Verwaltungsrecht

Unbegründete Beschwerde eines syrischen Staatsangehörigen gegen Haftanordnung zur Sicherung der Zurückschiebung

Aktenzeichen  4 T 45/16

Datum:
29.1.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 12723
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Traunstein
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 2 Abs. 14, Abs. 15, § 62 Abs. 3 S. 3
FamFG § 23 Abs. 2, § 39, § 58 Abs. 1, § 63 Abs. 1, § 76 Abs. 1, § 84, § 432
RL 2013/33/EU Art. 9

 

Leitsatz

1 Mit der Neufassung des § 2 AufenthG in der ab 1.8.2015 gültigen Fassung hat der deutsche Gesetzgeber die in Art. 2 lit. n VO (EU) Nr. 604/2013 geforderten objektiv gesetzlich festgelegten Kriterien für das Vorliegen einer erheblichen Fluchtgefahr festgelegt. (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine unterbliebene schriftliche Mitteilung der Haftgründe und der Belehrung über die Rechtsmittel führen nicht zur Rechtswidrigkeit der Haftanordnung nach Art. 9 RL 2013/33/EU. (redaktioneller Leitsatz)
3 Die unterlassene Bestellung einer Vertrauensperson nach § 432 FamFG macht die Haftanordnung nicht rechtswidrig, wenn der Betroffene erklärt, dass eine Person seines Vertrauens nicht informiert werden soll. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

1 XIV 84/15 2016-01-05 Bes AGMUEHLDORF AG Mühldorf

Tenor

1. Die Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Mühldorf am Inn vom 05.01.2016 wird zurückgewiesen.
2. Der Betroffene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Dem Betroffenen wird für das Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe gewährt und Rechtsanwalt … zu den Bedingungen eines im Bezirk des Landgerichts Traunstein ansässigen Rechtsanwalts beigeordnet.
4. Der Geschäftswert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Am 24.12.2015 reiste der Betroffene mit dem Zug M79050 von Österreich aus kommend nach Deutschland ein. Bei der bundespolizeilichen Kontrolle in Rosenheim konnte sich der Betroffene mit keinen aufenthaltslegitimierenden Dokumenten ausweisen. Er gab den Beamten zu verstehen, syrischer Staatsangehöriger zu sein. Der Betroffene wurde am 24.12.2015 wegen des Verdachts der unerlaubten Einreise polizeilich vernommen (Bl. 33 ff.).
Mit Schreiben vom 24.12.2015 beantragte die beteiligte Behörde beim Amtsgericht Rosenheim die Anordnung der vorläufigen Freiheitsentziehung im Wege der einstweiligen Anordnung für die Dauer von zwei Wochen. Für den Betroffenen liege ein Eurodac-Treffer für die Schweiz vor. In dem beantragten Zeitraum werde durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) das zur Anwendung kommende Verfahren sowie der Mitgliedstaat bestimmt werden, an den das Rücknahmeersuchen zu richten ist.
Nach persönlicher Anhörung ordnete das Amtsgericht Rosenheim mit Beschluss vom 25.12.2015, Az. 8 XIV 187/15 (Bl. 17 ff.) im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufige Freiheitsentziehung zur Sicherung der Zurückschiebung bis 07.01.2016 an. Mit Beschluss vom 28.12.2015 gab das Amtsgericht Rosenheim das Verfahren an das Amtsgericht Mühldorf am Inn ab, da sich der Betroffene in der zentralen Abschiebehafteinrichtung in Mühldorf befand.
Mit Schreiben vom 28.12.2015 beantragte die beteiligte Behörde bis zum Vollzug der Zurückschiebung, längstens bis 04.02.2016, Haft zur Sicherung der Zurückschiebung anzuordnen. Das BAMF habe am 28.12.2015 mitgeteilt, dass aufgrund des Eurodac-Treffers ein Wiederaufnahmeersuchen an die Schweiz gestellt wurde und die Entscheidung der Schweiz bis 04.02.2016 erwartet werde. Es bestehe der Verdacht, dass der Betroffene untertaucht und sich der Zurückschiebung entziehen werde. Er habe bereits in der Schweiz einen Asylantrag gestellt und sei – ohne das Verfahren dort abzuwarten – nach Deutschland gereist. Zudem bestünden Zweifel an der Identität des Betroffenen, nachdem dieser sich zunächst als Syrer ausgegeben habe.
Nach richterlicher Anhörung vom 05.01.2016 (Bl. 43/44 ff.) ordnete das Amtsgericht Mühldorf mit Beschluss vom 05.01.2016, Az. 1 XIV 84/15 (Bl. 45 ff.) gegen den Betroffenen zur Sicherung der Zurückschiebung Haft an, die mit der Festnahme am 24.12.2015 beginnt und spätestens am 04.02.2016 endet. Das Amtsgericht nahm eine erhebliche Fluchtgefahr (Art. 28 der Dublin – III – Verordnung i. V. m. § 2 Abs. 14, 15 AufenthG) an, da der Betroffene bereits in der Schweiz einen Asylantrag gestellt habe und, ohne die Beendigung dieses Verfahrens abzuwarten, in die Bundesrepublik eingereist ist und sich bei der polizeilichen Kontrolle zur Identitätstäuschung eine falsche Nationalität vorgegeben habe.
Der Betroffene legte mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 07.01.2016, bei Gericht per Fax eingegangen am selben Tag, gegen den Beschluss des Amtsgerichts Mühldorf vom 05.01.2016 Beschwerde ein und beantragte die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haft und die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe (Bl. 52). Das Amtsgericht Mühldorf half am 08.01.2016 der Beschwerde nicht ab.
Die beteiligte Behörde teilte mit Schreiben vom 12.01.2016 (Bl. 57) mit, dass die Schweiz das Ersuchen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge mit dem Verweis auf die Zuständigkeit Italiens abgelehnt hat und nun Italien um Übernahme des Betroffenen gebeten wurde. Die Beteiligte Behörde begründete mit Schreiben vom 21.01.2016 (Bl. 63 ff.) und vom 27.01.2016 (Bl. 87 ff.) den Antrag auf Anordnung der Haft ergänzend und teilte unter anderem mit, dass die Rückführung des Betroffenen für den 03.02.2016 geplant sei.
Die beauftragte Richterin der 4. Zivilkammer hörte den Betroffenen am 25.01.2016 persönlich an (Bl. 81 ff.).
II.
1. Gegen die Anordnung der Haft zur Sicherung der Zurückschiebung durch Beschluss des Amtsgerichts Mühldorf vom 05.01.2016 ist gemäß § 106 Abs. 2 AufenthG i. V. m. § 58 Abs. 1 FamFG das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben. Diese wurde fristgerecht innerhalb der einmonatigen Beschwerdefrist (§ 63 Abs. 1 FamFG) eingelegt und ist zulässig.
2. Die Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Mühldorf am Inn ist unbegründet.
Der Betroffene ist aufgrund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig (§ 58 Abs. 2 Satz 1 Nr.1 AufenthG). Seine Einreise war unerlaubt, da er den erforderlichen Pass nach § 3 AufenthG oder Aufenthaltstitel nach § 4 AufenthG nicht besaß (§ 14 Abs. 1 AufenthG). Die vollziehbare Ausreisepflicht besteht darüber hinaus gemäß § 58 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG.
2.1. Der Anordnung der Zurückschiebehaft lag ein zulässiger Haftantrag der beteiligten Ausländerbehörde vom 28.12.2015, ergänzt durch Schreiben vom 21.01.2016 und vom 27.01.2016, zugrunde. Für Zurückschiebehaftanträge werden insbesondere Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Zurückschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Zurückschiebung und zu der notwendigen Haftdauer verlangt (vgl. § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 – 5 FamFG). Inhalt und Umfang der erforderlichen Darlegung bestimmen sich nach dem Zweck des Begründungserfordernisses. Es soll gewährleisten, dass das Gericht die Grundlagen erkennt, auf welche die Behörde ihren Antrag stützt, und dass das rechtliche Gehör des Betroffenen durch die Übermittlung des Haftantrags nach § 23 Abs. 2 FamFG gewahrt wird (BGH vom 22. Juli 2010, V ZB 28/10, NVwZ 2010, 1511). Die Darlegungen dürfen knapp gehalten sein, müssen aber die für die richterliche Prüfung wesentlichen Punkte des Falles ansprechen (BGH vom 15.09.2011, FGPrax 2011, 317).
a) Bei einer Zurückschiebung nach der Verordnung [EG] Nr. 604/2013 (künftig: Dublin-III-Verordnung) gehören zu den erforderlichen Angaben zur Durchführbarkeit der Zurückschiebung auch Ausführungen dazu, dass und weshalb der Zielstaat nach der Verordnung zur Rücknahme verpflichtet ist (Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 17.10.2013, Az.: V ZB 162/12, zur Dublin II Verordnung).
Aus dem Haftantrag der beteiligten Behörde vom 28.12.2015 geht hervor, dass der Betroffene aufgrund eines Eurodac-Treffers im Wiederaufnahmeverfahren nach der Dublin III Verordnung in die Schweiz zurückgeschoben werden soll. Aus den weiteren ergänzenden Stellungnahmen vom 21.01.2016 und 27.01.2016 ist sodann ersichtlich, dass – nach Ablehnung des Ersuchens durch die Schweiz – eine Zurückschiebung nach Italien beabsichtigt ist.
b) Der Antrag vom 28.12.2015, ergänzt durch Schreiben vom 21.01.2016 und 27.01.2016, enthält eine schlüssige und nachvollziehbare Begründung dafür, dass die beabsichtigte Zurückschiebung des Betroffenen auch nach Bekanntwerden der neuen Umstände (Zuständigkeit Italien) erst am 03.02.2016 erfolgen kann. Eine erforderliche Bearbeitungsdauer von insgesamt 6 Wochen seit Haftbeginn (24.12.2015 bis 04.02.2016) einschließlich gerichtlicher und behördlicher Bearbeitungszeiten seit Aufgriff des Betroffenen ergibt sich nachvollziehbar aus dem Antrag. Ein doppelter Ansatz von Bearbeitungszeiten ist nicht ersichtlich.
2.2. Ob der Hinweis auf das mit Schreiben der Staatsanwaltschaft Traunstein vom 24.12.2015 allgemein erteilte Einvernehmen der Staatsanwaltschaft (vgl. Bl. 15) genügt, kann dahinstehen, da das Einvernehmen nach der Neufassung des § 72 Abs. 4 AufenthG nicht mehr erforderlich ist.
2.3. Es besteht der Haftgrund der erheblichen Fluchtgefahr im Sinne von Art. 28 Abs. 2, Art. 2 lit. n Dublin-III-Verordnung i. V. m. § 2 Abs. 15 Satz 1, Abs. 14 Ziffer 2, 3 AufenthG. Mit der Neufassung des § 2 AufenthG in der ab 01.08.2015 gültigen Fassung hat der deutsche Gesetzgeber die in Art. 2 lit. n Dublin-III-Verordnung geforderten objektiv gesetzlich festgelegten Kriterien für das Vorliegen einer erheblichen Fluchtgefahr festgelegt.
Da vorliegend die Haft zur Sicherung der Überstellung des Betroffenen im Dublin-III-Verfahren angeordnet wurde, sind für das Vorliegen einer erheblichen Fluchtgefahr die in § 2 Abs. 15 AufenthG und durch die Verweisung in Satz 1 die in § 2 Abs. 14 AufenthG festgelegten Kriterien maßgeblich.
Nach § 2 Abs. 14 Ziffer 2 AufenthG kann ein konkreter Anhaltspunkt für eine Fluchtgefahr sein, wenn der Ausländer über seine Identität täuscht, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisepapieren oder das Vorgeben einer falschen Identität. Der Betroffene täuscht offensichtlich über seine Identität. Er hat anlässlich seiner polizeilichen Kontrolle angegeben, syrischer Staatsangehöriger zu sein. Zudem hat er sich in Bezug auf seine Ausweispapiere widersprüchlich geäußert. Im Rahmen seiner polizeilichen Einvernahme hat er angegeben, seinen Pass vor fünf Jahren verloren zu haben (Bl. 36).
Gegenüber der beauftragten Richterin hat er dagegen behauptet, er habe nie einen Pass besessen (Bl. 83). Seine Äußerung, nicht gewusst zu haben, welche Papiere er bei der Polizei unterschreibt, hält die Kammer für nicht glaubhaft, nachdem auch dort ein Dolmetscher zugegen war.
Darüber hinaus hat der Betroffene im Rahmen seiner Asylanträge diverse Aliaspersonalien verwendet, wie sich aus dem Schreiben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 11.01.2016 (Bl. 67/68)ergibt. Hierzu befragt hat er eingeräumt, die Namen Karim BEN ALLE, Ben Alli KARIM, und Mathlouhi RADMAN verwendet zu haben.
Die sichere Identität des Betroffenen steht damit weiterhin nicht fest. Der Betroffene wollte durch sein Verhalten eine andere Identität vortäuschen. Die Kammer hat auch keinen Zweifel daran, dass die Identitätstäuschung von der Intention getragen war, nicht in ein anderes Land zurückgeschoben zu werden.
Die verschiedenen Identitätsangaben begründen auch einen konkreten Anhaltspunkt gem. § 2 Abs. 14 Ziff. 3 AufenthG. Danach kann ein konkreter Anhaltspunkt sein, dass der Ausländer gesetzliche Mitwirkungshandlungen zur Feststellung seiner Identität verweigert oder unterlassen hat, und aus den Umständen geschlossen werden kann, dass er der Abschiebung aktiv entgegenwirken will. Der Betroffene hat bei seiner gerichtlichen Anhörung zudem angegeben, dass er nicht nach Italien gehen würde, wenn Deutschland dort nicht für einen Platz zum Schlafen sorgt. Auf weitere zwei Nachfragen hat er wiederholt, nicht nach Italien gehen zu wollen (Bl. 82).
Aufgrund dessen, dass sich der Betroffene einem Asylverfahren in der Schweiz nicht gestellt hat, der zunächst falschen Angaben über seine Staatsangehörigkeit und der geäußerten ablehnenden Angaben zu einer Zurückschiebung nach Italien liegt zur Überzeugung der Kammer eine erhebliche Fluchtgefahr vor. Die Kammer hat keine Zweifel, dass sich der Betroffene im Falle seiner Entlassung aus der Haft der von der beteiligten Behörde geplanten Zurückschiebung nach Italien entziehen würde.
2.4. Der Haftgrund ist auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit (§ 62 Abs. 1 AufenthG) zu bejahen, da ein milderes Mittel als die Inhaftierung des Betroffenen zur Sicherung der Zurückschiebung nicht gegeben ist. Meldeauflagen, die Verwahrung des Passes oder die Verfügung, sich an einem bestimmten Ort aufzuhalten sind entweder nicht möglich, da der Betroffene keine Ausweisdokumente hat, oder nicht geeignet, um seine Zurückschiebung sicherzustellen. Der Betroffene hat nicht glaubhaft dargetan, dass er sich einer Zurückschiebung nicht entziehen will, § 62 Abs. 3 Satz 3 AufenthG.
2.5. Ein Verstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz ist nicht ersichtlich. Gemäß den ergänzenden Begründungen der beteiligten Behörde vom 21.01.2016 und 27.01.2016 erfolgte die Ablehnung der schweizer Behörden am 04.01.2016, hierüber informierte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 11.01.2016 und bat am selben Tag Italien um die Übernahme des Betroffenen. Hierbei handelt es sich um eine zeitnahe, übliche Bearbeitungsdauer. Eine Zurückschiebung ist zudem innerhalb derselben sechswöchigen Frist auch nach Italien voraussichtlich möglich.
2.6. Die Haftanordnung ist auch nicht wegen Verstoßes gegen Art. 9 der Richtlinie 2013/33/EU (künftig: Aufnahmerichtlinie) aufzuheben. Diese Richtlinie ist zunächst durch den nationalen Gesetzgeber umzusetzen. Auch wenn davon ausgegangen wird, dass eine Umsetzung in nationales Recht innerhalb der gesetzten Frist gemäß Art. 31 der Richtlinien nicht erfolgte und Art. 9 der Richtlinie nunmehr unmittelbare Anwendung findet, ist die Kammer der Auffassung, dass die unterbliebene schriftliche Mitteilung der Haftgründe und der Belehrung über die Rechtsmittel nicht zur Rechtswidrigkeit der Haftanordnung führen. Art. 9 der Aufnahmerichtlinie verlangt keine mündliche Anhörung des Betroffenen. Vielmehr könnte nach dieser Richtlinie die Haftanordnung durch eine Verwaltungs- oder Justizbehörde auch in einem schriftlichen Verfahren ergehen. Das nationale deutsche Recht geht über diese Verfahrensgarantien hinaus, da nach § 420 Abs. 1 Satz 1 FamFG eine persönliche Anhörung des Betroffenen erforderlich ist. Wie sich aus dem vorliegenden Protokoll des Amtsgerichts Mühldorf am Inn ergibt, wurde dem Betroffenen – entsprechend der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – der fertige Beschluss mündlich vom anwesenden Dolmetscher übersetzt. Der Betroffene kannte aufgrund dessen die Gründe, die zu seiner Inhaftierung geführt haben.
Da der Beschluss des Amtsgerichts eine Rechtsmittelbelehrung enthält (§ 39 FamFG), die auch übersetzt wurde, war dem Betroffenen die Möglichkeit der Einlegung eines Rechtsmittels bekannt.
Der Beschluss des Amtsgerichts Mühldorf am Inn betreffend die Anordnung von Sicherungshaft ist auch nicht deshalb rechtswidrig, als der Betroffene nicht schriftlich über die Möglichkeit der unentgeltlichen Rechtsberatung und -vertretung belehrt wurde. Die Verletzung von Verteidigungsrechten des Betroffenen, insbesondere des Anspruchs auf rechtliches Gehör, hat nicht ohne weiteres die Rechtswidrigkeit einer angeordneten Abschiebungshaft zur Folge ein solcher Verfahrensfehler führt nur dann zu einer Aufhebung der Haftanordnung, wenn das Verfahren ohne diesen Fehler zu einem anderen Ergebnis hätte führen können (vgl. BGH, 12.03.2015, V ZB 187/14). Dies ist vorliegend bereits deshalb nicht der Fall, da der Betroffene von der Möglichkeit der unentgeltlichen Rechtsberatung und -vertretung Gebrauch gemacht hat.
2.7. Die unterlassene Bestellung einer Vertrauensperson macht die Haftanordnung ebenfalls nicht rechtswidrig. Bei der Möglichkeit der Bestellung einer Vertrauensperson (§ 432 FamFG) handelt es sich um ein Recht des Betroffenen. Allein aus der Formulierung „Person seines Vertrauens“ ergibt sich, dass das Gericht gegen den Willen des Betroffenen eine solche Person nicht bestellen kann, da diese das Vertrauen des Betroffenen gerade nicht hätte. Auf ausdrückliche Frage bei der Anhörung am 24.12.2015, ob der Betroffene eine Vertrauensperson hat, die informiert werden sollte, verneinte er dies und teilte mit, dass er niemanden hat, der informiert werden sollte.
2.8. Letztlich ist ein Verstoß gegen Art. 36 Abs. 1 b WÜK nicht ersichtlich.
Gemäß höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH, Beschluss vom 22.10.2015 – V ZB 79/15) führt eine unterlassene Belehrung dann zu einer Rechtswidrigkeit der Haftanordnung, wenn das Verfahren ohne den Fehler zu einem anderen Ergebnis hätte führen können.
Vorliegend wurde der Betroffene durch die beteiligte Behörde entsprechend belehrt und hat sich ausdrücklich mit der Unterrichtung seiner konsularischen Vertretung nicht einverstanden erklärt (Bl. 34).
Dass die Pflicht zur Unterrichtung der konsularischen Vertretung nicht eingehalten wurde, beschneidet den Betroffenen aus Sicht der Kammer dann nicht in seinen Rechten, wenn er sich ausdrücklich – wie vorliegend – gegen diese Verständigung wendet.
Tatsachen dafür, dass im Fall der Unterrichtung der konsularischen Vertretung das Verfahren zu einem anderen Ergebnis geführt hätte, hat der Betroffene gerade nicht vorgetragen.
3. Die Kostenentscheidung ergeht gem. § 84 FamFG.
4. Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf §§ 40, 42 FamGKG.
5. Dem Betroffenen war antragsgemäß Verfahrenskostenhilfe zu gewähren und wegen der Schwierigkeit der Rechtslage ein Rechtsanwalt beizuordnen, § 76 Abs. 1 FamFG, § 114 ZPO.

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