Verwaltungsrecht

Stellenbesetzung, Polizei, Versetzung, Besonderes dienstliches Interesse, Ermessen, Verwendungsbreite

Aktenzeichen  M 5 K 20.2960

Datum:
3.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 47224
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 33 Abs. 2
RBestPol Nr. 7.1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.  
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Verpflichtungsklage (vgl. NdsOVG, B.v. 8.6.2011 – 5 ME 91/11 – NVwZ 2011, 891; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 10.1.2018 – OVG 4 S 33.17 – NVwZ-RR 2018, 578, juris Rn. 6 ff.; Kenntner, ZBR 2016, 181/184) ist unbegründet. Das als Verwaltungsakt zu qualifizierende Absageschreiben vom … Juni 2020, was durch dessen Verbindung mit einer Rechtsbehelfsbelehrung:nach § 58 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) unterstrichen wird, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, er hat keinen Anspruch auf erneute Entscheidung über die Bewerbung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass der Dienstherr in der Ausschreibung zwischen Beförderungs- und Versetzungsbewerbern unterscheiden kann. Nur dann, wenn sich der Dienstherr für ein Auswahlverfahren entschließt, an dem Beförderungs- und Umsetzungs-/Versetzungsbewerber unterschiedslos teilnehmen, legt er sich auf ein an den Maßstäben des Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes/GG ausgerichtetes Auswahlverfahren (Auswahlverfahren nach dem Prinzip der Bestenauslese) fest. Da in der Ausschreibung ausdrücklich angegeben ist, dass Umsetzungen nach Nr. 7.1 RBestPol (Richtlinien über die Bestellung auf Dienstposten des gehobenen und des höheren Dienstes der Bayerischen Polizei vom 26. Oktober 2018, Bestellungsrichtlinien/RBestPol) vorrangig durchgeführt werden können, hat sich das Ministerium nicht auf ein Auswahlverfahren nach dem Prinzip der Bestenauslese beschränkt. Der Beigeladene, der Umsetzungs-/Versetzungsbewerber ist, musste deshalb nicht nach dem Grundsatz der Bestenauslese behandelt werden. Die getroffene Auswahlentscheidung zugunsten des Beigeladenen muss daher nur den Anforderungen an die Ausübung des pflichtgemäßen (aber sehr weit gespannten) Ermessens genügen und darf nicht willkürlich sein (BayVGH, B.v. 9.1.2015 – 3 ZB 12.1126 – juris Rn. 5; B.v. 9.1.2013 – 3 CE 12.2491 – juris Rn. 17 m.w.N.).
a) Eine Rechtsverletzung des Klägers in der Konkurrenz um den streitigen Dienstposten kommt in Bezug auf den Grundsatz der Bestenauslese nicht in Betracht. Dementsprechend hat der Beklagte auch im angefochtenen Bescheid vom … Juni 2020 die Entscheidung zugunsten des Beigeladenen als Versetzungsbewerber nicht auf einen Leistungsvergleich gestützt, sondern auf das Vorliegen besonderer dienstlicher Gründe. Soweit in diesem Bescheid auf „Nr. 3 RBestPol“ verwiesen wird, handelt es sich ersichtlich um einen Schreibfehler. Denn die Absage an den Kläger ist inhaltlich auf die vorrangige Umsetzung bei Vorliegen besonderer dienstlicher Gründe hingewiesen. Das war bis zum Inkrafttreten der Bestellungsrichtlinien vom 26. Oktober 2018 mit Wirkung zum 1. Oktober 2018 in den bis dahin geltenden Bestellungsrichtlinien vom 20. August 1997 in der Fassung vom 21. März 2003 dort in Nr. 3 geregelt.
b) Die getroffene Auswahlentscheidung zugunsten des Beigeladenen ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Gemäß Nr. 7.1 Satz 2 RBestPol können Beamte, die bereits einen gegenüber dem ausgeschriebenen Dienstposten mindestens gleichwertigen Dienstposten innehaben, vorrangig bestellt werden, wenn es besondere dienstliche Gründe erfordern. Das vom Beigeladenen innegehaltene Amt der Besoldungsgruppe A 12 ist gegenüber der höchsten Bewertung des hier in Streit stehenden Dienstpostens (A 11/12) gleich bewertet.
Soweit in Nr. 7.1 RBestPol besondere dienstliche Gründe als Tatbestandsvoraussetzung für die vorrangige Besetzung einer Stelle mit einem Umsetzungs-/Versetzungsbewerber genannt sind, muss allgemein für eine Versetzung nach Art. 48 Abs. 1 Satz 1 des Bayerischen Beamtengesetzes/BayBG auf den ausgeschriebenen Dienstposten ein dienstliches Bedürfnis bestehen. Wenn der Dienstherr in den Besetzungsrichtlinien besondere dienstliche Gründen voraussetzt, so wird damit zum Ausdruck gebracht, dass die Umstände, die eine Versetzung eines Beamten auf einen ausgeschriebenen Dienstposten rechtfertigen, gegenüber dem eher weit gefassten dienstlichen Bedürfnis in Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayBG (vgl. Summer in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: August 2020, Art. 48 BayBG Rn. 32 ff.) enger gefasst sind und eine vom Leistungsprinzip losgelöste Besetzung der Stelle mit einem zu versetzenden Beamten auch im Vergleich mit anderen Umsetzungs-/Versetzungsbewerbern rechtfertigen. Eine vom Wortlaut naheliegende Orientierung an der Auslegung des Begriffs der dienstlichen Gründe in Art. 48 Abs. 2 Satz 1 BayBG ist nicht angebracht, da die dort genannten Voraussetzungen für die Situation, dass ein Beamter auch gegen seinen Willen in eine andere Fachlaufbahn, auch bei einem anderen Dienstherrn, versetzt wird, spezifisch eng ausgelegt werden müssen (vgl. Summer in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, a.a.O., Art. 48 BayBG Rn. 28, 32 ff.). Bei der vorrangigen Besetzung einer ausgeschriebenen Stelle in derselben Fachlaufbahn bei demselben Dienstherrn mit einem Umsetzungs-/Versetzungsbewerber liegt eine solche in Art. 48 Abs. 2 Satz 1 BayBG umschriebene Interessenlage aber nicht vor.
Die besonderen dienstlichen Gründe im Sinn von Nr. 7.1 RBestPol liegen hier vor.
Der Gesichtspunkt der gezielten Personalentwicklung einer langjährigen Führungskraft durch Erhöhung der Verwendungsbreite, die Einbringung der Erfahrungen als langjähriger, akribischer und motivierter Dienstgruppenleiter sowie dessen Herausnahme aus dem Schichtdienst sind sachlich begründet. Wenn das Polizeipräsidium diesen Aspekten ein solches Gewicht zumisst, dass es darin besondere dienstliche Gründe sieht, die nach Nr. 7.1 RBestPol ein Absehen von der Auswahl nach Leistungsgrundsätzen rechtfertigen, ist das rechtlich nicht zu beanstanden. Die Einbringung der Erfahrungen als Dienstgruppenleiter bei der Bearbeitung komplexer Sachverhalten sowie das Herausnehmen des lebensälteren Beamten aus dem Schichtdienst zur Gesundheitsvorsorge stellen nicht nur subjektive Umstände dar, die mit Blick auf den ausgewählten Beamten zu berücksichtigen sind. Diese Umstände stellen auch objektive, dienstliche Gesichtspunkte dar, die sich auf den Dienstbetrieb auswirken können. Das gilt auch für den Aspekt der Erhöhung der Verwendungsbreite (VG München, U.v. 24.1.2017 – M 5 K 16.3452 – juris Rn. 23). Das wird dadurch unterstrichen, dass mit dem Beigeladenen ein Austausch der Erfahrungen in unterschiedlichen Funktionen erfolgt (VG München, U.v. 15.4.2014 – M 5 K 13.4617 – juris Rn. 21). Der Beigeladene wechselt als langjähriger und erfahrener Dienstgruppenleiter von der Schutzpolizei zur Kriminalpolizei. Dieser Aspekt ist in der im Besetzungsvermerk gegebenen Begründung mit angelegt, da dort der Wechsel eines erfahrenen Dienstgruppenleiters (der Schutzpolizei) auf den streitgegenständlichen Dienstposten bei der Kriminalpolizei als besonderer dienstlicher Grund angeführt wird.
Diese Umstände sind auch hinreichend im Auswahlvermerk vom … Mai 2020, den Schreiben an den Personalrat und die Schwerbehindertenvertretung vom … Juni 2020 und dem Absageschreiben an den Kläger vom … Juni 2020 in den Akten dokumentiert (vgl. hierzu VG München, U.v. 25.6.2013 – M 5 K 12.645 – juris Rn. 20 ff.).
Soweit die Klagepartei anführt, dass beim Kläger besondere dienstliche Gründe wie auch private Gründe vorlägen, die für die Besetzung der Stelle mit dem Kläger sprächen, geht das an der Sache vorbei. Denn der Kläger im Amt A 11 ist kein Versetzungs- oder Umsetzungsbewerber, sodass er sich auf die besonderen Besetzungsumstände in Nr. 7.1 RBestPol nicht berufen kann.
c) Bei der Besetzung des streitgegenständlichen Dienstpostens mit dem Beigeladenen im Wege der Versetzung sind auch keine rechtlich relevanten Ermessensfehler ersichtlich. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass die gerichtliche Kontrolle des der Verwaltung zukommenden Ermessens begrenzt ist (§ 114 Satz 1 VwGO). Die Besetzungsentscheidung zugunsten des Beigeladenen genügt den Anforderungen an die Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens und ist nicht willkürlich. Dabei ist es unschädlich, wenn die Begründung für das Vorliegen besonderer dienstlicher Gründe im Sinn von Nr. 7.1 der Bestellungsrichtlinien in weiten Bereichen mit der Ermessensentscheidung zusammenfällt. Zudem ist im Auswahlvermerk vom … Mai 2020 dargestellt, dass dem Beigeladenen, bei dem besondere dienstliche Gründe vorliegen, mit Blick auf die Anforderungen der zu besetzenden Stelle in zeitlicher Hinsicht der Vorzug vor dem Kläger gegeben werde, da der Kläger keinen Nachtdienst leisten könne sowie Ruhezeiten benötige. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden und hält sich im rechtlich nicht zu beanstandenden Rahmen einer Ermessensentscheidung.
2. Der Kläger hat als unterlegener Beteiligter nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beigeladene hat seine außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen, da er ausdrücklich keinen Antrag gestellt und sich insoweit keinem Prozesskostenrisiko ausgesetzt hat (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung/ZPO.


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