Verwaltungsrecht

Übernahme der Schulwegkosten

Aktenzeichen  M 3 K 14.1067

Datum:
11.4.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SchBefV SchBefV § 2 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 u Abs. 4 Nr. 2
BayEUG BayEUG Art. 86 Abs. 2 S. 1 Nr. 9, Art. 87

 

Leitsatz

1. Aus einer internen, an die Schule gerichteten ministeriellen Weisung zur Aufnahme eines Schülers an eine bestimmte Schule können keine Ansprüche in Hinblick auf die Kostenfreiheit des Schulwegs abgeleitet werden. § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BaySchBefV setzt vielmehr eine förmliche Zuweisung nach § 2 Abs. 6 der Schulordnung für die Gymnasien in Bayern (Gymnasialschulordnung – GSO) voraus. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der Bestimmung der „nächstgelegenen Schule“ kommt es allein darauf an, welche Schule der gewählten Schulart mit dem geringsten Beförderungsaufwand tatsächlich erreichbar ist, wobei maßgeblich allein der anfallende Beförderungsaufwand ist; individuellen Besonderheiten im Recht der Schulwegkostenfreiheit ist hingegen über die besonderen Vorschriften des § 2 Abs. 3 und 4 BaySchBefV Rechnung zu tragen (wie VG Augsburg BeckRS 2012, 50410). (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Schule kann nur dann nicht als nächstgelegen gelten, wenn sie auf Grund von Bedingungen nicht aufnahmefähig und -bereit ist, welche der Schüler nicht beeinflussen kann (zB fehlende Aufnahmekapazitäten). Scheitert die Aufnahme oder der weitere Schulbesuch hingegen an persönlichen Voraussetzungen (zB nicht rechtzeitiger Aufnahmeantrag, bestimmter Notendurchschnitt oder Schulentlassung), ändert dies nichts an der objektiven Nächstgelegenheit der Schule, zumal es bei derartigen Fallkonstellationen – gerade auch im Fall der Schulentlassung – sonst in der Hand des Schülers läge, die Beförderung zu einer weiter entfernten Wunschschule zu erreichen (wie VG Augsburg BeckRS 2012, 50410). (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
4. Bei § 2 Abs. 4 Nr. 4 BaySchBefV handelt es sich um eine Ausnahmevorschrift, deren Bejahung zu Gunsten des Schülers im Ermessen der Aufwandsträger steht, wobei die Ermessensentscheidung der Behörde nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar ist. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat gegenüber dem Beklagten als zuständigem Aufgabenträger keinen Rechtsanspruch auf Beförderung oder Kostenübernahme. Die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der Beförderungskosten seines Schulwegs für das Schuljahr 2013/2014.
Maßgebliche Rechtsgrundlage für die Erstattung der Schulwegkosten sind das Gesetz über die Kostenfreiheit des Schulweges (Schulwegkostenfreiheitsgesetz – SchKfrG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Mai 2000 (GVBl S. 452, BayRS 2230-5-1-K), zuletzt geändert durch § 1 Nr. 241 der Verordnung vom 22. Juli 2014 (GVBl S. 286), und die Verordnung über die Schülerbeförderung (Schülerbeförderungsverordnung – SchBefV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. September 1994 (GVBl S. 953, BayRS 2230-5-1-1-K), zuletzt geändert durch Verordnung vom 1. Juli 2016 (GVBl S. 193).
Nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1 SchKfrG ist die notwendige Beförderung der Schüler auf dem Schulweg bei öffentlichen Gymnasien bis einschließlich Jahrgangsstufe 10 Aufgabe der kreisfreien Gemeinden oder des Landkreises des gewöhnlichen Aufenthalts des Schülers. Gemäß Art. 2 Abs. 1 Satz 1 SchKfrG ist eine Beförderung durch öffentliche oder private Verkehrsmittel notwendig, wenn der Schulweg in einer Richtung mehr als drei Kilometer beträgt und die Zurücklegung des Schulwegs auf andere Weise nach den örtlichen Gegebenheiten und nach allgemeiner Verkehrsauffassung nicht zumutbar ist. Die Voraussetzungen für die notwendige Beförderung der Schüler auf dem Schulweg ergeben sich gemäß Art. 2 Abs. 3 SchKfrG aus den Regelungen der SchBefV. Gemäß § 1 Satz 1 Nr. 2 SchBefV ist die notwendige Beförderung der Schüler öffentlicher Gymnasien durch den Aufgabenträger sicherzustellen. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SchBefV besteht die Beförderungspflicht zum Pflicht- und Wahlpflichtunterricht der nächstgelegenen Schule. Wann eine Schule als nächstgelegen zu betrachten ist, wird in § 2 Abs. 1 Satz 3 SchBefV näher definiert.
1. Zunächst greift vorliegend nicht die Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SchBefV, obwohl der Kläger dem L* …-Gymnasium mit Schreiben des Ministerialbeauftragten vom 4. Mai 2012 amtlich zugewiesen wurde. Nach dieser Regelung ist die Schule nächstgelegen, der die Schülerinnen und Schüler zugewiesen sind. Dies setzt jedoch eine förmliche Zuweisung nach § 2 Abs. 6 (entspricht § 26 Abs. 6 der bis zum 31. Juli 2016 gültigen Fassung) der Schulordnung für die Gymnasien in Bayern (Gymnasialschulordnung – GSO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Januar 2007 (GVBl 2007 S. 68, BayRS 2235-1-1-1-K), zuletzt geändert durch § 8 der Verordnung vom 1. Juli 2016 (GVBl S. 193), voraus. Bei dem Schreiben vom 4. Mai 2012 handelt es sich nach Auffassung des Gerichts jedoch lediglich um eine interne, an die Schule gerichtete Weisung zur Aufnahme des Klägers, aus der der Kläger keine Ansprüche in Hinblick auf die Kostenfreiheit des Schulwegs ableiten kann. Letztlich kommt es hierauf auch nicht entscheidungserheblich an, da die Zuweisung im streitgegenständlichen Zeitraum jedenfalls nicht (mehr) ursächlich für den Besuch des L* …-Gymnasiums war, nachdem die Eltern des Klägers selbst entschieden hatten, für ihren Sohn nicht noch einmal die Aufnahme am W* …-Gymnasium beantragen zu wollen.
2. Das L.-Gymnasium ist ferner nicht nächstgelegene Schule i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SchBefV. Danach ist nächstgelegene Schule diejenige Schule der gewählten Schulart, Ausbildungs- und Fachrichtung, die mit dem geringsten Beförderungsaufwand erreichbar ist.
Bei der Bestimmung der „nächstgelegenen Schule“ kommt es allein darauf an, welche Schule der gewählten Schulart mit dem „geringsten Beförderungsaufwand“ tatsächlich erreichbar ist. Maßgeblich ist allein der anfallende Beförderungsaufwand, individuellen Besonderheiten im Recht der Schulwegkostenfreiheit ist hingegen über die besonderen Vorschriften des § 2 Abs. 3 und 4 SchBefV Rechnung zu tragen (vgl. VG Augsburg, U.v. 16.11.2010 – Au 3 K 10.1214 – juris; VG Würzburg, U.v. 06.05.2002 – W 8 K 00.783 – juris). Denn mit der Gewährung der Kostenfreiheit des Schulwegs soll dem Schüler nur eine Art Grundversorgung gewährt werden, dass er seinen Anlagen und Fähigkeiten entsprechend die bestmögliche Schule besuchen kann, ohne dass dies an den Kosten der Schülerbeförderung scheitert. Es ist hingegen nicht Aufgabe des Staates, Hilfen für alle individuellen Lebensentscheidungen oder persönlichen Härten bereitzustellen. Die Frage der Nächstgelegenheit einer Schule ist deshalb ausschließlich an objektiven Kriterien zu messen, individuelle Besonderheiten aus dem persönlichen Bereich des Schülers sind bei der Beurteilung außer Acht zu lassen. Eine Schule kann insofern nur dann nicht als nächstgelegen gelten, wenn sie auf Grund von Bedingungen nicht aufnahmefähig und -bereit ist, welche der Schüler nicht beeinflussen kann (z.B. fehlende Aufnahmekapazitäten). Scheitert die Aufnahme oder der weitere Schulbesuch hingegen an persönlichen Voraussetzungen (z.B. nicht rechtzeitiger Aufnahmeantrag, bestimmter Notendurchschnitt oder Schulentlassung), ändert dies nichts an der objektiven Nächstgelegenheit der Schule, zumal es bei derartigen Fallkonstellationen – gerade auch im Fall der Schulentlassung – sonst in der Hand des Schülers läge, die Beförderung zu einer weiter entfernten Wunschschule zu erreichen (vgl. VG Augsburg, U.v. 16.11.2010 – Au 3 K 10.1214 – juris Rn. 26).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist im vorliegenden Fall das W.-Gymnasium die nächstgelegene Schule der gewählten Schulart, Ausbildungs- und Fachrichtung, die mit dem geringsten Beförderungsaufwand erreichbar ist. Die zumutbare Fußwegstrecke von der Wohnung des Klägers bis zum W* …-Gymnasium beträgt unbestritten weniger als drei Kilometer, sodass gem. Art. 2 Abs. 1 SchKfrG i.V.m. § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 SchBefV keine Beförderungspflicht des Aufgabenträgers besteht.
Es wurde zudem weder eine mangelnde Aufnahmefähigkeit noch eine mangelnde Aufnahmebereitschaft des W.-Gymnasiums in der vom Kläger vorgetragenen Ausbildungsrichtung für das Schuljahr 2013/2014 vorgetragen. Soweit von Klägerseite auf den Entlassungsbescheid vom 25. April 2012 verwiesen wurde, genügt dies allein nicht als Beleg für eine mangelnde Aufnahmefähigkeit oder -bereitschaft, zumal die gesetzliche Sperrwirkung nach der in der bis zum 31. Juli 2016 gültigen Fassung des Art. 87 Abs. 3 (entspricht Art. 88a n.F.) des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Mai 2000 (GVBl 2000 S. 414, BayRS 2230-1-1-K), zuletzt geändert durch Art. 17a Abs. 5 des Gesetzes vom 13. Dezember 2016, GVBl. 335) ein halbes Jahr nach der Entlassung endete. Demnach wäre dem Kläger zwar noch kein Schulwechsel zum Beginn der 6. Jahrgangsstufe möglich gewesen, wohl aber zum Beginn des streitgegenständlichen Zeitraums der 7. Jahrgangsstufe (Schuljahr 2013/2014). Nach dem unwidersprochenen Vortrag des Beklagten wurde ein Wiedereintritt des Klägers beim W.-Gymnasium jedoch nie beantragt. Im Gegenteil lehnten die Erziehungsberechtigten eine Rückkehr an diese Schule ab. Ein erfolgloses Bemühen um eine Wiederaufnahme wäre aber Voraussetzung für die Annahme einer fehlenden Aufnahmefähigkeit oder -bereitschaft des W.-Gymnasium.
3. Ein Anspruch auf Übernahme der Schulwegkosten zum L.-Gymnasium in München ergibt sich auch nicht aus § 2 Abs. 4 SchBefV. Danach kann die Beförderung auch zu einer anderen als der nächstgelegenen Schule ganz oder teilweise in vier abschließend normierten Ausnahmefällen übernommen werden. Die Voraussetzungen für einen derartigen Ausnahmefall sind vorliegend nicht gegeben.
Insbesondere greift nicht die in § 2 Abs. 4 Nr. 2 SchBefV getroffene Regelung, wonach die Beförderung zu einer anderen als der nächstgelegenen Schule ganz oder teilweise übernommen werden kann, wenn ein Schulwechsel nicht zumutbar ist. Zwar können auch in der Person des Schülers liegende Gründe, soweit diese außergewöhnlich sind, im Rahmen von § 2 Abs. 4 Nr. 2 SchBefV Berücksichtigung finden. Bei der vorliegenden Konstellation einer vorausgehenden Schulentlassung sind jedoch keine derartigen außergewöhnlichen Gründe ersichtlich, zumal die gesetzliche Sperrwirkung der Entlassung bereits geendet hatte. Des Weiteren ist ein Schulwechsel zum Schuljahresanfang generell ohne Weiteres zumutbar i.S.d. § 2 Abs. 4 Nr. 2 SchBefV. Außergewöhnliche Gründe, die einen Verbleib am L.-Gymnasium notwendig machen würden, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Ferner ist eine Ermessensentscheidung des Aufgabenträgers nach § 2 Abs. 4 Nr. 3 SchBefV nicht eröffnet, weil der Aufgabenträger beim Besuch des W.-Gymnasiums keine Kosten zu tragen hätte.
Schließlich ist ein die Grenzen der Ermessensausübung im Rahmen des § 2 Abs. 4 Nr. 4 SchBefV (Zustimmung der betroffenen Aufwandsträger und Schulen) überschreitender Rechtsverstoß nicht zu erkennen. Bei dieser Regelung handelt es sich um eine Ausnahmevorschrift, deren Bejahung zu Gunsten des Schülers im Ermessen der Aufwandsträger steht. Diese Ermessensentscheidung der Behörde ist nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar. Vorliegend hat der Beklagte erkannt, dass er im Hinblick auf § 2 Abs. 4 Nr. 4 SchBefV eine Ermessensentscheidung zu treffen hat. Die im Schreiben vom 14. Januar 2014 dargelegten Gründe halten einer gerichtlichen Überprüfung stand, insbesondere wurde gesehen, dass außergewöhnliche Härten etwa im persönlichen oder familiären Bereich bei der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen sind. Die getroffene Ermessensentscheidung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Gewichtige Gründe für eine Ermessensreduktion auf Null sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Da der Kläger mithin keinen Anspruch auf Kostenfreiheit des Schulweges hat, war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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