Verwaltungsrecht

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Aktenzeichen  M 27 K 18.3610

Datum:
26.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 40804
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
LPSAng § 27, § 30 Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 3. Mai 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Juni 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten, die von dem Kläger im Rahmen der Fachprüfung I für Verwaltungsangestellte 2018 in der Aufgabe 2 „Personalwesen“ erbrachte Prüfungsleistung neu zu bewerten und erneut über das Gesamtergebnis der Fachprüfung I für Verwaltungsangestellte 2018 zu entscheiden (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1. Rechtsschutzziel des Klägers ist ersichtlich eine Überprüfung der Prüferbewertung der 2. Aufgabe der Fachprüfung I für Verwaltungsangestellte, da lediglich insoweit Einwendungen erhoben wurden. Die Überprüfung der Bewertung der übrigen im Rahmen der Fachprüfung I für Verwaltungsangestellte von dem Kläger gefertigten Arbeiten ist nicht geboten, weil die Bewertung dieser Arbeiten von dem Kläger nicht in Frage gestellt worden ist (vgl. BVerwG, U.v. 16.3.1994 – 6 C 5.93 – juris Rn. 21). Der Bevollmächtigte des Klägers hat dies in der mündlichen Verhandlung dadurch klargestellt, indem er erklärt hat, dass sich die Klage inhaltlich auf die Bewertung der Aufgabe 2 „Personalwesen“ beschränke.
2. Grundlage für die Durchführung der streitgegenständlichen Prüfung ist die Satzung der Bayerischen Verwaltungsschule über die Lehrgänge und Prüfungen für Verwaltungsangestellte (Lehrgangs- und Prüfungssatzung für Angestellte – LPSAng) vom 20. Juli 2004, zuletzt geändert durch Satzung vom 12. März 2015, erlassen aufgrund der Ermächtigung in Art. 2 Abs. 3 Satz 1 des Gesetzes über die Bayerische Verwaltungsschule (Bayerisches Verwaltungsschulgesetz – BayVwSG) vom 9. Juni 1998 (GVBl. S. 290). Rechtliche Bedenken gegen die Satzung sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
3. Nach § 30 Abs. 2 LPSAng hat die Fachprüfung I nicht bestanden, wer in den Einzelnoten der schriftlichen Prüfung und der Gesamtnote der fachpraktischen Prüfung zweimal „ungenügend“ oder dreimal schlechter als „ausreichend“ erhalten hat. § 27 Abs. 1 LPSAng enthält einen Notenschlüssel für die Bewertung der einzelnen Prüfungsleistungen. Danach ist eine Leistung, die trotz ihrer Mängel durchschnittlichen Anforderungen noch entspricht, mit der Note 4 („ausreichend“) zu bewerten. Eine an erheblichen Mängeln leidende, im Ganzen nicht mehr brauchbare Leistung ist mit der Note 5 („mangelhaft“) zu bewerten.
Der Kläger hat die Fachprüfung I für Verwaltungsangestellte nach § 30 Abs. 2 LPSAng nicht bestanden, da in der schriftlichen Prüfung drei der Prüfungsarbeiten mit der Note 5 („mangelhaft“) und damit schlechter als mit der Note „ausreichend“ bewertet wurden. Die gegen die Bewertung der Aufgabe 2 mit der Note 5 („mangelhaft“) vorgebrachten Einwendungen des Klägers greifen nicht durch.
Die Aufhebung eines Prüfungsbescheids und die Verpflichtung der Prüfungsbehörde, das Prüfungsverfahren durch Neubewertung der betreffenden Aufgabe fortzusetzen, die lediglich begehrt werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 12.11.1997 – 6 C 11.96 – juris Rn. 22), setzt voraus, dass die Bewertung fehlerhaft ist und dass dieser Fehler Einfluss auf das Gesamtergebnis hat (vgl. BVerwG, U.v. 16.3.1994 – 6 C 5.93 – juris Rn. 22). Der das Prüfungsrecht beherrschende Grundsatz der Chancengleichheit gebietet eine gleichmäßige Beurteilung aller vergleichbaren Kandidaten (VGH BW, U.v. 26.11.2019 – 9 S 1126/19 – VBlBW 2020, 302 – juris Rn. 15). Bei der Bewertung von Prüfungsleistungen steht den Prüfern deshalb grundsätzlich ein Bewertungsspielraum zu, der gerichtlich nur begrenzt überprüfbar ist (hierzu grundlegend BVerfG, B.v. 17.4.1991 – 1 BvR 419/81 u.a. – BVerfGE 84, 34 – juris Rn. 53 ff.; B.v. 17.4.1991 – 1 BvR 1529/84 u.a. – BVerfGE 84, 59 – juris Rn. 65 ff.). Gegenstände dieses prüfungsspezifischen Bewertungsspielraums sind etwa die Punktevergabe und Notengebung, soweit diese nicht mathematisch determiniert sind, die Einordnung des Schwierigkeitsgrades einer Aufgabenstellung, bei Stellung verschiedener Aufgaben deren Gewichtung untereinander, die Würdigung der Qualität der Darstellung, die Gewichtung der Stärken und Schwächen in der Bearbeitung sowie die Gewichtung der Bedeutung eines Mangels (BVerwG, U.v. 14.7.1999 – 6 C 20.98 – BVerwGE 109, 211 – juris Rn. 19; VGH BW, U.v. 26.11.2019 a.a.O. Rn. 16). Jedoch haben die Gerichte zu prüfen, ob die Prüfer anzuwendendes Recht einschließlich der Verfahrensvorschriften verkannt oder gegen allgemein gültige Bewertungsgrundsätze verstoßen haben, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen sind oder den Antwortspielraum des Prüflings missachtet haben, da eine richtige oder zumindest vertretbare und mit gewichtigen Argumenten folgerichtig begründete fachliche Ansicht des Prüflings nicht als falsch bewertet werden darf, nur weil der Prüfer anderer Auffassung ist (vgl. BVerwG, U.v. 9.12.1992 – 6 C 3.92 – BVerwGE 91, 262 – juris Rn. 24 ff.). Ansonsten aber ist es den Gerichten verwehrt, ihre Bewertung an die Stelle der Prüfer zu setzen. Ergibt sich, dass die Bewertung einer regulär erbrachten Leistung fehlerhaft ist, ist grundsätzlich eine Neubewertung der Prüfungsleistung geboten. Leidet demgegenüber das Verfahren zur Ermittlung der Kenntnisse und Fähigkeiten des Prüflings (Verfahren zur Leistungserhebung) unter Mängeln, so ist die Prüfung oder der betroffene Prüfungsteil zu wiederholen, da eine unter irregulären Bedingungen erbrachte Leistung nicht bewertbar ist (vgl. Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 500).
Unter Heranziehung dieses Maßstabs begegnet die Bewertung der Aufgabe 2 „Personalwesen“ mit der Note 5 („mangelhaft“) keinen rechtlichen Bedenken.
a) Verfahrensfehler sind nicht ersichtlich. Zunächst ergibt sich kein Verfahrensfehler aus einem fehlenden Nachteilsausgleich nach § 35 LPSAng, da der Kläger einen solchen nicht beantragt hat. Die Prüfungsbehörde ist auch ihrer Verpflichtung zur Begründung der Prüfungsentscheidung hinreichend nachgekommen. Die Korrekturbemerkungen lassen die für die Bewertung der streitgegenständlichen Klausur wesentlichen Punkte klar erkennen. Darüber hinaus hat die Beklagte die von dem Kläger im Rahmen der Widerspruchserhebung erhobenen – hinreichend substantiierten – Rügen den Prüfern unverzüglich zur Kenntnis gebracht und hierdurch ihre – auch verfassungsrechtlich durch Art. 12 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG gebotene (vgl. BVerwG, U.v. 10.4.2019 – 6 C 19.18 – BverwGE 165, 202 – juris Rn. 22 ff.) Verpflichtung zur Durchführung eines sog. Überdenkungsverfahrens erfüllt. Die Prüfer haben daraufhin umfänglich zu dem klägerischen Vorbringen Stellung genommen. Damit hat die Beklagte insgesamt die Verpflichtung zur Begründung der Prüfungsentscheidung erfüllt (vgl. BayVGH, B.v. 11.2.1998 – 7 B 96.2375 – juris Rn. 22).
b) Die Bewertung der von dem Kläger im Rahmen der Aufgabe 2 „Personalwesen“ erbrachten Leistung leidet auch nicht an inhaltlichen Fehlern. Die diesbezüglichen Einwendungen des Klägers greifen nicht durch.
aa) Die Bewertung des Punktes I.1. begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass aus den Randbemerkungen der Prüfer zu der streitgegenständlichen Klausur des Klägers klar hervorgeht, dass ihm eine Nichtnennung von § 623 BGB nicht als Fehler angerechnet wurde, da die diesbezügliche Randbemerkung eingeklammert wurde. Der weitere Einwand des Klägers, dass die Nennung von § 34 Abs. 1 Satz 1 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) unter Zugrundelegung der Aufgabenstellung nicht veranlasst gewesen sei, verfängt ebenfalls nicht. Die Korrektoren haben in ihren im Überdenkungsverfahren abgegebenen Stellungnahmen nachvollziehbar dargelegt, dass die Prüfung von § 34 Abs. 1 Satz 1 TVöD zwingender Bestandteil einer vollständigen Lösung ist. Rechtliche Bedenken gegen diese Bewertung ergeben sich mit Blick auf die Systematik des § 34 Abs. 1 TVöD nicht.
bb) Mit seinen Einwendungen gegen die Bewertung des Punktes I.2. kann der Kläger ebenfalls nicht durchdringen. Soweit der Kläger einwendet, einen anderen als in der Musterlösung enthaltenen Lösungsweg gewählt zu haben, ist zwar festzuhalten, dass eine Musterlösung den Prüfern lediglich eine allgemeine und nicht verbindliche Hilfestellung gibt (OVG Lüneburg, B.v. 10.12.2009 – 5 ME 182/09 – juris Rn. 7). Aus den Randbemerkungen und den Stellungnahmen der Prüfer im Überdenkungsverfahren ersichtlich begründen die Prüfer die von ihnen festgestellten Mängel im Aufbau jedoch nicht mit einem Abweichen von der Musterlösung, sondern weisen diesbezüglich auf die in der Gesetzessystematik angelegte Prüfungsreihenfolge hin. Diese Prüferbewertung ist nachvollziehbar, sachfremde Erwägungen sind nicht erkennbar.
Des Weiteren wendet der Kläger ein, die Fragestellung unter Punkt I.2. habe lediglich auf die Höhe des Entgelts abgezielt. Zudem habe er unter Angabe der Rechtsgrundlage Aussagen zur ursprünglichen Eingruppierung getroffen, Angaben zu der Stufenzuordnung im Falle des Verbleibs beim alten Arbeitgeber gemacht sowie Feststellungen zu der im Sachverhalt erwähnten Aussage des Personalamtsleiters getroffen. Dabei berücksichtigt der Kläger jedoch nicht, dass er hiermit lediglich die Sachverhaltsangaben wiedergibt bzw. hierfür die Rechtsgrundlagen nennt. Zu Recht vermissen die Korrektoren ausweislich der Korrekturbemerkungen und der Stellungnahmen im Überdenkungsverfahren die fehlende Nennung der für die Prüfung zentralen Normen (insbesondere § 15 Abs. 1 Satz TVöD und § 12 TVöD), weshalb auch die weitere Einwendung des Klägerbevollmächtigten, dass der Kläger in seiner Lösung inhaltlich auf die Tätigkeitsmerkmale abgestellt habe, nicht durchgreift.
cc) Ferner wendet der Kläger ein, dass in rechtswidriger Weise nicht berücksichtigt worden sei, dass er unter Punkt II.1. neben der Angabe der Dauer der Probezeit auch deren Verlängerungs- und Verkürzungsmöglichkeit dargestellt habe. Insbesondere zu der einschlägigen Möglichkeit der Verkürzung der Probezeit habe er auf Seite 5 der Bearbeitung umfassend Stellung genommen. Er habe mit Verweis auf
§ 36 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über die Leistungslaufbahn und die Fachlaufbahnen der bayerischen Beamten und Beamtinnen (Leistungslaufbahngesetz – LlbG) auch auf die überdurchschnittliche Leistungseinschätzung durch den Vorgesetzten Bezug genommen. Außerdem habe er den Werdegang subsumiert, ohne hierfür einen Punkt erhalten zu haben. Auch mit diesen Einwendungen kann der Kläger nicht durchdringen. Zunächst bestehen angesichts der Tatsache, dass der Kläger für diese Teilaufgabe drei Punkte erhalten hat, keine Anhaltspunkte dafür, dass die Ausführungen des Klägers zu Frage II.1. – soweit sie zutreffen – nicht bewertet worden wären. Im Übrigen hat der Kläger im Rahmen seiner Bearbeitung jedoch weder eine Subsumtion vorgenommen noch die gestellte Frage beantwortet. Die auf diese Mängel in der Klausurbearbeitung abstellenden Erwägungen der Prüfer und die darauf basierende Punktevergabe erscheinen nicht willkürlich und vom Bewertungsspielraum der Prüfer gedeckt.
dd) Schließlich kann der Kläger auch mit seinen Einwendungen gegen die Bewertung des Unterpunkts II.2. nicht durchdringen. Die Vergabe von lediglich einem von drei Punkten erklärt sich ausweislich der Prüferanmerkungen und den diesbezüglich im Überdenkungsverfahren angestellten Erwägungen aus dem Umstand, dass der Kläger
Art. 18 Abs. 2 des Bayerischen Beamtengesetzes (BayBG) als für die Prüfung der Ernennungszuständigkeit maßgebliche Ausgangsvorschrift nicht genannt sowie keine Abgrenzung der Zuständigkeit von Landrat einerseits und Kreistag andererseits vorgenommen hat. Anhaltspunkte für Bewertungsmängel bestehen auch hier nicht.
c) Abgesehen von der Nachvollziehbarkeit der Beurteilung der vom Kläger monierten Einzelpunkte liegen dem Gericht auch keine Hinweise auf einen rechtswidrigen oder gar willkürlichen Gebrauch des oben erläuterten prüfungsspezifischen Bewertungsspielraums durch die beiden Korrektoren bei der Gesamtbewertung der vom Kläger zur Prüfungsaufgabe 2 „Personalwesen“ erbrachten Leistung vor. Nach ihren Stellungnahmen vom 9. und 10. Juni 2018 haben die Korrektoren übereinstimmend auch die zahlreichen Rechtschreibfehler sowie einen – zumindest teilweise – mangelhaften Aufbau der Prüfungsarbeit zum Gegenstand ihrer Bewertung gemacht und ausgeführt, dass sie auch bei nochmaliger Überprüfung zu keinem für den Kläger günstigeren Ergebnis kommen. Die Bewertung seiner Prüfungsarbeit leidet deshalb nicht an gerichtlich zu beanstandenden Rechtsfehlern.
II.
Aus diesen Gründen ist die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
III.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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