Verwaltungsrecht

Soldatenrecht, Soldat auf Zeit, Fristlose Entlassung, Schuldhafte Dienstpflichtverletzung, politische Treuepflicht (soldatische Kernpflicht), Ernstliche Gefährdung der militärischen Ordnung und des Ansehens der Bundeswehr, Unmittelbare oder mittelbare Unterstützung der PKK vor der Einberufung, Eindruck der Nähe und Befürwortung der verbotenen PKK, Facebook-Post, Fehlende Distanzierung

Aktenzeichen  6 CS 22.689

Datum:
22.6.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 15429
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
§ 23 Abs. 6 S. 3 WBO i.V.m. § 80 Abs. 5 S. 1 Halbsatz 1 VwGO
SG § 55 Abs. 5
SG §§ 7, 8, 11 und 17 Abs. 2

 

Leitsatz

Verfahrensgang

W 1 S 22.131 2022-02-22 Bes VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 22. Februar 2022 – W 1 S 22.131 – geändert.
Der Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seiner Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 3. November 2021 anzuordnen, wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.
III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 8.956,88 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wurde am 1. Oktober 2019 mit dem Dienstgrad Stabsunteroffizier, vorgesehen für die Laufbahn der Fachunteroffiziere, in die Bundeswehr eingestellt und mit Wirkung vom 1. Februar 2020 in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen. Die für zehn Jahre erklärte Dienstzeit wurde auf drei Jahre zwischenfestgesetzt (reguläres Ende: 30.9.2022).
Mit Bescheid vom 3. November 2021 entließ die Antragsgegnerin den Antragsteller gemäß § 55 Abs. 5 SG mit dem Tag der Aushändigung des Bescheids (am 10.11.2021) fristlos aus dem Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit. Zur Begründung führte sie u.a. aus, dass er seine Dienstpflichten nach §§ 7, 8, 11 und § 17 Abs. 2 SG verletzt habe, weil er vor seiner Einberufung an Veranstaltungen, die unmittelbar oder mittelbar der Unterstützung der PKK dienten, teilgenommen, Spenden an eine PKKnahe Hilfsorganisation geleistet, einen Aufruf zur Teilnahme an einer Demonstration für die Aufhebung des PKK-Verbots in Deutschland in seinem Facebook-Account veröffentlicht und sich nicht eindeutig von dem hierdurch entstandenen Eindruck einer zumindest mittelbaren politischen Nähe zu der in Deutschland seit 1993 verbotenen PKK distanziert habe. Nach seiner Einberufung im Jahr 2020 habe er darüber hinaus auf Facebook die PKKnahe Politikerin Leyla Zana unterstützt und (weiterhin) Kontakt zu PKKnahen bzw. aktiven Mitgliedern im engsten Familienkreis gehabt. Ein Verbleiben des Antragstellers im Dienst würde die militärische Ordnung und das Ansehen der Bundeswehr in der Öffentlichkeit ernstlich gefährden.
Über die vom Antragsteller gegen den Entlassungsbescheid erhobene Beschwerde vom 12. November 2021 ist noch nicht entschieden.
Am 25. Januar 2022 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht beantragt, die aufschiebende Wirkung seiner Beschwerde gegen den Entlassungsbescheid vom 3. November 2021 anzuordnen. Mit Beschluss vom 22. Februar 2022 hat das Verwaltungsgericht diesem Antrag mit der Begründung stattgegeben, bei der im Eilrechtsschutz gebotenen summarischen Prüfung sei keine hinreichende Tatsachengrundlage für eine schuldhafte Dienstpflichtverletzung festzustellen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin.
II.
Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig und begründet.
Die Beschwerdegründe, die die Antragsgegnerin innerhalb der Begründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegt hat, führen zu einer Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO). Nach summarischer Prüfung ist davon auszugehen, dass die Entlassungsverfügung vom 3. November 2021 rechtmäßig ist, so dass der Rechtsbehelf in der Hauptsache voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird. Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Beschwerde des Antragstellers gegen seine Entlassung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO anzuordnen, ist daher unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung abzulehnen.
Gemäß § 23 Abs. 6 S. 3 WBO i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung anordnen, wenn die im Rahmen des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes vorzunehmende Interessenabwägung ergibt, dass das Interesse des Antragstellers, von der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts bis zur endgültigen Entscheidung über seine Rechtmäßigkeit verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse an dessen sofortiger Vollziehung überwiegt. Zu berücksichtigen ist dabei allerdings, dass das öffentliche Vollzugsinteresse bereits durch den gesetzlich vorgesehenen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung in § 23 Abs. 6 WBO erhebliches Gewicht erhält (vgl. BVerwG, B.v. 7.8.2014 – 9 VR 2.14 – juris Rn. 3). Insbesondere wenn die mit dem Hauptantrag erhobene Anfechtungsklage voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, besteht kein Anlass von der gesetzlich bestimmten Regel der sofortigen Vollziehbarkeit abzugehen (vgl. BVerwG, B.v. 30.9.2008 – 7 VR 1.08 – juris Rn. 6). Ist hingegen die Rechtswidrigkeit der angegriffenen Verfügung offensichtlich, weil sie sich schon bei summarischer Prüfung ergibt, kann das Gericht die aufschiebende Wirkung anordnen (vgl. NdsOVG, B.v. 6.9.2007 – 5 ME 236/07 – juris Rn. 11; vgl. zu alledem auch Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 80 Rn. 146 ff.). Das ist hier jedoch nicht der Fall. Die Entlassungsverfügung vom 3. November 2021 erweist sich bei summarischer Prüfung vielmehr als rechtmäßig.
Rechtsgrundlage für die angegriffene Maßnahme ist § 55 Abs. 5 SG. Danach kann ein Soldat auf Zeit während der ersten vier Dienstjahre fristlos entlassen werden, wenn er seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat und sein Verbleiben in seinem Dienstverhältnis die militärische Ordnung oder das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährden würde. Die fristlose Entlassung nach dieser Vorschrift ist keine disziplinarische Maßnahme, sondern soll die personelle und materielle Einsatzbereitschaft der Bundeswehr gewährleisten. Sie stellt ein Mittel dar, um eine Beeinträchtigung der uneingeschränkten Einsatzbereitschaft zu vermeiden. Diese Gefahr muss gerade als Auswirkung einer Dienstpflichtverletzung des Soldaten drohen, was von den Verwaltungsgerichten aufgrund einer nachträglichen Prognose zu beurteilen ist (vgl. BVerwG, B.v. 28.1.2013 – 2 B 114.11 – juris Rn. 8; U.v. 28.7.2011 – 2 C 28.10 – juris Rn. 10; vgl. auch BayVGH, B.v. 21.2.2020 – 6 CS 19.2403 – juris Rn. 8; NdsOVG, B.v. 30.5.2006 – 5 ME 67/06 – juris Rn. 19). Maßgeblicher Zeitpunkt für eine solche Prognose ist der Zeitpunkt, in dem das Verwaltungsverfahren abgeschlossen wird (OVG SH, U.v. 19.10.2015 – 2 LB 25/14 – juris Rn. 32; OVG NW, U.v. 5.12.2012 – 1 A 846/12 – juris Rn. 44). Für den Begriff der Gefährdung ist ausreichend, dass die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts besteht, mithin eine Gefahr droht (OVG SH, U.v. 19.10.2015 – 2 LB 25/14 – juris Rn. 39; NdsOVG, B.v. 4.12.2012 – 5 LA 357/11 – juris Rn. 9, 15; vgl. auch BayVGH, B. v. 19.04.2018 – 6 CS 18.580 – juris Rn. 14). Mit dem Erfordernis, dass die Gefährdung der militärischen Ordnung ernstlich sein muss, entscheidet das Gesetz selbst die Frage der Angemessenheit der fristlosen Entlassung im Verhältnis zu dem erstrebten Zweck und konkretisiert so den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (BVerwG, B.v. 28.1.2013 – 2 B 114.11 – juris Rn. 9).
Gemessen an diesem Maßstab ist die fristlose Entlassung des Antragstellers aus dem Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit rechtlich nicht zu beanstanden.
1. In formeller Hinsicht bestehen – wie das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt hat – gegen die streitige Entlassungsverfügung keine Bedenken. Insbesondere wurde der Antragsteller vor Erlass der Entlassungsverfügung gemäß § 47 Abs. 2 i.V.m. § 55 Abs. 6 Satz 1 SG angehört. Auch die notwendige Anhörung der Vertrauensperson des Antragstellers ist in der geforderten Weise erfolgt (§ 24 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 3 Satz 2 SBG).
2. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist die Entlassungsverfügung vom 3. November 2021 auch in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden. Nach summarischer Prüfung liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 55 Abs. 5 SG vor. Der Antragsteller befand sich am Tage der Aushändigung der Entlassungsverfügung in seinem zweiten Dienstjahr. Er hat seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt, und zwar insbesondere seine Pflicht zum Eintreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung gemäß § 8 SG und die Wohlverhaltenspflicht gemäß § 17 Abs. 2 SG.
a) Nach § 8 SG ist der Soldat verpflichtet, die freiheitlich-demokratische Grundordnung anzuerkennen und durch sein gesamtes Verhalten für ihre Einhaltung einzutreten. Diese Kernpflicht des Soldaten gebietet es, sich mit der Idee der freiheitlich-demokratischen, rechts- und sozialstaatlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, der er dienen soll, zu identifizieren. Identifizieren bedeutet dabei nicht nur, die Grundordnung dieses Staates anzuerkennen, sondern verlangt ein Mehr an staatsbürgerlicher Verpflichtung, das dem Soldaten wie auch dem Richter und Beamten auferlegt ist. Die Bundesrepublik Deutschland ist eine Demokratie, die von ihren Bürgern die Verteidigung der freiheitlichen Ordnung erwartet. Das Prinzip der streitbaren Demokratie gilt auch für die innere Ordnung der Bundeswehr. Dementsprechend verlangt die politische Treuepflicht von jedem Soldaten die Bereitschaft, sich zu der Idee des Staates, dem er dient, zu bekennen und aktiv für ihn einzutreten. Die Vorgabe des § 8 SG ist als eine einheitliche soldatische Pflicht zu qualifizieren, die im Kern darin besteht, nach außen keinerlei Distanz oder Ablehnung zur verfassungsmäßigen Ordnung erkennen zu lassen, unabhängig von der dahinterstehenden Motivation oder Überzeugung (vgl. BVerwG, U.v. 23.3.2017 – 2 WD 16/16 – juris Rn. 66; OVG LSA, B.v. 28.1.2019 – 1 M 119/19 – juris Rn. 9). Bei § 8 SG geht es somit in erster Linie nicht um Gesinnung, sondern um das objektivierbare Verhalten nach außen. Die Verletzung der politischen Treuepflicht gehört zu den schwersten denkbaren Pflichtwidrigkeiten. Ein solcher Verstoß liegt dann vor, wenn sich ein Soldat für Ziele einsetzt, die geeignet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung auszuhöhlen, oder wenn er sich nicht eindeutig von Bestrebungen distanziert, die diesen Staat und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren (BVerwG, B.v. 10.10.2019 – 2 WDB 2/19 – juris Rn. 25; U.v. 23.3.2017 – 2 WD 16/16 – juris Rn. 66 f m.w.N.).
aa) Der Antragsteller hat seine Kernpflicht zum Eintreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung dadurch verletzt, dass er sich nicht eindeutig von dem in der Vergangenheit entstandenen Eindruck seiner zumindest mittelbaren politischen Nähe zu der in Deutschland seit 1993 verbotenen PKK distanziert hat. Er hat vor allem den im Jahr 2014 auf seinem Facebook-Account veröffentlichten Beitrag (Post) mit einem Aufruf zur Teilnahme an einer Demonstration zur Aufhebung des PKK-Verbots in Deutschland nach seinem Eintritt in die Bundeswehr im Jahr 2020 – und auch noch während der Ermittlungen des Bundesamtes für den Militärischen Abschirmdienstes – ohne erkennbare Distanzierung auf seinem Account belassen. Darüber hinaus fehlt es auch an einer nach außen deutlich erkennbaren Distanzierung von PKKnahen bzw. aktiven Mitgliedern im engsten Familienkreis (Ehefrau und Schwiegervater).
Die „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK) einschließlich ihrer Teilorganisationen wurde durch Verfügung des Bundesministers des Inneren vom 22. November 1993 mit einem Betätigungsverbot belegt und wird seit 2002 auch von der Europäischen Union als Terrororganisation eingestuft.
Mit seinem Post hat der Antragsteller sich nach außen erkennbar in die Nähe einer verfassungsfeindlichen Organisation begeben und damit in vorwerfbarer Weise zumindest den Anschein erweckt, er sehe den Einsatz für die Aufhebung des PKK-Verbots positiv und unterstütze ihn. Er kann sich nicht damit entlasten, die Veröffentlichung des Aufrufs auf seiner Facebook-Seite sei vor seiner Dienstzeit erfolgt und könne daher kein Dienstvergehen i.S.d. § 55 Abs. 5 SG darstellen. Aufgrund seiner Pflichtenstellung aus § 8 SG, für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzutreten, die er mit seinem Eid auf die Verfassung bekräftigt hat, war es von ihm zumindest zu verlangen, sich nach seinem Eintritt in die Bundeswehr von derartigen Posts in eindeutiger Weise zu distanzieren bzw. diese nicht weiterhin in seinem Account zu belassen. Dadurch, dass der Post mit dem Aufruf zur Demonstration gegen das PKK-Verbot auch noch im Jahr 2021 öffentlich sichtbar war, hat der Antragsteller den Anschein einer Nähe zu einer verfassungsfeindlichen Organisation auch nach seinem Eintritt in die Bundeswehr aufrechterhalten und es dadurch an der von ihm zu verlangenden eindeutigen Distanzierung fehlen lassen. Da es bei § 8 SG nicht in erster Linie um Gesinnung, sondern um das objektivierbare Verhalten nach außen geht, kann eine fehlende Distanzierung ohne Zweifel eine Verletzung von § 8 SG begründen (vgl. BVerwG, U.v. 23.3.2017 – 2 WD 16/16 – juris Rn. 66; OVG LSA, B.v. 28.1.2019 – 1 M 119/19 – juris Rn. 9; Sohm in Eichen/Metzger/Sohm, Soldatengesetz, 4. Aufl. 2021, § 8 Rn. 29 u. 30). Die Wahrnehmung eines Bundeswehrsoldaten in der Öffentlichkeit als Befürworter einer als Terrorgruppe eingestuften und verbotenen Gruppierung stellt eine ernsthafte Beeinträchtigung des Ansehens der Bundeswehr und einen erheblichen Verstoß gegen die soldatische Kernpflicht aus § 8 SG dar.
bb) Der Antragsteller vermag sich auch nicht damit zu entlasten, dass die Veröffentlichung des Demonstrationsaufrufs für die Aufhebung des PKK-Verbots auf seinem privaten Facebook-Account erfolgt ist. Denn die Pflichtenstellung des Soldaten beschränkt sich nicht auf den dienstlichen Bereich. Für die in § 17 Abs. 2 SG verankerte Pflicht des Soldaten zur Achtungs- und Vertrauenswahrung ist in Satz 3 ausdrücklich klarstellt, dass sich diese Pflicht auch auf den außerdienstlichen Bereich erstreckt. Auch die Pflicht des Soldaten aus § 8 SG, die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes anzuerkennen und durch sein gesamtes Verhalten für ihre Erhaltung einzutreten, endet deshalb nicht „am Kasernentor“ (OVG NW, B.v. 1.3.2006 – 1 B 1843/05 – juris Rn. 17).
b) Der Antragsteller hat mit seinem Post, mit dem er in vorwerfbarer Weise zumindest den Anschein erweckt hat, sich nicht in der von ihm zu verlangenden Weise eindeutig von verfassungsfeindlichen Gruppierungen zu distanzieren, auch seine Dienstpflicht aus § 17 Abs. 2 SG verletzt. Nach Satz 1 dieser Vorschrift muss das Verhalten des Soldaten dem Ansehen der Bundeswehr sowie der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Dienst als Soldat erfordert. Nach Satz 3 hat sich der Soldat außer Dienst außerhalb der dienstlichen Unterkünfte und Anlagen so zu verhalten, dass er das Ansehen der Bundeswehr oder die Achtung und das Vertrauen, die seine dienstliche Stellung erfordert, nicht ernsthaft beeinträchtigt. Die – weit über seinen Eintritt in die Bundeswehr hinaus andauernde – Veröffentlichung des streitgegenständlichen Posts auf seiner privaten Facebook Seite ist dem Antragsteller als außerdienstliches Fehlverhalten im Sinne dieser Vorschrift anzulasten. Dass er den Demonstrationsaufruf nicht gelöscht und sich auch nicht in anderer Weise unmissverständlich von dem dadurch erweckten Anschein seiner Verbindung zur verbotenen PKK distanziert hat, ist nach dem Ergebnis der summarischen Prüfung geeignet, sowohl das Ansehen der Bundeswehr als auch die Achtung und das Vertrauen, die seine dienstliche Stellung erfordern, ernsthaft zu beeinträchtigen. Es kommt insoweit nicht darauf an, ob eine derartige Beeinträchtigung im konkreten Fall tatsächlich eingetreten ist, sondern es reicht aus, dass das außerdienstliche Verhalten geeignet war, eine solche Wirkung auszulösen (Metzger in Eichen/Metzger/Sohm, Soldatengesetz, 4. Aufl. 2021 § 17 Rn. 46 m.w.N.). Denn die Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit eines Soldaten kann schon dann Schaden nehmen, wenn sein Verhalten Zweifel an seiner Redlichkeit und Zuverlässigkeit weckt.
Ob der Antragsteller mit dem im Jahr 2020 vorgenommenen „Like“ der Facebook-Seite der prokurdischen Politikerin Leyla Zana eine PKKnahe Person aus der Türkei unterstützt hat, was möglicherweise eine weitere Dienstpflichtverletzung darstellen könnte, kann nach alledem dahinstehen.
c) Die festgestellten Dienstpflichtverletzungen begründen die Entlassungsverfügung, da auch die weitere Voraussetzung des § 55 Abs. 5 SG, dass das Verbleiben des Soldaten auf Zeit im Dienstverhältnis die militärische Ordnung oder das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährden würde, erfüllt ist.
aa) Bei einer Gefährdung des Ansehens der Bundeswehr geht es um den guten Ruf der Streitkräfte oder auch einzelner Truppenteile bei Außenstehenden, vor allem in der Öffentlichkeit, aus der Sicht eines den jeweiligen Lebensverhältnissen gegenüber aufgeschlossenen, objektiv wertenden Betrachters. Eine ernstliche Gefährdung des Ansehens der Bundeswehr ist anzunehmen, wenn das Verhalten des Soldaten mit den berechtigten Erwartungen der Bevölkerung an die Integrität der Bundeswehr unvereinbar und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Rechtsstaatlichkeit der Streitkräfte bei Bekanntwerden erschüttert wäre (OVG SH, U.v. 19.10.2015 – 2 LB 25/14 – juris Rn. 35). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn – wie hier – aus den Reihen der Bundeswehr ein Bezug zu einer verfassungsfeindlichen oder verbotenen Gruppierung hergestellt wird. Das Ansehen der Bundeswehr wird ganz wesentlich getragen von ihrer Teilhabe an der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und dem Vertrauen darauf, dass sie sich den Werten des Grundgesetzes verpflichtet weiß (OVG SH, U.v. 19.10.2015 – 2 LB 25/14 – juris Rn. 36). Werden durch das Verhalten eines Soldaten Zweifel dahingehend geweckt, dass er sich gegenüber solchen Gruppierungen nicht unmissverständlich distanziert und abgrenzt, sondern wird – im Gegenteil – der Eindruck erweckt, er befürworte die Äußerungen einer solchen verfassungsfeindlichen Organisation und stehe ihr nahe, käme es bei Verbleiben dieses Soldaten zu einer ernstlichen Gefährdung des Ansehens der Bundeswehr. Zu Recht wird insoweit von der Antragsgegnerin eine klare und eindeutige Abgrenzung jedes Soldaten von als terroristisch eingestuften und daher verbotenen Gruppierungen verlangt und jedes auch nur zweifelhafte oder missverständliche Verhalten entsprechend sanktioniert, was im Falle eines Soldaten auf Zeit zur Beendigung des Dienstverhältnisses durch fristlose Entlassung führt. Dabei ist es unerheblich, ob der betreffende Soldat innerlich hinter dem ihm vorgeworfenen Verhalten steht oder ob er sich geistig von ihm distanziert; es kommt vielmehr ausschließlich auf die nach außen erkennbar zum Ausdruck gebrachte Einstellung an (OVG SH, U.v. 19.10.2015 – 2 LB 25/14 – juris Rn. 37 m.w.N.). Bei einem geteilten Facebook-Post entsteht aber nach außen stets der Eindruck, dass die geteilten Inhalte auch inhaltlich von der übernehmenden Person befürwortet werden. Das gilt erst recht, wenn diese zudem – jedenfalls nach dem äußerlichen Anschein – weiterhin engen Kontakt zu Personen unterhält, deren enge Beziehung zu einer entsprechenden Organisation nachweislich besteht (hier: Ehefrau und Schwiegervater).
bb) Zu der ernstlichen Gefährdung des Ansehens der Bundeswehr kommt nach summarischer Prüfung eine ernstliche Gefährdung der militärischen Ordnung hinzu. Hierzu folgt der Senat den Ausführungen der Antragsgegnerin, die auf die Wirkung abstellt, die ohne eine Entlassung des Antragstellers in der Truppe entstehen würde. Es bestünde insoweit die Gefahr, dass in der Bundeswehr der Eindruck entstehen könnte, eine öffentlich sichtbare Unterstützung der PKK auf Facebook vor dem Hintergrund unmittelbarer familiärer Kontakte zu PKKnahen Personen – wie hier der Ehefrau, die unstreitig monatliche Überweisungen an eine PKKnahe Hilfsorganisation getätigt hat – ohne hinreichende und unmissverständliche Distanzierung von der PKK würde ohne die erforderlichen Konsequenzen bleiben und vom Dienstherrn geduldet. Blieben derartige erhebliche Verletzungen der besonderen Treuepflicht ungeahndet, könnten andere Soldaten zur Nachahmung verleitet werden, was zu unabsehbaren Auswirkungen auf die allgemeine Disziplin führen könnte. Dies würde letztlich zu einer nicht mehr hinnehmbaren Schwächung der Einsatzbereitschaft und Funktionsfähigkeit der Streitkräfte führen.
Die Antragsgegnerin hat schließlich das ihr nach § 55 Abs. 5 SG eingeräumte Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt. Insbesondere sind atypische Aspekte, die im maßgeblichen Einzelfall des Antragstellers ausnahmsweise zu einer anderen Beurteilung führen könnten, weder ersichtlich noch vorgetragen.
3. Der Antragsteller hat gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1, Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 GKG unter Berücksichtigung von Nr. 1.5 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl. BayVGH, B.v. 28.5.2018 – 6 CS 18.775 – juris Rn. 17; B.v. 19.4.2018 – 6 CS 18.580 – juris Rn. 19).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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