Verwaltungsrecht

Soldatenrecht, Soldatin auf Zeit, Entlassung, Eignung, Verfassungstreue, Politische Treuepflicht

Aktenzeichen  6 CS 20.1143

Datum:
25.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 27137
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SG § 55 Abs. 4 S. 1
SG § 8

 

Leitsatz

Verfahrensgang

M 21b S 20.286 2020-04-20 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 20. April 2020 – M 21b S 20.286 – wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.247,70 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin stand seit 1. September 2016 zunächst als freiwillig Wehrdienstleistende, später als Soldatin auf Zeit im Dienst der Antragsgegnerin.
Sie wurde mit Bescheid vom 11. November 2019 von der Antragsgegnerin mit Ablauf des 15. Dezember 2019 nach § 55 Abs. 4 Satz 1 SG aus dem Dienstverhältnis einer Soldatin auf Zeit entlassen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, es fehle der Antragstellerin die charakterliche Eignung für den Dienst in der Bundeswehr. Da sie unter anderem im Besitz von Devotionalien mit nationalsozialistischem Hintergrund sei, im Internet dem rechten Spektrum zuzuordnende Seiten positiv bewertet habe, Tätowierungen mit rechtsextremistischem Hintergrund trage und den Holocaust infrage stellende Aussagen getroffen habe, habe sie schuldhaft gegen die Pflicht zum treuen Dienen nach § 3 SG, die Pflicht zum Eintreten für die freiheitliche demokratische Grundordnung nach § 8 SG, die Pflicht zum Gehorsam nach § 11 SG und die Pflicht zum Wohlverhalten nach § 7 Abs. 3 SG verstoßen.
Die Antragstellerin hat gegen ihre Entlassung Beschwerde eingelegt, über die bislang nicht entschieden ist. Ihren Antrag, die aufschiebende Wirkung der Beschwerde anzuordnen, hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 20. April 2020 abgelehnt. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, die Entlassungsverfügung sei bei summarischer Prüfung rechtmäßig. Das private Interesse der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung müsse gegenüber dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Entlassung zurücktreten.
Die Antragstellerin hat gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Beschwerde eingelegt, mit der sie ihren Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz weiterverfolgt.
II.
Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig (§ 146 Abs. 1, 4 VwGO), aber unbegründet.
Das Verwaltungsgericht hat es zu Recht abgelehnt, die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gegen die Entlassungsverfügung nach § 23 Abs. 6 Satz 2 und 3 WBO in Verbindung mit § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen. Die Gründe, die mit der Beschwerde fristgerecht dargelegt worden sind und auf deren Prüfung das Gericht beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 i.V.m. Satz 1 und 3 VwGO), führen zu keiner anderen Beurteilung.
Nach § 55 Abs. 4 Satz 1 SG kann eine Soldatin auf Zeit während der ersten vier Dienstjahre fristlos entlassen werden, wenn sie die Anforderungen, die an sie in ihrer Laufbahn zu stellen sind, nicht mehr erfüllt. Hierbei handelt es sich um eine Entlassung wegen mangelnder Eignung in Bezug auf die geistige, körperliche und charakterliche Eignung im Sinn von § 3 SG. Die Beurteilung der Eignung ist ein Akt wertender Erkenntnis, bei welcher der zuständigen Stelle ein sog. Beurteilungsspielraum zuerkannt wird (BVerwG, B.v. 14.6.2006 – 1 WB 8/06 – juris Rn. 21). Die gerichtliche Überprüfung hat sich darauf zu beschränken, ob von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen oder allgemein gültige Wertmaßstäbe missachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt wurden. Die Entscheidung über die Entlassung wegen fehlender Eignung steht im pflichtgemäßen Ermessen der personalführenden Stelle (vgl. BayVGH, B.v. 25.1.2013 – 6 ZB 12.376 – juris Rn. 4; B.v. 19.6.2019 – 6 CS 19.940 – juris Rn. 8 m.w.N.).
In Anwendung dieser Maßstäbe ist das Verwaltungsgericht mit überzeugenden Gründen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Antragsgegnerin von begründeten Zweifeln an der Eignung der Antragstellerin ausgehen durfte.
In das Dienstverhältnis einer Berufssoldatin oder einer Soldatin auf Zeit darf nach § 37 Abs. 1 Nr. 2 SG nur berufen werden, wer die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten. Gemäß § 8 SG gehört es zu den Grundpflichten einer Soldatin, sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und für deren Erhaltung einzutreten. Die Verfassungstreuepflicht ist ein Merkmal der persönlichen Eignung. Ein (weiterer) Unterfall der persönlichen Eignung ist die charakterliche Eignung. Hierfür ist die Einschätzung entscheidend, inwieweit die Soldatin der von ihr zu fordernden Loyalität, Aufrichtigkeit, Zuverlässigkeit, Fähigkeit zur Zusammenarbeit und Dienstauffassung gerecht werden wird. Das erfordert eine – dem Dienstherrn vorbehaltene und von den Verwaltungsgerichten nur eingeschränkt überprüfbare – wertende Würdigung aller Aspekte des Verhaltens der Soldatin, die einen Rückschluss auf die für die charakterliche Eignung relevanten persönlichen Merkmale zulassen. Die Zweifel können sich sowohl aus dem dienstlichen als auch aus dem außerdienstlichen Verhalten ergeben (vgl. BVerwG, B.v. 20.7.2016 – 2 B 17.16 – juris Rn. 26; BayVGH, B.v. 2.5.2019 – 6 CS 19.481 – juris Rn. 20 zu Beamten).
Der Senat teilt die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Antragsgegnerin auf der Grundlage der von ihr getroffenen Feststellungen ohne Rechtsfehler davon ausgehen durfte, dass begründete Zweifel an der Verfassungstreue der Antragstellerin und damit an ihrer Eignung als Soldatin bestehen. Das Verwaltungsgericht hat entgegen dem pauschalen Vorwurf der Beschwerde eine rechtsextreme Gesinnung der Antragstellerin nicht etwa aufgrund „voreingenommer Haltung“ unterstellt. Es hat seine Bewertung vielmehr auf eine Reihe von Anknüpfungstatsachen gestützt, die einzeln für sich betrachtet erklärbar und „harmlos“ sein mögen, bei einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der Zeitdauer aber ohne weiteres durchaus gravierende Zweifel an der Verfassungstreue begründen (relativierende Äußerungen zum Holocaust, Besitz von NS-Devotionalien, einschlägige Tätowierungen). Mit Blick auf die einzelnen Anknüpfungstatsachen verweist die Beschwerde lediglich auf ihr erstinstanzliches Vorbringen, ohne sich aber mit den ausführlichen Erwägungen des Verwaltungsgerichts auseinanderzusetzen; das reicht als Beschwerdebegründung nicht aus (vgl. Happ in Eyermann, VwGO 15. Aufl. 2019, § 146 Rn. 22b). Die pauschale Kritik am Ergebnis der Gesamtwürdigung kann nicht überzeugen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1, Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl. BayVGH, B.v. 21.2.2020 – 6 CS 19.2403 – juris Rn. 19; B.v. 19.4.2018 – 6 CS 18.580 – juris Rn. 19).
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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