Verwaltungsrecht

Sicherung des Existenzminimums in der Ukraine

Aktenzeichen  W 6 S 17.31970

Datum:
22.5.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
AsylG AsylG § 77 Abs. 2
ZPO ZPO § 114
AsylG AsylG § 36 Abs. 4 S. 1
AsylG AsylG § 43 Abs. 3 S. 1

 

Leitsatz

1 In der Ukraine ist die Gewährleistung des Existenzminimums und der notwendigen medizinischen Versorgung grundsätzlich gesichert. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die sozialen Sicherungssysteme in der Ukraine gewährleisten auch für Rückkehrer eine ausreichende Grundversorgung, einschließlich Unterkunft und medizinischer Versorgung. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Prozessbevollmächtigten wird sowohl im vorliegenden Sofortverfahren als auch im Klageverfahren W 6 K 17.31969 abgelehnt.

Gründe

I.
Die Antragsteller sind ukrainische Staatsangehörige. Ihr Asylantrag wurde von der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 19. April 2017 als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Ihnen wurde die Abschiebung in die Ukraine angedroht. Die Antragsteller ließen am 8. Mai 2017 gegen den Bescheid im Verfahren W 6 K 17.31969 Klage erheben und gleichzeitig im vorliegenden Sofortverfahren beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte (einschließlich der Akte in der Hauptsache W 6 K 17.32969) und die beigezogene Behördenakte (einschließlich der Akten des Ehemannes und des Stiefsohnes) Bezug genommen.
II.
Bei verständiger Würdigung des Vorbringens der Antragsteller ist der Antrag dahingehend auszulegen, dass sie die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die Abschiebungsandrohung in Nr. 5 des Bundesamtsbescheids vom 19. April 2017 begehren, zumal ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO betreffend die übrigen Nummern des streitgegenständlichen Bescheides unzulässig wäre.
Der zulässige Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO, die aufschiebende Wirkung gegen die im streitgegenständlichen Bescheid enthaltene Abschiebungsandrohung anzuordnen, hat keinen Erfolg. Der Antrag ist unbegründet, da insoweit keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides bestehen (§ 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG).
Das Gericht folgt den Feststellungen und der Begründung im angefochtenen Bescheid und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer nochmaligen Darstellung ab (§ 77 Abs. 2 AsylG). Die Ausführungen im Bescheid decken sich mit der bestehenden Erkenntnislage, insbesondere mit dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes (Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine vom 7.2.2017, Stand: Januar 2017).
Das Vorbringen der Antragsteller rechtfertigt keine andere Beurteilung.
Die angesprochene persönliche Situation ist offensichtlich nicht asyl-, flüchtlings- oder sonst schutzrelevant. Den angeführten Problemen – kriegsbedingte Gefahren, (drohende) Übergriffe Dritter – fehlt schon nach dem eigenen Vorbringen der Antragsteller die asylrelevante Intensität und Zielrichtung. Die Probleme begründen nach den Umständen des vorliegenden Falles jedenfalls offensichtlich nicht die Voraussetzungen für ein Aufenthalts- oder Bleiberecht in der Bundesrepublik Deutschland. Denn nach der Auskunftslage ist davon auszugehen, dass die Ukraine im Allgemeinen willens und in der Lage ist, ihre Staatsangehörigen vor strafbaren Handlungen zu schützen, wenn auch ein lückenloser Schutz nicht möglich ist. Die Antragsteller sind gehalten, sich bei Bedarf an die örtlichen Behörden bzw. Sicherheitskräfte zu wenden. Den Antragstellern ist auch eine Übersiedlung in andere Landesteile möglich und zumutbar, um ihnen womöglich drohenden Gefahren zu entgehen (vgl. BayVGH, B.v. 22.12.2016 – 11 ZB 16.30679 – juris; B.v. 22.8.2016 – 11 ZB 16.30132 – juris).
Soweit die Antragsteller vorbringen, sie hätten verschiedene Unterlagen beim Bundesamt vorgelegt, die nicht übersetzt worden seien, ist dem entgegen zu halten, dass bisher nicht vorgebracht wurde, welchen Inhalt diese Unterlagen haben sollten, geschweige denn inwiefern sich daraus eine andere Beurteilung zugunsten der Antragsteller ergeben sollte. Darüber hinaus spricht die freiwillige Rückkehr des Ehemannes bzw. Vaters der Antragsteller gegen das Vorliegen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohender Gefahren. Das Gericht hat nach den beigezogenen Behördenakten des Ehemannes der Antragstellerin zu 1) sowie ihres Stiefsohnes keine Zweifel an der Rückkehr des Ehemannes in die Ukraine.
Weiter ist anzumerken, dass in der Ukraine zur Sicherung von Rechten und Freiheiten der Binnenflüchtlinge eine gesetzliche Rechtsgrundlage zur Verfügung steht, die die Registrierung, Versorgung und Unterbringung gewährleistet, so dass jedenfalls die Gewährleistung des Existenzminimums und der notwendigen medizinischen Versorgung grundsätzlich gesichert ist. Binnenflüchtlinge können auf die soziale Unterstützung seitens des Staates zurückgreifen. Die sozialen Sicherungssysteme in der Ukraine gewährleisten auch für Rückkehrer eine ausreichende Grundversorgung, einschließlich Unterkunft und medizinischer Versorgung. Zusätzlich werden Binnenflüchtlinge nach der Erkenntnislage auch von zahlreichen Nichtregierungsorganisationen sowie dem UNHCR und der Unterorganisation OCHA unterstützt (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine vom 7.2.2017, Stand: Januar 2017, S. 6, 11 und 15 f. sowie BayVGH, B.v. 5.4.2017 – 11 ZB 17.30327 – juris; B.v. 22.8.2016 – 11 ZB 16.30136 – juris). Zudem können die Antragsteller auf die Hilfe ihres Ehemannes/Vaters zurückgreifen, wie wohl auch in der Vergangenheit geschehen. Außerdem leben weitere Verwandte noch in der Ukraine. Aus dem Vorbringen der Antragsteller ist nicht nachvollziehbar, dass es unmöglich bzw. unzumutbar wäre, von diesen notfalls Unterstützung zu erlangen. Die Antragsteller sind gehalten, nicht nur die Möglichkeiten des ukrainischen Gesundheits- sowie Sozialsystems auszuschöpfen, um eventuelle Gefahren zu vermeiden bzw. jedenfalls zu minimieren, sondern gegebenenfalls auch auf private Hilfemöglichkeiten, etwa durch Verwandte, zurückzugreifen. Der Umstand, dass auch nationale und internationale Hilfsorganisationen in der Ukraine tätig sind, besagt schließlich nicht, dass dort trotz der humanitären Hilfe unmenschliche Bedingungen herrschten, die ein Abschiebungsverbot begründen könnten (BayVGH, B.v. 5.4.2017 – 11 ZB 17.30326 – juris; B.v. 16.3.2017 – 11 ZB 17.30218 – juris).
Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass die Ausländerbehörde zuständig ist, eventuelle inlandsbezogene Abschiebungshindernisse zu prüfen (§ 60a Abs. 2 AufenthG). Gleichermaßen darf die Ausländerbehörde gemäß § 43 Abs. 3 Satz 1 AsylG die Abschiebung vorübergehend aussetzen, um die gemeinsame Ausreise mit anderen Familienangehörigen zu ermöglichen.
Die Vermeidung der Trennung der Familie ist ausländerrechtlich gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde geltend zu machen und nicht im Asylverfahren gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Dabei geht das Gericht davon aus, dass die Ausländerbehörde die Vorgaben von Art. 6 GG und Art. 8 EMRK beachtet (vgl. auch VG München, B.v. 15.6.2016 – M 16 S. 16.31068 – juris).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Schließlich – war nach den vorstehenden Ausführungen – auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Prozessbevollmächtigten mangels Erfolgsaussichten in der Hauptsache abzulehnen (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 und § 121 Abs. 2 ZPO). Dies gilt sowohl für das vorliegende Antragsverfahren als auch für das Klageverfahren W 6 K 17.31969.


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