Verwaltungsrecht

Sondernutzungsgebühren für verkehrsführende Hinweisschilder

Aktenzeichen  8 CE 17.1746

Datum:
26.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 6985
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayStrWG Art. 18 Abs. 1 S. 1, Abs. 2a S. 1, S. 4

 

Leitsatz

Das private Aufstellen einer verkehrsführenden Beschilderung zu einem mehrmals wöchentlich mit Lastkraftwagen belieferten Gewerbebetrieb dient zwar dessen privatem Interesse an einer rechtzeitigen und reibungslosen Belieferung, kann aber auch im überwiegenden öffentlichen Interesse am Schutz der umliegenden Wohnbebauung vor suchendem und verirrtem Schwerlastverkehr erforderlich und deshalb bei entsprechender Satzungsregelung gebührenfrei sein. (Rn. 13 und 14) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 10 E 17.2744 2017-08-07 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 7. August 2017 wird in Ziffer I. und II. abgeändert.
II. Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 8. Mai 2017 wird angeordnet.
III. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.
IV. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 350,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen einen Gebührenbescheid der Antragsgegnerin. In dem Bescheid wurden die Sondernutzungsgebühren in Höhe von 3.670,00 Euro dafür festgesetzt, dass die Antragstellerin über einen feststehenden längeren Zeitraum auf öffentlichem Verkehrsgrund an zwei verschiedenen Stellen verkehrsführende Schilder mit dem Namen, einem Zusatz und dem Logo ihres Unternehmens aufgestellt hat.
Das Verwaltungsgericht hat die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet, soweit der Gebührenbescheid eine Summe von 1.400,00 Euro übersteigt, und im Übrigen den Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Aufstellen der Schilder sei zwar eine über den Gemeingebrauch hinausgehende Sondernutzung, die überwiegend privaten Interessen der Antragstellerin gedient habe und damit gebührenpflichtig sei. Bei den Schildern handle es sich jedoch nicht um Werbe-, sondern um Hinweisschilder, weshalb nach der Sondernutzungsgebührensatzung der Antragsgegnerin entsprechend niedrigere Gebühren anzusetzen seien.
Die Antragstellerin verfolgt mit der Beschwerde ihr Ziel weiter. Sie beantragt sinngemäß,
unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 7. August 2017 die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Gebührenbescheid der Antragsgegnerin vom 8. Mai 2017 ohne betragsmäßige Beschränkung anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt
die Zurückweisung der Beschwerde.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
1. Die nach § 146 Abs. 1 und 4, § 147 VwGO zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts erweist sich unter Berücksichtigung der von der Antragstellerin dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, als unzutreffend. Das Verwaltungsgericht hat die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Gebührenbescheid vom 8. Mai 2017 zu Unrecht betragsmäßig beschränkt. Die aufschiebende Wirkung des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs war vielmehr vollumfänglich anzuordnen, weil nach der der hier gebotenen summarischen Prüfung die Klage der Antragstellerin gegen den Gebührenbescheid der Antragsgegnerin vom 8. Mai 2017 voraussichtlich nicht nur teilweise, sondern im vollen Umfang erfolgreich sein wird.
1.1 Zutreffend hat das Verwaltungsgericht zunächst angenommen, dass die von der Antragstellerin auf öffentlichem Straßengrund aufgestellten Hinweisschilder eine über den Gemeingebrauch hinausgehende Sondernutzung im Sinne des Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG darstellen, für die nach Art. 18 Abs. 2a Satz 1 und 4 BayStrWG Sondernutzungsgebühren auf der Grundlage der von der Antragsgegnerin erlassenen Satzung über die Gebühren für Sondernutzungen auf öffentlichen Straßen in der Landeshauptstadt München (Sondernutzungsgebührensatzung – SoNuGeS) vom 10. Juli 2014 (MüABl. S. 614) in der Fassung der Änderung vom 13. Juli 2015 (MüABl. S. 247) Gebühren erhoben werden können. Dies wird von der Antragstellerin nicht infrage gestellt. Diese wendet sich auch nicht gegen die Einstufung der von ihr aufgestellten Schilder als Hinweisschilder, die dem Grunde nach den Gebührentatbestand der Nr. 15 des Gebührenverzeichnisses (Anlage I zur SoNuGeS) erfüllen.
1.2 Die Antragstellerin macht aber zu Recht geltend, dass das Aufstellen der Schilder nach der Sondernutzungsgebührensatzung der Antragsgegnerin gebührenfrei ist.
Nach § 10 Abs. 1 Alt. 3 SoNuGeS werden für Sondernutzungen, die nach §§ 2, 3 SoNuGeS an sich gebührenpflichtig sind, keine Gebühren erhoben, wenn die Sondernutzung ausschließlich oder überwiegend im öffentlichen Interesse erfolgt. Danach ist das Aufstellen der Hinweisschilder durch die Antragstellerin gebührenfrei, weil hieran ein überwiegendes öffentliches Interesse bestand.
Wie auch die Antragsgegnerin zugesteht, hat die Antragstellerin, die mehrmals wöchentlich Anlieferungen mit Lastkraftwagen erhält, die im Streit stehenden Schilder zu dem Zweck angebracht, auf die Zufahrt zu ihrem Unternehmen hinzuweisen und damit unnötigen Verkehr im umliegenden Wohngebiet zu vermeiden. Das Verwaltungsgericht ist zwar zu Recht davon ausgegangen, dass das Aufstellen der Schilder auch dem privaten Interesse der Antragstellerin diente, ihre Waren rechtzeitig zu erhalten und keinen organisatorischen Aufwand mit den Anlieferfahrten zu haben. Entgegen der Auffassung des Erstgerichts überwiegt hier jedoch das öffentliche Interesse, durch die Hinweisschilder die umliegende Wohnbebauung vor verirrtem Schwerlastverkehr zu schützen.
Schon der Umstand, dass sich der zuständige Bezirksausschuss der Antragsgegnerin, wie die von der Antragstellerin vorgelegten Schreiben vom 29. Juni, 10. und 14. August sowie 7. November 2017 belegen, für eine Beschilderung zur leichteren Auffindbarkeit der in der H* …straße ansässigen Firmen eingesetzt hat, macht deutlich, dass im Bereich um die H* …straße, in der sich der Betrieb der Antragstellerin befindet, ein erhebliches öffentliches Interesse an einer Verkehrsführung durch entsprechende Hinweisschilder besteht. Die Antragsgegnerin hat zwar zutreffend darauf hingewiesen, dass dem Bezirksausschuss insoweit lediglich ein Anhörungsrecht zusteht (vgl. § 13 und KVR Nr. 4 der Anlage I zur Satzung für die Bezirksausschüsse der Landeshauptstadt München – Bezirksausschuss-Satzung) und dessen Einschätzung nicht unmittelbar der Antragsgegnerin zugerechnet werden kann. Aufgabe der Bezirksausschüsse ist jedoch nicht die private Interessenvertretung einzelner Bürger; sie dienen vielmehr nach § 2 Abs. 1 und 2 der Bezirksausschuss-Satzung der Erörterung und Durchsetzung stadtbezirksbezogener Anliegen der Bürgerinnen und Bürger und vertreten deren Anliegen gegenüber der Stadt. Der Einsatz des … Bezirksausschusses für eine verkehrsführende Beschilderung zu dem Gewerbegebiet in der H* …straße wird damit begründet, dass „unnötiger Suchverkehr von den teilweise ausländischen LKWs im Wohngebiet vermieden“ wird (vgl. Schreiben des Bezirksausschusses des … Stadtbezirkes an das Kreisverwaltungsreferat vom 14.8.2017, Bl. 29 der Gerichtsakte). Danach ging das Gremium ersichtlich davon aus, dass die Hinweisschilder zu den gewerblichen Betrieben nicht nur den Interessen der dort gelegenen Firmen dienen, sondern vielmehr in erster Linie im öffentlichen Interesse der umliegenden Wohngebiete erforderlich sind.
Darüber hinaus hat auch die Antragsgegnerin selbst mittlerweile das überwiegende öffentliche Interesse an einer verkehrsführenden Beschilderung anerkannt. Denn sie hat inzwischen zunächst an drei Standorten (B* …straße/L* …straße, B* …straße/K* …straße und B* …straße/I* …straße) eine Hinweisbeschilderung nach Zeichen 432 der Anlage 3 zu § 42 Abs. 2 StVO (Piktogramm Gewerbegebiet) mit der Aufschrift „H* …straße“ eingerichtet; im Laufe des Beschwerdeverfahrens hat sie die Anregung des … Bezirksausschusses aufgegriffen und an drei weiteren Einmündungen (A* …straße/F* …straße, F* …straße/I* …straße und I* …straße/H* …straße) entsprechende Schilder aufgestellt. Dazu führt das Kreisverwaltungsreferat (Hauptabteilung III Straßenverkehr) in der von der Antragsgegnerin (als Anlage zum Schriftsatz vom 10.1.2018) vorgelegten E-Mail vom 7. Dezember 2017 selbst aus, dass „das Argument der LKW, die auf der Suche nach der Adresse H* …straße durch umliegende Wohnstraßen irren, durchaus nachvollziehbar“ sei und „zum Schutze der Anwohner und aus Gründen der Verkehrssicherheit … eine Führung der LKW über breitere Straßen durchaus im Interesse der Allgemeinheit“ liege.
Der Einwand der Antragsgegnerin, ein überwiegendes öffentliches Interesse im Sinne des § 10 Abs. 1 Alt. 3 SoNuGeS an den von der Antragstellerin angebrachten Schildern sei zu verneinen, weil diese im Gegensatz zu der nunmehr von der Stadt vorgenommenen Beschilderung nicht den allgemeinen Verwaltungsvorschriften sowie der Richtlinie für die wegweisende Beschilderung außerhalb von Autobahnen (RWB 2000) entsprochen hätten, greift nicht durch. Es trifft zwar zu, dass die städtische Verkehrsführung nicht namentlich auf das Unternehmen der Antragstellerin, sondern auf das gesamte Gewerbegebiet in der H* …straße hinweist und damit allen 54 dort gelegenen Gewerbebetrieben zugutekommt. Dies ändert jedoch nichts an dem Umstand, dass ein erhebliches öffentliches Interesse an einer Verkehrsführung zu dem Gewerbegebiet besteht, in dem sich auch das Unternehmen der Antragstellerin befindet. Dass sich die Antragstellerin wegen der bisher fehlenden amtlichen Beschilderung selbst beholfen und dabei nicht die für die Verwaltung bindenden Verwaltungsvorschriften und Richtlinien berücksichtigt hatte, wertet der Senat als eine Folge der jahrelangen eigenen Untätigkeit der Antragsgegnerin. Diese hat die Hinweisschilder der Antragstellerin wegen der umfangreichen Bauarbeiten in dem Gebiet bis Ende 2014 zunächst geduldet und nach Abschluss der Bautätigkeiten deren Beseitigung verlangt, ohne das von der Antragstellerin geltend gemachte öffentliche Interesse an einer Verkehrsführung aufzugreifen und selbst für eine geeignete Beschilderung zu sorgen. Dadurch, dass die Antragstellerin mit den von ihr angebrachten Schildern auf die Zufahrt zu ihrem Betrieb hingewiesen hat, sorgte sie zumindest im Hinblick auf den eigenen Zulieferverkehr dafür, dass eine unnötige Belastung der umliegenden Wohnbebauung mit Schwerlastverkehr vermieden wurde. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass sie dabei die verschiedenen Anfahrtsmöglichkeiten zu ihrem Unternehmen berücksichtigt und deshalb neben dem Schild an der Einmündung I* …straße/H* …straße auch ein Schild an der Kreuzung M* … Straße/K* …straße angebracht hat. Da eine offizielle verkehrsführende Beschilderung fehlte, entsprach das Anbringen beider Schilder dem überwiegenden öffentlichen Interesse an einer geordneten Abwicklung des vom Betrieb der Antragstellerin verursachten Schwerlastverkehrs in diesem Stadtviertel. Im Hinblick auf das aufgebrachte Logo der Firma der Antragstellerin ist auch die Behauptung der Antragsgegnerin, damit hätte diese zur Verwirrung der ausländischen Zulieferer beigetragen, nicht nachvollziehbar.
Mit dem Vorbringen, die von der Antragstellerin angebrachten Schilder hätten nicht der reinen Wegweisung gedient, sondern seien als Fremdwerbeanlagen einzustufen, die aufgrund ihrer Größe und Aufmachung überwiegend auf den Betrieb der Antragstellerin aufmerksam machen sollten, kann die Antragsgegnerin nicht durchdringen. Das Verwaltungsgericht hat in dem von der Antragstellerin angefochtenen Beschluss festgestellt, dass die streitbefangenen Schilder unabhängig von ihrer baurechtlichen Einordnung jedenfalls im gebührenrechtlichen Sinn keine Werbeanlagen darstellten, weil sie schon angesichts des von der Antragstellerin betriebenen Gewerbes nicht primär oder überwiegend darauf gezielt hätten, Kunden anzulocken oder die wirtschaftliche Situation der Antragstellerin zu verbessern (vgl. Beschlussabdruck S. 8 f.). Hiergegen kann die Antragsgegnerin, die ihrerseits kein Rechtsmittel gegen die erstinstanzliche Entscheidung eingelegt hat, im Beschwerdeverfahren keine Einwendungen mehr erheben. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Gestaltung der Schilder eine derart ablenkende Wirkung auf Verkehrsteilnehmer hatte, dass sie eine Gefahr für die Öffentlichkeit dargestellt hätten. Vielmehr entsprach diese dem im überwiegenden öffentlichen Interesse liegenden Zweck, durch richtungsweisende Pfeile den Zulieferverkehr der Antragstellerin zu steuern und damit die umliegende Wohnbebauung vor unnötigem Schwerlastverkehr zu schützen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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