Verwaltungsrecht

Unstatthaftes Rechtsmittel – Ausdrückliche Bezeichnung als “Berufung” lässt keinen Raum für anderweitige Auslegung der Rechtsmittelschrift

Aktenzeichen  10 B 19.1067

Datum:
4.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 15156
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GKG § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2, § 63 Abs. 2 S. 1
RDGEG § 3, § 5
VwGO § 57 Abs. 2, § 67 Abs. 2 S. 1, Abs. 4 S. 4, S. 5, § 124 Abs. 1, § 124a Abs. 4, § 125 Abs. 2, § 132 Abs. 2, § 133, § 154 Abs. 2, § 167
ZPO § 222 Abs. 1, Abs. 2, §§ 708 ff.

 

Leitsatz

1 Die Auslegung einer Rechtsmittelschrift als Zulassungsantrag gem. § 124a Abs. 4 VwGO ist ausgeschlossen, wenn sie ausdrücklich als “Berufung” bezeichnet ist. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine Rechtsmittelerklärung, die ein Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigter abgegeben hat, ist einer gerichtlichen Umdeutung grundsätzlich unzugänglich. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
3 Eine Umdeutung kommt nur dann in Betracht, wenn innerhalb der Antragsfrist des § 124a Abs. 4 S. 1 VwGO das wirkliche Begehren klargestellt wird. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 1 K 18.2048 2019-04-30 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Die Berufung wird verworfen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, welche mit Bescheid des Beklagten vom 14. November 2018 abgelehnt wurde.
Das Bayerische Verwaltungsgericht Augsburg hat die darauf gerichtete Verpflichtungsklage mit Urteil vom 30. April 2019, dem Bevollmächtigten des Klägers zugestellt am 9. Mai 2019, abgewiesen und die Berufung nicht zugelassen.
Gegen das Urteil hat der Klägerbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 23. Mai 2019 „Berufung“ eingelegt und weiter ausgeführt, dass die „Berufungsbegründung“ mit gesondertem Schriftsatz erfolge.
Nach Vorlage der Streitakte an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof hat der Senat den Kläger mit Schreiben vom 28. Mai 2019 darauf hingewiesen, dass die eingelegte Berufung nicht statthaft ist.
II.
Die Entscheidung über die Berufung konnte durch Beschluss ergehen, weil sich das Rechtsmittel als unzulässig erweist und die Beteiligten hierzu gehört wurden (§ 125 Abs. 2 VwGO).
Die Berufung ist nicht statthaft. Das Rechtsmittel der Berufung gegen Endurteile steht den Beteiligten nur zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder vom Oberverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtshof) zugelassen wird (§ 124 Abs. 1 VwGO). Obgleich eine solche Zulassung nicht erging, legte der Bevollmächtigte des Klägers trotz der dem angegriffenen Urteil beigefügten zutreffenden und vollständigen Rechtsmittelbelehrungausdrücklich „Berufung“ ein.
Eine Auslegung der Rechtsmittelschrift als Zulassungsantrag gemäß § 124a Abs. 4 VwGO ist angesichts der ausdrücklichen Bezeichnung des Rechtsmittels als „Berufung“ und mangels jeglichen Anhalts für einen davon abweichenden Willen nicht möglich. Gegen eine (versehentliche) Falschbezeichnung spricht schon der in der Berufungsschrift zusätzlich verwendete Begriff der „Berufungsbegründung“ (vgl. OVG Berlin-Bbg, B.v. 24.11.2009 – 9 B 38/09 – juris Rn. 5).
Eine Umdeutung scheidet ebenfalls aus. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, B.v. 19.4.2010 – 9 B 4.10 – juris Rn. 5; B.v. 12.3.1998 – 2 B 20.98 – NVwZ 1999, 641; B.v. 12.9.1988 – 6 CB 35.88 – juris Rn. 16) ist eine Rechtsmittelerklärung, die ein Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigter abgegeben hat, einer gerichtlichen Umdeutung grundsätzlich unzugänglich. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Rechtsbehelfe unterschiedlichen Zwecken dienen. Das ist hier der Fall, denn die Berufung umfasst nicht zugleich den Zulassungsantrag. Beide Rechtsbehelfe sind nicht austauschbar. Sie stehen in einem Stufenverhältnis selbständig nebeneinander. Erst ein erfolgreicher Antrag auf Zulassung der Berufung eröffnet die prozessrechtliche Möglichkeit, dieses Rechtsmittel als nunmehr statthaft einzulegen, so dass eine unzulässige Berufung nicht in einen fristwahrenden Antrag auf Zulassung der Berufung umgedeutet werden kann.
Eine Umdeutung kommt nur dann in Betracht, wenn innerhalb der Antragsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO das wirkliche Begehren klargestellt wird (BVerwG, U.v. 27.8.2008 – 6 C 32.07 – juris Rn. 25; B.v. 19.4.2010 – 9 B 4.10 – juris Rn. 6). Nach Zustellung des Urteils am 9. Mai 2019 endete die Frist für den Zulassungsantrag am 11. Juni 2019 (§ 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 und 2 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB), ohne dass bis dahin eine derartige Klarstellung erfolgt wäre, obwohl der Bevollmächtigte des Klägers noch mit Schreiben des Gerichts vom 28. Mai 2019 auf die Unstatthaftigkeit der eingelegten Berufung hingewiesen wurde. Eine Umdeutung scheidet demzufolge aus.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und § 52 Abs. 2 GKG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.


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