Verwaltungsrecht

Sicherstellung von Geld – Zurückgewiesene Berufung

Aktenzeichen  10 BV 14.2353

Datum:
23.2.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BayVBl – 2016, 808
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG GG Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3
PAG Art. 25 Nr. 1
BGB BGB § 90
StPO StPO § 111b Abs. 1, § 111c Abs. 5, § 170 Abs. 2
Nds. SOG Nds. SOG § 26
StGB StGB § 73, § 74

 

Leitsatz

1. Art. 25 PAG ermächtigt nicht zur Sicherstellung einer schuldrechtlichen Forderung, auch wenn die Forderung durch Einzahlung von zunächst strafprozessual beschlagnahmten Bargeld auf ein Konto entstanden ist (a. A. zu § 26 Nds. SOG: OVG Lüneburg, U. v. 21.11.2013 – 11 LA 135/13 – juris). (amtlicher Leitsatz)

Tenor

I.
Die Berufung wird zurückgewiesen.
II.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid vom 12. August 2013 aufgehoben, weil er rechtswidrig ist und den Kläger (zumindest) in seinem durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die beiden vom Beklagten für die Sicherstellung herangezogenen Befugnisnormen (Art. 25 Nr. 1 und 2 PAG) ermächtigen ebensowenig wie die „hilfsweise“ herangezogene polizeirechtliche Generalklausel (Art. 11 Abs. 1, 2 PAG) zu der Eingriffsmaßnahme.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Sicherstellung zugrunde zu legende Sach- und Rechtslage ist derjenige, in dem der aufschiebend bedingt erlassene Bescheid vom 12. August 2013 seine materielle (innere) Wirksamkeit entfaltet hat, also mit Eintritt der Bedingung – Aufhebung der strafprozessualen Beschlagnahme des Geldes – durch Verfügung der zuständigen Staatsanwaltschaft vom 5./9. September 2013. In deren Folge wurde der ursprünglich bei der Landesjustizkasse eingezahlte Geldbetrag an die Hinterlegungsstelle transferiert. Die Sicherstellung ist kein Dauerverwaltungsakt (zum Begriff: Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 15. Aufl. 2014, § 43 Rn. 40) mit der Folge einer Verschiebung des maßgeblichen Zeitpunkts (a.A. VG Braunschweig, U. v. 2.12.2009 – 5 A 25/08 – juris; VG Oldenburg, U. v. 29.6.2010 – 7 A 1634/09 – juris Rn. 117 unter Hinweis auf ihre Dauerwirkung), weil das originäre Regelungsziel einer Sicherstellung, eine gegenwärtige Gefahr zu beseitigen, mit der polizeilichen Inbesitznahme der Sache (vgl. Nr. 25.2 Vollz. B.ek zu Art. 25) und deren Überführung in öffentliche Verwahrung erreicht ist; die weiteren Folgen einer Sicherstellung ergeben sich vielmehr unmittelbar aus dem Gesetz (vgl. Art. 26 bis 28 PAG) und beruhen nicht auf der durch den Bescheid verfügten Anordnung (vgl. zur ausländerrechtlichen Ausweisung BVerwG, U. v. 1.4.2012 – 1 C 13.11 – juris Rn. 22). Als maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage käme derjenige der letzten mündlichen Verhandlung nur im Falle einer auf Herausgabe der sichergestellten Sachen erhobenen Verpflichtungsklage in Betracht.
1. Nach Art. 25 Nr. 1 PAG kann die Polizei eine Sache sicherstellen, um eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren. Diese Bestimmung kommt im vorliegenden Fall als Befugnisnorm nicht in Betracht, weil weder ein nach dieser Rechtsgrundlage sicherstellungsfähiger Gegenstand vorliegt (1.1) noch eine Erweiterung des Anwendungsbereichs der Norm im Wege einer Analogie in Frage kommt (1.2), so dass die Frage, ob die erforderliche „gegenwärtige Gefahr“ vorliegt, dahinstehen kann (1.3).
1.1 Eine „Sache“ im Sinn von Art. 25 PAG ist ein körperlicher (beweglicher oder unbeweglicher) Gegenstand nach der Definition in § 90 BGB (Berner/Köhler/Käß, Polizeiaufgabengesetz, 20. Aufl. 2010, Vorbem. Art. 25 – 28 Rn. 9); damit umfasst der Sachbegriff auch Geld in Form von Münzen und Scheinen. Im vorliegenden Fall wurde beim Kläger zwar am 17. April 2012 Bargeld (repressiv) beschlagnahmt, das jedoch anschließend durch seine Einzahlung auf ein Konto der Landesjustizkasse in sog. Buchgeld umgewandelt wurde. Die ursprünglich beim Kläger von der Zollfahndung beschlagnahmten Geldscheine waren somit gerade nicht mehr Gegenstand der präventiven polizeilichen Sicherstellungsanordnung. Die mit der Begründung einer Forderung gegen eine öffentliche Kasse entstandene Problematik wird vom Polizeipräsidium im streitgegenständlichen Bescheid vom 12. August 2013 nicht erkannt, der zwar in den Gründen (I.) ausführt, dass die Geldsumme auf ein Konto der Landesjustizverwaltung eingezahlt worden sei, gleichwohl aber die Sicherstellung von „Bargeld in Höhe von 176.650 €“ anordnet. In der Sache begründet der unter einer Bedingung erlassene Bescheid die mehr als ein Jahr zuvor erfolgte (strafprozessuale) Sicherstellung des Bargelds nun mit präventivpolizeilichen Erwägungen.
Der Vortrag des Beklagten, eine schuldrechtliche Forderung könne im Wege der Auslegung oder der Analogie unter den Begriff der „Sache“ gefasst werden, führt nicht zum Erfolg. Zwar hat das bayerische Polizeiaufgabengesetz 1953 in der Vorläuferbestimmung des Art. 23 Abs. 1 PAG bestimmt, dass die Polizei unter weiteren Voraussetzungen „Gegenstände“ sicherstellen kann, wovon grundsätzlich auch Forderungen umfasst sein können (vgl. a. § 111b Abs. 1, § 111c Abs. 5 StPO zum strafprozessualen Gegenstandsbegriff); der Begriff „Sache“ wurde tatsächlich erst mit der Neufassung des Gesetzes im Jahre 1978 aufgenommen, ohne dass damit ausweislich der Gesetzesbegründung eine Änderung der Rechtslage bezweckt war. Gleichwohl führt diese Überlegung nicht weiter, denn auch die alte Fassung der Ermächtigung zur präventivpolizeilichen Sicherstellung (Art. 23 PAG 1953), in der vom Gebrauch eines Gegenstands zur Begehung einer Straftat oder zur Schädigung und Vernichtung von Eigentum sowie davon die Rede ist, dass er von einer Person mitgeführt wird, lässt schon keinen anderen als den Schluss zu, dass nur ein körperlicher Gegenstand gemeint war. Unabhängig hiervon ergeben sich im Hinblick auf die seit 1978 gültige Fassung von Art. 25 PAG, der auf § 21 des von der Innenministerkonferenz am 25. November 1977 beschlossenen „Musterentwurfs eines einheitlichen Polizeigesetzes“ beruht… keine Zweifel, dass schuldrechtliche Forderungen nicht dem Sachbegriff des Art. 25 PAG unterfallen. Hätte der Landesgesetzgeber einen anderen als den in § 90 BGB verwendeten Sachbegriff gemeint, hätte er dies durch eine entsprechende klarstellende Formulierung festlegen müssen. Auch die gesetzlich vorgesehene Folge einer Sicherstellung, die Begründung eines öffentlichrechtlichen Verwahrungsverhältnisses, zeigt, dass bei dieser präventivpolizeilichen Befugnis an schuldrechtliche Forderungen nicht gedacht war.
1.2 Die demnach zu entscheidende Frage nach der Möglichkeit einer analogen Anwendung der Sicherstellungsvorschriften auf eine Geldforderung, die durch Einzahlung von zuvor nach strafprozessualen Vorschriften beschlagnahmtem Bargeld entstanden ist, verneint der Senat, weil damit gegen das im Bereich der Eingriffsverwaltung geltende verfassungsrechtliche Analogieverbot verstoßen würde (1.1.1) und außerdem die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung nicht vorliegen (1.1.2).
1.2.1 Nach dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung bedarf eine polizeiliche Sicherstellung einer gesetzlichen Grundlage. Die Grundsätze des Rechtsstaats (Art. 20 Abs. 3 GG) und damit insbesondere der Vorbehalt des Gesetzes erfordern dabei, dass Ermächtigungen der Exekutive zur Vornahme belastender Verwaltungsakte nach Inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmaß im ermächtigenden Gesetz (Befugnisnorm) bestimmt und begrenzt sind; die Eingriffe müssen für den einzelnen in gewissem Umfang vorhersehbar und berechenbar sein (BVerfG, B. v. 12.11.1958 – 2 BvL 4/56 u. a. – BVerfGE 8, 276). Dieser im Bereich der Eingriffsverwaltung allgemein geltende Grundsatz dient auch dem Schutz der durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisteten allgemeinen Handlungsfreiheit. Gegen diese Anforderungen verstößt es, eine fehlende gesetzliche Grundlage im Wege einer Analogie zu gewinnen, d. h. hier die Sicherstellung einer Forderung durch belastenden Verwaltungsakt im Wege der analogen Anwendung von Art. 25 PAG zu ermöglichen (BVerfG, B. v. 14.8.1996 – 2 BvR 2088/93 – NJW 1996, 3146 zur analogen Anwendung einer Aufrechnungsvorschrift gegenüber einem Strafgefangenen). Das vom Bundesverfassungsgericht in dieser Entscheidung bestätigte allgemeine Analogieverbot bei hoheitlichen Eingriffen (vgl. Konzak, NVwZ 1997, 872 f.) verlangt vom Gesetzgeber, die einer staatlichen Eingriffsmöglichkeit offen liegende Rechtssphäre des Individuums selbst abzugrenzen, indem er – vergleichbar den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 GG für Verordnungsermächtigungen – Inhalt, Zweck und Ausmaß der möglichen Eingriffe bestimmt (BVerwG, U. v. 24.8.1990 – 8 C 73.88 – NVwZ 1991, 481). Der Umstand, dass der bayerische Landesgesetzgeber bislang keine Notwendigkeit gesehen hat, eine ausdrückliche Ermächtigung für die hier vorliegende Konstellation zu schaffen, schließt deshalb nach Auffassung des Senats einen im Wege der Analogie vorzunehmenden Eingriff der Exekutive in grundrechtliche Positionen des Klägers unter Hinweis auf eine vom Gesetzgeber übersehene „Lücke“ aus.
1.2.2 Ungeachtet dieser verfassungsrechtlichen Problematik scheidet eine analoge Anwendung von Art. 25 Nr. 1 PAG auch deswegen aus, weil – worauf im erstinstanzlichen Urteil zu Recht aufmerksam gemacht wird – bereits die Annahme des Bestehens einer planwidrigen Regelungslücke zweifelhaft ist (1.2.2.1), jedenfalls aber nicht die für eine Analogie ebenfalls erforderliche vergleichbare Interessenlage besteht (1.2.2.2).
1.2.2.1 Nachdem eine Regelungslücke nach den Ausführungen unter 1.1 für die Sicherstellung von sog. Buchgeld besteht, stellt sich die Frage ihrer Planwidrigkeit.
Der Senat hat bereits erhebliche Zweifel, ob die präventivpolizeiliche Sicherstellung von Forderungen tatsächlich unbewusst nicht geregelt wurde. Immerhin sind aus dem Strafprozessrecht und dem Zivilrecht entsprechende Normen bekannt, die unter bestimmten Voraussetzungen die Sicherstellung von Forderungen erlauben; auch auf § 33 Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 Nr. 3 Baden-Württembergisches Polizeigesetz (BW PolG) kann verwiesen werden, der unter strengen Voraussetzungen die Beschlagnahme einer Forderung oder anderer Vermögensrechte ermöglicht. Während das Strafprozessrecht zur Sicherung etwaiger Nachweise und zum Schutz von geschädigten Personen die Sicherstellung von Forderungen durch Pfändung (§ 111b Abs. 3, § 111c Abs. 3 StPO) vorsieht und im Strafrecht die Einziehung einer Forderung als Nebenfolge einer strafrechtlichen Verurteilung (§ 74 StGB) in Betracht kommt, kann im Polizeirecht schon wegen des primär verfolgten Zwecks, unmittelbar drohende Gefahren abzuwehren, das Mittel einer Sicherstellung von Forderungen allenfalls unter eng gefassten Voraussetzungen in Betracht kommen (vgl. wiederum § 33 BW PolG). Auch kompetenzrechtliche Fragen sind aufgeworfen; soweit mit der Maßnahme zugleich eine Gewinnabschöpfung beabsichtigt ist, könnte der Bundesgesetzgeber insoweit durch die §§ 73 ff. StGB bereits abschließend von seiner Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht haben (vgl. Söllner, DVBl 2013, 598, 599). All das zeigt, dass die derzeit geltende Rechtslage zwar im Ergebnis nicht befriedigend sein mag, jedoch ein Bewusstsein für ihre Unzulänglichkeit besteht. In diesem Zusammenhang verweist der Kläger zu Recht auch auf das im Koalitionsvertrag (der 18. Legislaturperiode zwischen CDU/CSU/SPD, S. 101) vereinbarte Ziel, zur wirksamen Bekämpfung der Kriminalität „die vorläufige Sicherstellung von Vermögenswerten [zu] erleichtern und eine nachträgliche Vermögensabschöpfung [zu] ermöglichen“. Entsprechende Bestrebungen gehen im Übrigen Jahrzehnte zurück (vgl. BDrs. 12/6784 v. 4.2.1994, S. 11 zur Erleichterung des Zugriffs auf mutmaßlich rechtswidrig erlangtes Vermögen).
Gegen die Planwidrigkeit der festgestellten Gesetzeslücke spricht nicht zuletzt, dass nach den vorliegenden Umständen nicht gesagt werden kann, welche Regelung der Gesetzgeber getroffen haben würde, wenn er den zu regelnden Sachverhalt bedacht hätte (BVerwG, U. v. 13.12.1978 – 6 C 46.78 – juris). Bestehen – wie hier – mehrere Möglichkeiten, eine Gesetzeslücke auszufüllen (vgl. z. B. § 33 Abs. 2 BW PolG), muss sich aufgrund der gesamten Umstände feststellen lassen, dass der Normgeber die gesetzlich angeordnete Rechtsfolge auch auf den nicht erfassten Sachverhalt – hätte er ihn bedacht – erstreckt haben würde. Dass schließlich praktische Erwägungen, die eine Einzahlung von sichergestelltem Bargeld auf ein Konto anstelle einer mit gewissen Sicherheitsrisiken behafteten Verwahrung in einer Asservatenkammer rechtfertigen mögen, nicht geeignet sind, zugleich eine Planwidrigkeit der Regelungslücke zu begründen, bedarf nach alldem keiner näheren Erläuterung.
1.2.2.2 Die Frage der Planwidrigkeit kann indes letztlich dahinstehen, weil jedenfalls die für eine Analogie erforderliche vergleichbare Interessenlage zwischen der Sicherstellung von Bargeld und derjenigen einer unkörperlichen Geldforderung nicht besteht (so auch Söllner, a. a. O.; Rachor in Handbuch des Polizeirechts, 5. Auflage 2012, E Rn. 672; a.A. NdsOVG, U. v. 7.3.2013 – 11 LB 438/10 – juris Rn. 32, 33; B. v. 21.11.2013 – 11 LA 135/13 – juris Rn. 6 unter Hinweis auf Nr. 3.1 des gemeinsamen Runderlasses des niedersächsischen MI und MJ vom 16.11.2007 – P 22.2-1201-26, Nds. MBl. 2007, 1515 zur präventiven Gewinnabschöpfung; i.E. ebenso trotz erheblicher dogmatischer Bedenken: Neuhäuser in BeckOK PolRNds, Nds. SOG § 26 Rn. 20 – 24; offen gelassen: BayVGH, B. v. 6.2.2014 – 10 CS 14.47 – a. a. O.; Alternativvorschlag in Schmidbauer/Steiner, a. a. O., Art. 25 Rn. 56: Umwandlung von Bar- in Buchgeld als Verwertung unter den Voraussetzungen des Art. 27 PAG mit der Folge der Art. 28 Abs. 1 Satz 3, Art. 27 Abs. 3 Satz 4 PAG möglich).
Die Unterschiedlichkeit der Interessenlage resultiert bereits daraus, dass Bargeld schnell und unkompliziert von Hand zu Hand gehen kann und damit gerade in kriminellen Kreisläufen sehr beliebt ist, weil dabei jedenfalls in der Regel keine nachweisbaren Spuren hinterlassen werden. Gerade der vorliegende Fall zeigt, dass ohne die Mithilfe des Klägers weder die Herkunft des Geldbetrages noch sein Bestimmungsort noch die geplante Verwendung geklärt werden können; in dieser Situation kann wegen der „besonderen Schadensnähe“ (vgl. Söllner, a. a. O. S. 599) durchaus ein Bedürfnis für ein präventives polizeiliches Eingreifen im Sinne einer gegenwärtigen Gefahr bestehen. Anders hingegen stellt sich die Situation bei auf einem Konto eingezahlten Geld dar; hier können Geldflüsse grundsätzlich ohne unüberwindbare Probleme nachvollzogen und überprüft werden. Selbst bei einer Bareinzahlung oder -abhebung ist ab einer gewissen Höhe eine Identifizierung des Einzahlers oder Abhebers durch das Geldinstitut erforderlich. Nicht ohne Grund sind daher kriminelle Vereinigungen bemüht, die Herkunft durch strafbarer Geschäfte erzielter Bargeldbeträge im Wege der sog. Geldwäsche zu verschleiern und damit eine Aufklärung der zugrunde liegenden Straftaten zu verhindern. Ein mögliches Mittel ist dabei auch die Einzahlung von Klein- und Kleinstbeträgen durch Mittelsmänner auf Konten bei Kreditinstituten. Die dieser Situation innewohnende Gefährdungslage entspricht daher nicht der im Zusammenhang mit dem Auffinden eines großen Bargeldbetrages stehenden Situation. Die Richtigkeit dieser Aussage wird unterstrichen durch die jüngsten Bemühungen der Bundesregierung, den Bargeldverkehr zum Zweck der Bekämpfung vielfältiger krimineller Aktivitäten nach dem Vorbild verschiedener europäischer Staaten für jedermann erheblich einzuschränken (vgl. http://www.welt.de/wirtschaft/article151797880/Barzahlungab-5000-Euroin-Deutschlandbaldillegal.html).
Die beiden vom Beklagten zur Stützung seiner Auffassung angeführten Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg (vom 7. März und des 21. November 2013, a. a. O.) äußern sich nicht zur Frage der vergleichbaren Interessenlage, sondern begnügen sich mit dem Hinweis auf den gemeinsamen Runderlass zweier Landesministerien vom 16. November 2007 (a. a. O., Nr. 3.1: „Sofern sichergestelltes Bargeld durch die Strafverfolgungsbehörden zwecks Verwahrung auf ein Verwahrkonto eingezahlt wird, gilt dieses für eine sich anschließende, auf § 26 Nds. SOG gestützte Sicherstellung weiterhin als Bargeld.“; eine darüber hinausgehende analoge Anwendung auf Fälle originär sichergestellten Buchgeldes wird ausgeschlossen). Eine derartige Regelung ist nach Auffassung des Senats – ungeachtet ihrer rechtlichen Problematik im Hinblick auf die Erweiterung einer bestehenden Befugnisnorm im Wege einer Fiktion – nicht geeignet, den für eine analoge Anwendung der Sicherstellungbefugnis erforderlichen Gleichklang der Interessenlagen zu begründen. Gleiches gilt auch für das Argument, nur mit einer analogen Anwendung könne vermieden werden, „dass die gefahrenabwehrrechtliche Sicherstellung hinter den Möglichkeiten zurückbleibt, die die Strafprozessordnung… zur Sicherstellung vorhält“ (Nds. OVG, U. v. 7.3.2013, a. a. O. Rn. 33). Abgesehen davon, dass Polizei- und Strafprozessrecht völlig unterschiedliche Regelungsziele verfolgen und damit ein Vergleich des jeweils zur Verfügung stehenden gesetzlichen Instrumentariums nur sehr bedingt zulässig ist, würde die Gleichstellung von Bar- mit Buchgeld bei der Anwendung des Art. 25 PAG dazu führen, dass die Polizei bei einer präventiven Sicherstellung einer Forderung sogar weitergehende Befugnisse besäße als bei einer strafprozessualen, nur unter strengen Voraussetzungen zulässigen Beschlagnahme (vgl. § 111b Abs. 1 StPO i. V. m. §§ 73, 74 StGB). Zudem läßt diese vor allem ergebnisorientierte Norminterpretation die notwendige Auseinandersetzung mit den kompetenziellen Grenzen der (abschließenden) Regelungen der repressiven Sicherstellung/Beschlagnahme vermissen. Nach alldem scheidet eine analoge Anwendung aus.
1.3 Damit bedarf es keiner Entscheidung mehr darüber, ob die nach Art. 25 Nr. 1 PAG vorausgesetzte „gegenwärtige Gefahr“ (vgl. hierzu: Nr. 25.3 Vollz. B.ek zu Art. 25 PAG i. V. m. Nr. 10.2 Vollz. B.ek zu Art. 10 PAG; Schmidbauer/Steiner, a. a. O., Art. 10 Rn. 9) zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bedingungseintritts im September 2013 (noch) vorgelegen hat. Daran hat der Senat allerdings deshalb Zweifel, weil von der im maßgeblichen Zeitpunkt bestehenden Geldforderung eine unmittelbare Gefahr nicht ausgehen konnte; insoweit gelten die zur Frage der vergleichbaren Interessenlage (s. 1.2.2.2) gemachten Ausführungen entsprechend. Darüber hinaus bestehen Zweifel daran, ob eine präventive Sicherstellung des Buchgeldes (noch) nach Einstellung der strafrechtlichen Ermittlungen nach § 170 Abs. 2 StPO allein aufgrund der ungeklärten Herkunft der beschlagnahmten Geldscheine zulässig war (vgl. zur Situation einer Sicherstellung von Bargeld, bei dem nach der konkreten Auffindesituation alles für die Herkunft aus Drogengeschäften und eine weitere Verwendung für Drogengeschäfte spricht: BayVGH, B. v. 17.9.2015 – 10 CS 15.1435, 10 C 15.1434 – juris). Im vorliegenden Fall ist der wegen verschiedener Delikte verurteilte Kläger bisher weder als Betäubungsmitteltäter oder -konsument aufgefallen noch wurden bei ihm Betäubungsmittel aufgefunden. Zu Recht weist das Verwaltungsgericht darauf hin, dass der Beklagte hier keine konkreten und validen Anhaltspunkte dafür vorgetragen hat, welcher Art von unmittelbar drohenden Straftaten begegnet werden soll. Daher bedarf es keines Eingehens auf das Vorbringen des Beklagten, spätestens eine Auszahlung des Geldbetrages durch die Hinterlegungsstelle an den Kläger in bar führe erneut zu einer gegenwärtigen Gefahr der Einspeisung in einen kriminellen Kreislauf.
Aus den genannten Gründen bietet der vorliegende Fall auch keinen Anlass, auf die Diskussion darüber einzugehen, ob die (dauerhafte) Entziehung deliktisch erlangter Geldscheine und die Übertragung des Eigentums daran auf den Staat im Wege der sog. präventiven Gewinnabschöpfung ausgeschlossen ist, weil eine solche ausschließlich Gegenstand des strafrechtlichen Regelungsinstrumentariums der §§ 73 ff. StGB sein könne (so OVG Bremen, U. v. 24.6.2014 – 1 A 255/12 – juris, unter Hinweis auf BVerfG, U. v. 20.3.2002 – 2 BvR 794/95 – BVerfGE 105, 135f., womit § 43a StGB i. d. F. v. Art. 1 des Gesetzes zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität vom 15. Juli 1992 – BGBl I 1302 ff. – für nichtig erklärt wurde, der eine Vermögensstrafe in Form der Konfiszierung verdächtig erscheinenden Vermögens ohne Nachweis seiner deliktischen Herkunft vorgesehen hat; Rachor in Handbuch des Polizeirechts, a. a. O., E Rn. 689 – 693; Söllner, DVBl. 2009, 1320 f.; vgl. Überblick in Hunsicker, Präventive Gewinnabschöpfung, 3. Aufl. 2014, Anh. 2 S. 307).
2. Auch Art. 25 Nr. 2 i. V. m. Art 2 Abs. 2 PAG, auf die der Beklagte seinen Bescheid als alternative Befugnisnorm stützt, ermächtigt nicht zu der angeordneten Sicherstellung. Nach dieser Vorschrift kann die Polizei eine Sache sicherstellen, um den Eigentümer oder den rechtmäßigen Inhaber der tatsächlichen Gewalt vor Verlust oder Beschädigung einer Sache zu schützen. Auch insoweit scheidet eine analoge Anwendung von Art. 25 PAG auf „Buchgeld“ oder sonstige schuldrechtliche Forderungen aus.
Nach Art. 2 Abs. 2 PAG obliegt der Polizei der Schutz privater Rechte nur dann, wenn gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist und ohne polizeiliche Hilfe die Verwirklichung des Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde. Hieraus folgt, dass der Schutz privater Rechte grundsätzlich nicht Aufgabe der Polizei ist und nur ausnahmsweise dann zulässig ist, wenn ohne polizeiliches Einschreiten gerichtlicher Schutz zu spät käme (vgl. Schmidbauer/Steiner, a. a. O., Art. 2 Rn. 30f.). Für den vorliegenden Fall spricht vor diesem Hintergrund vieles dafür, dass schon der polizeiliche Aufgabenbereich nicht eröffnet ist. Denn das (gleich welcher Person zustehende) Eigentum an den repressiv beschlagnahmten Banknoten ist dadurch untergegangen, dass diese im Verlaufe des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens auf ein Konto der Landesjustizkasse eingezahlt und damit in ein Forderungsrecht umgewandelt wurden. Das von der Polizei gleichsam als „Surrogat“ sichergestellte Buchgeld vermittelt aber nur dem Kontoinhaber eine eigentumsrechtliche Position, nicht mehr einer ursprünglich am Bargeld berechtigten Person. Ihre denkbaren schuldrechtlichen Ansprüche erfüllen nicht den Sachbegriff des Art. 25 PAG. Nach den bereits zu Art. 25 Nr. 1 PAG (unter 1.2) dargelegten Gründen scheidet auch eine analoge Anwendung von Art. 25 Nr. 2 PAG auf den streitgegenständlichen Sachverhalt aus, weil die hierfür geforderte vergleichbare Interessenlage angesichts des mit Nummer 2 der Vorschrift verfolgten Normzwecks erst recht nicht vorliegt. Dementsprechend konnte der Beklagte einer Auszahlung eines Teilbetrags des sichergestellten Geldes an eine Versicherung zur Abdeckung von Verbindlichkeiten des Klägers zustimmen, ohne dabei auf schuldrechtliche Ansprüche Dritter Rücksicht nehmen zu müssen, die im Übrigen weder zum maßgeblichen Zeitpunkt erkennbar waren noch heute bekannt sind. Fragen der Auslegung von § 1006 BGB, der sich nur auf bewegliche Sachen bezieht, stellen sich im vorliegenden Fall nicht.
Es kann daher die Frage offen bleiben (wie auch in BVerfG, B. v. 24.10.2011 – 1 BvR 732/11 – juris Rn. 15), ob eine Sicherstellung zum Schutz privater Rechte überhaupt auf Art. 25 Nr. 2 PAG gestützt werden kann, wenn der Eigentümer der sichergestellten Sache unbekannt ist und die Sicherstellungsbehörde selbst davon ausgeht, ihn niemals ermitteln zu können, weshalb es letztlich zu einer dauerhaften Entziehung des Geldbetrags zugunsten des Staates kommen würde.
3. Scheidet danach Art. 25 PAG als Ermächtigungsgrundlage aus, kommt die vom Beklagten für diesen Fall ins Spiel gebrachte Anwendung der polizeirechtlichen Generalklausel (Art. 11 Abs. 1, 2 PAG) gleichwohl nicht in Betracht, weil die Befugnis für eine Sicherstellung als typisierte Standardmaßnahme im Rahmen der Art. 12 bis 48 PAG sowohl hinsichtlich des Tatbestands als auch der angestrebten Rechtsfolgen abschließend geregelt ist; damit scheidet insoweit ein Rückgriff auf den für „atypische“ Polizeimaßnahmen vorgesehenen Art. 11 Abs. 2 PAG wegen des Vorrangs der Spezialbefugnisse aus (vgl. Schmidbauer/Steiner, PAG, 4. Aufl. 2014, Art. 11 Rn. 2, 10). Auch der Hinweis auf den Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 8. November 2012 (1 BvR 22/12, juris) führt nicht weiter, da es hier um die Frage der Ermächtigungsgrundlage für eine polizeiliche Dauerobservation ging, ohne dass diese Maßnahme im Katalog der speziellen Eingriffsbefugnisse nach dem badenwürttembergischen Sicherheitsgesetz aufscheint. Im Übrigen hat das Bundesverfassungsgericht (a. a. O. juris Rn. 25) gerade darauf hingewiesen, dass eine neue Form von polizeilichen Maßnahmen (hier: Dauerobservation) möglicherweise einer ausdrücklichen und detaillierten gesetzgeberischen Ermächtigung polizeilichen Handelns bedürfe, auch wenn eine Heranziehung der polizeilichen Generalklausel im Falle „unvorhersehbarer Gefahrensituationen“ zur vorläufigen Schließung möglicher Regelungslücken verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Rechtsmittelbelehrung
Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.
Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 176.650,- Euro festgesetzt (§ 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 35.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).


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