Verwaltungsrecht

Stundung eines Zwangsgeldes bei Zweckentfremdung von Wohnraum

Aktenzeichen  M 9 S 17.1362

Datum:
31.7.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwZVG VwZVG Art. 31 Abs. 3 S. 1, Art. 37 Abs. 4 S. 2 Hs. 2

 

Leitsatz

1. Eine weitere Zweckentfremdung von Wohnraum kann nicht ausgeschlossen werden, solange das entsprechende Nutzungskonzept nicht endgültig aufgegeben worden ist. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Vollstreckung eines Zwangsgeldes stellt keine besondere Härte dar, wenn der Schuldner die Forderung durch sein verwertbares Vermögen oder eine weitere Kreditaufnahme tilgen kann. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 8.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist Eigentümer der Wohnung Nr. 69, Erdgeschoss rechts, … 12a in … Der Antragsteller hat die Wohnung gewerblich zu Fremdenverkehrszwecken an Touristen für einen täglichen Mietzins von ca. 180,00 Euro bis zu 350,00 Euro vermietet. Mit Bescheid vom 11.November 2015 wurde der Antragsteller unter Androhung eines Zwangsgelds aufgefordert, die Nutzung der Wohnung zum Zwecke der Fremdenbeherbergung wegen Verstoßes gegen das Zweckentfremdungsrecht zu beenden. Ein erneutes Zwangsgeld in Höhe von 8.000,00 Euro wurde mit Bescheid vom 11. Februar 2016 angedroht. Das Zwangsgeld in Höhe von 8.000,00 Euro wurde mit Schreiben vom 14. Oktober 2016 fällig gestellt; auf die Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht München, auf die Niederschrift über die Sitzung vom 1. Februar 2017 in den Verfahren M 9 K 16.1260, M 9 K 16.5075 und M 9 S. 16.5076 (Blatt 62 ff. der Behördenakte) wird Bezug genommen.
Der damalige Bevollmächtigte des Antragstellers beantragte mit Schreiben vom 18. November 2016 Stundung beziehungsweise Ratenzahlung hinsichtlich des für fällig gestellten Zwangsgelds in Höhe von 8.000,00 Euro. Der Antragsteller sei arbeitslos und habe keine Einkünfte, sodass die Vollstreckung eine unverhältnismäßige Härte darstelle. Der Antragsteller müsse als Gerichtskostenvorschuss 12.018,00 Euro für die Räumungsklage aufwenden; sein Mieter R. räume trotz fristloser Kündigung die Wohnung nicht. Die Stundung wurde abgelehnt.
Nachgeforderte Unterlagen ergaben ausweislich der Akten, dass der Antragsteller über einen nichtausgeschöpften Kreditrahmen bei seiner Bank in Höhe von 6.000,00 Euro verfügt und nach Erhalt der Fälligkeitsmitteilung und des Bescheids vom 11. Februar 2016 über das Zwangsgeld im Juni 2016 eine Sondertilgungsrate seines Bankkredits in Höhe von 20.000,00 Euro leistete. Zusätzlich bestand ein Bankguthaben in Höhe von 4.214,68 Euro auf insgesamt drei Konten.
Mit Bescheid vom 27. März 2017 wurde der Antrag auf Stundung abgelehnt.
Mit Schreiben vom 31. März 2017 erhob der Antragsteller Klage und beantragte gemäß § 80 Abs. 5 VwGO:
Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 31. März 2017, gegebenenfalls für den Fall, dass der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen wurde, die Aufhebung der Vollziehung.
Ab dem 5. April 2017 wolle die Antragsgegnerin vollstrecken. Ihm sei in der mündlichen Verhandlung vom 1. Februar 2017 zugesichert worden, dass Vollstreckungsmaßnahmen unterblieben, solange das Räumungsverfahren gegen den Mieter R. ernsthaft weiter betrieben werde. Die Ablehnung des Antrags auf Stundung verstoße gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot. Er habe wegen seiner Verpflichtung zur Beendigung der Zweckentfremdung und der dazu notwendigen Erhebung einer Räumungsklage ein enormes Kostenrisiko in Höhe von 31.000,00 Euro und sei mittelfrei. Die Mietzahlungen würden fast vollständig für die Rückzahlung des Wohnungskredits verwendet. Zahlungserleichterungen seien auch in der mündlichen Verhandlung am 1. Februar 2017 vereinbart worden, auch wenn dies so nicht unmissverständlich dem Protokoll zu entnehmen sei.
Die Antragsgegnerin beantragte,
Antragsablehnung.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht sei nur zugesichert worden, dass weitere Vollstreckungsmaßnahmen für das noch nicht fällige, sondern lediglich zu diesem Zeitpunkt angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 16.000,00 Euro bis zum Abschluss des Prozesses über die Räumungsklage unterblieben. Zu diesem Zeitpunkt seien die 8.000,00 Euro bereits fällig gewesen. Die Möglichkeit, von einer Beitreibung abzusehen, bestehe nur, wenn keine weiteren zu Widerhandlungen mehr zu befürchten seien und die Beitreibung eine besondere Härte wäre, sodass die Vollstreckung der Billigkeit widerspreche. Vorliegend habe der Antragsteller die behaupteten Zahlungsschwierigkeiten selber herbeigeführt, in dem er nach Fälligkeit des Zwangsgelds eine erhebliche Sondertilgung in Höhe von 20.000,00 Euro seines Bankkredits leistete. Im Übrigen sei nicht auszuschließen, dass es zu einer erneuten Zweckentfremdung kommen könnte. Trotz entsprechender Aufforderung habe der Antragsteller keine Information zum aktuellen Stand der Räumungsklage gegeben. Nach pflichtgemäßem Ermessen könne deshalb von der Vollstreckung nicht abgesehen werden. Wegen der Einzelheiten insbesondere wegen des Sachverhalts, wird auf die Stellungnahme vom 30. Mai 2017 Bezug genommen.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte sowie die Akten im Verfahren M 9 K 17.1361 Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig, aber unbegründet. Gegen die Ablehnung des Stundungsantrags bestehen keine rechtlichen Bedenken. Die Voraussetzungen für eine Billigkeitsmaßnahme liegen nicht vor. Insbesondere stellt die Vollstreckung der 8.000,00 Euro für den Antragsteller keine unverhältnismäßige Härte dar.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die abschiebende Wirkung einer Klage wiederherstellen. Der Antrag ist begründet, wenn die sofortige Vollziehungsanordnung formell rechtswidrig ist und/oder das Interesse des Antragstellers an der Aussetzung des Sofortvollzugs das Vollziehungsinteresse der Antragsgegnerin überwiegt. Dabei trifft das Gericht eine eigene originäre Ermessensentscheidung unter Abwägung der betroffenen Interessen. Sie erfolgt insbesondere über eine summarische Beurteilung der Erfolgsaussichten der Hauptsache.
Im vorliegenden Fall bestehen in der Hauptsache nach summarischer Prüfung keine Erfolgsaussichten. Die Klage ist mit hinreichender Sicherheit unbegründet, da die Stundungsablehnung mit Bescheid vom 31. März 2017 rechtmäßig ist und der Kläger nicht in seinen Rechten verletzt wird § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Voraussetzungen für das Beitreiben des Zwangsgelds nach Art. 31 Abs. 3 VwZVG liegen vor.
Es liegen keine Umstände vor, die eine Stundung des Zwangsgeldes rechtfertigen. Zunächst ist zu betonen, dass bei einem Zwangsgeld im Gegensatz zu beispielsweise einem Bußgeld der Beugecharakter im Vordergrund steht. Sinn und Zweck des Zwangsgeldes ist nicht eine Sanktion, sondern vielmehr die zwangsweise Durchsetzung der angeordneten Handlung. Daher ist eine Stundung eines Zwangsgelds grundsätzlich nicht möglich. Art. 37 Abs. 4 VwZVG gibt zwar die rechtliche Möglichkeit, von der Beitreibung ganz oder teilweise abzusehen. Dies ist jedoch nur möglich, wenn weitere Zuwiderhandlungen nicht mehr zu befürchten sind und die Vollstreckung eine besondere Härte darstellen würde. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Am 26. Oktober 2016 hat der Antragsteller zwar seine Mieter außerordentlich gekündigt, um seiner Pflicht nach Ziff. 1 des Bescheids vom 11. November 2015 nachzukommen. Es kann trotzdem nicht ausgeschlossen werden, dass es hier zu einer weiteren Zweckentfremdung durch den Antragsteller kommt. Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller das Nutzungskonzept, mit dem er offenbar den Kaufpreis für die Wohnung und seinen Lebensunterhalt finanziert hat, endgültig aufgegeben hat, fehlen. Unabhängig davon ist die Vollstreckung des Zwangsgelds für den Kläger keine besondere Härte. Nach ständiger Rechtsprechung sind Schuldner verpflichtet, verwertbare Vermögen zu veräußern oder Bankkredite in Anspruch zu nehmen, um ihre Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Der Antragsteller konnte nicht darlegen, dass er kein verwertbares Vermögen hat und er z. B. keinen Kredit zur Bezahlung der 8.000,00 Euro erhält. Vielmehr geht aus seiner Auskunft über seine finanziellen Verhältnisse hervor, dass er zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Stundungsantrag über einen aktuellen, nicht ausgeschöpften Kreditrahmen in Höhe von 6.000,00 Euro verfügte und über ein Bankguthaben von insgesamt 4.214,68 Euro auf drei Konten. Es ist ihm daher zuzumuten, die Forderung durch sein verwertbares Vermögen oder eine weitere Kreditaufnahme zu tilgen. Dabei muss der Kläger auch eine Einschränkung des gewöhnlichen Lebensstandards in Kauf nehmen (FG München, B.v. 30.3.2016 – 10 V 707/16). Zu berücksichtigen war darüber hinaus auch, dass der Antragsteller in Ansehung des Bescheids eine Sondertilgung in Höhe von 20.000,00 Euro vorgenommen hat.
Der Umstand, dass der Antragsteller durch Erhebung einer Räumungsklage gegen seinen Mieter ein gewisses Kostenrisiko eingegangen ist, führt zu keinem anderen Ergebnis. Das von ihm dargelegte maximale Kostenrisiko in Höhe von 31.000,00 Euro ist hypothetisch. Es liegt unstreitig ein Verstoß gegen das Zweckentfremdungsrecht durch den Mieter vor. Auch für den Fall, dass der Antragsteller die Kosten der Räumungsklage zu tragen hat, ist keine besondere Härte anzunehmen, da er Mieteinnahmen erhält und die Gerichtskosten durch sein vorhandenes Vermögen und etwaige Kreditaufnahmen begleichen kann.
Eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Gewährung einer Zahlungserleichterung ergibt sich auch nicht aus einer behaupteten Vereinbarung in der mündlichen Verhandlung vom 1. Februar 2017 (M 9 K 16.5075, M 9 S. 16.5076). Ausweislich des Sitzungsprotokolls wurde eine solche Vereinbarung nicht geschlossen und eine solche Zusage nicht gemacht. Die Parteien haben lediglich zu Protokoll erklärt, dass der Antragsteller hinsichtlich der hier verfahrensgegenständlichen 8.000,00 Euro Zwangsgeld, die bereits angefallen seien, die von ihm beantragte Ratenzahlung gegenüber der Staatskasse belegen werde. Beide Parteien haben ausdrücklich zu Protokoll erklärt, dass vor Beendigung des Räumungsprozesses das erneute bereits mit Bescheid vom 14. Oktober 2016 angedrohte Zwangsgeld nicht für fällig erklärt werde und bis dahin kein weiteres Zwangsgeld angedroht werde. Die Antragsgegnerin hat sich zu keiner Zeit zur Gewährung einer Stundung verpflichtet, weder ausdrücklich noch konkludent.
Der Antrag war mit der Kostenfolge des § 154 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Streitwertkatalog.


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