Verwaltungsrecht

Übernahme von Beförderungskosten für den Schulweg

Aktenzeichen  7 B 17.320

Datum:
20.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 132398
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SchBefV § 2 Abs. 1 S. 1, S. 3 Nr. 3, Abs. 3 S. 1, Abs. 4 Nr. 2
SchKfrG Art. 1 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1 Es bleibt offen, ob die Bestimmung des § 43 Abs. 2 S. 1 VwGO über die Subsidiarität der Feststellungsklage anwendbar ist, wenn die Feststellungsklage gegen eine öffentlich-rechtliche Körperschaft erhoben wird. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2 Bei der dreistufigen und vierstufigen Wirtschaftsschule handelt es sich nicht um verschiedene Schularten, sondern um ein- und dieselbe Schulart. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
3 Pädagogische (oder weltanschauliche) Eigenheiten iSd § 2 Abs. 3 S. 1 SchBefV setzen solche Alleinstellungsmerkmale voraus, durch die sich der Unterricht an der Schule deutlich von ansonsten vergleichbaren Schulen abhebt. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 3 K 15.2014 2016-02-16 GeB VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. In Abänderung des Gerichtsbescheids des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 16. Februar 2016 wird der Beklagte verpflichtet, die Kosten der Beförderung des Sohnes der Kläger zur Staatlichen Wirtschaftsschule W… für das Schuljahr 2015/2016 in Höhe von 1.199 Euro zu übernehmen. Der Bescheid der Beklagten vom 3. Juli 2015 und der Widerspruchsbescheid der Regierung der Oberpfalz vom 23. Oktober 2015 werden aufgehoben.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen trägt der Beklagte ein Viertel, die Kläger tragen drei Viertel.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten ihr Einverständnis hiermit erklärt haben (§ 125 Abs. 1, § 101 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 3. Juli 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Oktober 2015 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Kläger haben gegen den Beklagten Anspruch auf Übernahme der Kosten der Beförderung ihres Sohnes zur Wirtschaftsschule W… im Schuljahr 2015/2016. Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 16. Februar 2016 ist deshalb insoweit abzuändern; der Bescheid des Beklagten vom 3. Juli 2015 und der Widerspruchsbescheid vom 23. Oktober 2015 sind aufzuheben. Der Beklagte ist zu verpflichten, die streitgegenständlichen Beförderungskosten zu übernehmen. Im Übrigen ist die Berufung zurückzuweisen.
1. Die Verordnung über die Schülerbeförderung (Schülerbeförderungsverordnung – SchBefV) i.d.F.d.Bek. vom 8. September 1994 (GVBl S. 953, BayRS 2230-5-1-1-K), zuletzt geändert durch Verordnung vom 14. Juli 2017 (GVBl S. 381), regelt die näheren Voraussetzungen für die notwendige Beförderung der Schüler auf dem Schulweg nach Maßgabe des Art. 2 Abs. 3 des Gesetzes über die Kostenfreiheit des Schulwegs (Schulwegkostenfreiheitsgesetz – SchKfrG) i.d.F.d.Bek. vom 31. Mai 2000 (GVBl S. 452, BayRS 2230-5-1-K], zuletzt geändert durch Verordnung vom 22. Juli 2014 (GVBl S. 286). Die notwendige Beförderung der Schüler auf dem Schulweg ist kraft Gesetzes (unter anderem) bei dreibzw. vierstufigen Wirtschaftsschulen bis einschließlich Jahrgangsstufe 10 Aufgabe der kreisfreien Stadt oder des Landkreises des gewöhnlichen Aufenthalts des Schülers (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 SchKfrG). Die Beförderungspflicht besteht zum Pflicht- und Wahlpflichtunterricht der nächstgelegenen Schule (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SchBefV). Nächstgelegene Schule ist diejenige Schule der gewählten Schulart, Ausbildungs- und Fachrichtung, die mit dem geringsten Beförderungsaufwand erreichbar ist (§ 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SchBefV).
Gemessen daran handelt es sich bei der vom Sohn der Kläger besuchten Wirtschaftsschule in W… im Schuljahr 2015/2016 um die nächstgelegene Schule, sodass die Beförderungskosten vom Wohnort der Kläger zur Schule zu übernehmen sind. In diesem Schuljahr steht keine näher gelegene Schule zur Verfügung, weil die Wirtschaftsschule in W… aufgrund ihrer dreistufigen Form vom Sohn der Kläger, der sich im Schuljahr 2015/2016 in der 7. Jahrgangsstufe befand, erst ab der 8. Jahrgangsstufe, also erst ab dem Schuljahr 2016/2017, besucht werden könnte.
2. Hinsichtlich der Feststellungsklage bleibt die Berufung ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage insoweit zu Recht abgewiesen. Offen bleiben kann, ob der Zulässigkeit des Feststellungsantrags, den Beklagten für die weiteren Schuljahre zur Übernahme der Beförderungskosten zu verpflichten, bereits § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO entgegensteht, oder ob diese Vorschrift bei Feststellungsklagen, die gegen öffentlich-rechtliche Körperschaften gerichtet sind, nicht anwendbar ist (vgl. OVG RhPf, U.v. 13.12.2010 – 2 A 11003/10 – juris Rn. 21). Jedenfalls ist der Antrag unbegründet, da die Kläger ab dem Schuljahr 2016/2017 keinen Anspruch auf Übernahme der Beförderungskosten für ihren Sohn haben. Ab diesem Schuljahr ist nächstgelegene Schule der gewählten Schulart i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz 1 und 3 Nr. 3 SchBefV die dreistufige Wirtschaftsschule in W… Der Sohn der Kläger befindet sich zu diesem Zeitpunkt (voraussichtlich) in der 8. Jahrgangsstufe und hat damit die Möglichkeit, diese Wirtschaftsschule zu besuchen. Der Senat hat bereits entschieden, dass es sich bei der dreistufigen und vierstufigen Wirtschaftsschule nicht um verschiedene Schularten, sondern um ein- und dieselbe Schulart handelt (BayVGH, B.v. 5.3.2012 – 7 ZB 11.2642 – juris Rn. 4 f.). Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird gemäß § 130b Satz 2 VwGO abgesehen und auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung (UA S. 6 bis 11) verwiesen. Ergänzend wird Folgendes ausgeführt:
Die Annahme pädagogischer (oder weltanschaulicher) Eigenheiten i.S.v. § 2 Abs. 3 Satz 1 SchBefV setzt solche Alleinstellungsmerkmale voraus, durch die sich der Unterricht an der Schule deutlich von ansonsten vergleichbaren Schulen abhebt (vgl. BayVGH, U.v. 19.2.2013 – 7 B 12.2441 – BayVBl 2013, 439 Rn. 33). Abzustellen ist hiernach auf im Unterricht bzw. in der Schule begründete Besonderheiten, nicht aber – wie die Kläger meinen – auf Besonderheiten im Leistungsvermögen eines Schülers. Ein etwaiges geringeres Leistungsangebot der Schule stellt in der Regel ebenfalls kein Alleinstellungsmerkmal in pädagogischer Hinsicht dar.
Die Übernahme der Beförderungskosten ist vorliegend auch nicht ausnahmsweise nach § 2 Abs. 4 Nr. 2 SchBefV, etwa zum Ausgleich einer außergewöhnlichen Härte, geboten (vgl. hierzu z.B. BayVGH, U.v. 19.2.2013 – 7 B 12.2441 – juris Rn. 42 m.w.N.). Das Verwaltungsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass sich aus dem klägerischen Vorbringen keine besonderen Umstände ergeben, die eine individuelle Härte oder Ausnahmesituation begründen könnten. Insbesondere wäre ein Wechsel des Sohnes der Kläger ab dem Schuljahr 2016/2017 an die Wirtschaftsschule in W… unabhängig von seinem Leistungsstand möglich und damit nicht unzumutbar. Wie sich aus dem Widerspruchsbescheid der Regierung der Oberpfalz vom 23.10.2015 ergibt, bedarf es beim Wechsel von der 7. Klasse einer vierstufigen Wirtschaftsschule in die 8. Klasse einer dreistufigen Wirtschaftsschule keines besonderen Notendurchschnitts. Der Schüler muss lediglich die 7. Klasse der vierstufigen Wirtschaftsschule bestanden haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Beschluss
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.796 € festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und 3 GKG).


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