Verwaltungsrecht

Unterbringung in der Psychiatrie – Zuständigkeitsfragen

Aktenzeichen  5 CE 18.1677

Datum:
23.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
FamRZ – 2019, 234
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GVG § 17 Abs. 2 S. 1, § 17a Abs. 2 S. 1
FamFG § 312
UnterbrG Art. 7, Art. 10
VwGO § 40 Abs. 1 S. 1, § 173 S. 1

 

Leitsatz

Unterbringungssachen (auch öffentlich-rechtliche) sind sowohl nach den Regelungen des FamFG als auch nach den Regelungen des bayerischen Unterbringungsgesetzes der ordentlichen Gerichtsbarkeit zugewiesen.  (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 7 E 18.3437 2018-07-31 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner.

Gründe

1. Die zulässige Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Verwaltungsrechtsweg zu Recht für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen verwiesen (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG). Zur Begründung wird auf die zutreffenden Ausführungen im angegriffenen Beschluss verwiesen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
Ergänzend ist im Hinblick auf die Beschwerdebegründung auszuführen:
a) Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Öffentlichrechtliche Streitigkeiten auf dem Gebiet des Landesrechts können einem anderen Gericht auch durch Landesgesetz zugewiesen werden (§ 40 Abs. 1 Satz 2 VwGO).
Das Verwaltungsgericht hat zutreffend dargelegt, dass „Unterbringungssachen“ sowohl nach den Regelungen des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG, §§ 312 ff.) als auch nach den Regelungen des (landesrechtlichen) bayerischen Unterbringungsgesetzes (UnterbrG) der ordentlichen Gerichtsbarkeit zugewiesen sind. Das gilt auch für öffentlich-rechtliche Unterbringungssachen. Soweit das Unterbringungsgesetz die Einschaltung eines Gerichts vorsieht, verweisen die entsprechenden Vorschriften (vgl. Art. 7 Abs. 1 Satz 4 Halbs. 2, Abs. 3 Satz 1, Abs. 5 Satz 2, Art. 10 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2, Abs. 5 Satz 2 UnterbrG) auf die Vorschriften des FamFG für Unterbringungssachen und damit auf die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit.
Die Antragsteller begehren hier die Verpflichtung der Kreisverwaltungsbehörde zur Beauftragung eines Arztes für Psychiatrie mit der Erstellung eines Gutachtens über den gegenwärtigen Gesundheitszustand ihrer Tochter bzw. Schwester, Frau S., nach Art. 7 Abs. 1 Satz 2 und 3 UnterbrG sowie die Verpflichtung der Behörde, unter Berücksichtigung dieses Gutachtens einen Antrag beim zuständigen Gericht auf Entscheidung über eine zwangsweise Unterbringung von Frau S. nach Art. 7 Abs. 3 Satz 1 UnterbrG zu stellen.
Ein derartiger Anspruch dritter Personen auf (amts-)ärztliche Begutachtung und gegebenenfalls Stellung eines entsprechenden Antrags bei dem für die Unterbringung zuständigen Gericht ist im Unterbringungsgesetz nicht vorgesehen. Nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 UnterbrG führt die Kreisverwaltungsbehörde die Ermittlungen von Amts wegen durch. Dementsprechend ist durch Landesgesetz ein Rechtsweg für einen derartigen Anspruch auch nicht bestimmt.
Es kann offen bleiben, ob ein solcher Anspruch dritter Personen auf entsprechendes Tätigwerden der Kreisverwaltungsbehörde als Unterbringungsbehörde sich – wohl nur in extremen Fällen – aus übergeordnetem Recht, z. B. Verfassungsrecht ergeben könnte, etwa wenn ein Schutz dieser dritter Personen vor der Person, die untersucht und gegebenenfalls untergebracht werden soll, auf andere Weise nicht zu erreichen ist. Denn auch über einen solchen etwaigen Anspruch kann nur das für Unterbringungssachen nach §§ 312 ff. FamFG zuständige Gericht, hier das Amtsgericht (vgl. § 23a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 GVG) entscheiden.
Nach Art. 7 Abs. 5 Satz 1 UnterbrG kann der oder die Betroffene, hier Frau S., gegen eine Maßnahme zur Regelung einzelner Angelegenheiten im Rahmen der Vorbereitung der Unterbringung auch schon vor der gerichtlichen Anordnung der Unterbringung Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen, über den gemäß Art. 7 Abs. 5 Satz 2 UnterbrG das für Unterbringungssachen zuständige Gericht, hier also das Amtsgericht, entscheidet. Nach Art. 7 Abs. 5 Satz 4 UnterbrG ist hierfür der Verwaltungsrechtsweg ausdrücklich ausgeschlossen. Daraus ergibt sich zwingend, dass auch für einen etwaigen Anspruch dritter Personen auf Tätigwerden der Kreisverwaltungsbehörde hinsichtlich etwaiger Vorbereitungsmaßnahmen und hinsichtlich eines etwaigen beim Amtsgericht zu stellenden Antrags auf Unterbringung der betroffenen Person dasselbe Gericht zuständig ist, das über etwaige Anträge der betroffenen Person gerade gegen diese Maßnahmen zu entscheiden hat. Denn ansonsten könnte es hinsichtlich ein und derselben Maßnahme der Kreisverwaltungsbehörde zu divergierenden Entscheidungen des Verwaltungsgerichts einerseits und des Amtsgerichts andererseits und damit zu einem Konflikt kommen, der mangels eines gemeinsamen Beschwerdegerichts beider Gerichtszweige schlechthin nicht lösbar wäre.
b) Ein Verstoß gegen die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG liegt entgegen der Beschwerdebegründung in der Verweisung des Rechtsstreits an die ordentliche Gerichtsbarkeit nicht. Soweit das Verwaltungsgericht die Antragsteller auf die Möglichkeit hinweist, gegen die Kreisverwaltungsbehörde eine (Dienst-)Aufsichtsbeschwerde zu erheben, ist das nur eine zusätzliche Möglichkeit. Darüber hinaus hat das Verwaltungsgericht den Rechtsstreit an das Amtsgericht verwiesen. Die Antragsteller können ihren vermeintlichen Anspruch dort weiterverfolgen. Soweit die Antragsteller in der Beschwerdebegründung vortragen, dass das FamFG (vgl. § 315) eine Beteiligung Dritter nicht vorsieht, so übersehen sie, dass sie auch im verwiesenen Verfahren die Antragsteller sind. Ob ein Anspruch besteht, hat das Amtsgericht zu entscheiden. Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG entscheidet das Gericht des zulässigen Rechtswegs, hier nach rechtskräftiger Verweisung also das Amtsgericht, den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten.
c) Ob und inwieweit die Antragsteller im Verfahren vor dem Amtsgericht in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Akteneinsicht erhalten (vgl. hierzu § 13 Abs. 1 FamFG und § 170 Abs. 1 Satz 1 GVG, wonach Verhandlungen, Erörterungen und Anhörungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht öffentlich sind), ist für die Rechtswegfrage nicht maßgeblich. Dem Ansinnen der Antragsteller in der Beschwerdebegründung und mit weiterem Schriftsatz vom 20. August 2018, auch die „medizinischen“ Akten der Behörde beizuziehen, war daher nicht zu folgen.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO. Eine Streitwertfestsetzung war im Hinblick auf Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) entbehrlich.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben