Verwaltungsrecht

Sofortverfahren, Fälligstellung von Zwangsgeldern, erneute Zwangsgeldandrohungen, teilweise Aussetzung der Vollziehung, fehlendes Rechtsschutzbedürfnis, erneute Zwangsgeldfestsetzung, vorherige Zwangsgelder erfolglos, fehlender Anordnungsgrund bei bereits bezahlten Zwangsgeldern

Aktenzeichen  W 8 S 21.485

Datum:
7.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 12440
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 4
VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 123 Abs. 1
VwZVG Art. 29
VwZVG Art. 31
VwZVG Art. 36
VwZVG Art. 37

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 6.250,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin, die in der Rechtsform einer GmbH ein Lebensmittelunternehmen betreibt, begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen einen Bescheid des Antragsgegners, in welchem der Antragstellerin mehrere Zwangsgelder angedroht werden und die vorläufige Feststellung, dass ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 5.000,00 EUR nicht fällig geworden ist.
1. Der Antragstellerin wurde mit sofort vollziehbarem Anordnungsbescheid vom 19. März 2021 unter anderem das Inverkehrbringen des Produktes „Vitamin D3 Tropfen für Gürteltiere“ unverzüglich nach Erhalt des Bescheides (Nr. 1.1 des Bescheides) untersagt. Der Antragstellerin wurde aufgegeben die Wiederverkäufer über die Untersagung in Ziffer 1 zu informieren (Nr. 1.2.1) sowie einen Nachweis darüber (Nr. 1.2.2), eine Liste aller mit dem Produkt belieferten Wiederverkäufer mit vollständiger Anschrift (Nr. 1.2.3) und eine Übersicht über den aktuellen Warenbestand (Nr. 1.2.4) innerhalb von zwei Tagen nach Erhalt des Bescheides vorzulegen (Nr. 1.2). Der Antragstellerin wurde innerhalb einer Frist von zwei Tagen nach Erhalt des Bescheids untersagt Aussagen zu dem Produkt „Vitamin D3 Tropfen für Gürteltiere“ zu treffen, die gegen das Verbot des § 11 Abs. 1 Nr. 2 LFBG und/oder des Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 verstoßen (s. im Einzelnen Feststellungen im Gutachten) (Nr. 1.3). Für den Fall eines Verstoßes gegen die Nr. 1.1 des Bescheides wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000,00 EUR festgesetzt, für den Fall eines Verstoßes gegen die Ziffern 1.2.1, 1.2.2, 1.2.3 und 1.2.4 in Höhe von je 500,00 EUR sowie im Fall eines Verstoßes gegen die Ziffer 1.3 in Höhe von 1.000,00 EUR und angedroht (Nr. 2).
Gegen den Anordnungsbescheid ließ die Antragstellerin im Verfahren W 8 K 21.478 Klage erheben und einen Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung stellen (W 8 S 21.477).
Mit Schreiben vom 6. April 2021 stellte das Landratsamt Würzburg ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,00 EUR fällig. Den Pflichten aus Nr. 1 des Bescheides vom 19. März 2021 sei bezüglich der Punkte 1.1, 1.2 und 1.3 bis zum heutigen Tage nicht nachgekommen worden. Das Produkt „Vitamin D 3 Tropfen für Gürteltiere“ werde weiterhin über die Onlineshops der Antragstellerin und der … GmbH vertrieben und sei bestellbar. Die angeforderten Unterlagen und Nachweise seien nicht vorgelegt worden. Weiterhin werde das Produkt in einem neuen „Youtube“-Video des Herrn … … beworben. Dieser gebe darin an, das Produkt an Rentner/Senioren zu verschenken. Unter dem Video finde sich die Telefonnummer der Antragstellerin. Auch die durch das LGL in seinem Gutachten vom 10. März 2021 genannten Videos seien weiter online.
Mit Bescheid vom 6. April 2021 drohte das Landratsamt Würzburg für den Fall, dass die Antragstellerin den in Nr. 1 (1.1 bis 1.3) des Bescheides vom 19. März 2021 festgelegten Anordnungen, bezüglich Nr. 1.1 nicht unverzüglich nach Erhalt des Bescheides sowie Nr. 1.2 (1.2.1 bis 1.2.4) und Nr. 1.3 nicht bis zwei Tage nach Erhalt des Bescheides nachkomme, für jeden Einzelverstoß Zwangsgelder an (Nr. 1 des Bescheides). Für einen Verstoß gegen Nr. 1.1 ein Zwangsgeld in Höhe von 6.000,00 EUR, für Verstöße gegen die Nrn. 1.2.1, 1.2.2, 1.2.3 und 1.2.4 je 1.500,00 EUR und gegen Nr. 1.3 3.000,00 EUR (Nr. 2). Der Antragstellerin wurden die Kosten des Verfahrens auferlegt (Nr. 3) und eine Gebühr in Höhe von 55,82 EUR für den Bescheid festgesetzt (Nr. 4).
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Nach Art. 37 Abs. 1 Satz 2 VwZVG könnten Zwangsmittel so lange und so oft angewendet werden, bis die auferlegte Verpflichtung erfüllt sei. Das Landratsamt habe deshalb ein erneutes Zwangsgeld für den Fall angedroht, dass die Mängel unter Nr. 1 des Bescheides vom 19. März 2021 weiterhin nicht beseitigt würden. Die Androhung der Zwangsgelder stütze sich auf Art. 29, 30, 31 und 36 VwZVG. Die neue Androhung des Zwangsgelds sei zulässig, weil die vorausgegangene Zwangsgeldandrohung erfolglos geblieben sei. Bei der Androhung des Zwangsgelds müsse nicht mit der Beitreibung des bereits fällig gewordenen Zwangsgelds abgewartet werden. Da die Zwangsgeldandrohung einen Leistungsbescheid im Sinne des Art. 23 Abs. 1 VwZVG darstelle, könnten die Zwangsgelder im Wege der Zwangsvollstreckung beigetrieben werden, wenn die Zwangsgeldforderung fällig sei, ohne dass es eines neuen Verwaltungsaktes bedürfe. Der Höhe des Zwangsgeldes liege eine Schätzung des wirtschaftlichen Interesses entsprechend Art. 31 Abs. 2 Satz 4 VwZVG zugrunde. Die angedrohte Höhe stelle einen Mindestbetrag dar, von dem eine Beugewirkung zu erwarten sei. Die zuvor angesetzten Beträge seien deutlich erhöht worden, da der zunächst angedrohte Betrag nicht zu einer Erfüllung der getroffenen Anordnungen geführt habe. Im Gegenteil sei ein weiteres Video zur Bewerbung des Produktes durch den Geschäftsführer der Antragstellerin online gestellt und angekündigt worden, dass 1000 Stück des Produktes verschenkt würden. Die eingeräumten Fristen seien im Hinblick auf Art und Umfang der geforderten Handlungen angemessen und ausreichend. Weiterhin sei dem Betrieb bereits seit 11. März 2021 bekannt, dass das beanstandete Produkt vom Markt genommen werden müsse, welche Unterlagen zusätzlich gefordert würden und wie Aussagen zu dem Produkt gesetzeskonform einzuschränken seien. Die Kostenentscheidung stütze sich auf Art. 138 Abs. 4 der Verordnung (EU) Nr. 2017/625 sowie Art. 1 und 2 des Kostengesetzes (KG). Die Gebührenerhebung beruhe auf Art. 5 und 6 Abs. 1 Satz 1 KG i.V.m. Tarifstelle 7. IX. 11/5.7 des Kostenverzeichnisses.
2. Am 8. April 2021 ließ die Antragstellerin unter dem Aktenzeichen W 8 K 21.484 Klage gegen den Bescheid erheben und im vorliegenden Verfahren beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen;
festzustellen, dass das angedrohte Zwangsgeld in Höhe von insgesamt 5.000,00 EUR nicht fällig geworden ist und eingezogen und beigetrieben werden kann.
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Es sei zunächst festzustellen, dass der Ausgangsbescheid vom 19. März 2021 rechtswidrig und nicht bestandskräftig geworden sei. Es seien Rechtsmittel eingelegt worden. Insbesondere sei auch der dort angeordnete Sofortvollzug rechtswidrig. Der Antragsgegner unterstelle ferner zu Unrecht, dass der Bescheid vom 19. März 2021 nicht eingehalten worden sei. Die … GmbH sei nicht Partei des Anordnungsbescheides. Soweit auf den Onlineshop der Antragstellerin verwiesen werde, sei festzustellen, dass die Aufmachung des Etiketts nach dem Bescheid vom 19. März 2021 korrigiert worden sei und nicht mehr die alte Produktaufmachung verwendet werde. Die inhaltlichen Beanstandungen seien korrigiert worden. In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass entsprechende Korrekturen berücksichtigt werden müssten. Es sei ebenfalls nicht rechtswidrig, das Produkt als solches zu verschenken, da die Produktaufmachung überarbeitet worden sei. Es werde zu Unrecht angenommen, dass gegen die Nrn. 1.1 bis 1.3 des Bescheides vom 19. März 2021 verstoßen worden sei. Der Bescheid vom 6. April 2021 sei damit rechtswidrig und die Erhöhung der Zwangsgeldandrohung unbegründet. Das Zwangsgeld in Höhe von 5.000,00 EUR sei nicht fällig geworden.
Mit weiterem Schriftsatz vom 5. Mai 2021 ließ die Antragstellerin ihr Vorbringen vertiefen und weiter ausführen: Der Antrag sei zulässig und begründet. Es sei nicht zu beanstanden, dass das Produkt sowohl im Online-Shop der Antragstellerin als auch in Onlineshops von Wiederverkäufern weiter vertrieben werde, da keine Rückrufverpflichtung angeordnet worden sei. Dass keine Informationen weitergegeben worden sein sollten, sei eine reine Hypothese, da jedes Unternehmen eigenverantwortlich entscheide, ob es Produkte weiter vertreibe oder nicht. Wenn der Antragsgegner darauf verweise, die neue Aufmachung des Etiketts sei nicht kommuniziert worden, so entspreche es dessen sich aus § 24 VwVfG ergebender Pflicht zur Amtsermittlung, den Sachverhalt ausreichend zu erforschen. Bezüglich der Mitteilung, dass das Zwangsgeld in Höhe von 2.000,00 EUR betreffend Nr. 1.1 des Anordnungsbescheides nicht beigetrieben werde, hätte dieses nie festgesetzt werden dürfen. Hinsichtlich der weiteren Anordnungen seien die Zwangsgelder nicht zu zahlen, da die Anordnungen rechtswidrig seien. Die Antragstellerin habe die Zwangsgelder mittlerweile in Höhe von 5.000,00 EUR freiwillig beglichen. Es werde um eine unverzügliche Rücküberweisung der zu viel gezahlten 2.000,00 EUR gebeten. Die Zwangsgelder seien jedoch nicht fällig geworden.
Mit Schreiben vom 12. April 2021 beantragte das Landratsamt Würzburg für den Antragsgegner, den Antrag abzuweisen.
Zur Begründung wird mit Schriftsatz vom 20. April 2021, bei Gericht eingegangen am 23. April 2021, im Wesentlichen ausgeführt: Soweit die Antragstellerin mit einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO die im Bescheid vom 6. April 2021 enthaltene Fälligkeitsmitteilung angreife, sei der Antrag bereits unstatthaft und damit unzulässig. Hierbei handele es sich nicht um einen Verwaltungsakt, ihr komme nur deklaratorische Wirkung zu. Ein Antrag nach § 123 VwGO auf einstweilige Untersagung der Beitreibung des Zwangsgeldes liege nicht vor. Die Umdeutung eines solchen anwaltlich gestellten Antrags komme grundsätzlich nicht in Betracht. Selbst bei einer solchen Auslegung sei der Antrag jedenfalls unbegründet, da kein Anordnungsanspruch gegeben sei. Es werde auf die Ausführungen im Bescheid, der Fälligkeitsmitteilungen und ergänzend auf die Ausführungen in der Antragserwiderung im Verfahren W 8 S 21.477 verwiesen. Soweit sich der Antrag ggf. auch gegen die im Bescheid vom 6. April 2021 erneut angedrohten Zwangsgelder richte, sei ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zwar statthaft, aber ebenfalls unbegründet. Im Zeitpunkt der Androhung als auch im Zeitpunkt des zur Vornahme der Handlung bestimmten Termins hätten die allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen vorgelegen. Nach Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG könne ein Verwaltungsakt vollstreckt werden, wenn dessen sofortige Vollziehung angeordnet sei. Eine Aufhebung bzw. Außervollzugsetzung der in Nr. 3 des Anordnungsbescheides Anordnung des Sofortvollzugs habe weder zum damaligen noch zum Zeitpunkt der erneuten Androhung vorgelegen. Auf die Rechtmäßigkeit der Grundanordnung komme es insoweit nicht an, da keine Konnexität bestehe. Ohne Bedeutung sei weiter, dass der Grundverwaltungsakt in einem verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren überprüft werde, da diesbezüglich noch keine Aufhebungsentscheidung ergangen sei. Das zuerst angedrohte Zwangsgeld sei vor Erhebung der Klage samt Antragsverfahren fällig geworden, weshalb sowohl im Zeitpunkt der erneuten Androhung als auch im Zeitpunkt des Fälligwerdens des zuerst angedrohten Zwangsgeldes die Voraussetzungen des Art. 36 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 und Abs. 5 VwZVG vorgelegen hätten. Der Dokumentation in der Behördenakte könne zweifelsfrei entnommen werden, dass das Produkt durch die Antragstellerin und Wiederverkäufer weiterhin vertrieben werde. Die … GmbH sei zwar nicht Partei des Bescheides, vertreibe das Produkt aber auf ihrer Internetseite und sei somit Wiederverkäufer. Daraus und aus der Dokumentation zu weiteren Online-Shops, sei zu erkennen, dass keine Information an die Wiederverkäufer ergangen sei, wenn diese das beanstandete Produkt weiter vertrieben. Die Überarbeitung des Etiketts sei erstmals mit der Antragsschrift bekannt geworden. Zuvor sei dies durch die Antragstellerin in keiner Weise kommuniziert worden. Im Online-Shop sei nur die Vorderseite des Etiketts zu sehen, nicht aber die weiteren Informationen auf den Seiten. Der Aufdruck „Bei Müdigkeit und fehlender Vitalität“ sei zwar durch „Werbeangabe zensiert“ überschrieben, jedoch finde sich dieser Aufdruck fast bei allen Produkten für Tierexoten und Fabelwesen der Antragstellerin und lasse keine weiteren Rückschlüsse zu. Aufgrund der Vorlage des geänderten Etiketts und nach Überprüfung durch das LGL sei der Antragstellerin mitgeteilt worden, dass das Zwangsgeld in Höhe von 2.000,00 EUR zu Nr. 1.1 des Bescheides nicht beigetrieben werde, die übrigen Zwangsgelder aber in Höhe von insgesamt 3.000,00 EUR weiter zu zahlen seien, da die übrigen Anordnungen (Nr. 1.2 und 1.3) bisher nicht umgesetzt worden seien. Die Internetseite „…“ sei zwar nicht mehr erreichbar, die im Gutachten genannten Videos aber weiterhin aufrufbar. Zudem sei ein weiteres Video online gestellt worden … … … … … … … …*). Der Nr. 1.3 des Bescheides vom 19. März 2021 sei somit weiterhin nicht Folge geleistet. Das Inverkehrbringen des Produktes umfasse auch das unentgeltliche Verschenken. Auf die Definition nach Art. 3 Nr. 8 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 werde verwiesen. Die Maßnahmen in Nr. 1.2 des Bescheides seien bisher nicht umgesetzt worden.
Mit Schriftsatz vom 26. April 2021 führte das Landratsamt Würzburg für den Antragsgegner aus: Aufgrund der Vorlage des geänderten Etiketts und nach Überprüfung durch das LGL sei der Antragstellerin mit Schreiben vom 14. April 2021 mitgeteilt worden, dass das Zwangsgeld in Höhe von 2.000,00 EUR zu Nr. 1.1 des Bescheides nicht beigetrieben werde. Die Anordnung in Nr. 1.1 habe sich mit Vorlage des überarbeiteten Etiketts somit erledigt.
Mit weiterem Schreiben vom 27. April 2021 teilte das Landratsamt Würzburg mit: Die erneute Zwangsgeldandrohung im Bescheid vom 6. April 2021 bezüglich der Nr. 1.1 des Anordnungsbescheides vom 19. März 2021 habe sich erledigt.
3. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte (einschließlich der Verfahren W 8 K 21.484, W 8 K 21.478 und W 8 S 21.477) sowie die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist, soweit er zulässig ist, unbegründet.
Ausweislich der gestellten Anträge begehrt die Antragstellerin zum einen die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 VwGO der am 8. April 2021 erhobenen Klage (W 8 K 21.484) gegen die im Bescheid vom 6. April 2021 angedrohten Zwangsgelder und zum anderen die vorläufige Außervollzugsetzung der Beitreibung der mit Schreiben vom 6. April 2021 in Höhe von insgesamt 5.000,00 EUR fällig gestellten Zwangsgelder im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO, was sich bei verständiger Würdigung (§ 88 VwGO) aus dem ausdrücklich auf Feststellung, dass das angedrohte Zwangsgeld in Höhe von insgesamt 5.000,00 EUR nicht fällig geworden ist und eingezogen und beigetrieben werden kann, gerichteten Antrag, ergibt.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 VwGO ist statthaft, da die Klage gegen die Zwangsgeldandrohungen im Bescheid vom 6. April 2021 keine aufschiebende Wirkung hat (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, Art. 21a VwZVG). Er ist jedoch unzulässig, soweit er die Zwangsgeldandrohung bezüglich Nr. 1.1 des Anordnungsbescheids vom 19. März 2021 betrifft und im Übrigen zulässig aber unbegründet, da das öffentliche Vollzugsinteresse das private Interesse der Antragstellerin an der Aussetzung überwiegt.
Der Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO auf vorläufige Außervollzugsetzung der Beitreibung der mit Schreiben vom 6. April 2021 fällig gestellten Zwangsgelder ist zulässig, aber unbegründet, da die Antragstellerin keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat.
Im Einzelnen:
1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Zwangsgeldandrohungen in Nr. 1 und 2 des Bescheides vom 6. April 2021 ist unzulässig, soweit er sich auf die Androhung betreffend die Nr. 1.1 des Bescheides vom 19. März 2021 bezieht.
Dem Antrag fehlt das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, da der Antragsgegner mit Schreiben vom 27. April 2021 mitgeteilt hat, dass sich die Zwangsgeldandrohung im Anordnungsbescheid vom 6. April 2021 in Bezug auf die Nr. 1.1 erledigt hat. Der Antragsgegner hat in der Sache insoweit nach § 80 Abs. 4 VwGO die Vollziehung ausgesetzt. Auch wenn nicht ausdrücklich auf diese Norm Bezug genommen wird, kommt der Mitteilung im Schreiben vom 27. April 2021 eine entsprechende Wirkung zu. Einem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 VwGO fehlt insoweit das Rechtsschutzbedürfnis (vgl. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 25. Auflage 2019, § 80 Rn. 136 m.w.N.).
Im Übrigen ist der Antrag unbegründet, da das öffentliche Vollzugsinteresse das Interesse der Antragstellerin an der vorläufigen Außervollzugsetzung der angegriffenen Zwangsgeldandrohungen im Bescheid vom 6. April 2021 überwiegt.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene originäre Abwägungsentscheidung. Es hat zwischen dem in der gesetzlichen Regelung (hier: Art. 21a VwZVG) zum Ausdruck kommenden Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes und dem Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache dann von maßgeblicher Bedeutung, wenn nach summarischer Prüfung von der offensichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Verwaltungsakts und der Rechtsverletzung der Antragstellerin auszugehen ist. Ergibt die im Rahmen des Sofortverfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, tritt das Interesse der Antragstellerin regelmäßig zurück. Erweist sich der zugrundeliegende Bescheid bei dieser Prüfung hingegen als rechtswidrig und das Hauptsacheverfahren dann voraussichtlich als erfolgreich, ist das Interesse an der sofortigen Vollziehung regelmäßig zu verneinen. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens hingegen offen, kommt es zu einer allgemeinen Abwägung der widerstreitenden Interessen.
Gemessen hieran hat der Antrag keinen Erfolg. Die angegriffenen Zwangsgeldandrohungen sind bei summarischer Prüfung rechtmäßig und verletzen die Antragstellerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO analog). Das Gericht nimmt zunächst Bezug auf die zutreffende Begründung im Bescheid vom 6. April 2021 (§ 117 Abs. 5 VwGO) und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Darstellung ab. Das Vorbringen der Antragstellerin führt zu keiner abweichenden Sichtweise.
Rechtsgrundlage für die Androhung der Zwangsgelder sind Art. 29, 31 und 36 VwZVG. Nach Art. 29 Abs. 1 VwZVG kann ein Verwaltungsakt, mit dem die Vornahme einer Handlung oder eine Duldung gefordert wird, mit Zwangsmitteln im Sinne des Art. 29 Abs. 2 VwZVG vollstreckt werden. Gemäß Art. 36 Abs. 1 VwZVG müssen Zwangsmittel schriftlich unter Bestimmung einer angemessenen Frist zur Erfüllung der Verpflichtung angedroht werden. Zwangsmittel können so lange und so oft angewendet werden, bis die Verpflichtung erfüllt ist (Art. 37 Abs. 2 Satz 2 VwZVG). Zu beachten ist hier, dass hinsichtlich etwaiger Verstöße gegen die Nrn. 1.2.1, 1.2.2, 1.2.3, 1.2.4 und 1.3 des Anordnungsbescheides vom 19. März 2021 bereits in diesem Bescheid Zwangsgelder angedroht wurden. Eine neue Androhung von Zwangsgeldern ist erst dann zulässig, wenn die vorausgegangene Androhung des Zwangsmittels erfolglos geblieben ist (Art. 36 Abs. 6 Satz 2 VwZVG).
Die Voraussetzung für die erneute Androhung von Zwangsgeldern ist vorliegend erfüllt, da die Antragstellerin den in Rede stehenden Anordnungen aus Nr. 1.2 und 1.3 des Anordnungsbescheides vom 19. März 2021 nicht nachgekommen ist. Die vorausgegangene Androhung von Zwangsgeldern ist damit erfolglos geblieben. Der Antragsgegner muss mit der erneuten Androhung nicht erst bis zur Beitreibung eines Zwangsgeldes im Wege der Vollstreckung zuwarten (Harrer/Kugele in Kugele/Thum/Tegethoff, Verwaltungsrecht in Bayern, Art. 36 VwZVG Rn. 14).
Die Antragstellerin ist den Anordnungen aus Nr. 1.2 und 1.3 des Anordnungsbescheides vom 19. März 2021 nicht nachgekommen. Es ist nicht ersichtlich und wird von der Antragstellerin nicht einmal behauptet, dass sie die in Nr. 1.2 des Anordnungsbescheides im Einzelnen angeordneten Verpflichtungen zur Information der Wiederverkäufer und Vorlage von Unterlagen innerhalb der hierfür gesetzten Frist von zwei Tagen nach Erhalt des Bescheides erfüllt hat. Dass ein entsprechender Nachweis vorgelegt wurde, ist der Behördenakte nicht zu entnehmen und auch sonst nicht ersichtlich.
Ausweislich der beigezogenen Behördenakte (Bl. 241 f.) waren die im Gutachten des LGL vom 10. März 2021 beanstandeten Youtube-Videos mit den entsprechenden unzulässigen gesundheitsbezogenen Angaben in Bezug auf das streitgegenständliche Produkt am Tag des Erlasses der erneuten Zwangsgeldandrohungen im Internet abrufbar. Somit ist die Antragstellerin auch Nr. 1.3 des Anordnungsbescheides nicht nachgekommen und die entsprechende Zwangsgeldandrohung erfolglos geblieben. Das Vorbringen der Antragstellerin erschöpft sich auf die Darstellung der aus ihrer Sicht vorliegenden Rechtswidrigkeit der getroffenen Anordnungen. Substantiierte Ausführungen, weshalb gerade eine erneute Androhung von Zwangsgeldern rechtswidrig sein sollte, da den getroffenen Anordnungen nachgekommen worden sei, erfolgen nicht. Auf die Rechtmäßigkeit des Grundverwaltungsaktes – des Anordnungsbescheides vom 19. März 2021 – kommt es insoweit nicht entscheidungserheblich an, da dieser jedenfalls wirksam und aufgrund des angeordneten Sofortvollzugs auch vollstreckbar ist (Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG).
Hinsichtlich der Höhe der Zwangsgelder hat das Gericht keine durchgreifenden Bedenken, zumal diesbezüglich nichts vorgetragen ist, weshalb die im Vergleich zu den im Anordnungsbescheid angedrohten Zwangsgeldern erhöhten Beträge nicht pflichtgemäßem Ermessen entsprechen (Art. 31 Abs. 2 Satz 3 VwZVG). Ermessensfehler sind darüber hinaus nicht erkennbar.
2. Der Antrag auf vorläufige Außervollzugsetzung der Beitreibung der mit Schreiben vom 6. April 2021 in Höhe von insgesamt 5.000,00 EUR fällig gestellten Zwangsgelder ist zulässig, aber unbegründet.
Statthaft ist ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO. Die Mitteilung, dass die Zwangsgelder aus dem Bescheid vom 19. März 2021 fällig geworden sind, stellt keinen Verwaltungsakt dar. In der Hauptsache ist diesbezüglich keine Anfechtungsklage, sondern eine Feststellungsklage, dass die Zwangsgelder nicht fällig geworden sind, statthaft (Decker in Busse/Kraus, BayBO, 140. EL Februar 2021, Art. 76 Rn. 483 ff. m.w.N. zur Rechtsprechung des BayVGH). Die Feststellungsklage hat keine aufschiebende Wirkung, weshalb der begehrte Aufschub der Beitreibung der Zwangsgelder nur über einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO zu erreichen ist (Decker, a.a.O., Rn. 485 m.w.N.).
Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gefahr zu verhindern oder wenn es aus anderen Gründen nötig erscheint. Der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung setzt nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 ZPO voraus, dass der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft machen kann. Eine Glaubhaftmachung liegt vor, wenn das Vorliegen von Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sich als überwiegend wahrscheinlich darstellt.
Vorliegend fehlt es bereits an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes. Die Antragstellerin hat die fällig gestellten Zwangsgelder in Höhe von insgesamt 5.000,00 EUR bezahlt. Es ist weder vorgetragen noch sonst für das Gericht ersichtlich, dass der Antragstellerin wesentliche Nachteile daraus erwachsen würden, bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache über die Feststellung, ob die Zwangsgelder tatsächlich fällig geworden sind, auch im Falle eines etwaigen Obsiegens abzuwarten. Eine Eilbedürftigkeit ist insoweit nicht erkennbar. Lediglich ergänzend ist anzumerken, dass das Gericht zudem keine Anhaltspunkte hat, dass der Antragsgegner das in Höhe von 2.000,00 EUR überzahlte Zwangsgeld der Antragstellerin nicht zurückerstatten wird, weshalb auch diesbezüglich kein Anordnungsgrund für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erkennbar ist geschweige denn glaubhaft gemacht wurde.
Auf die Frage, ob die fällig gestellten Zwangsgelder tatsächlich fällig geworden sind, kommt es somit für das vorliegende Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht entscheidungserheblich an.
3. Nach alledem war der Antrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Für die Streitwertfestsetzung waren im Bescheid vom 6. April 2021 angedrohten Zwangsgelder jeweils zur Hälfte anzusetzen (Nr. 1.7.1 Satz des Streitwertkatalogs) und damit insgesamt in Höhe von 7.500,00 EUR. Die fällig gestellten Zwangsgelder in Höhe von 5.000,00 EUR waren in voller Höhe anzusetzen. Diese Beträge waren auf insgesamt 12.500,00 EUR zu addieren (Nr. 1.1.1 des Streitwertkatalogs), da den entsprechenden Anträgen jeweils eigenständige Bedeutung zukommt. Dieser Betrag war wegen Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nochmals zu halbieren und der Streitwert mithin auf 6.250,00 EUR festzusetzen.


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