Verwaltungsrecht

Sonstiger Nachweis der Hochschulreife, International Baccalaureate, Diploma/Diplôme du Baccalauréat International, Gleichwertigkeit, KMK-Vereinbarung als antizipiertes Sachverständigengutachten

Aktenzeichen  7 CE 21.2684

Datum:
25.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 984
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayHSchG Art. 43 Abs. 1, Abs. 7
QualV § 11 Abs. 1, Abs. 3
Vereinbarung über die Anerkennung des „International Baccalaureate Diploma/Diplôme du Baccalauréat International“ (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 10.03.1986 i. d. F. vom 26.11.2020).

 

Leitsatz

Ein International Baccalaureate Diploma/Diplôme du Baccalauréat International ist kein ausländischer Bildungsnachweis im Sinn von § 11 Abs. 3 QualV.

Verfahrensgang

M 3 E 21.3700 2021-10-19 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 19. Oktober 2021 wird der Antrag abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die vom Antragsgegner im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründe, auf die sich die Prüfung des Verwaltungsgerichtshofs beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen die begehrte Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses. Der Antragsteller hat keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, vorläufig zum Bachelorstudiengang Aerospace an der … Universität … (im Folgenden: … U. …), 1. Fachsemester, zugelassen zu werden. Der Antragsgegner hat zutreffend darauf verwiesen, dass mit dem vom Antragsteller am A. … College M. … erworbenen und im universitären Zulassungsverfahren vorgelegten „International Baccalaureate Diploma“ vom 6. Juli 2021 der Nachweis der Hochschulreife i.S.v. Art. 43 Abs. 1 BayHSchG i.V.m. § 11 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Qualifikation für ein Studium an den Hochschulen des Freistaates Bayern und den staatlich anerkannten nichtstaatlichen Hochschulen (Qualifikationsverordnung – QualV) vom 2. November 2007 (i.d. maßgeblichen Fassung v. 11.6.2021, GVBl S. 355) nicht geführt wird. Die Entscheidung des Antragsgegners, den vom Antragsteller vorgelegten Bildungsnachweis nicht als Nachweis der Hochschulreife anzuerkennen, ist daher rechtmäßig. Der vom Verwaltungsgericht geforderten (weiteren) Ermessensentscheidung des Antragsgegners über die Anerkennung des vorgelegten International Baccalaureate Diploma bedarf es nicht.
A. Die auf der Verordnungsermächtigung des Art. 43 Abs. 7 BayHSchG beruhende Qualifikationsverordnung bestimmt, durch welche Abschlüsse und Zeugnisse die Hochschulreife und Fachhochschulreife für ein Studium an den Hochschulen des Freistaates Bayern und den staatlich anerkannten nichtstaatlichen Hochschulen nachgewiesen werden kann. Mit einem im Ausland außerhalb des Hochschulbereichs erworbenen Bildungsnachweis wird danach die allgemeine Hochschulreife nachgewiesen durch die in § 10 QualV genannten Schulabschlüsse oder – sofern die Vorschrift nicht einschlägig ist – unter den Voraussetzungen des § 11 QualV. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 QualV gelten sonstige Bildungsnachweise, die im Ausland erworben wurden, als Nachweis der Hochschulreife im Freistaat Bayern nur, wenn sie von der zuständigen Stelle anerkannt worden sind. Im Rahmen des Zulassungsverfahrens ist zuständige Stelle im Sinn von Absatz 1 Satz 1 die jeweilige Hochschule (§ 11 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 Alt. 2 QualV), hier die … U. …, bei der sich der Antragsteller um die Zulassung zum Bachelorstudiengang Aerospace, 1. Fachsemester, zum Wintersemester 2021/2022 beworben hat; in Zweifelsfällen hat die … U. … dabei die Zeugnisanerkennungsstelle zu beteiligen (vgl. § 11 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 QualV). Zeugnisanerkennungsstelle ist dabei nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 Alt. 1 QualV das Landesamt für Schule als Zeugnisanerkennungsstelle für den Freistaat Bayern.
B. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass das vom Antragsteller als Prüfungsfach seines „International Baccalaureate Diploma“ nachgewiesene Fach „Information Technology in a Global Society“ (im Folgenden: ITGS) in der – der Gleichwertigkeitsprüfung zugrunde gelegten – „Vereinbarung über die Anerkennung des ‚International Baccalaureate Diploma/Diplôme du Baccalauréat International‘ (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 10.03.1986 i. d. F. vom 26.11.2020)“ nicht erwähnt ist. Damit erfüllt der Antragsteller die in diesem Beschluss der Kultusministerkonferenz (im Folgenden: KMK-Vereinbarung) genannten Kriterien für die Anerkennung seines Abschlusses „International Baccalaureate-Diploma“ (im Folgenden: IB-Diploma) als Hochschulzugangsberechtigung nicht.
1. Nach Nr. 1 der KMK-Vereinbarung wird ein nach den Bestimmungen der/des „International Baccalaureate Organisation (IBO)/Office du Baccalauréat International“ erworbenes „International Baccalaureate Diploma/Diplôme du Baccalauréat International“ als Hochschulzugangsqualifikation anerkannt, wenn es nach einem Besuch von mindestens zwölf aufsteigenden Jahrgangsstufen an Schulen mit Vollzeitunterricht erworben worden ist und zudem die unter Buchstaben a) bis e) aufgelisteten weitergehenden Bedingungen erfüllt sind. Nach Buchstabe a) müssen unter den sechs Prüfungsfächern des „International Baccalaureate Diploma/Diplôme du Baccalauréat International“ (IB)“ bestimmte, nach der Terminologie des IB bezeichnete Fächer sein. Hierzu gehören neben zwei Sprachen auf dem Niveau A oder B (1. Spiegelstrich), ein naturwissenschaftliches Fach (2. Spiegelstrich), Mathematik (3. Spiegelstrich) und ein gesellschaftswissenschaftliches Fach (4. Spiegelstrich), wobei durch Klammerzusätze zu den Sprachen weitere Vorgaben festgelegt bzw. zu den anderen Fächern im Sinne einer Positivliste die jeweiligen nach der Terminologie des IB bezeichneten Fächer aufgelistet sind, mit denen das entsprechende Fach als abgelegt gilt. Sechstes verbindliches Fach kann außer den genannten Fächern eines der unter dem 5. Spiegelstrich genannten, ebenfalls nach der Terminologie des IB bezeichneten Fächer sein. Als gesellschaftswissenschaftliches Fach sind explizit genannt die Fächer „History“, „Geography“, „Economics“, „Psychology“, „Philosophy“, „Social Anthropology“, „Business and Management“ und „Global Politics“. Ergänzend zu diesen in Buchstabe a) aufgelisteten Kriterien erfolgen durch Fußnoten weitere Klarstellungen, ab welchem Prüfungstermin ein nach der Terminologie des IB bezeichnetes Fach nachgewiesen werden kann. Zudem werden die Absolventinnen und Absolventen des Prüfungstermins 2021 mit Fußnote 3 darauf hingewiesen, dass mit den in Buchstabe a) 2. Spiegelstrich genannten mathematischen Fächern nur ein fachgebundener Hochschulzugang für Fachhochschulen und Universitäten für Studienfächer, die nicht dem mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Bereich zuzuordnen sind, eröffnet werden kann, wenn die genannten mathematischen Fächer lediglich im „SL“, also im „Standard Level“, nachgewiesen werden.
2. Das vom Antragsteller belegte Prüfungsfach „ITGS“ gehört nicht zu den in Nr. 1 Buchstabe a) aufgeführten Prüfungsfächern. Der Ansicht des Verwaltungsgerichts, die … U. … sei verpflichtet, im Rahmen einer Ermessensentscheidung darüber zu befinden, ob „ITGS“ als gesellschaftswissenschaftliches Fach anerkennungsfähig ist, vermag sich der Senat nicht anzuschließen.
a) Die Beurteilung der Gleichwertigkeit ausländischer Bildungsabschlüsse erfordert eine genaue Kenntnis sowohl des deutschen als auch des in Rede stehenden ausländischen bzw. internationalen Bildungswesens und setzt damit in aller Regel im behördlichen wie im gerichtlichen Verfahren eine sachverständige Begutachtung voraus (vgl. VGH BW, B.v. 13.10.2000 – 9 S 2236/00 – NVwZ-RR 2001, 104 Rn. 16 m.w.N.). Diese Begutachtung wird in allgemeiner Form – und damit losgelöst vom jeweiligen Einzelfall – in den der „Vereinbarung über die Anerkennung des ‚International Baccalaureate Diploma/Diplôme du Baccalauréat International‘“ zugrundeliegenden Bewertungen vorweggenommen. Diese beschreibt die Bedingungen (und Einschränkungen), unter denen das IB-Diploma als dem Abitur gleichwertig anerkannt wird. Dass die KMK-Vereinbarung nicht in Landesrecht transformiert wurde, ist dabei unerheblich. Denn weder die … U. … noch die Zeugnisanerkennungsstelle oder das Verwaltungsgericht haben der KMK-Vereinbarung Rechtsnormqualität zugeschrieben (vgl. VGH BW, B.v. 13.10.2000 – 9 S 2236/00 – NVwZ-RR 2001, 104 Rn. 16), sondern die KMK-Vereinbarung zutreffend als antizipiertes Sachverständigengutachten gewertet. Die in Nr. 1 der KMK-Vereinbarung festgelegten Vorgaben enthalten tatsächliche Feststellungen und Wertungen, wann von einer Gleichwertigkeit auszugehen ist. Diese binden als antizipiertes Sachverständigengutachten in dem Sinne, dass sich die Hochschule und/oder die Zeugnisanerkennungsstelle bzw. das Gericht bei der Beurteilung der Gleichwertigkeit eines IB-Diploma über sie nur hinwegsetzen können, wenn die den Vorgaben zugrundeliegenden Bewertungen entweder als methodisch zweifelhaft oder sachlich überholt widerlegt werden oder aber wenn im jeweiligen Einzelfall Besonderheiten auftreten, die erkennbar nicht bedacht worden sind (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 86 Rn. 43).
b) Anders als es das Verwaltungsgericht meint, steht der Behandlung der KMK-Vereinbarung als antizipiertes Sachverständigengutachten nicht entgegen, dass die … U. … ihre ablehnende Zulassungsentscheidung lediglich auf die Nichterwähnung des Fachs „ITGS“ in der KMK-Vereinbarung gestützt hat, ohne im Verfahren den Nachweis dafür erbracht zu haben, dass eine Begutachtung des Fachs „ITGS“ tatsächlich stattgefunden hat, und – wenn dies der Fall war – aus welchen Gründen eine ablehnende Entscheidung der Kultusministerkonferenz getroffen wurde. An der Aktualität der KMK-Vereinbarung und der Sachkunde der Kultusministerkonferenz bestehen keine Zweifel. Anhaltspunkte, warum die KMK-Vereinbarung als antizipiertes Sachverständigengutachten nicht herangezogen werden könne, hat der Antragsteller im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht substantiiert vorgetragen. Er hat weder Gründe genannt, aufgrund derer die in der KMK-Vereinbarung enthaltenen Feststellungen und Wertungen – und die damit verbundenen Einschränkungen bei der Fächerwahl – als methodisch zweifelhaft oder sachlich überholt widerlegt werden können, noch hat er Besonderheiten aufgezeigt, die in seinem speziellen Einzelfall von der Kultusministerkonferenz erkennbar nicht bedacht worden sind. Derartige Gründe sind auch nicht erkennbar.
aa) Auch ohne dass die … U. … weitere Unterlagen vorgelegt hat, spricht gegen die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Annahme, die Vollständigkeit der KMK-Vereinbarung sei zweifelhaft, dass sie einer fortlaufenden inhaltlichen Anpassung unterliegt.
(1) Nach Nr. 4 Satz 1 der KMK-Vereinbarung unterrichtet die IBO die Kultusministerkonferenz kontinuierlich über eventuelle Änderungen der Abschlussprüfung (Anforderungen, Inhalte, Organisation). Nach Nr. 4 Satz 2 der KMK-Vereinbarung prüft der Beirat für die Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen (ZAB) bei Beratungsbedarf oder auf Wunsch eines Landes, ob die Voraussetzungen für die Anerkennung des IB noch gegeben sind.
(2) Die Aktualität der KMK-Vereinbarung zeigt sich bereits in der Anzahl ihrer seit 1986 ergangenen Fassungen, aber auch durch einen inhaltlichen Vergleich. So wurde die KMK-Vereinbarung vom 10. März 1986 allein seit dem 1. Februar 2001 weitere 12-mal geändert. Betrachtet man die inhaltlichen Änderungen, die seither in Bezug auf das nachzuweisende gesellschaftswissenschaftliche Fach ergangen sind, ist festzustellen, dass sich die Anzahl der nach der Terminologie des IB bezeichneten gesellschaftswissenschaftlichen Prüfungsfächer kontinuierlich vergrößert hat. So waren bis zur KMK-Vereinbarung in der Fassung vom 13. Dezember 2013 lediglich die Prüfungsfächer „History“, „Geography“ und „Economics“ als gesellschaftswissenschaftliche Fächer ausgewiesen, in der Fassung der KMK-Vereinbarung vom 1. Oktober 2015 waren zusätzlich die Fächer „Psychology“, „Philosophy“, „Social Anthropology“, „Business and Management“ genannt, ab der Fassung vom 8. Juni 2018 wurde die Fächerliste um das Fach „Global Politics“ erweitert.
Die ständige inhaltliche Anpassung der KMK-Vereinbarung wird zudem dadurch belegt, dass auch nach Verabschiedung der KMK-Vereinbarung und damit auch nach dem 26. November 2020 weitere Aktualisierungen vorgenommen wurden. So weisen die angefügten Anlagen den Stand 15. Dezember 2021 (Anlage 1) bzw. 1. September 2021 (Anlage 2) aus. Darüber hinaus bezieht sich die Fußnote 3 der KMK-Vereinbarung bereits auf den Prüfungstermin 2021 und benennt im Hinblick auf die Anerkennung des IB-Diploma zu beachtende Besonderheiten für das Fach Mathematik. Auch die Beschlüsse der Kultusministerkonferenz vom 15. Dezember 2020, 26. April sowie 4. Oktober 2021 belegen, dass die Frage der Gleichwertigkeit eines IB-Diploma mit einer deutschen Hochschulzugangsberechtigung einem fortlaufenden Anpassungsprozess unterliegt, bei dem – auch kurzfristig – auf aktuelle Besonderheiten eingegangen wird. Mit diesen Beschlüssen stimmt die Kultusministerkonferenz – nach Prüfung der Unterlagen – „einer Anerkennung der von der International Baccalaureate Organisation (IBO) für den Prüfungsjahrgang … ausgefertigten Bildungsnachweise über den erfolgreichen Abschluss des zweijährigen IB-Programms auf der Grundlage der die IB-Prüfungen ersetzenden schulischen Ersatzleistungen für alle Bewerbungstermine als Hochschulzugangsberechtigung gemäß ‚Vereinbarung über die Anerkennung des ‚International Baccalaureate Diploma/Diplôme du Baccalauréat International‘ (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 10.03.1986 i. d. F. vom 07.03.2019 bzw. 26.11.2020)‘ zu“. Die im wesentlichen gleichlautenden Beschlüsse sind – erkennbar im Zusammenhang mit den aufgrund der Pandemie notwendigen Anpassungen der Prüfungsmodalitäten – zu den Prüfungsjahrgängen Mai 2020, November 2020, Mai 2021 und November 2021 ergangen.
(3) Obwohl die KMK-Vereinbarung vom 10. März 1986 im Zeitraum Dezember 2010 bis November 2020 insgesamt 10-mal geändert wurde und die entscheidende Erweiterung möglicher gesellschaftswissenschaftlicher Prüfungsfächer in diesen Zeitraum fällt, wurde das Fach „ITGS“, das nach den vom Antragsgegner unbestrittenen Angaben des Antragstellers erstmals im August 2010 angeboten und im Jahre 2016 aktualisiert wurde, nicht in die KMK-Vereinbarung aufgenommen. Auch dies spricht gegen die Annahme einer fehlenden Aktualität und Unvollständigkeit der KMK-Vereinbarung.
bb) Zudem gibt es keine Anhaltspunkte für eine sachwidrige Nichtbehandlung des Fachs „ITGS“ durch die Kultusministerkonferenz. Weder hat der Antragsteller glaubhaft gemacht, die IBO hätte die Kultusministerkonferenz nach Nr. 4 Satz 2 der KMK-Vereinbarung über das Fach „ITGS“ unterrichtet, noch hat er behauptet, das Fach sei sachwidrig nicht als gesellschaftswissenschaftliches Fach anerkannt worden. Auch hat er die Sachkunde der Kultusministerkonferenz nicht glaubhaft erschüttert. Dass die in der KMK-Vereinbarung normierten Anforderungen Widersprüche oder methodische Fehler aufweisen, ist nicht ersichtlich.
(1) Nach Nr. 4 der KMK-Vereinbarung prüft der Beirat für die Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen (ZAB), ob die Voraussetzungen für die Anerkennung des IB (noch) gegeben sind. Die beim Sekretariat der Kultusministerkonferenz angesiedelte Zentralstelle ist Teil der Kultusministerkonferenz und die zentrale Stelle für die Bewertung ausländischer Qualifikationen in Deutschland. Sie nimmt – bezogen auf die mit dem ausländischen Bildungswesen zusammenhängenden Fragen – die laufenden Geschäfte in diesem Bereich wahr (vgl. VG Düsseldorf, B.v. 21.10.2008 – 18 L 1414/08 – NVwZ-RR 2009, 334 Rn. 13). Die den jeweiligen Beschlüssen der Kultusministerkonferenz zugrundeliegende – vom Einzelfall losgelöste – Prüfung ist damit einer fachlich besonders qualifizierten Stelle übertragen. Die sich anschließenden Beschlüsse der Kultusministerkonferenz, die nur einstimmig gefasst werden können, binden die Mitglieder als Ergebnis gemeinsamer Willensbildung. So kann sichergestellt werden, dass die Beurteilung ausländischer Bildungsabschlüsse nach einheitlichen Maßstäben erfolgt und auf einem in sich geschlossenen Beurteilungsgefüge basiert, das darauf angelegt ist, eine gleichmäßige Gutachtertätigkeit und damit eine gleichmäßige Rechtsanwendung zu gewährleisten.
(2) Will der Antragsteller erreichen, dass von der KMK-Vereinbarung als antizipiertem Sachverständigengutachten abgewichen wird und er infolgedessen nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO vorläufig zum begehrten Studiengang zugelassen werden kann, muss er die dortigen Feststellungen bereits im einstweiligen Rechtsschutzverfahren schlüssig und fundiert erschüttern. Die für die Feststellung der Gleichwertigkeit des IB-Diploma mit einer deutschen Hochschulzugangsberechtigung erforderliche komplexe Bewertung kann nicht lediglich mit einem Verweis auf das zum Fach „ITGS“ gehörige Curriculum der IBO und dessen inhaltliche Ausprägungen in Frage gestellt werden. Im Hinblick auf Nr. 4 Satz 2 der KMK-Vereinbarung müsste der Antragsteller einerseits darlegen, dass die IBO das Fach „ITGS“ tatsächlich einer Prüfung durch die Kultusministerkonferenz unterzogen hat und wenn dies der Fall war, andererseits die ablehnende Entscheidung der Kultusministerkonferenz gutachterlich in Frage stellen. Beides ist nicht geschehen.
Ein Abweichen von den Vorgaben der KMK-Vereinbarung ist unabhängig von deren Rechtsnatur jedenfalls begründungsbedürftig und setzt entsprechende Fachkompetenz voraus, die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren entweder einzuholen oder – im Falle eigener Sachkunde des Gerichts – darzulegen ist. Das Verwaltungsgericht kann – ohne selbst ein eigenes Sachverständigengutachten einzuholen – nur mit ausreichender sachlicher Argumentation von den Bewertungsvorgaben der KMK-Vereinbarung abweichen. Dass die … U. … keine ergänzenden Unterlagen hat vorlegen können, die eine Überprüfung und abschlägige Entscheidung der Kultusministerkonferenz belegen, reicht nicht aus. Selbst wenn man über das Fach „ITGS“ bislang nicht entschieden hat, werden allein dadurch die sachverständigen Bewertungen der KMK-Vereinbarung nicht infrage gestellt.
cc) Aus der Nichterwähnung des Fachs „ITGS“ in der KMK-Vereinbarung kann nach alledem nicht gefolgert werden, die Positivliste der KMK-Vereinbarung sei unvollständig und ergänzungsbedürftig. Damit hatten … U. … bzw. Zeugnisanerkennungsstelle der Entscheidung über die Anerkennung des IB-Diploma als Hochschulzugangsberechtigung die KMK-Vereinbarung zugrunde zu legen. Als antizipiertes Sachverständigengutachten hat die KMK-Vereinbarung nicht nur eine indizielle Bedeutung. Die Nichterwähnung des Faches „ITGS“ als Prüfungsfach im Sinne von Nr. 1 Buchst. a) 4. Spiegelstrich führt dazu, dass der Antragsteller, der in keinem anderen gesellschaftswissenschaftlichen Fach die Prüfung abgelegt hat, die Vorgaben der KMK-Vereinbarung nicht erfüllt. Hierauf hat der Antragsgegner im Beschwerdeverfahren zutreffend hingewiesen.
Da die … U. … demnach an die Vorgaben und Einschränkungen der KMK-Vereinbarung bei der Fächerwahl gebunden ist, ist ihr eine eigene Überprüfung der Anerkennungsfähigkeit verwehrt. Unerheblich ist daher, ob die Anerkennung des Faches als gesellschaftswissenschaftliches Fach nach einem Vergleich des Curriculums der IBO mit der Beschreibung des gesellschaftswissenschaftlichen Aufgabenfelds in Nr. 4.2 der KMK-Vereinbarung gymnasiale Oberstufe zumindest denkbar ist.
Darüber hinaus steht die Frage, ob der Antragsteller mit dem vorgelegten IB-Diploma den Erwerb der Hochschulreife nachweisen kann, nicht im Ermessen der … U. …. Ist der erworbene ausländische Bildungsnachweis gleichwertig, ist er von der zuständigen Stelle – im gerichtlichen Verfahren vom Verwaltungsgericht – anzuerkennen. Ein behördliches Ermessen besteht insoweit nicht.
C. Entgegen der Auffassung von Antragsteller und Verwaltungsgericht folgt aus § 11 Abs. 3 QualV keine andere Bewertung, da die dortigen Voraussetzungen nicht vorliegen.
Nach § 11 QualV setzt die Anerkennung grundsätzlich voraus, dass die im Ausland erworbenen Bildungsnachweise ein Hochschulstudium im angestrebten Studiengang auch im Herkunftsland der Bildungsnachweise ermöglichen und Vorkenntnisse erwarten lassen, die eine Aufnahme des Studiums an einer Universität des Freistaates Bayern sinnvoll erscheinen lassen.
Das IB-Diploma ist kein im Ausland erworbener Bildungsnachweis im Sinne dieser Regelung. Das „International Baccalaureate Diploma/Diplôme du Baccalauréat International“ ist ein in vielen Ländern als Hochschulzugangsberechtigung anerkannter internationaler Schulabschluss. Das IB-Diploma-Programm wird seit 1968 von der in Genf ansässigen privatwirtschaftlichen IBO, einer Stiftung Schweizer Rechts, angeboten; das IB-Diploma kann weltweit an vielen tausenden Schulen erworben werden. Sowohl dem IB als auch der Ausstellung des IB-Diploma liegt das private Schulrecht der IBO zugrunde (vgl. OVG NW, U.v. 3.9.2015 – 19 A 790/12 – juris Rn. 28 m.w.N.). Zeugnisausstellende Stelle ist die IBO. Das IB-Diploma ist somit nicht auf ein bestimmtes ausländisches Herkunftsland bezogen, sondern ein internationaler Abschluss (vgl. BayVGH, B.v. 4.12.2007 – 7 CE 07.2872 – juris Rn. 11). Entgegen seinen Ausführungen folgt daher ein Anspruch des Antragstellers auf Anerkennung des IB-Diploma als Hochschulzugangsberechtigung nicht aus der Tatsache, dass er mit seinem IB-Diploma ein Hochschulstudium im angestrebten Studiengang in Spanien aufnehmen kann. Der Antragsteller hat keinen spanischen Bildungsabschluss erworben. Da insoweit die Voraussetzungen des § 11 Abs. 3 QualV nicht vorliegen, ist unerheblich, ob eine prognostische Entscheidung ergeben könnte, dass der Antragsteller Vorkenntnisse erwarten lässt, die eine Aufnahme des Studiums an der … U. … oder einer anderen bayerischen Universität sinnvoll erscheinen lassen.
D. Eine Ablehnung des Zulassungsantrags verstößt nicht gegen die Grundrechte des Antragstellers aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG. Die Verschiedenbehandlung von deutschen und ausländischen bzw. internationalen Bildungsabschlüssen ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Da das vom Antragsteller vorgelegte IB-Diploma nicht den in Nr. 1 der KMK-Vereinbarung genannten Vorgaben entspricht, ist die Anerkennung als Hochschulzugangsqualifikation und damit die Zulassung zum Studiengang Aerospace B.Sc. vom erfolgreichen Ablegen einer zusätzlichen Prüfung abhängig (vgl. § 11 Abs. 4 Satz 1 QualV, Nr. 2 der KMK-Vereinbarung). Dies ist zwar eine subjektive Zugangsbeschränkung (vgl. BayVGH, B.v. 14.8.2008 – 7 CE 08.10592 – NVwZ-RR 2009, 110 Rn. 23 m.w.N.), die jedoch mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar ist. Darf der Gesetzgeber, ohne gegen Art. 12 Abs. 1 GG zu verstoßen, den Zugang zum Studium bei deutscher Schulbildung vom Abitur abhängig machen, darf er für Bewerber mit ausländischer bzw. internationaler Schulbildung eine gleichwertige Qualifikation verlangen.
Auch der allgemeine Gleichheitssatz, Art. 3 Abs. 1 GG, ist nicht verletzt. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet eine Gleichbehandlung nur, wenn für eine Verschiedenbehandlung kein sachlich einleuchtender Grund besteht. Als Inhaber eines internationalen (voruniversitären) Bildungsabschlusses kann der Antragsteller auch als deutscher Staatsbürger nicht beanspruchen, dass sein Abschluss demjenigen deutscher Staatsbürger uneingeschränkt gleichgestellt wird, die ihren Schulabschluss nach den in den Bundesländern geltenden Vorschriften erworben haben. Ob ein Bewerber die für das angestrebte Hochschulstudium erforderliche Mindestqualifikation besitzt, entscheidet sich nicht nach allgemeinen persönlichen Verhältnissen wie etwa der Staatsangehörigkeit oder dem bisherigen Aufenthaltsort, sondern vorrangig nach Art und Aussagekraft des vom Bewerber vorgelegten Bildungsabschlusses (vgl. BayVGH, B.v. 14.8.2008 – 7 CE 08.10592 – NVwZ-RR 2009, 110 Rn. 23 m.w.N.). Ausländische bzw. internationale Schulabschlüsse können aufgrund der unterschiedlichen Anforderungen, die ihrem Erwerb zugrunde liegen, in der Regel weder ohne weiteres untereinander noch mit einem deutschen Abitur verglichen werden. Die Unterschiedlichkeit beeinflusst die Aussagekraft dieser Bildungsabschlüsse und rechtfertigt die Ungleichbehandlung. Entspricht der vorgelegte Bildungsabschluss nicht den Anforderungen des § 10 oder § 11 QualV, ist kein sicherer Schluss auf die Hochschulreife des Inhabers möglich. Aufgrund des aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG herzuleitenden Grundsatzes der Chancengleichheit besteht im Gegenteil die Notwendigkeit, ausländische bzw. internationale Bildungsabschlüsse auf ihre Gleichwertigkeit mit deutschen Hochschulzugangsberechtigungen zu überprüfen.
Dass sich der Antragsteller trotz seines IB-Diploma zunächst einer Prüfung unterziehen muss, um zum begehrten Studiengang zugelassen zu werden, ist vorliegend auch nicht unverhältnismäßig. Der Antragsteller hatte es selbst in der Hand, durch die Wahl eines der in Nr. 1 der KMK-Vereinbarung genannten Prüfungsfächer die Hochschulzugangsqualifikation nach Art. 43 Abs. 1 BayHSchG auf Anhieb zu erwerben, zumal die IBO auf ihrer Website www.ibo.org entsprechende Informationen und Verlinkungen auf die offizielle KMK-Website vorhält.
D. Nach alledem war die Beschwerde mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 Satz 1 und 18.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben