Verwaltungsrecht

Übernahme von Schulwegkosten

Aktenzeichen  M 3 K 16.4631

Datum:
30.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 13904
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SchBefV § 2
BayEUG Art. 8

 

Leitsatz

1. Die Übernahme der Schulwegkosten durch die kommunalen Aufgabenträger hängt nicht vom Grad der Abweichungen im Fächerkanon der jeweiligen Schulen ab, sondern allein von der formalen Qualifikation eines zur Wahl stehenden Unterrichtsschwerpunkts als “Ausbildungsrichtung” durch den zuständigen Gesetz- und Verordnungsgeber.  (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für die Bestimmung der nächstgelegenen Schule ist grundsätzlich nicht auf die Entfernung oder auf den Zeitaufwand abzustellen, sondern auf den finanziellen Aufwand der Beförderung durch Vergleich der anfallenden Fahrtkosten. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage ist zulässig aber unbegründet. Der streitgegenständliche ablehnende Bescheid des Beklagten vom 7. Dezember 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von Oberbayern vom 7. September 2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO); die Klägerin hat keinen Anspruch auf Übernahme der Schulwegbeförderungskosten im Schuljahr 2015/2016 (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die ablehnende Entscheidung des Beklagten ist auch unter Ermessensgesichtspunkten nicht zu beanstanden, § 114 VwGO.
Einzelheiten des Anspruchs auf Übernahme der notwendigen Beförderung der Schüler auf dem Schulweg ergeben sich aus der Schülerbeförderungsverordnung (SchBefV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. September 1994 (GVBl. S. 953, BayRS 2230-5-1-1-K), zuletzt geändert am 14. Juni 2017 (GVBl. S. 381).
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SchBefV besteht die Beförderungspflicht zur nächstgelegenen Schule; diese ist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SchBefV diejenige Schule der gewählten Schulart (z.B. Gymnasium, Realschule), Ausbildungs- und Fachrichtung, die mit dem geringsten Beförderungsaufwand erreichbar ist. Nächstgelegene Schulen in diesem Sinne ist für den Wohnort der Klägerin die …-… Realschule … Bei dieser Schule handelt es sich – wie bei der …-… Realschule – um eine Realschule mit gleichem Wahlpflichtfächerangebot.
Insoweit stellen die Wahlpflichtfächergruppen III a und III b jeweils nur eine unselbständige Ergänzung zu der in Art. 8 Abs. 3 Nr. 3 BayEUG vorgesehenen „Ausbildungsrichtung III“ dar, so dass in den beiden Wahlpflichtfächergruppen kein für den Schulvergleich nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SchBefV relevantes zusätzliches Ausbildungsangebot gesehen werden kann. In diesem Zusammenhang hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ausgeführt: „Die Übernahme der Schulwegkosten durch die kommunalen Aufgabenträger hängt nicht vom Grad der Abweichungen im Fächerkanon der jeweiligen Schulen ab, sondern allein von der formalen Qualifikation eines zur Wahl stehenden Unterrichtsschwerpunkts als „Ausbildungsrichtung“ durch den zuständigen Gesetz- und Verordnungsgeber. Danach bestehen an den Realschulen derzeit nur die in Art. 8 Abs. 3 BayEUG genannten drei Ausbildungsrichtungen in Form entsprechender Wahlpflichtfächergruppen; die Wahl eines ergänzenden Schwerpunkts im musischgestaltenden, hauswirtschaftlichen oder sozialen Bereich innerhalb der Gruppe III (Art. 8 Abs. 3 Nr. 3 Halbsatz 2 BayEUG) bleibt daher auf der Ebene des Schülerbeförderungsrechts ohne Bedeutung (BayVGH vom 8.1.2008 Az. 7 B 07.1008; vgl. auch BayVGH vom 24.4.1985 Az. 7 B 84. A.830)“ (BayVGH, B. v. 23.06.2008, 7 B 08.550). Dem schließt sich das Gericht an.
Die von dem Beklagten genannte Schule ist mit dem geringsten Beförderungsaufwand im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SchBefV zu erreichen. Es ist in ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof geklärt, dass für die Bestimmung der nächstgelegenen Schule grundsätzlich nicht auf die Entfernung oder auf den Zeitaufwand abzustellen ist, sondern auf den finanziellen Aufwand der Beförderung durch Vergleich der anfallenden Fahrtkosten (BayVGH, B.v. 20.4.2009 – 7 ZB 08.3048 –, juris; BayVGH U.v. 8.1.2008 – 7 B 07.1008 -, juris). Der finanzielle Aufwand der Beförderung ist durch Vergleich der anfallenden Beförderungskosten zu ermitteln. Während die Kosten für die Beförderung zu der von der Klägerin besuchten Realschule 55,50 Euro monatlich betragen, liegen sie bei der nächstgelegenen Realschule bei 38,70 Euro monatlich, sodass diese mit dem geringerem Beförderungsaufwand zu erreichen ist.
Beim Vergleich der Beförderungskosten ist es auch sachgerecht, als Maßstab der Berechnung auf die personalisierten Zeitkarten (Monatsfahrkarten) des öffentlichen Nachverkehrs abzustellen und nicht z.B. Einzelfahrkarten oder Streifenkarten heranzuziehen. In Massenverfahren mit zahlreichen beförderungsberechtigten Schülern ist eine solche Praxis nicht zu beanstanden. Der Beklagte weist insoweit zu Recht darauf hin, dass eine individuelle Berechnung unter Berücksichtigung der (jährlich wechselnden) Ferientermine mit einem Vergleich der Kosten für die Monatsfahrkarten auf der einen Seite und für Einzelfahrscheine oder Streifenkarten auf der anderen Seite für jeden einzelnen Schüler mit vertretbarem Aufwand nicht zu bewältigen ist und damit unwirtschaftlich wäre. Eine individuelle Berechnung ist weder nach dem Wortlaut noch nach dem Sinn und Zweck der einschlägigen Bestimmungen erforderlich. Vielmehr ist dem Aufgabenträger insoweit ein Organisationsermessen zuzubilligen, das auch zur Erfüllung der Beförderungspflicht in der beschriebenen Weise berechtigt (vgl. BayVGH B.v. 31.5.2011 – 7 ZB 10.2930 -, juris, Rn. 13; BayVGH, B.v. 4.5.2012 – 7 ZB 11.2910 -, juris, Rn. 13).
Sofern überprüfbar dargelegt wird, dass der Schüler von der mit dem geringeren Beförderungsaufwand zu erreichenden Schule tatsächlich (z.B. aus Kapazitätsgründen) nicht aufgenommen wurde, erweitert sich die Schulbeförderungspflicht auf die dann nächstgelegene Schule (s. VG München, U.v. 10.02.2015 – M 3 K 12.5937 -, juris, Rn. 26). Im vorliegenden Fall konnte jedoch von Seiten der Klägerin nicht belegt werden, dass der Klägerin bei Anmeldung zu den vorgesehenen Anmeldeterminen im Schuljahr 2015/2016 ein Besuch in der nächstgelegenen …-… Realschule in … nicht möglich gewesen wäre. Die insoweit von der Klägerin vorgelegte Bestätigung der …-… Realschule vom 22. Januar 2016 bezieht sich nur auf die Aufnahme zum Halbjahr im Februar 2015 und nur auf den „Französisch-Zweig“, nicht auf die Ausbildungsrichtung der Gruppe III.
Schließlich war die Ablehnung der kostenfreien Beförderung des Klägers zur …-Realschule auch nicht im Hinblick auf § 2 Abs. 4 SchBefV zu beanstanden. Nach § 2 Abs. 4 Nr. 3 SchBefV kann der Aufgabenträger die Beförderung zu einer anderen als der nächstgelegenen Schule ganz oder teilweise übernehmen, wenn der Beförderungsaufwand die ersparten Beförderungskosten zur nächstgelegenen Schule um nicht mehr als 20 v. H. übersteigt. Zum einen grenzt der Kläger die 20%ige Toleranzgrenze ermessensgerecht auf innerhalb des Landkreises liegende Schulen ein, zum anderen wäre die Toleranzgrenze bei Vergleich der Kosten (38,70 € zur …- …-Realschule … – 55,50 € zu der von der Klägerin besuchten …-… Realschule) im vorliegenden Fall überschritten. Es war auch nicht ermessensfehlerhaft im Sinne des § 2 Abs. 4 Nr. 4 SchBefV, dass der beklagte Aufgabenträger im Hinblick auf das allgemeine öffentliche Interesse an einer Begrenzung der finanziellen Aufwendungen auch unter Berücksichtigung der Belange der Klägerin einer Übernahme der Beförderungskosten zu der von der Klägerin besuchten Schule nicht zugestimmt hat. Die Zustimmung nach dieser Vorschrift ist nur in außergewöhnlichen Fällen zu erteilen (BayVGH, U.v. 19.2.2013, a.a.O, juris, Rn. 42). Bei der Entscheidung hierüber durfte der beklagte Aufgabenträger das öffentliche Interesse an einer sparsamen Mittelverwendung (Art. 2 Abs. 1 Satz 3 SchKfrG) als prägenden Grundsatz des Schülerbeförderungsrechts berücksichtigen (vgl. BayVGH, U.v. 10.1.1996 – 7 B 94.1847 – BayVBl. 1996, 434).
Die Klägerin kann auch nicht verlangen, dass der Beklagte die Beförderungskosten wenigstens insoweit zu übernehmen hat, als sie bei einem Besuch zu der nächstgelegeneren Realschule angefallen wären. Es handelt sich insoweit nicht um eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung der Klägerin gegenüber denjenigen Kindern, die dort zur Schule gehen und Fahrtkosten dafür ersetzt bekommen. Die so genannten fiktiven Fahrtkosten werden nach eindeutiger obergerichtlicher Rechtsprechung im Bayerischen Schulwegkostenrecht nicht erstattet (BayVGH, B.v. 30.01.2007 – 7 ZB 06.781 -, juris, Rn. 13; BayVGH, U.v. 12.02.2001 – 7 B 99.3719 -, juris, Rn. 34, m.w. Nachw.), diese Auslegung von § 2 SchBefV verstößt nicht gegen die Bayerische Verfassung (BayVerfGH, E.v. 20.4.1990 – Vf. 28-VI-89 in NVwZ-RR 1991, S. 74). Danach kann ein Schüler nicht die (fiktiven) Beförderungskosten zur nächstgelegenen Schule verlangen, wenn er tatsächlich eine weiter entfernte Schule besucht. Darin liegt kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 118 Abs. 1 BV, da der BayVerfGH hinreichende sachliche Gründe darin sieht, dass es nicht im Interesse einer auf den näheren Einzugsbereich abstellenden Schulplanung liege, durch Übernahme von Beförderungskosten zu entfernter liegenden Schulen die Schülerzahl der nächstgelegenen Schulen zu gefährden. Auch das Recht der Eltern auf Wahl der Schule für ihr Kind aus Art. 6 Abs. 2 GG bleibt unberührt. Ein allgemeiner Anspruch auf Subventionierung von Ausbildungskosten in Gestalt der Übernahme der Beförderungskosten in jedem Fall lässt sich der Verfassung nicht entnehmen.
Mithin bestand zu der von der Klägerin besuchten …-… Realschule im Schuljahr 2015/2016 keine Beförderungspflicht des Beklagten, da es sich weder um diejenige Schule im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SchBefV handelte, die mit dem geringsten Beförderungsaufwand erreichbar war, noch eine Ausnahme von dieser Anspruchsvoraussetzung – etwa durch Vorliegen einer pädagogischen oder weltanschaulichen Eigenheit der Schule – bestand, sodass die Klage keinen Erfolg hat.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Ab. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben