Verwaltungsrecht

Übernahme der Beförderungskosten zur Schule

Aktenzeichen  M 3 K 18.3110

Datum:
27.8.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 25542
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SchBefV § 2 Abs. 1 S. 1, S. 3 Nr. 3

 

Leitsatz

1. Im Rahmen einer ablehnenden Entscheidung über einen Antrag auf Kostenfreiheit des Schulwegs kann ein Schüler nur dann auf den Besuch einer näher gelegenen Schule verwiesen werden kann, wenn ihm der Besuch dieser Schule bei rechtzeitiger Anmeldung tatsächlich möglich gewesen wäre (Anschluss an VG München BeckRS 2016, 127780).  (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
2. Da im Regelfall die im Zeitpunkt der Anmeldung nächstgelegene Schule dies auch bei dem nur wenige Monate später erfolgenden Unterrichtsbeginn sein wird, wirkt sich eine in dieser Zeitspanne erfolgte Änderung der objektiven Umstände (Gebäude, in dem der Unterricht im betreffenden Schuljahr stattfindet) nicht auf den Anspruch auf Übernahme der Beförderung aus. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Bescheid der Beklagten vom 12. Juni 2018 wird aufgehoben.
Die Beklagte wird verpflichtet, für den Schüler … … im Schuljahr 2018/19 die Beförderung zum …Gymnasium, … …, München, zu übernehmen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Mit Einverständnis beider Beteiligter konnte das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die Klage ist zulässig und begründet. Die ablehnende Entscheidung der Beklagten war aufzuheben, da sie rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat Anspruch darauf, dass die Beklagte im Schuljahr 2018/19 die Beförderung seines Sohnes zum W.-Gymnasium übernimmt.
Die Beförderungspflicht besteht gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 SchBefV zum Pflicht- und Wahlpflichtunterricht der nächstgelegenen Schule; nächstgelegen ist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SchBefV diejenige Schule der gewählten Schulart, Ausbildungs- und Fachrichtung, die mit dem geringsten Beförderungsaufwand zu erreichen ist. Da der Schulweg des Schülers zur Pavillon-Anlage die gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SchBefV für das Entstehen der Beförderungspflicht erforderliche Mindestentfernung von drei Kilometern nicht erreicht, fiele für den Schulweg des Schülers zur Pavillon-Anlage im Schuljahr 2018/19 gar kein Beförderungsaufwand an.
Im vorliegenden Fall erweitert sich jedoch die Beförderungspflicht der Beklagten auf die Beförderung des Schülers vom Wohnort zum Stammgebäude des W.-Gymnasiums in der … …
Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass im Rahmen einer ablehnenden Entscheidung über einen Antrag auf Kostenfreiheit des Schulwegs ein Schüler auf den Besuch einer – i.S.d. Schülerbeförderungsrechts – näher gelegenen Schule nur dann verwiesen werden kann, wenn ihm der Besuch dieser Schule bei rechtzeitiger Anmeldung tatsächlich möglich gewesen wäre (VG München, U.v. 20.9.2016 – M 3 K 15.3637 – unter Hinweis auf VG München, U.v. 10.2.2015 – M 3 K 12.5937 – juris Rn 26). Denn die Verwaltung darf vom Bürger keine ihm tatsächlich oder rechtlich unmögliche Leistung verlangen.
Falls der Schüler jedoch von der näher gelegenen Schule nicht aufgenommen wurde, ohne dass er den Grund hierfür selbst geschaffen hat, also insbesondere trotz rechtzeitiger Anmeldung nicht aufgenommen wurde, erweitert sich die Beförderungspflicht des Aufgabenträgers auf die dann nächstgelegene Schule (VG München, U.v. 20.9.2016 – M 3 K 15.3637 – unter Hinweis auf VG München, U.v. 10.2.2015 – M 3 K 12.5937 – juris Rn 26; so auch BayVGH, U.v. 12.2.2001 – 7 B 99.3719 – BayVBl 2001 – 308 Rn 27; VG München, U.v. 26.11.2007 – M 3 K 07.1920).
Voraussetzung für einen Anspruch auf Beförderung zu der nicht nächstgelegenen Schule ist in einem solchen Fall, dass der Schüler, ggf. vertreten durch seine Erziehungsberechtigten, die ihn treffende „Obliegenheit“ (vgl. BayVGH, B.v. 4.2.2011 – 7 C 10.2603 – Rn 12), seinerseits alle erforderlichen Schritte zu unternehmen, um die nächstgelegene Schule besuchen zu können, erfüllt hat. Diese den Schüler nach der hierzu ergangenen Rechtsprechung treffende Obliegenheit setzt die rechtzeitige Information über die nächstgelegene Schule i.S.d. Beförderungsrechts notwendigerweise voraus.
Im vorliegenden Fall hat der Kläger die ihn treffende Obliegenheit, alles zu tun, damit der Schüler die nächstgelegene Schule i.S.d. Beförderungsrechts würde besuchen können, erfüllt. Nach den dem Kläger bei der Auswahl des Gymnasiums für den Schüler und im Zeitpunkt der Anmeldung zur Verfügung stehenden Informationen war das W.-Gymnasium für den Schüler im Schuljahr 2018/19 die nächstgelegene Schule i.S.d. Beförderungsrechts.
Im Regelfall wird die im Zeitpunkt der Anmeldung nächstgelegene Schule dies auch bei dem nur wenige Monate später erfolgenden Unterrichtsbeginn sein. Der hier in dieser Zeitspanne stattgefundene Wechsel der objektiven Umstände (Gebäude, in dem der Unterricht ab dem Schuljahr 2018/19 stattfinden sollte), der sich auf die Bestimmung der nächstgelegenen Schule im Schuljahr 2018/19 ausgewirkt hat, ändert nichts am Anspruch des Klägers gegenüber der Beklagten auf Übernahme der Beförderungskosten für den Schüler im Schuljahr 2018/19. Denn diese Umstände ändern nichts daran, dass der Kläger die ihn treffende Obliegenheit erfüllt hat.
Es kann offen bleiben, ob der Kläger auf einen entsprechenden Hinweis der Beklagten in dem im Juni 2018 ergangenen Bescheid, dass der Unterricht des M.-Gymnasiums ab dem Schuljahr 2018/19 in der näher als das Stammgebäude des W.-Gymnasiums gelegenen Pavillon-Anlage stattfinden würde, hätte reagieren und die Anmeldung des Schülers am M.-Gymnasium hätte versuchen müssen.
Ein solcher Hinweis ist dem streitgegenständlichen Bescheid jedoch tatsächlich nicht zu entnehmen. Der Kläger hat vorgetragen, erst aus der Klageerwiderung den Grund dafür erfahren zu haben, dass die Beklagte das M.-Gymnasium als nächstgelegene Gymnasium (HG) im Schuljahr 2018/19 ansieht. Dieser Vortrag trifft zu. Auch aus der Formulierung der vom Kläger selbst verfassten Klagebegründung geht hervor, dass der Kläger davon ausgegangen ist (und davon ausgehen durfte), der Hinweis im Bescheid auf das M.-Gymnasium als das nächstgelegene Gymnasium beruhe auf einer versehentlich falschen Messung der Schulwege zum W.-Gymnasium und zum M.-Gymnasium.
Der Kläger hat somit tatsächlich erst aus der Klageerwiderung der Beklagten, die ihm am … August 2018 zugesandt wurde, vom Umzug des M.-Gymnasiums in die Pavillon-Anlage an der … … erfahren. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Schuljahr 2018/19 bereits begonnen (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 BayEUG). Zu diesem Zeitpunkt wäre ein Wechsel nach der normativen Regelung des § 10 Abs. 4 der Schulordnung für die Gymnasien in Bayern (Gymnasialschulordnung – GSO) vom 23. Januar 2007 (GVBl S. 68) nicht mehr auf Grund der Auswahlentscheidung der Erziehungsberechtigten, sondern nur noch aus wichtigem Grund möglich gewesen. Eine solche kurzfristige Umorientierung war dem Kläger und dem Schüler zu diesem Zeitpunkt auch nicht mehr zumutbar.
Der Anspruch des Klägers gegenüber der Beklagten auf Übernahme der Beförderung zum W.-Gymnasium im Schuljahr 2018/19 ist somit bereits deshalb zu bejahen, weil er die ihn treffende Obliegenheit, alles dafür zu tun, damit der Schüler das nächstgelegene Gymnasium würde besuchen können, erfüllt hat, der Schüler dieses aber aus Umständen, die nicht seiner Sphäre zuzurechnen oder ihm anzulasten sind, nicht besucht, sodass sich die Beförderungspflicht der Beklagten auf das tatsächlich besuchte Gymnasium erweitert.
Es muss daher im vorliegenden Fall nicht entschieden werden, ob für die Bestimmung der nächstgelegenen Schule jeweils nur auf das Stammgebäude einer Schule abzustellen ist oder ob ein Schüler auch auf ein nur während einer Übergangszeit benutztes Gebäude einer Schule verwiesen werden kann, wogegen sprechen könnte, dass dadurch Schulen in eine Konkurrenzsituation gebracht werden, die so grundsätzlich nicht besteht.
Der Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.


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