Verwaltungsrecht

Unterhaltssicherung, Verpflichtungsvereinbarung zu spät vorgelegt, Keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

Aktenzeichen  M 15 K 21.2531

Datum:
21.10.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 47181
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
USG § 13
VwVfG § 32

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über die Klage konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten mit Schreiben vom 22. Juni 2021 bzw. 28. September 2021 einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung eines Zuschlags für die Verpflichtung zu längerem Dienst gemäß § 13 USG (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der Bescheid vom 23. Februar 2021 und der Beschwerdebescheid vom 13. April 2021 sind somit rechtmäßig (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Gemäß § 13 USG erhalten Reservistendienst Leistende, die sich vor dem ersten Tag eines Reservistendienstes auf Grund eines entsprechenden Angebots verpflichtet haben, in einem Kalenderjahr mindestens 33 Tage Reservistendienst zu leisten, nach Erfüllung der Verpflichtung einen Zuschlag von 35,- € je Tag, höchstens jedoch 1.470,- € je Kalenderjahr. Eine Verpflichtung ist aber nur wirksam, wenn die Annahme des Verpflichtungsangebots vor dem 15. Tag Reservistendienst im Kalenderjahr beim Bundesamt eingeht (Satz 2 Nr. 1) und im Kalenderjahr nicht bereits Leistungen nach § 12 USG gewährt worden sind (Satz 2 Nr. 2).
2. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
2.1 Die Verpflichtungserklärung wurde dem Bundesamt entgegen § 13 Satz 2 Nr. 1 USG erst am 9. Februar 2021, also dem 16. Tag des Reservistendienstes, und damit zu spät vorgelegt. Entgegen der Auffassung der Klägerseite ergibt sich aus dem Schreiben des Technischen Ausbildungszentrums der Luftwaffe Abteilung …vom 4. Mai 2021 auch nicht, dass die Vereinbarung der zuständigen Stelle lediglich in Papierform zu spät übermittelt wurde. Vielmehr gibt der Verfasser dieses Schreibens ausdrücklich zu, dass die streitgegenständliche Verpflichtungsvereinbarung dem Bundesamt erst am 9. Februar 2021 und „zwei Tage zu spät“ vorgelegt wurde. Eine rechtzeitige elektronische Dateneingabe wird in dem Schreiben mit keinem Wort erwähnt.
2.2 Der Kläger kann sich auch nicht auf § 32 VwVfG berufen.
Nach dieser Vorschrift wird auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten (§ 32 Abs. 1 Satz 1 VwVfG).
a) Im vorliegenden Fall handelt es sich aber nach dem eindeutigen Wortlaut des § 13 Satz 2 Nr. 1 USG bei der Vorlageverpflichtung vor dem 15. Tag des Reservistendienstes nicht um eine Frist im Sinne von § 32 Abs. 1 Satz 1 VwVfG. Vielmehr ist die rechtzeitige Vorlage vom Gesetzgeber bewusst als Wirksamkeitsvoraussetzung ausgestaltet worden, so dass eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausscheidet.
b) Selbst wenn jedoch von einer Frist auszugehen sein sollte, könnte es sich allenfalls um eine sogenannte materielle Ausschlussfrist handeln, bei der die Versäumung den Verlust der materiellen Rechtsposition zur Folge hat und eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand grundsätzlich ausscheidet (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 6.2.1986 – juris Rn.15; VGH BW, U.v. 17.6.2020 – 4 S 3285/19 – juris Rn. 23 f.).
aa) Ein derartiger Ausschluss der Wiedereinsetzung bedarf wegen der einschneidenden Folgen neben einer eindeutigen gesetzlichen Ermächtigung (vgl. VGH BW, U.v. 17.6.2020 – 4 S 3285/19 – juris Rn. 24; Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 22. Aufl. 2021, § 31 Rn. 7, 9a f.) einer besonderen Rechtfertigung, die auch verfassungsrechtlichen Anforderungen standhält (VGH BW, U.v. 17.6.2020 – 4 S 3285/19 – juris Rn. 40 m.w.N.; Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 22. Aufl. 2021, § 31 Rn. 10; § 32 Rn. 12, 65). Das Wiedereinsetzungsrecht soll einen einzelfallbezogenen Ausgleich zwischen den Erfordernissen der Rechtssicherheit und den Forderungen materieller Gerechtigkeit mit Blick auf die Rechte des Betroffenen, insbesondere die Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz – GG), schaffen (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019 zum vergleichbaren § 60 VwGO Rn. 2). Es muss insoweit ein besonderes öffentliches Interesse daran bestehen, dass selbst bei unverschuldeter Fristversäumung keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattfindet. Das öffentliche Interesse muss nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz den generellen Ausschluss der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen (Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 22. Aufl. 2021, § 31 Rn. 10).
bb) Dies zugrunde gelegt, wäre im vorliegenden Fall von der Rechtmäßigkeit einer materiellen Ausschlussfrist auszugehen. Die erforderliche gesetzliche Grundlage liegt hier in Form des § 13 Satz 2 Nr. 1 USG vor. Der Formulierung „nur wirksam, wenn…“, ist eindeutig zu entnehmen, dass der Anspruch auf die Gewährung eines Zuschlags für die Verpflichtung zu längerem Dienst nach 14 Tagen Reservistendienst erlischt und nach Sinn und Zweck eine Wiedereinsetzung ausgeschlossen sein soll (vgl. a. § 32 Abs. 5 VwVfG; Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 22. Aufl. 2021, § 32 Rn. 64).
Auch die sachliche Rechtfertigung für die Präklusion ist nach Auffassung des Gerichts zu bejahen:
Bei Massengeschäften, wie den hier betroffenen Leistungen für Reservisten, ist die Erwägung des Gesetzgebers, dies binnen einer bestimmten Frist abzuschließen, grundsätzlich nicht zu beanstanden (vgl. BVerfG, B.v. 8.10.1985 – 1 BvL 17/83 u.a. – juris Rn. 26). Auch rechtfertigt es grundsätzlich die Anordnung von Ausschlussfristen, wenn damit der Behörde ein Überblick über die noch auf sie zukommenden Ansprüche gegeben werden soll (vgl. BVerwG, U.v. 6.2.1986 – 3 C 42/85 – juris Rn. 18). Ausschlussfristen bezwecken eine möglichst zeitnahe Abrechnung bestehender Ansprüche und vermeiden die im späteren zeitlichen Verlauf auftretenden Schwierigkeiten einer Sachverhaltsaufklärung. Sie dienen der Rechtssicherheit und der Schaffung klarer Rechtsverhältnisse in angemessener Zeit, ebenso wie dem Interesse der Beteiligten an einer zügigen Verwaltungsdurchführung (VG München, U.v. 21.5.2021 – M 17 K 20.946 – UA Rn. 29 zu Umzugskosten, Trennungsgeld und Reisekosten). Der Dienstherr muss im Rahmen der ihm obliegenden sparsamen Verwaltung öffentlicher Mittel insbesondere personelle Maßnahmen planen können. Dazu muss er annähernd übersehen können, mit welchen Forderungen er künftig zu rechnen hat, um durch weitere dienstrechtliche Maßnahmen dieser Art den Haushalt nicht unangemessen zu belasten. Er hat somit ein berechtigtes Interesse an der Schaffung klarer Verhältnisse. Vor diesem Hintergrund ist der Dienstherr nicht nur berechtigt, sondern nach dem Grundsatz der sparsamen Haushaltsführung grundsätzlich auch verpflichtet, gegenüber Ansprüchen auf Dienstbezüge oder Zuschläge den Ablauf einer Ausschlussfrist geltend zu machen (vgl. VG München, U.v. 21.5.2021 – M 17 K 20.946 – UA Rn. 35 m.w.N.).
Eine andere Beurteilung ergibt sich hier auch nicht daraus, dass die „Frist“ des § 13 Satz 2 Nr. 1 USG mit 14 Tagen relativ kurz bemessen ist (vgl. VGH BW, U.v. 17.6.2020 – 4 S 3285/19 – juris Rn. 40).
Die Besonderheit liegt hier darin, dass diese Frist nicht allein bezweckt, der Behörde zu einem möglichst frühen Zeitpunkt eine Übersicht darüber zu verschaffen, welche Forderungen voraussichtlich zu erfüllen sein werden. Es geht nicht allein um einen Anspruch auf Geldzahlung, sondern auch um die Frage, ob der Dienst verlängert wird, d.h. es sind Personalentscheidungen betroffen, die schwer rückgängig zu machen sind (vgl. Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 22. Aufl. 2021, § 32 Rn. 65), vor allem aber nicht längere Zeit ungeklärt bleiben können.
Dies ist auch nicht unverhältnismäßig, da zum einen der Kläger, dem die „Frist“ aufgrund des Wortlauts der Verpflichtungsvereinbarung bekannt sein musste, die Verpflichtungserklärung selbst rechtzeitig hätte vorlegen und damit die nachteiligen Folgen der Präklusion vermeiden können (vgl. BVerfG, B.v. 8.10.1985 – 1 BvL 17/83 u.a. – juris Rn. 29), zumal die Vereinbarung bereits am 4. November 2020 geschlossen worden war. In der Vereinbarung wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass bei kurzfristig abgeschlossenen Verpflichtungsvereinbarungen sowohl der Truppenteil als auch der Verpflichtete (hier: der Kläger) dafür Sorge zu tragen haben, dass die Vereinbarung vor dem 15. Tag Reservistendienst beim Bundesamt eingeht. Dass die Verpflichtungserklärung Letzterem nicht übermittelt worden war, hätte der Kläger durch eine entsprechende Nachfrage beim Bundesamt in Erfahrung bringen können. Zum anderen werden etwaige Härten dadurch abgemildert, dass der Reservistendienst Leistende (nur) im Falle der Unwirksamkeit der Verpflichtungsvereinbarung nach § 13 USG einen Zuschlag für längeren Dienst gemäß § 12 USG erhält (§ 12 Satz 2 USG). Auch der Kläger hat insoweit den Höchstbetrag in Höhe von 700,- € erhalten.
Es kann nach alledem nicht angenommen werden, dass die Reservistendienst Leistenden durch die Regelung in § 13 Satz 2 Nr. 1 USG übermäßig und damit unzumutbar belastet werden (vgl. VGH BW, U.v. 17.6.2020 – 4 S 3285/19 – juris Rn. 40).
cc) Bei materiellen Ausschlussfristen kommt nur unter sehr engen Voraussetzungen eine Ausnahme von der Präklusionswirkung in Gestalt der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht, namentlich, wenn die Ausschlusswirkung nicht mit Treu und Glauben vereinbar ist oder die Frist aufgrund höherer Gewalt versäumt wurde (vgl. VGH BW, U.v. 17.6.2020 – 4 S 3285/19 – juris Rn. 24; Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 22. Aufl. 2021, § 31 Rn. 8 f., 13; § 32 Rn. 6, 66; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019 zum vergleichbaren § 60 VwGO Rn. 2). Hier wurde weder von Klägerseite ein derartiger Ausnahmefall dargelegt, noch ist ein solcher nach dem oben Ausgeführten ersichtlich.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben