Verwaltungsrecht

Unbestimmtheit der Zwangsgeldandrohung

Aktenzeichen  M 10 K 18.1442

Datum:
19.9.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 23940
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwZVG Art. 36 Abs. 3 S. 1, Abs. 5
EWS § 22 Abs. 2
VwGO § 114 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Ziffern 3 und 4 des Bescheids vom 27. Februar 2018 werden aufgehoben.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
IV. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vorher Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.

Gründe

Die zulässige Klage hat teilweise Erfolg. Soweit in Ziffern 3 und 4 des angefochtenen Bescheids Zwangsgelder angedroht werden, ist die Klage erfolgreich. Ziffern 3 und 4 des angefochtenen Bescheids waren daher aufzuheben. Soweit der Kläger in Ziffern 1 und 2 des Bescheids verpflichtet worden ist, Fremdwasserzulaufvorrichtungen von seinem Grundstück zu entfernen und einen Dichtheitsnachweis für seine Grundstücksentwässerungsanlage zu erbringen, bleibt die Klage erfolglos. Sie war insoweit abzuweisen.
1. Die Klage gegen Ziffern 3 und 4 des angefochtenen Bescheids vom 27. Februar 2018 ist begründet, da die dort angedrohten Zwangsgelder rechtswidrig sind und den Kläger in seinen Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
Die auf § 22 Abs. 2 EWS i.V.m. Art. 29 Abs. 2 Nr. 1, 31, 36 Abs. 1 Satz 1 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG) gestützten Zwangsgeldandrohungen sind rechtswidrig, da sie nicht hinreichend bestimmt sind.
Nach Art. 36 Abs. 3 Satz 1 VwZVG muss ein bestimmtes Zwangsmittel angedroht werden. Gemäß Art. 36 Abs. 5 VwZVG ist der Betrag des Zwangsgelds in bestimmter Höhe anzudrohen.
Die Zwangsgeldandrohungen in Ziffern 3 und 4 des angegriffenen Bescheids genügen im konkreten Fall nicht diesen Bestimmtheitsanforderungen.
In Ziffer 3 bzw. 4 wird jeweils ein Zwangsgeld angedroht, wenn „eine der Verpflichtungen aus Nummer 1 bzw. Nummer 2“ nicht erfüllt wird. In Ziffern 1 und 2 wird jedoch jeweils nur eine Verpflichtung (nämlich das Entfernen der Fremdwasserzulaufvorrichtungen in Ziffer 1 und das Erbringen eines Dichtheitsnachweises in Ziffer 2) angeordnet, die aber möglicherweise für mehrere Vorrichtungen oder Leitungen zu erbringen ist und damit ggf. aus verschiedenen Teilhandlungen besteht. Es ist aus den Zwangsgeldandrohungen allerdings nicht klar ersichtlich, ob und ggf. in welcher Höhe ein Zwangsgeld für den Fall anfällt, dass die Verpflichtung aus Ziffer 1 oder Ziffer 2 nicht vollständig erfüllt wird.
2. Im Übrigen, d.h. bezüglich Ziffern 1 und 2 des angefochtenen Bescheids ist die Klage begründet. Der Bescheid ist insoweit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
a) Rechtsgrundlage für die in Ziffern 1 und 2 festgelegten Verpflichtungen des Klägers ist die Entwässerungssatzung der Beklagten vom 19. Dezember 2014. Bedenken gegen die Wirksamkeit der Satzung sind weder vorgetragen noch ersichtlich (zu einer Vorgängersatzung: VG München, U. jew. v. 27.9.2007 – M 10 K 06.3958 und M 10 K 06.3575). Insbesondere findet die Entwässerungssatzung ihre Rechtsgrundlage in Art. 24 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 Gemeindeordnung. Die Entwässerungssatzung der Beklagten entspricht in den für den Fall maßgeblichen Vorschriften auch im Wesentlichen den Regelungen der Mustersatzung von 2012 (Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 6.3.2012, Az.: IB1-1405.12-5, AllMBl 3/2012, S. 182 ff.).
Die Beklagten waren auch befugt, eine Entwässerungssatzung zu erlassen, vgl. § 2 Abs. 5 Unternehmenssatzung der Stadtwerke … vom 29. November 2012 in der Fassung der Änderung vom 6. Mai 2014.
b) Der angefochtene Bescheid ist formell rechtmäßig. Insbesondere waren die Beklagten für den Erlass des Bescheids zuständig, vgl. § 22 Abs. 1 EWS i.V.m. § 2 Abs. 5 Unternehmenssatzung. Die wegen der Zwangsgeldandrohungen erforderliche Zustellung des Bescheids ist auch in nicht zu beanstandender Weise mittels Einwurfeinschreiben erfolgt (Art. 36 Abs. 7, Art. 1 Abs. 5, Art. 4 VwZVG).
c) Ziffer 1 des angegriffenen Bescheids ist materiell rechtmäßig.
aa) Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Einzelfallanordnung nach § 22 Abs. 1 EWS über das Entfernen von Fremdwasserzulaufvorrichtungen auf dem klägerischen Grundstück sind erfüllt.
(1) Diese Anordnung soll die nach § 4, § 1 Abs. 1, § 3 Nr. 2 EWS ausschließlich erlaubte Einleitung von Schmutzwasser in Schmutzwasserkanäle nach § 14 Abs. 1 i.V.m. § 3 Nr. 3 EWS sicherstellen. Aufgrund mehrerer Kontrollen und Überprüfungen seitens der Beklagten sowie nach der Erörterung in der mündlichen Verhandlung ist zwischen den Parteien unstreitig, dass Niederschlags- oder Grundwasser über eine Leitung in die Hebeanlage des Klägers, die sich im Kontrollschacht auf dem klägerischen Grundstück befindet, und damit letztlich in die öffentliche Schmutzwasserkanalisation der Beklagten geleitet wird.
Die Anordnung in Ziffer 1 des Bescheids ist auch hinreichend bestimmt; in Kombination mit dem Betreff des Bescheids ist klar, dass die Anordnung in Ziffer 1 des Bescheids für das klägerische Grundstück ergangen ist.
(2) Der Kläger ist als alleiniger Grundstückseigentümer richtiger Adressat der Anordnung, vgl. § 4 EWS. Es ist rechtlich unerheblich, dass der Kläger sein Anwesen aufgrund des laufenden Scheidungsverfahrens von seiner Frau nicht mehr nutzt.
bb) Fehler der nach § 22 Abs. 1 EWS erforderlichen Ermessensausübung sind im Ergebnis nicht erkennbar.
Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht nach § 114 Satz 1 VwGO auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.
Im vorliegenden Fall haben die Beklagten im angegriffenen Bescheid zwar nicht explizit auf § 22 Abs. 1 EWS Bezug genommen oder die Erforderlichkeit einer Ermessensausübung ausdrücklich erwähnt. Aber der angegriffene Bescheid enthält Ausführungen zur Zumutbarkeit der angeordneten Maßnahme (S. 2 unten und S. 3 oben), die ergänzt durch die Ausführungen in der Klageerwiderung als ausreichende Ausübung eines Ermessens anzusehen sind.
Zum Zweck der Unterbindung des Einleitens von Fremdwasser in die öffentliche Kanalisation ist die Außerbetriebnahme von fremdwassereinleitenden Vorrichtungen auf dem klägerischen Grundstück ein geeignetes Mittel. Ein milderes, gleich wirksames Mittel ist nicht ersichtlich. Die Anordnung in Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids ist auch verhältnismäßig im engeren Sinne. In Abwägung der Interessen des Klägers, insbesondere der geschätzten Kosten der Maßnahme von maximal 1.500 EUR, sowie der Belange der Beklagten, namentlich der hydraulischen Überlastung des Kanals und des Pumpwerks sowie der Mehrkosten der Säuberung der Kläranlage in Höhe von 2.000 EUR jährlich, ist die Anordnung in Ziffer 1 verhältnismäßig.
Der vom Kläger geltend gemachte Umstand, dass nach Ablauf der Spekulationsfrist im Juni 2020 ein Verkauf beabsichtigt sei, führt nicht zur Unzumutbarkeit der angegriffenen Anordnung. Zum einen führt ein Verkauf nicht zwingend dazu, dass die Zuleitung von Fremdwasser vom klägerischen Grundstück in die Kanalisation beendet wird, da mit einem Verkauf nicht notwendigerweise die Stilllegung der klägerischen Grundstücksentwässerungsanlage verbunden ist. Zum anderen ist der behauptete Verkaufszeitpunkt – ab Juni 2020 – nicht hinreichend konkret.
Entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten des Klägers kann der Kläger sich insoweit auch nicht auf Bestandsschutz berufen.
d) Auch Ziffer 2 des angegriffenen Bescheids ist materiell rechtmäßig.
aa) Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Anordnung eines Dichtigkeitsnachweises nach § 22 Abs. 1 EWS i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 3 EWS sind wegen des begründeten Verdachts auf eine Undichtigkeit der Grundstücksentwässerungsanlage gegeben.
Der Kläger ist als (alleiniger) Grundstückseigentümer richtiger Adressat der Maßnahme, vgl. § 12 Abs. 1 Satz 1 EWS.
bb) Auch im Hinblick auf Ziffer 2 des angegriffenen Bescheids sind Fehler der nach § 22 Abs. 1 EWS erforderlichen Ermessensausübung im Ergebnis nicht erkennbar. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen zur Ermessensausübung im Hinblick auf Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids verwiesen.
cc) Der Kläger hat die Verpflichtung aus Ziffer 2 des angefochtenen Bescheids nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung sowie den vorgelegten Unterlagen über eine Dichtigkeitsprüfung, die gerade einen unbekannten Wasserzulauf erwähnt, auch nicht (vollständig) erfüllt.
3. Die Kosten des Verfahrens waren gemäß § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO der Klagepartei aufzuerlegen, da die Beklagte nur zu einem geringen Teil unterlegen ist. Die Aufhebung der Zwangsgeldandrohungen in Ziffern 3 und 4 ist gegenüber Ziffern 1 und 2 des angefochtenen Bescheides zu vernachlässigen (so auch: VG München, U.v. 30.1.2012 – M 10 K 11.1103 – BeckRS 2012, 48544). Entscheidend kommt es dem Kläger darauf an, ob er die Verpflichtungen aus der Entwässerungssatzung in Ziffern 1 und 2 des angegriffenen Bescheids erfüllen muss. Demgegenüber handelt es sich bei den Zwangsgeldandrohungen lediglich um Nebenentscheidungen für die Vollstreckung. Dementsprechend bleiben auch die Zwangsgeldandrohungen grundsätzlich bei der Streitwertfestsetzung ohne Ansatz (vgl. Nr. 1.7.2 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit von 2013).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung fußt auf § 167 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen