013 – 13a ZB 13.30252 – juris Rn. 4; B. v. 11.12.2013 – 13a ZB 13.30185 – juris Rn. 5). Dabei sind die individuellen Besonderheiten wie Sprache, Bildung, persönliche Fähigkeiten, vorangegangene Aufenthalte in dem in Betracht kommenden Landesteil, örtliche und familiäre Bindungen, Geschlecht, Alter, ziviler Status, Lebenserfahrung, soziale Einrichtungen, gesundheitliche Versorgung und verfügbares Vermögen zu berücksichtigen (vgl. Marx, AsylVfG, 8. Aufl. 2014, § 3e Rn. 24 ff., insbesondere 31, 32). Entscheidend dafür, ob eine inländische Fluchtalternative als zumutbar angesehen werden kann, ist dabei insbesondere auch die Frage, ob an dem verfolgungssicheren Ort das wirtschaftliche Existenzminimums des Asylsuchenden gewährleistet ist. Dies ist in der Regel dann anzunehmen, wenn der Asylsuchende durch eigene Arbeit oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Anfangsschwierigkeiten das für seinen Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen kann. Nicht mehr zumutbar ist die Fluchtalternative demgegenüber dann, wenn der Asylsuchende an dem verfolgungssicheren Ort bei der gebotenen grundsätzlich generalisierenden Betrachtungsweise auf Dauer ein Leben zu erwarten hat, das zu Hunger, Verelendung und schließlich zum Tode führt, oder wenn er dort nichts anderes zu erwarten als ein Dahinvegetieren am Rande des Existenzminimums (VG Gelsenkirchen, U. v. 22.8.2013 – 5a K 156/11.A – juris).
Daran gemessen könnte der Kläger in der Provinz Panjsher verbleiben. Dort wäre er verfolgungssicher und auch ein Überleben wäre gewährleistet. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei dem vom Klägerbevollmächtigten angeführten Verweis im Vortrag des Rechtsanwaltes Dr. … („Anerkennungs- und Rückführungspraxis von Deutschland und der EU betreffend afghanische Flüchtlinge“, Bundesrechtsberaterkonferenz vom 7. bis 9.4.2016, S. 3) auf einen Beschluss von Parteivorsitzenden vom 5. November 2015 um eine bloße politische Absichtserklärung dahingehend handelt, einen Beitrag zur „Schaffung und Verbesserung“ inländischer Fluchtalternativen zu leisten. Weitergehende Erkenntnisse lassen sich dieser Bekundung nicht entnehmen. Ausweislich der Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung hat er sich vor seiner Ausreise für einen Zeitraum von zwei Jahren, fünf Monaten und siebzehn Tagen in der Provinz Panjsher aufgehalten. Zunächst führte der Kläger aus, er sei innerhalb seines Aufenthalts nicht bedroht worden. Er habe Panjsher verlassen, weil er sich gefragt habe, wie lange er mit den Leuten dort leben solle. Sein Vater habe ihm zum Aufbruch geraten. Der Kläger verneinte die Frage des Gerichts, ob er sich in Panjsher habe verstecken müssen. Er habe sich nur in der näheren Umgebung aufgehalten. Erst auf die spätere Frage des Klägerbevollmächtigten, warum sich der Kläger in Panjsher nicht eine eigene Arbeit gesucht habe, führte der Kläger aus, er habe ständig Angst gehabt und sich verstecken müssen. Das Gericht erachtet es als unglaubhaft, dass sich der Kläger in Panjsher verstecken musste. Schließlich erwiderte er auf den Vorhalt des Gerichts, wonach er zu Beginn der mündlichen Verhandlung angegeben habe, sich in Panjsher nicht versteckt haben zu müssen, dass er keine Bedrohung erhalten, aber natürlich Angst gehabt habe. In Anbetracht des Umstands, dass der Kläger in Panjsher nach seinen eigenen Angaben keine Bedrohungen erhielt, bestand bereits kein Anlass für ein Verstecken. Auch hat der Kläger nicht nachvollziehbar erläutern können, warum er die Frage der Notwendigkeit eines Versteckens zunächst verneinte. Der Kläger verließ Panjsher nach eigenen Angaben aufgrund des väterlichen Rates, nicht aber aufgrund eines fluchtauslösenden Ereignisses. Darüber hinaus spricht die Aufenthaltsdauer von über zwei Jahren in Panjsher dafür, dass der Kläger dort verfolgungssicher war. Nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls ist es dem Kläger auch zumutbar, sich in der Provinz Panjsher niederzulassen. Zunächst ist die Provinz Panjsher nach derzeitigen Erkenntnissen im Vergleich mit anderen Landesteilen relativ sicher (Auswärtiges Amt, Bericht vom 6.11.2015 über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, S. 4; EASO, Country of Origin Information Report, Afghanistan, Security Situation, Januar 2016, S. 46 f.). Dem Kläger ist es unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls möglich, sich in der Provinz Panjsher sein wirtschaftliches Existenzminimum zu sichern. Zwar ist die Versorgungslage in Afghanistan weiterhin schlecht (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht vom 6.11.2015 über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, S. 23 f.). Nach Angaben des afghanischen Statistikamtes sei die Arbeitslosenquote im Oktober 2015 auf 40 Prozent gestiegen (Auswärtiges Amt, Bericht vom 6.11.2015 über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, S. 23). Die Schweizerische Flüchtlingshilfe geht von einer Arbeitslosigkeit von bis zu 50% aus. Es gelangten jedes Jahr weitere ca. 500.000 junge Personen auf den Arbeitsmarkt. Die hohe Arbeitslosigkeit treffe vor allem Jugendliche. Der Zugang zu Gesundheits- und Bildungseinrichtungen und anderen Dienstleistungen sei teilweise erschwert. Aufgrund der fehlenden Netzwerke sei es äußerst schwierig, eine Verdienstmöglichkeit und eine Unterkunft zu finden. Die Unterstützung durch Hilfswerke mit Nahrungsmitteln oder Bargeld habe eher symbolischen Wert (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Update zur aktuellen Sicherheitslage in Afghanistan vom 13.9.2015, S. 20 ff.). Den vom Klägerbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung in diesem Zusammenhang gestellten drei hilfsweise gestellten Beweisanträgen war nicht nachzugehen. Das Gericht verfügt aufgrund der in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel selbst über die erforderliche Sachkunde. Es bestehen keine Anhaltspunkte dahingehend, dass die vorliegenden Erkenntnismittel die derzeitige Lage in Afghanistan nur unzureichend wiedergeben. Im Hinblick auf den vom Klägerbevollmächtigten gestellten bedingten Beweisantrag, wonach unter Beweis zu stellen sei, dass sich die Wirtschaft in Afghanistan aufgrund des Abzuges der internationalen Truppen sowie durch die Einfrierung von Hilfsgeldern im Jahr 2014 in einer Rezession befindet, verfügt das Gericht basierend auf dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes über die erforderliche Sachkunde. Diesen Auskünften ist insoweit eine höhere Aussagekraft als der Stellungnahme von Dr. Dünnwald (Dr. Dünnwald, Bayerischer Flüchtlingsrat, Stellungnahme vom 9.2.2015, Keine Abschiebungen nach Afghanistan), in der auf eine erhebliche Verschlechterung der afghanischen Wirtschaft im Jahr 2014 durch die Einfrierung von Hilfsmitteln hingewiesen wird, beizumessen. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes ringt die afghanische Wirtschaft mit sinkenden internationalen Investitionen und einer stark schrumpfenden Nachfrage. Das Jahr 2015 werde nach Weltbank-Angaben mit einem geringen Wirtschaftswachstum schließen. Die afghanische Regierung erhalte weiterhin erhebliche finanzielle Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft. Nach den USA und Japan sei Deutschland der drittgrößte Geber (Auswärtiges Amt, Bericht vom 6.11.2015 über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, S. 24). Die beiden weiteren Hilfsbeweisanträge, wonach zu beweisen sei, dass die Arbeitslosigkeit in Afghanistan im Jahr 2014 zu den Jahren 2011, 2012 und 2013 nochmals deutlich gestiegen sei, gleichzeitig die Kosten für Lebensmittel und die Kosten für sonstige Gegenstände für den alltäglichen Bedarf im Jahr 2014 im Verhältnis zu den Kosten im Jahr 2011, 2012 und 2013 in Afghanistan nochmals deutlich gestiegen seien, sind als Beweisausforschungsanträge zu erachten, die kein klares Beweisthema enthalten und bereits aus diesem Grund als unzulässig abzulehnen. Denn die Formulierung „deutlich gestiegen“ ist derart unbestimmt, dass erst die Beweiserhebung selbst die entscheidungserheblichen Tatsachen und Behauptungen aufdecken könnten (vgl. VG Bayreuth, U. v. 1.4.2015 – B 3 K 14.30510 – juris). Derartige Beweisanträge sind deshalb grundsätzlich unzulässig (BVerwG, B. v. 5.10.1990 – 4 B 249/89 – NVwZ-RR 1991, 118; B. v. 2.7.1998 – 11 B 30.97 – NVwZ 1999, 656).
Es ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls gleichwohl nicht davon auszugehen, dass der Kläger – wie der Klägerbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung anmerkte -, in der Provinz Panjsher in der Vergangenheit nur „vor sich hin vegetierte“. Schließlich hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, er habe in Panjsher mit Freunden in einem Lehmhaus mit Garten gelebt. Er habe dem Freund seines Vaters im Garten geholfen und auf diese Weise etwas zum Essen erhalten. Auch habe ihm sein Vater immer wieder Geld geschickt. Demnach verfügt der Kläger in Panjsher über ein soziales Netzwerk. Es ist davon auszugehen, dass es ihm dort auch in der Zukunft möglich sein wird, sein wirtschaftliches Existenzminimum zu erwirtschaften. Es ist im Übrigen auch damit zu rechnen, dass der Kläger von seiner Familie Unterstützung erfahren würde. Schließlich hat er durch seinen Vater in der Vergangenheit eine Unterstützung erfahren. Es sind keine Gründe ersichtlich, warum diese Hilfsbereitschaft entfallen sein könnte. Der Kläger ist alleinstehend, gesund und hat die Schule bis zur 8. Klasse besucht. Darüber hinaus kann er lesen und schreiben. Dies hebt ihn von der Mehrheit der afghanischen Bevölkerung ab. Die Analphabetenrate ist in Afghanistan weiterhin sehr hoch (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage, 13.9.2015, S. 20). Der Kläger war in der Vergangenheit sowohl in der afghanischen Armee, als Kfz-Mechaniker als auch in der Landwirtschaft tätig. Demnach ist er als Arbeitskraft flexibel einsetzbar. Zudem ist der Kläger mit seinen 24 Jahren für afghanische Verhältnisse noch nicht als alt anzusehen, so dass er verhältnismäßig gute Aussichten hat, auf dem auch in der Provinz Panjsher hart umkämpften afghanischen Arbeitsmarkt eine Arbeit zu finden, von der er leben kann.
Somit steht einer Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auch das Vorliegen einer inländischen Fluchtalternative entgegen.
2.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG. Danach ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als solcher gilt die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG). Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG gelten dabei die §§ 3c bis 3e AsylG entsprechend. Damit werden die dortigen Bestimmungen über den Vorverfolgungsmaßstab, Nachfluchtgründe, Verfolgungs- und Schutzakteure und internen Schutz als anwendbar auch für die Zuerkennung subsidiären Schutzes erklärt.
2.1
Dem Kläger steht kein subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 1 AsylG zu. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger wegen einer Straftat gesucht wird und bei seiner Rückkehr nach Afghanistan die Gefahr einer Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe besteht, liegen nicht vor. Die Voraussetzung für die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG liegen ebenfalls nicht vor. In diesem Zusammenhang ist vor allem Art. 3 EMRK sowie die Rechtsprechung des EGMR zu berücksichtigen (EuGH, U. v. 17.2.2009 – C-465/07, Elgafaji – juris Rn. 28; BVerwG, U. v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris). Das Gericht hat nicht die Überzeugung erlangt, dass sich die vom Kläger behaupteten Ereignisse tatsächlich zugetragen haben, so dass sich hieraus keine Anhaltspunkte ergeben, dass er bei einer Rückkehr Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu befürchten hat. Aus den allgemeinen humanitären Verhältnissen in Afghanistan folgt keine Gefahr im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG i. V. m. Art. 3 EMRK. Nur in ganz außergewöhnlichen Fällen können schlechte humanitäre Verhältnisse für sich isoliert zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK führen. In Afghanistan ist die Lage für alleinstehende männliche arbeitsfähige afghanische Staatsangehörige nicht so ernst, dass eine Abschiebung ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde (BVerwG, U. v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – NVwZ 2013, 1167, BayVGH, U. v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris; B. v. 30.9.2015 – 13a ZB 15.30063 – juris). Unter Einbeziehung der vorliegenden Erkenntnismittel ist nicht davon auszugehen, dass insoweit eine deutliche Verschlechterung der humanitären Verhältnisse eingetreten ist. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe bezeichnet die Situation für Rückkehrende als „weiterhin schwierig“ (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Update zur aktuellen Sicherheitslage in Afghanistan vom 13.9.2015, S. 22). Dieser Angabe ist zu entnehmen, dass sich im Hinblick auf die Rückkehrersituation in den vergangenen Monaten keine erheblichen Veränderungen ergeben haben. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes ist die Grundversorgung für große Teile der Bevölkerung in Afghanistan eine Herausforderung. Die internationale Gemeinschaft unterstütze die afghanische Regierung maßgeblich in ihren Bemühungen, die Lebensbedingungen in Afghanistan zu verbessern. (Auswärtiges Amt, Bericht vom 6.11.2015 über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, S. 23 f.). Laut der Schweizerischen Flüchtlingshilfe verfügten nur etwa 39% der afghanischen Bevölkerung über Zugang zu sauberem Trinkwasser und gar erst 7,5% zu einer adäquaten Abwasserentsorgung (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Update zur aktuellen Sicherheitslage in Afghanistan vom 13.9.2015, S. 20 ff.). Wie zuvor erläutert (1.3), hat sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt verschlechtert. Naber berichtet u. a. davon, dass junge zurückkehrende Männer im Durchschnitt ca. neun Monate lang nach einer Arbeit suchen und sich in Kabul vielfach auf eigene Faust durchschlagen, weil sie dort keine Familie haben oder sich nicht in deren Obhut begeben wollen. Außerdem ist vom Tagelöhnerdasein mit temporärer Minimalgrundsicherung und von absoluter Armut die Rede (Naber, Afghanistan: Gründe der Flucht und Sorgen jugendlicher Rückkehrer, Asylmagazin 1-2/2016, S. 4 ff.). Den vom Klägerbevollmächtigten im Hinblick auf die wirtschaftliche Lage in Afghanistan hilfsweise gestellten Beweisanträgen war, wie zuvor ausgeführt (1.3), nicht nachzugehen, da das Gericht selbst über die erforderliche Sachkunde verfügt. Insgesamt lässt sich auch unter Berücksichtigung der Zunahme der Arbeitslosigkeit und der Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage in Afghanistan aus den vorliegenden Erkenntnismitteln nicht der Schluss ziehen, dass der Kläger aufgrund der Versorgungslage einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i. S. d. Art. 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG ausgesetzt ist. Darüber hinaus ist auch an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass der alleinstehende und gesunde Kläger aufgrund seiner Schulbildung und der vielfältigen in der Vergangenheit ausgeübten Tätigkeiten vergleichsweise gute Möglichkeiten hat, eine Arbeit zur Sicherung seines Existenzminimums zu erlangen. Zudem verfügt er in Kabul über Familienmitglieder sowie in der Provinz Panjsher über ein soziales Netzwerk.
2.2
Der Kläger hat weder in Bezug auf Kabul noch hinsichtlich der Provinz Panjsher einen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG. Dem Kläger droht keine ernsthafte individuelle Bedrohung seines Lebens infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt liegt jedenfalls dann vor, wenn bewaffnete Konflikte im Hoheitsgebiet eines Staates zwischen dessen Streitkräften und abtrünnigen Streitkräften oder anderen organisierten Gruppen stattfinden, die unter verantwortlicher Führung eine solche Kontrolle über einen Teil des Hoheitsgebietes des Staates ausüben, dass sie anhaltende, koordinierte Kampfhandlungen ausüben können. Hiervon abzugrenzen sind Fälle bloßer innerer Unruhen oder Spannungen wie Tumulte oder vereinzelt auftretende Gewalttaten. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konfliktes zwar nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss dann aber ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, was beispielsweise bei Bürgerkriegsauseinandersetzungen oder Guerillakämpfen der Fall ist (vgl. EuGH, U. v. 30.1.2014 – Elgafaji, C-285/12 – juris; VGH BW, U. v. 6.3.2012 – A 11 S 3070/11 – juris Rn. 23). Hierbei ist auf die jeweilige Herkunftsregion abzustellen, in die ein Kläger typischerweise zurückkehren würde (BVerwG, U. v. 14.7.2009 – 10 C 9/08 – BVerwGE 134, 188; BayVGH, U. v. 12.1.2012 – 13a B 11.30427 – juris Rn. 15 m. w. N.), also auf seinen „tatsächlichen Zielort“ (EuGH, U. v. 17.2.2009 – C-465/07 – juris Rn. 40). Da der Kläger nach eigenen Angaben vor seiner Ausreise aus Afghanistan in Kabul sowie in der Provinz Panjsher gelebt hat, ist auf diese Regionen abzustellen. Kabul ist aufgrund des unglaubhaften Verfolgungsschicksals als tatsächlicher Zielort anzusehen.
Aufgrund eines derartigen Konflikts muss für den Schutzsuchenden eine erhebliche individuelle Gefahr infolge willkürlicher Gewalt bestehen. In diesem Zusammenhang ist zu prüfen, ob sich die von einem bewaffneten Konflikt für eine Vielzahl von Zivilpersonen ausgehende und damit allgemeine Gefahr in der Person des Schutzsuchenden so verdichtet hat, dass sie eine ernsthafte und individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson i. S. d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG darstellt. Hierbei ist jedenfalls annäherungsweise eine quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betroffenen Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Anzahl der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben der Zivilpersonen verübt werden, sowie eine wertende Gesamtbetrachtung erforderlich (BVerwG, U. v. 27.4.2010 – 10 C 4/09 – BVerwGE 136, 360 Rn. 33). Ob die Voraussetzungen der Verfolgungsdichte erfüllt sind, ist aufgrund einer wertenden Betrachtung im Sinne der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung zu entscheiden (BVerwG, U. v. 21.4.2009 – 10 C 11/08 – NVwZ 2009, 1237). Normalerweise hat ein derartiger bewaffneter Konflikt nicht eine solche Gefahrendichte, dass alle Bewohner des betroffenen Gebietes ernsthaft individuell bedroht sein werden. Ein Individualisierung der allgemeinen Gefahr kann ausnahmsweise bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land/die betreffende Region allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein. Dies bleibt allerdings außergewöhnlichen Situationen vorbehalten, die durch einen sehr hohen Gefahrengrad gekennzeichnet sind (BVerwG, U. v. 24.6.2008 – 10 C 43.07 – juris; EuGH, U. v. 17.2.2009 – Elgafaji, C-465/07 – juris). Eine Individualisierung kann sich auch bei einem hohen Niveau willkürlicher Gewalt für die Zivilbevölkerung aus gefahrerhöhenden persönlichen Umständen in der Person des Schutzsuchenden ergeben, die ihn von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen. Solche persönlichen Umstände können sich z. B. aus dem Beruf des Schutzsuchenden als Arzt oder Journalist ergeben, ebenso aber aus seiner religiösen und ethnischen Zugehörigkeit, aufgrund derer der Schutzsuchende zusätzlich der Gefahr gezielter Gewalttaten ausgesetzt ist.
Der Bayer. Verwaltungsgerichtshof geht in seiner aktuellen Rechtsprechung auf der Grundlage der verfügbaren Erkenntnismittel davon aus, dass afghanische Staatsangehörige bei einer Rückkehr in die Zentralregion, zu der Kabul und die Provinz Panjsher zählen, nach derzeitiger Sicherheitslage im Allgemeinen keiner erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ausgesetzt sind (vgl. BayVGH, B. v. 20.8.2015 – 13a ZB 15.30062 – juris; B. v. 16.4.2014 – 13a ZB 14.30069 – juris; B. v. 11.3.2014 – 13a ZB 13.30246 – juris; U. v. 4.6.2013 – 13a B 12.30111 – juris). Das Gericht schließt sich der Einschätzung des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs an. Aus den aktuellen Erkenntnismitteln ergibt sich trotz der sich verschlechternden Sicherheitslage keine derart hohe Gefahrendichte, dass praktisch jede Zivilperson schon alleine aufgrund ihrer Anwesenheit in Kabul bzw. der Provinz Panjsher einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt wäre. (EASO, Country of Origin Information Report, Afghanistan, Security Situation, Januar 2016, Kabul: S. 34 ff.; Panjsher: S. 46 f.; Auswärtiges Amt, Bericht vom 6.11.2015 über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, S. 4; zu Panjsher Naber, Afghanistan: Gründe der Flucht und Sorgen jugendlicher Rückkehrer, Asylmagazin 1-2/2016, S. 5). Zwar ist den Erkenntnismitteln eine Verschlechterung der Sicherheitslage in Kabul zu entnehmen (EASO, Country of Origin Information Report, Afghanistan, Security Situation, Januar 2016, S. 30 ff.; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage, 13.9.2015, S. 3 ff., 10, 22; ECOI, Allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan und Chronologie für Kabul, 15.3.2016). Allerdings stellt sich diese nicht derart prekär dar, als dass aufgrund dessen jede dort lebende Zivilperson einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt wäre. So weist das Auswärtige Amt in seinem aktuellen Lagebericht explizit darauf hin, dass die Provinzen Kabul und Panjsher im Vergleich mit anderen Landesteilen relativ sicher seien; die Mehrheit der Binnenflüchtlinge halte sich im Großraum Kabul auf (Auswärtiges Amt, Bericht vom 6.11.2015 über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, S. 4). Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht die im gesamten Land unzureichende medizinischen Versorgungslage, bei der nur eingeschränkt gewährleistet sein dürfte, dass den Opfern nach schweren körperlichen Verletzungen keine dauerhaften Schäden verbleiben (Auswärtiges Amt, Bericht vom 6.11.2015 über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, S. 24 f.). In der Person des Klägers sind keine gefahrerhöhenden Gesichtspunkte vorhanden.
3.
Kann der Schutzsuchende keinen subsidiären Schutz erlangen, sind weiter hilfsweise die nationalen Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 5 AufenthG und des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu prüfen (BVerwG, U. v. 27.4.2010 – 10 C 4/09 – BverwGE 136, 360).
3.1
Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. In Konstellationen wie der Vorliegenden, in der gleichzeitig über die Gewährung unionsrechtlichen und nationalen Abschiebungsschutzes zu entscheiden ist, scheidet bei Verneinung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AsylG regelmäßig aus denselben tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK aus, weshalb in der Sache divergierende Bewertungen kaum denkbar sind (vgl. BVerwG, U. v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris; VG München, U. v. 8.5.2014 – M 15 K 12.30903 – juris Rn. 37). Es bestehen keine Anhaltspunkte für eine hiervon abweichende Fallgestaltung.
3.2
Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG besteht ebenfalls nicht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Allerdings sind nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG derartige Gefahren, denen die Bevölkerung oder Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Demnach kann der Schutzsuchende auf der Grundlage von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG lediglich individuelle nur ihm persönlich drohende Gefahren geltend machen (BVerwG, U. v. 29.6.2010 – 10 C 10/09 – NVwZ 2011, 48). Hingegen können allgemeine Gefahren außerhalb bewaffneter Konflikte, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Schutzsuchende angehört, nur bei Anordnungen nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG berücksichtigt werden. Hierzu zählt auch eine unzureichende Versorgungslage in Afghanistan, die insbesondere für Rückkehrer ohne Berufsausbildung und ohne familiäre Unterstützung besteht. Diese Gefahr kann auch dann nicht im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG berücksichtigt werden, wenn sie durch Umstände in der Person oder in den Lebensverhältnissen des Ausländers begründet oder verstärkt wird, aber nur eine typische Auswirkung der allgemeinen Gefahrenlage darstellt (BVerwG, U. v. 8.12.1998 – 9 C 4.98 – BverwGE 108, 77). Dann greift grundsätzlich die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG. Eine Abschiebestoppanordnung besteht jedoch für die Personengruppe, der der Kläger angehört, nicht.
Jedoch ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Einzelfall Ausländern, die einer gefährdeten Gruppe i. S. d. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG angehören, für die kein Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 AufenthG vorliegt, ausnahmsweise Schutz vor der Abschiebung in verfassungskonformer Handhabung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren, wenn die Abschiebung wegen einer extremen Gefahrenlage im Zielstaat Verfassungsrecht verletzen würde. Dies ist der Fall, wenn der Schutzsuchende gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert werden würde (st. Rspr. des BVerwG, z. B. U. v. 12.7.2001 – 1 C 5/01 – BVerwGE 115,1 m. w. N.).
Die allgemeine Gefahr in Afghanistan hat sich für den Kläger nicht derart zu einer extremen Gefahr verdichtet, dass eine entsprechende Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG geboten ist. Wann allgemeine Gefahren sich zu einer extremen Gefahr verdichten und somit zu einem Abschiebungsverbot von Verfassungs wegen führen, hängt maßgeblich von den Umständen des Einzelfalls ab. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Die Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Zudem müssen sich die Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage auch dann, wenn der Schutzsuchende mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. BVerwG, U. v. 29.6.2010 – 10 C 10.09 – BVerwGE 137, 226).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs (z. B. U. v. 3.2.2011 – 13a B 10.30394 – juris Rn. 31 ff.; U. v. 8.11.2012 – 13a B 11.30391 – juris Rn. 28 ff; U. v. 15.3.2013 – 13a B 12.30292, 13a B 12.30325 – juris Rn. 35 ff.; B. v. 19.12.2014 – 13a ZB 14.30065; B. v. 30.7.2015 – 13a ZB 15.30031 – juris; B. v. 10.8.2015 – 13a ZB 15.30050 – juris; B. v. 30.9.2015 – 13a ZB 15.30063 – juris; s.a. OVG NW, U. v. 3.3.2016 – 13 A 1828/09.A – juris), der sich das Gericht anschließt, ist trotz der schlechten allgemeinen Versorgungs- und Sicherheitslage unter Zugrundelegung sämtlicher Auskünfte und Erkenntnismittel nicht davon auszugehen, dass ein arbeitsfähiger männlicher afghanischer Rückkehrer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr in eine derartige extreme Gefahrenlage geraten würde, die eine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich als unzumutbar erscheinen ließe. Dies gilt grundsätzlich auch für Rückkehrer, die keine Berufsausbildung haben und über keinen aufnahmefähigen Familienverband verfügen. Den vorliegenden Erkenntnismitteln sind keine Anhaltspunkte dahingehend zu entnehmen, dass diese Einschätzung überholt wäre.
Weder in Bezug auf Kabul auf die Provinz Panjsher ist, wie zuvor erläutert, im Hinblick auf die derzeitige Sicherheitslage von einer extremen allgemeinen Gefahrenlage auszugehen. Die Versorgungslage ist, wie zuvor umfassend erläutert (2.2), zwar kritisch. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes ist Afghanistan eines der ärmsten Länder der Welt und belegt trotz Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, erheblicher Anstrengungen der Regierung und kontinuierlicher Fortschritte im Jahr 2015 weiterhin einen sehr niedrigen Rang im Human Development Index (Auswärtiges Amt, Bericht vom 6.11.2015 über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, S. 24.; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Update zur aktuellen Sicherheitslage in Afghanistan vom 13.9.2015, S. 20 ff.). Den vom Klägerbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung in diesem Zusammenhang gestellten drei hilfsweise gestellten Beweisanträgen war, wie zuvor erläutert (1.3), nicht nachzugehen. Das Gericht verfügt im Hinblick auf die wirtschaftliche Lage in Afghanistan aufgrund der in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel selbst über die erforderliche Sachkunde. Es bestehen keine Anhaltspunkte dahingehend, dass die vorliegenden Erkenntnismittel die derzeitige Lage in Afghanistan nur unzureichend wiedergeben. Wie zuvor erläutert stieg die Arbeitslosenquote im Oktober 2015 auf 40% an. Demgegenüber ringt die afghanische Wirtschaft nach Angaben des Auswärtigen Amtes mit sinkenden internationalen Investitionen und einer stark schrumpfenden Nachfrage. Das Jahr 2015 werde nach Weltbank-Angaben mit einem geringen Wirtschaftswachstum schließen. Die afghanische Regierung erhalte weiterhin erhebliche finanzielle Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft (Auswärtiges Amt, Bericht vom 6.11.2015 über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, S. 24).
Zusammenfassend lassen sich damit auch aus den aktuellsten Erkenntnismitteln keine für die Beurteilung der hier relevanten Gefahrenlage bedeutsamen Änderungen entnehmen. Aufgrund der in den Auskünften geschilderten Rahmenbedingungen sind insbesondere Rückkehrer aus dem Westen in einer vergleichsweise guten Position. Allein schon durch ihre Sprachkenntnisse sind ihre Chancen, einen Arbeitsplatz zu erhalten, gegenüber Flüchtlingen, die in Nachbarländer geflohen sind, wesentlich höher. Hinzu kommt, dass eine extreme Gefahrenlage zwar auch dann besteht, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert würde (vgl. BVerwG, U. v. 29.6.2010 – 10 C 10.09 – BVerwGE 137, 226), jedoch Mangelernährung, unzureichende Wohnverhältnisse und eine schwierige Arbeitssuche nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit „alsbald“ zu einer extremen Gefahr führen. Diese muss zwar, wie oben ausgeführt, nicht sofort, also noch am Tag der Ankunft eintreten. Erforderlich ist allerdings eine hinreichende zeitliche Nähe zwischen Rückkehr und unausweichlichem lebensbedrohenden Zustand. Die Gefahr muss sich alsbald nach der Rückkehr realisieren. Dies ist aus den genannten Erkenntnismitteln nicht ersichtlich. Aus den von der Klägerseite vorgelegten Berichten ergibt sich nichts anderes.
Im Sinne einer Gesamtgefahrenschau ist nicht davon auszugehen, dass dem Kläger bei einer Rückführung nach Afghanistan in Kabul oder in der Provinz Panjsher alsbald der sichere Tod drohen oder ernste Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten wären. Der Kläger ist gesund, leistungsfähig und verfügt über Landeskenntnisse. Er kann lesen und schreiben. Er hat die Schule bis zur 8. Klasse besucht und war in der Vergangenheit sowohl in der afghanischen Armee, als Kfz-Mechaniker als auch in der Landwirtschaft tätig. Demnach ist er als Arbeitskraft flexibel einsetzbar. Er verfügt in Kabul über familiäre Anbindungen und hat auch in der Provinz Panjsher soziale Beziehungen. Es ist auch in Anbetracht seines noch vergleichsweise jungen Alters davon auszugehen, dass er befähigt sein wird, sich sein Existenzminimum sowohl in Kabul als auch in der Provinz Panjsher zu sichern.
4.
Die vom Bundesamt verfügte Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sind nicht zu beanstanden. Die betreffende Entscheidung beruht auf § 34 Abs. 1 AsylG, § 59 Abs. 1 bis 3 AufenthG, § 38 Abs. 1 AsylG. Die Voraussetzungen dieser Vorschriften sind gegeben. Die Bezeichnung des Abschiebezielstaats im Bescheid des Bundesamtes genügt den Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen (BayVGH, B. v. 10.1.2000 – 19 BZ 99.33208 – juris Rn. 4).
5.
Schließlich sind auch gegen die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots des § 11 Abs. 1 AufenthG auf 12 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 6 des Bescheids) keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken vorgetragen worden oder sonst ersichtlich. Insbesondere sind keine Ermessensfehler des Bundesamts bei der Bemessung der Frist nach § 11 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 AufenthG zu erkennen.
Somit konnte die Klage keinen Erfolg haben.
6.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83b AsylG).


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