Verwaltungsrecht

Übernahme von Schülerbeförderungskosten

Aktenzeichen  W 2 K 17.197

Datum:
14.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 5251
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SchKfrG Art. 1 Abs. 1 S. 1, Art. 2 Abs. 1 S. 1
SchBefV § 2 Abs. 1 S. 1, Abs. 4

 

Leitsatz

1 Der Sinn der Ausnahmeregelung in § 2 Abs. 4 Nr. 4 SchBefV liegt darin, Härten aus der Beschränkung auf die Beförderung zur nächstgelegenen Schule, die nicht bereits von den Fällen des § 2 Abs. 4 Nr. 1 bis 3 SchBefV erfasst sind, auszugleichen. Es ist deshalb ermessensgerecht, die Zustimmung nur in außergewöhnlichen Fällen zu erteilen (Anschluss an BayVGH BeckRS 2003, 27863). (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2 Dem öffentlichen Interesse der auf den näheren Einzugsbereich abstellenden Schulplanung und den Interessen der beteiligten Aufgabenträger, die auch bei geringerer Schülerzahl die notwendige Beförderung zu den nächstgelegenen Schulen sicherzustellen haben, widerspricht es, eine Beförderungspflicht auch zu entfernter liegenden Schulen anzunehmen, ohne dass hierzu durchgreifende Gründe seitens des zu befördernden Schülers geltend gemacht und nachgewiesen werden. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

1. Die Klage ist zulässig. Da die Ehefrau des Klägers und Mutter der Tochter E. ihre Zustimmung zum Klageverfahren erklärt hat, fehlt es insbesondere nicht am Rechtschutzbedürfnis für die Klage.
2. Die Klage erweist sich jedoch als unbegründet.
Der Bescheid des Landratsamtes Hassberge vom 17. Oktober 2016 und der Widerspruchsbescheid der Regierung von Unterfranken vom 21. Januar 2017 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Übernahme der Beförderungskosten für seine Tochter E. zur W.-Realschule in E. im Schuljahr 2017/2018 (§ 113 Abs. 1, Abs. 5 VwGO). Die ablehnende Entscheidung ist auch nicht ermessensfehlerhaft (§ 114 VwGO).
2.1. Der Kläger kann den geltend gemachten Anspruch auf Übernahme der Beförderungskosten nicht auf das Gesetz über die Schulwegkostenfreiheit (SchKfrG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Mai 2000 (GVBl. S. 452, BayRS 2230-5-1-K), zuletzt geändert durch Verordnung vom 22. Juli 2014 (GVBl. S. 286) in Verbindung mit der Schülerbeförderungsverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. September 1994 (GVBl. S. 953, BayRS 2230-5-1-1-K), zuletzt geändert durch Verordnung vom 14. Juni 2017 (GVBl. S. 381), stützen.
2.1.2. Nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1 SchKfrG hat der Landkreis des gewöhnlichen Aufenthalts des Schülers die Aufgabe, die notwendige Beförderung der Schüler auf dem Schulweg u.a. zu einer Realschule sicherzustellen. Eine Beförderung durch öffentliche oder private Verkehrsmittel ist nach Art. 2 Abs. 1 Satz 1 SchKfrG notwendig, wenn der Schulweg in eine Richtung mehr als drei Kilometer beträgt und die Zurücklegung des Schulwegs auf andere Weise nach den örtlichen Gegebenheiten und nach allgemeiner Verkehrsauffassung nicht zumutbar ist.
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 der SchBefV besteht eine Beförderungspflicht zum Pflicht- und Wahlpflichtunterricht der nächstgelegenen Schule. Diese nächstgelegene Schule ist nach § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SchBefV diejenige Schule der gewählten Schulart, Ausbildungs- und Fachrichtung, die mit dem geringsten Beförderungsaufwand erreichbar ist.
Für den Wohnort der Tochter E. U* … ist das hinsichtlich der von ihr gewählten Ausbildungsrichtung III vorliegend die Dr. A. K. -Realschule am Schulzentrum H. Bei Realschulen ist diesbezüglich allein auf die in Art. 8 Abs. 3 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Mai 2000 (GVBl. S. 414, 632, BayRS 2230-1-1-K), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. Dezember 2017 (GVBl. S. 571), genannten Ausbildungsrichtungen in Form entsprechender Wahlpflichtfächergruppen abzustellen; die Wahl eines ergänzenden Schwerpunktes im musisch-gestaltenden, hauswirtschaftlichen oder sozialen Bereich innerhalb der Gruppe III (Art. 8 Abs. 3 Nr. 3 BayEUG) bleibt auf der Ebene des Schülerbeförderungsrechts ohne Bedeutung, denn hierbei handelt es sich lediglich um eine unselbstständige Ergänzung zu der in Art. 8 Abs. 3 Nr. 3 BayEUG vorgesehenen „Ausbildungsrichtung III“ (BayVGH, U.v. 8.1.2008 – 7 B 07.1008 – juris).
2.1.2. Die Voraussetzungen für die Übernahme der Beförderungskosten zu einer anderen als der nächstgelegenen Schule im Ermessenswege gemäß § 2 Abs. 4 SchBefV liegen nicht vor.
Insbesondere greift die Regelung in § 2 Abs. 4 Nr. 3 SchBefV nicht zugunsten des Klägers ein, da der Beförderungsaufwand zur W.-Realschule in E. die ersparten Beförderungskosten zur Dr. A. K. -Realschule am Schulzentrum H. um 232,16% übersteigt.
Auch dass der Beklagte die Kosten nicht nach § 2 Abs. 4 Nr. 4 SchBefV als betroffener Aufwandsträger übernommen hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Sinn dieser Ausnahmevorschrift liegt darin, Härten aus der Beschränkung auf die Beförderung zur nächstgelegenen Schule, die nicht bereits von den Fällen des § 2 Abs. 4 Nrn. 1 bis 3 SchBefV erfasst sind, auszugleichen. Es ist deshalb ermessensgerecht, die Zustimmung nur in außergewöhnlichen Fällen zu erteilen (vgl. BayVGH, B.v. 17.03.2003 – 7 C 03.2893 – juris).
Das Vorliegen eines solchen Härtefalls hat der Kläger jedoch nicht belegt. Sein Vorbingen zur erfolgten schulischen Separierung der Tochter E. von ihrem Zwillingsbruder während der Grundschulzeit ist hierfür auch unter Berücksichtigung der weiteren Erläuterungen des Klägers hierzu in der mündlichen Verhandlung nicht ausreichend. Daraus ergibt sich nicht hinreichend nachvollziehbar, dass (auch) der Besuch unterschiedlicher Schulen eines gemeinsamen Schulzentrums durch die Zwillingsgeschwister allein aufgrund des damit verbundenen identischen Schulwegs sowie der Möglichkeit des Aufeinandertreffens der Geschwister außerhalb des Unterrichts in schulübergreifenden Einrichtungen für die Tochter E. eine unzumutbare Härte darstellen würde. Dass es zum Schutz des Kindeswohls der Tochter E. erforderlich ist, jegliche Begegnungen mit ihrem Zwillingsbruder außerhalb des elterlichen Umfelds auszuschließen, wurde nicht substantiiert dargelegt. Ein kinderpsychologisches Gutachten, aus dem sich dies ergibt, hat der Kläger nicht vorgelegt. Damit kann nicht vom Vorliegen eines Härtefalls ausgegangen werden.
Ohne dass es noch entscheidungserheblich darauf ankommt, ist auch die vom Beklagten erfolgte Ermessensausübung nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat erkannt, dass ihm ein Ermessensspielraum zusteht und diesen nicht überschritten. Seine ablehnende Entscheidung hat er mit dem Überwiegen des Interesses an einer wirtschaftlichen und kostengünstigen Schülerbeförderung begründet und sich mit der erst im Klageverfahren bekannt gewordenen seitens des Klägers und seiner Ehefrau bezweckten vollständigen schulischen Separierung der Tochter E. von ihrem Zwillingsbruder mit Schriftsätzen vom 21. März 2017 und 7. August 2017 auseinandergesetzt. Die erfolgte Entscheidung ist sachlich gerechtfertigt. Hierbei ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Bestimmungen über die Kostenfreiheit des Schulwegs nicht nur eine finanzielle Entlastung der Schüler und Eltern bezwecken, sondern zugleich die optimale Organisation der Schülerbeförderung sichergestellt werden soll (vgl. BayVGH, B.v. 27.2.2015 – 7 ZB 14.2300 – juris; U.v. 13.4.2011 – 7 B 10.1423 – juris; U.v. 11.2.2008 – 7 B 06.1390 – juris). Dementsprechend verfolgen die Vorschriften über die Kostenfreiheit des Schulwegs auch den Aufbau eines Schülertransportnetzes, das den Schulen tragfähige Einzugsbereiche sichert und das Entstehen unzumutbar langer Schulwege verhindert (vgl. BayVGH, B.v. 15.6.1999 – 7 ZB 99.1103 – juris; U.v. 11.2.2008 – 7 B 06.1390 – juris). Dem öffentlichen Interesse der auf den näheren Einzugsbereich abstellenden Schulplanung und den Interessen der beteiligten Aufgabenträgern, die auch bei geringerer Schülerzahl die notwendige Beförderung zu den nächstgelegenen Schulen sicherzustellen haben, widerspricht es daher, eine Beförderungspflicht auch zu entfernter liegenden Schulen anzunehmen, ohne dass hierzu durchgreifende Gründe seitens des zu befördernden Schülers geltend gemacht und nachgewiesen werden (vgl. BayVGH, B.v. 27.2.2015 – 7 ZB 14.2300 – juris; B.v. 10.12.2012 – 7 ZB 12.1623 – juris).
2.2. Schließlich ist auch keine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch die Widerspruchsbehörde erkennbar. Dem Kläger hätte es jederzeit freigestanden, seinen Widerspruch zu begründen.
Nach alledem war die Klage vollumfänglich abzuweisen.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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