Verwaltungsrecht

Untersagung der Nutzung von Kellerräumen zu Wohnzwecken bzw. gewerblichen Zwecken – Brandschutzmängel

Aktenzeichen  M 8 K 16.5956

Datum:
22.5.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO BayBO Art. 31, Art. 76 S. 2
LStVG LStVG Art. 9 Abs. 1 S. 1
VVB VVB § 22
GG GG Art. 2 Abs. 2 S. 1
VwGO VwGO § 102 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Für die Rechtmäßigkeit einer Nutzungsuntersagung genügt das Vorliegen einer formell illegalen Nutzung, wenn die illegal aufgenommene Nutzung nicht offensichtlich genehmigungsfähig ist. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der Nutzungsuntersagung nach Art. 76 S. 2 BayBO handelt es sich um einen Fall gesetzlich intendierten Ermessens, d.h. bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen stellt der Erlass der Nutzungsuntersagung die Regel dar. Ein Abweichen von dieser Regel kommt bei materiellen Brandschutzmängeln nicht in Betracht, da der Schutz der Nutzer vor Gefahren für Leib und Leben inmitten steht. (Rn. 30 – 31) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens gesamtverbindlich zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet und bleibt daher in der Sache ohne Erfolg. Die streitgegenständlichen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Kläger daher nicht in ihren subjektiven Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Die Nutzungsuntersagungen sind auf Grund von Art. 76 Satz 2 BayBO rechtmäßig erlassen worden.
I.
Über den Rechtsstreit konnte auf Grund des Augenscheins und der mündlichen Verhandlung trotz der Abwesenheit der Kläger entschieden werden.
Die Kläger wurden zu den Terminen am 22. Mai 2017 gemäß § 102 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 VwGO ordnungsgemäß unter Wahrung der Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen mit den Schreiben des Gerichts vom 7. März 2017 geladen; der Nachweis der Zustellung an die Kläger am 10. März 2017 durch Zustellungsurkunde befindet sich bei den Gerichtsakten. Auch wurden die Kläger in dem gerichtlichen Schreiben vom 7. März 2017 gemäß § 102 Abs. 2 VwGO darauf hingewiesen, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne sie verhandelt und entschieden werden kann.
Der mit Schreiben vom 31. Mai 2017 (also nach Verkündung des Urteils) erhobene Einwand der Kläger, dass sie nach Erhalt der Klageabweisungsschrift der Beklagten von einer Absetzung des Termins ausgegangen seien, ist nicht nachvollziehbar, da in dem Schriftsatz der Beklagten vom 16. März 2017 die Termine nicht einmal erwähnt werden.
II.
Die Nutzungsuntersagungen sind auf Grund von Art. 76 Satz 2 BayBO rechtmäßig ergangen.
Nach Art. 76 Satz 2 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde für den Fall, dass Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt werden, diese Nutzung untersagen. Für die Rechtmäßigkeit einer Nutzungsuntersagung genügt dabei das Vorliegen einer formell illegalen Nutzung, wenn die illegal aufgenommene Nutzung nicht offensichtlich genehmigungsfähig ist (BayVGH, B.v. 29.5.2015 – 9 ZB 14.2580 – juris Rn. 10; BayVGH, B.v. 20.1.2016 – 9 CS 15.1973 – juris Rn. 12).
1. Eine formell illegale Nutzung liegt vor. Es bestehen für die im Augenscheintermin – und zuvor von der Beklagten – festgestellten Nutzungen der streitgegenständlichen Hobbyräume als eigenständige Nutzungseinheiten zu Wohn- und/oder gewerblichen und/oder sonstigen von der übrigen Wohnnutzung im streitgegenständlichen Anwesen abgekoppelten Zwecken keine Baugenehmigungen.
Hinsichtlich der Sondereigentumseinheit Nummer 38 ist eine Wohnnutzung offenkundig, da dem Gericht im Augenscheintermin ein Bewohner im Schlafanzug und barfüßig die Tür öffnete und angab, er halte sich zwei Tage die Woche in dem Hobbyraum auf; dies sei so mit dem Kläger zu 2) vereinbart. Allein aufgrund dieser glaubhaften Aussage des Bewohners und dessen Auftreten ist das Gericht schon von einer Wohnnutzung überzeugt. Die Einrichtung dieses Hobbyraums mit für eine Wohnnutzung typischer und prägender Ausstattung – ein Doppelbett, ein Fernseher, verschiedene Schränke, ein Heizlüfter, eine Waschmaschine und eine Kühlkombination sowie ein an den Hobbyraum angeschlossenes WC – bestätigten diese Aussage nachdrücklich.
Hinsichtlich der Sondereigentumseinheit Nummer 39 liegt nach Überzeugung des Gerichts ebenfalls eine Wohnnutzung vor. Zwar konnte wegen der Abwesenheit der Kläger und etwaiger Bewohner/Nutzer des Raums dieser nicht von innen besichtigt werden. Durch die frei einsehbaren Fenster konnte sich das Gericht jedoch hinreichend von der Einrichtung des Raums überzeugen. Soweit von außen ersichtlich, befanden sich darin insbesondere ein Sofa und eine Waschmaschine. Auch diese Gegenstände sind für eine Wohnnutzung zweifellos typisch und prägend. Dass der Raum zudem auch mit einer Toilette ausgestattet ist, lässt sich dem den Bescheiden beigefügten Plan entnehmen, von dessen Richtigkeit auszugehen ist. Hinzu kommt, dass sich in dem Raum zum Zeitpunkt des Augenscheins eine Katze befand. Für ein solches Haustier muss regelmäßig und dauerhaft gesorgt werden, zumal eine Katzenklappe oder ähnliche Vorrichtungen (mit Hilfe derer das Tier eigenständig den Raum verlassen könnte) im Augenschein nicht festgestellt werden konnten. Auch dieser Umstand trägt erheblich zur Überzeugung des Gerichts bei, dass eine Wohnnutzung und keine bloße (gelegentliche) Nutzung als Hobbyraum vorliegt.
Hinsichtlich der Sondereigentumseinheit Nummer 40 liegt eine selbständige gewerbliche Nutzung vor. Die Kläger tragen selbst unter Vorlage eines Mietvertrags mit einer Malerin vor, dass der Raum an Dritte vermietet ist und gewerblich genutzt wird. Diese Mieterin ist – laut Mietvertrag – auch nicht in dem streitgegenständlichen Anwesen ansässig. Die Nutzung des Raums durch eine Malerin deckt sich auch mit den gerichtlichen Feststellungen im Augenschein, da insbesondere Bilder und Leinwände von außen durch die Fenster erkennbar waren.
Hinsichtlich der Sondereigentumseinheit Nummer 37 konnte das Gericht im Termin zum Augenschein den entsprechenden Raum zwar weder betreten noch von außen durch die Fenster einsehen, da der Blick auf das Innere durch (Dusch-)Vorhänge verstellt war. Angesichts der Feststellungen zu den übrigen drei streitgegenständlichen Räumen sowie im Hinblick auf den Vortrag der Beteiligten ist das Gericht jedoch davon überzeugt, dass auch in diesem Raum eine Nutzung zu von der übrigen Wohnnutzung im Gebäude abgekoppelten Zwecken stattfindet. Die Kläger haben insbesondere nicht vorgetragen, dass sie selbst oder Bewohner des streitgegenständlichen Anwesens die Einheit als Hobbyraum nutzen. Vielmehr tragen die Kläger selbst vor, dass alle Hobbyräume, also auch Hobbyraum 37, gewerblich vermietet werden.
Weder für die vorliegenden Wohnnoch für die gewerblichen Nutzungen liegen jedoch Baugenehmigungen vor.
Der Bauantrag des Klägers zu 2) vom 3. Mai 2011 für die Nutzungsänderung der Hobbyräume zu einer gewerblichen Nutzung wurde zwar baurechtlich mit Bescheid vom 6. Oktober 2011 genehmigt. Der Kläger zu 2) hat das Bauvorhaben aber nie ausgeführt, sondern vielmehr die Baugenehmigung am 12. August 2013 zurückgegeben, sodass die Baugenehmigung ihre legalisierende Wirkung verloren hat.
2. Die ausgeübten Nutzungen sind auch nicht offensichtlich genehmigungsfähig. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die brandschutzrechtlichen Anforderungen an die Rettungswege gemäß Art. 31 BayBO i.V.m. § 22 VVB, da nach den ohne weiteres nachvollziehbaren Ausführungen der Beklagten aufgrund der Feststellungen der Branddirektion – an deren sachlicher Richtigkeit zu zweifeln kein Anlass besteht – vor allem für die Hobbyräume 37 und 40 eine konkrete brandschutztechnische Gefahr gegeben ist, da der erste Rettungsweg nicht gesichert ist und der zweite Rettungsweg fehlen dürfte. Dem sind die Kläger weder substantiiert entgegengetreten noch haben sie dem Gericht durch Anwesenheit im Termin vom 22. Mai 2017 ermöglicht, die Räumlichkeiten in Augenschein zu nehmen.
3. Die Beklagte hat auch das ihr zustehende Ermessen in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt.
Hieran sind keine überhöhten Anforderungen zu stellen, da es sich bei der Nutzungsuntersagung nach Art. 76 Satz 2 BayBO um ein gesetzlich intendiertes Ermessen handelt, d.h. bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen stellt der Erlass der Nutzungsuntersagung die Regel dar (VG München, B.v. 17.5.2016 – M 8 S. 16.897 – juris Rn. 49).
Ein Abweichen von dieser Regel steht wegen der materiellen Brandschutzmängel schon außer Betracht, da der Schutz der Nutzer der Hobbyräume vor Gefahren für Leib und Leben (vgl. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz – GG) inmitten steht.
Die Auswahl der Kläger als Adressaten der Nutzungsuntersagung aufgrund ihrer Zustandsstörereigenschaft begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Unter dem Gesichtspunkt der effektiven Gefahrenabwehr ist es nachvollziehbar, dass die Beklagte – nachdem der Kläger zu 2) trotz Aufforderung durch die Beklagten die Nennung der Mieter der Hobbyräume verweigert hat – die (Mit-)Eigentümer als Zustandsstörer (vgl. Art. 9 Abs. 1 Satz 1 Landesstraf- und Verordnungsgesetz – LStVG) herangezogen hat. Nur so kann eine effektive Gefahrenabwehr der Gefahren für die besonders gewichtigen verfassungsrechtlichen Schutzgüter gem. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistet werden.
III.
Da auch die Zwangsgeldfestsetzung und die Kostenentscheidung und -rechnung rechtmäßig sind, war die Klage mit der Kostenfolge des §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).


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