Verwaltungsrecht

Unkenntnis von der Einordnung als verbotene Waffe

Aktenzeichen  RN 4 K 20.277

Datum:
10.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 31461
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG § 5 Abs. 2 Nr. 5, § 41

 

Leitsatz

1. Der vorsätzliche Besitz einer verbotenen Waffe führt regelmäßig zur waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit.
2. Ist dem Betroffenen die Einordnung als verbotene Waffe nicht bekannt, so begründet dies allenfalls einen Verbotsirrtum, der den Vorsatz nicht entfallen lässt.

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe

Die Klage, über die das Gericht wegen des Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 101 Abs. 2 VwGO) ist zulässig aber unbegründet. Der angegriffene Bescheid vom 23.1.2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dies gilt sowohl für das Waffenverbot (dazu I.) als auch für die Kostenentscheidung (dazu II.)
I.
Die Behörde hat sich bei der Verhängung des Waffenverbots zutreffend auf § 41 Abs. 1 und 2 WaffG gestützt. Dabei hat sie ihrem Handeln fehlerfrei zugrunde gelegt, dass der Kläger im waffenrechtlichen Sinne unzuverlässig ist (dazu 1.). Bedenken hinsichtlich der Ermessensausübung bestehen nicht (dazu 2.).
1. Das streitgegenständliche Waffenverbot stützt sich in zulässiger Weise auf § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 41 Abs. 2 WaffG. Nach § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG kann die Waffenbehörde den Erwerb und Besitz von nicht erlaubnispflichtigen Waffen und Munition unter anderem dann untersagen, wenn Tatsachen bekannt werden, die die Annahme rechtfertigen, dass dem Besitzer oder Erwerbswilligen die für den Erwerb oder Besitz solcher Waffen oder Munition erforderliche Zuverlässigkeit fehlt. Hierbei hat die Behörde die Tatbestände des § 5 WaffG heranzuziehen (BayVGH, B.v. 22.1.2014 – 21 ZB 13.1781 – juris Rn. 13). Auf fehlende Zuverlässigkeit lässt sich – ungeachtet des Wortlauts des § 41 Abs. 2 WaffG – auch ein Besitzverbot für erlaubnispflichtige Waffen und Munition stützen. Denn die Voraussetzungen des § 41 Abs. 2 WaffG sind nach der Rechtsprechung auch erfüllt, wenn dem Betroffenen die waffenrechtliche Zuverlässigkeit fehlt; eine Untersagung ist dann geboten (BVerwG, U.v. 22.8.2012 – 6 C 30.11 – juris Rn. 35; BayVGH, B.v. 16.1.2019 – 21 C 18.578 – juris Rn. 24).
Die Zuverlässigkeit fehlt nach § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG in der Regel Personen, die gröblich gegen die Vorschriften des Waffengesetzes verstoßen haben. Gröblich ist eine vorsätzliche oder fahrlässige Zuwiderhandlung, die nach ihrem objektiven Gewicht und ihrer Vorwerfbarkeit als schwerwiegend zu beurteilen ist (Heinrich/Steindorf, Waffenrecht 10. Aufl. 2015, § 5 Rn. 25). Verstöße, die vorsätzliche Straftaten darstellen, sind in aller Regel als gröblich einzustufen (BVerwG, U.v. 26.3.1996 – 1 C 12.95 – juris Rn. 25; BayVGH, B.v. 4.3.2016 – 21 CS 15.2718 – juris Rn. 11). Der vorsätzliche Besitz einer verbotenen Waffe führt daher in der Regel zur Unzuverlässigkeit (VG Köln, B.v. 6.5.2009 – 20 L 183/09 – juris Rn. 9; VG Münster, U.v. 29.11.2019 – 1 K 1385/17 – juris Rn. 31 ff.). Ein solcher Verstoß ist für den Kläger zu bejahen. Denn erstens handelt es sich bei der „Affenfaust“ um eine verbotene Waffe (dazu a)), zweitens hat der Kläger ungeachtet seiner Einwendungen vorsätzlich gehandelt (dazu b)) und drittens trägt der Verstoß auch die Regelvermutung der Unzuverlässigkeit (dazu c)).
a) Die sogenannte Affenfaust ist eine verbotene Waffe gemäß Nr. 1.3.2 der Anlage 2 zum Waffengesetz, denn es handelt sich um einen Totschläger. Der Bevollmächtigte des Klägers wendet zu Unrecht ein, dass die Waffeneigenschaft der „Affenfaust“ nicht dargetan sei.
Waffen sind in § 1 Abs. 2 Nr. 2 WaffG definiert als tragbare Gegenstände, die nach ihrem Wesen dazu bestimmt sind, die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen zu beseitigen oder herabzusetzen. Insbesondere zählen dazu Hieb- und Stoßwaffen (Buchst. a). In Zweifelsfällen entscheidet gemäß § 2 Abs. 5 WaffG das Bundeskriminalamt als zuständige Behörde darüber, ob ein Gegenstand dem Waffengesetz unterfällt und ob es sich um einen verbotenen, erlaubnispflichtigen oder erlaubnisfreien Gegenstand handelt. Die als Feststellungsbescheid ergehende Regelung ist für den Geltungsbereich des Waffengesetzes allgemein verbindlich und muss im Bundesanzeiger bekanntgemacht werden (§ 2 Abs. 5 Satz 4 und 5 WaffG). Sie stellt einen anfechtbaren Verwaltungsakt dar (BVerwG, U.v. 24.6.2009 – 6 C 21/08 – NVwZ-RR 2009, 838/839).
Für die streitgegenständliche Affenfaust liegt eine solche Entscheidung vor: Das Bundeskriminalamt hat am 24.11.2015 festgestellt, dass die „Affenfaust“ eine Hiebwaffe darstellt, bei der es sich um einen verbotenen Totschläger gemäß Nr. 1.3.2 der Anlage 2 zum Waffengesetz handelt. Der Bescheid ist am 8.12.2015 im Bundesanzeiger bekanntgemacht worden. Der Kläger muss ihn damit gegen sich gelten lassen.
b) Entsprechend lag in der Ausübung der tatsächlichen Gewalt über die „Affenfaust“ ein gemäß § 52 Abs. 3 und 4 WaffG strafbarer Besitz einer verbotenen Waffe. Dieser stellt sich – entsprechend dem Strafbefehlsantrag der Staatsanwaltschaft – auch als vorsätzlich dar.
Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger behauptet, den Gegenstand nur als Schlüsselanhänger genutzt und nicht erkannt zu haben, dass es sich dabei um eine verbotene Waffe gehandelt hat. Denn zum einen kommt es für die Tatbestandverwirklichung nicht darauf an, wie ein verbotener Gegenstand verwendet wird; allein der Besitz ist strafbar. Zum anderen würde eine Fehlvorstellung über die Einstufung der „Affenfaust“ – wenn sie denn tatsächlich bestanden hat – den Vorsatz nicht ausschließen. Ein solcher Irrtum beträfe nicht den Inhalt eines gesetzlichen Tatbestandsmerkmals, sondern allein die Subsumtion eines in tatsächlicher Hinsicht richtig erkannten Gegenstandes unter die gesetzliche Norm. Denn der Kläger hätte ja auch in diesem Fall die Affenfaust als Metallkugel an einer Schnur wahrgenommen; er hätte lediglich einer Fehlvorstellung darüber unterlegen, dass dieser Gegenstand vom Waffengesetz als verbotener eingestuft wird. Es handelt sich dementsprechend nicht um einen Tatbestandsirrtum im Sinne des § 16 Strafgesetzbuch (StGB), sondern um einen Verbotsirrtum, der gemäß § 17 StGB allein bei Unvermeidbarkeit zum Schuldausschluss führt. Hierfür ist vorliegend schon wegen des eindeutigen, öffentlich bekannt gemachten Feststellungsbescheids des Bundeskriminalamtes nichts ersichtlich.
c) Der begangene Verstoß vermag auch den Schluss auf die Unzuverlässigkeit des Klägers zu rechtfertigen. Eine Abweichung von der Regelvermutung des § 5 Abs. 2 WaffG käme nur in Betracht, wenn die Umstände des betreffenden Verhaltens die Verfehlung des Klägers ausnahmsweise in einem derart milden Licht erscheinen ließen, dass die nach der Wertung des Gesetzgebers durch das Verhalten begründeten Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit im Hinblick auf den Umgang mit Waffen und Munition nicht gerechtfertigt wären (BVerwG, B.v. 21.7.2008 – 3 B 12/08 – NVwZ 2009, 398; BayVGH, B.v. 21.11.2016 – 21 ZB 15.931 – juris Rn. 19). Erforderlich ist nach dieser Rechtsprechung eine tatbezogene Prüfung in Gestalt einer Würdigung der Schwere der Verfehlung und der Persönlichkeit des Betroffenen, wie sie in seinem Verhalten zum Ausdruck kommt.
Der Kläger hat eingewandt, dass er jahrelang Mitglied im Schützenverein gewesen sei, sich waffenrechtlich nie etwas habe zuschulden kommen lassen und über entsprechende Sachkunde verfüge. Er hat weiter darauf verwiesen, dass er seine Waffen vor einiger Zeit aus eigenem Entschluss abgegeben und dass er als Detektiv vielfach erfolgreich mit der Polizei zusammengearbeitet habe.
Diese Gesichtspunkte begründen keinen besonderen Ausnahmefall. Denn § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG lässt für die Unzuverlässigkeit bereits einen einzelnen Verstoß ausreichen, verlangt also nicht, dass über diese Zuwiderhandlung hinaus weitere nachteilige Umstände über den Betroffenen bekannt geworden sind (BayVGH, B.v. 4.7.2012 – 21 ZB 12.819 – juris Rn. 15; OVG NW, B.v. 4.4.2013 – 16 A 2905/11 – juris Rn. 10). Vielmehr setzt es das Waffengesetz als Selbstverständlichkeit voraus, dass ein Waffenbesitzer die geltenden Regeln vollständig und genau befolgt. Es ist dementsprechend unerheblich, ob sich der Kläger tatsächlich nur diesen einen waffenrechtlichen Verstoß zuschulden kommen hat lassen. Die behauptete Sachkunde entlastet den Kläger nicht, sondern erhöht den ihm zu machenden Vorwurf noch. Denn von einem Sachkundigen muss erst recht erwartet werden, dass er verbotene Waffen von anderen Gegenständen unterscheiden kann. Auch die freiwillige Rückgabe der Waffen nach der Geburt der zweiten Tochter führt nicht dazu, dass der Kläger dadurch wieder als zuverlässig erschiene. Denn nach der Einlassung des Klägers liegt dieses Geschehen Jahre zurück. Es hat sich erheblich vor der festgestellten Zuwiderhandlung zugetragen. Rückschlüsse auf die Einstellungen und die Zuverlässigkeit des Klägers im gegenwärtigen Zeitpunkt lassen sich daraus folglich nicht mehr ableiten.
2. Das Waffenverbot ist auch verhältnismäßig und ermessensgerecht. Insbesondere stand der Behörde nicht die Einziehung der „Affenfaust“ als milderes Mittel zur Verfügung. Der Kläger verkennt bei seiner Argumentation, dass das Waffenverbot nicht gegenwärtige Verstöße gegen das Waffengesetz abstellen soll, sondern eine präventive Zielsetzung verfolgt. Die Allgemeinheit soll damit vor Gefahren geschützt werden, die etwa dadurch entstehen, dass Waffen oder Munition in die Hände Unzuverlässiger geraten. Für die Rechtmäßigkeit des Waffenverbots kommt es daher nicht auf den Verbleib der konkreten „Affenfaust“ an.
Ebenfalls nicht ersichtlich ist, dass der Beklagten andere nach § 114 VwGO durch das Gericht zu überprüfende Ermessensfehler unterlaufen wären. Namentlich hat die Behörde zutreffend erkannt, dass ihr vorliegend ein Ermessen zukam. Dass sie einzelne Punkte zu Unrecht in ihre Erwägungen eingestellt oder hieraus ausgeschieden oder aber einzelne Belange fehlgewichtet hätte, ist nicht erkennbar. Dies gilt insbesondere auch für die vom Kläger vorgebrachten, aus seiner Sicht entlastenden Tatsachen. Denn diese stehen der Annahme fehlender Zuverlässigkeit – wie oben unter 1c) dargestellt – nicht entgegen und besitzen daher nicht den ihnen vom Kläger beigemessenen Stellenwert.
II.
Bedenken gegen die Kostenentscheidung in Nr. III des Bescheids sind ebenfalls nicht ersichtlich. Insbesondere ist der von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Kostengesetz, Nr. 2.II.7/37 Kostenverzeichnis gezogene Gebührenrahmen eingehalten.
III.
Rechtsgrundlage der gerichtlichen Kostenentscheidung ist § 154 Abs. 1 VwGO.
IV.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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