Verwaltungsrecht

Substantiierungsverpflichtung seitens des Fahrerlaubnisinhabers bezüglich der behaupteten unbewussten Einnahme harter Drogen

Aktenzeichen  3 M 218/21

Datum:
3.2.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt 3. Senat
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:OVGST:2022:0203.3M218.21.00
Normen:
§ 123 VwGO
Nr 9.1 Anl 4 FeV
§ 46 FeV
§ 14 FeV
Spruchkörper:
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Verfahrensgang

vorgehend VG Magdeburg, 20. Dezember 2021, 1 B 222/21 MD, Beschluss

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Magdeburg – 1. Kammer – vom 20. Dezember 2021 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,00 € festgesetzt.

Gründe

I. Die zulässige Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Magdeburg – 1. Kammer – vom 20. Dezember 2021 ist unbegründet. Mit dem Beschluss hat das Verwaltungsgericht den (sinngemäßen) Antrag des Antragstellers, den Antragsgegner zu verpflichten, ihm vorläufig die Fahrerlaubnis der Fahrerlaubnisklasse B zu erteilen, abgelehnt. Die vom Antragsteller vorgebrachten Einwände, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen die Abänderung des Beschlusses nicht.
Das Verwaltungsgericht hat zu Recht den Anordnungsanspruch verneint. Es ist zutreffend davon ausgegangen, dass angesichts des Amphetaminkonsums des Antragstellers begründete Zweifel an dessen Fahreignung bestehen und der Antragsteller diese Zweifel nicht ausgeräumt hat. Gemäß Ziffer 9.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung (FeV) ist die Eignung oder bedingte Eignung nicht gegeben, wenn der Fahrerlaubnisinhaber Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis) einnimmt. Diese Bewertung gilt gemäß Satz 1 der Vorbemerkung 3 der Anlage 4 zur FeV für den Regelfall. Die in Ziffer 9 der Anlage 4 enthaltene Differenzierung lässt ein im Interesse der Verkehrssicherheit unter Berücksichtigung des unterschiedlichen Gefährdungspotenzials von Betäubungsmitteln sinnvolles Stufensystem erkennen: Bei den die Fahreignung in besonderem Maße negativ beeinflussenden Substanzen, die unter das Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (BtMG) fallen, soll – mit Ausnahme von Cannabis, für das eine differenzierte Regelung getroffen ist – bereits die bloße Einnahme dieser Substanzen die Fahreignung für alle Fahrerlaubnisklassen im Regelfall ausschließen.
Die Beschwerde wendet sich allein gegen die Bewertung des Verwaltungsgerichts, dass Umstände, welche die normative Regelannahme nach der Vorbemerkung 3 der Anlage 4 zur FeV ausnahmsweise in Frage stellten, nicht vorlägen, wobei das Gericht davon ausgeht, dass der Vortrag des Antragstellers keine nachvollziehbare und in sich schlüssige Schilderung biete, wie es zu dem angeblich unwissentlichen Drogenkonsum gekommen sei. Diese Auffassung begegnet auch unter Berücksichtigung des Vortrags der Beschwerde keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Das Verwaltungsgericht hat zutreffend unter Verweis auf die Rechtsprechung des Senats ausgeführt, dass selbst wenn man für den Fall eines – wie auch immer erfolgten – nicht wissentlichen Drogenkonsums einen Beweisnotstand des Antragstellers konstatieren wollte, es dem Antragsteller obliegt, zumindest durch einen substantiellen und in sich schlüssigen Vortrag greifbare Anhaltspunkte zu liefern, die die von ihm aufgestellte Behauptung nachvollziehbar und plausibel erscheinen lassen. Der Fall einer versehentlichen bzw. missbräuchlich durch Dritte herbeigeführten Einnahme eines Betäubungsmittels stellt sich als ein Ausnahmetatbestand dar, zu dem nur der Betroffene als der am Geschehen Beteiligte Klärendes beitragen kann und der daher von diesem jedenfalls glaubhaft und widerspruchsfrei dargetan werden muss (u.a. Beschluss vom 14. August 2020 – 3 L 121/20 – juris Rn. 6 m.w.N.).
Soweit der Antragsteller behauptet, bereits erstinstanzlich das vorgetragen zu haben, was er könne, so dass es ihm unmöglich sei, weitere Substanz in seinen Vortrag zu bringen, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Der Vortrag des Antragstellers beschränkt sich im Wesentlichen darauf, die „Booster“ von einer Person, die er nur „vom Sehen“ beim Kraftsport her kenne, erhalten zu haben und den Namen der Person und des „Boosters“ heute nicht mehr eruieren zu können, weil die Person verschwunden und nicht mehr erreichbar sei. Dieses Vorbringen lässt jedwede Substanz vermissen. Weder führt der Antragsteller aus, an welchem Ort er Kraftsport betrieben habe und auf die – ihm namentlich unbekannte – Person getroffen sei, noch macht er zumutbare Angaben zu der Person (Alter, Erscheinungsbild etc.), den Umständen des jeweiligen Zusammentreffens bzw. zu dem konkreten Zeitpunkt, an dem die Person verschwunden sein soll, bzw. welche Anstrengungen er unternommen habe, um sie ausfindig zu machen. Solche – jedenfalls in Teilen – überprüfbaren Angaben sind für eine nachvollziehbare und in sich schlüssige Schilderung zu fordern, zumal zu erwarten ist, dass in der Kraftsportszene, in der sich der Antragsteller aufgehalten haben will, oder im persönlichen Umfeld des Antragstellers, Dritte den Kontakt wahrgenommen bzw. selbst Kontakt zu der namentlich unbekannten Person gehabt haben, mithin als Zeugen in Betracht kämen. Im Übrigen ist es für den Senat auch nicht ohne Weiteres nachzuvollziehen, dass der Antragsteller ohne Argwohn gehandelt haben will, wenn er ein ihm offenkundig in seinen Bestandteilen unbekanntes (Nahrungsergänzungs-)Präparat von einer Person aus der Kraftsportszene, die ihm nur „vom Sehen“ her bekannt sein soll, entgegennimmt und in der Folge einnimmt, obgleich gerade die Kraftsportszene für den Umgang mit verbotenen Substanzen bekannt ist. Allein der Umstand, dass es frei verkäufliche Nahrungsergänzungsmittel für Hobbysportler gibt, räumt die Zweifel nicht aus.
Der Einwand des Antragstellers, dass nach der Expertise von Herrn Dr. med. B. ein toxikologisches Gutachten beweisen könne, dass der Amphetamingehalt aus der vorgetragenen Verabreichung der „Booster“ herrühre, so dass die Einholung eines solchen Gutachtens angeboten und insofern die Beiziehung der Strafverfahrensakte erbeten werde, führt zu keiner anderen Betrachtung. Feststellungen zu dieser Frage bedürfen einer umfangreichen Beweiserhebung und -würdigung, die im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht geleistet werden können und auch dessen Zweck zuwiderliefen, mithin dem Verfahren der Hauptsache vorbehalten sind. Gleichwohl bleibt es dem Antragsteller unbenommen, die begehrte toxikologische Untersuchung selbst anzustrengen und etwaige (neue) Beweismittel im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO vorzulegen.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
III. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 46.3 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, wobei der Senat im Hinblick auf die Vorläufigkeit der vom Antragsteller begehrten einstweiligen Anordnung eine Reduzierung des für die Hauptsache maßgeblichen Streitwertes für angezeigt hält (so auch BayVGH, Beschluss vom 8. Oktober 2018 – 11 CE 18.1531 – juris Rn. 24; VGH BW, Beschluss vom 15. Januar 2014 – 10 S 1748/13 – juris).
IV. Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG.


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