Verwaltungsrecht

Untersagung des Erwerbs und des Besitzes erlaubnisfreier Schusswaffen und Munition, Kleiner Waffenschein, Blutalkoholkonzentration von 2,1 Promille und mögliches Führen und Gebrauchmachen einer Waffe oder eines gleichgestellten Gegenstands in diesem Zustand

Aktenzeichen  24 ZB 20.281

Datum:
6.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 9486
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG § 41 Abs. 1 Nr. 2
WaffG § 6 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2
AWaffV § 4 Abs. 1 Nr. 1.b), Abs. 6
WaffVwV Nr. 6.3. zu § 6 WaffG.

 

Leitsatz

Verfahrensgang

M 7 K 17.5929 2019-12-04 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000, – Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen die mit Bescheid der Beklagten vom 17. November 2017 u.a. ausgesprochene, unbefristete Untersagung des Erwerbs und des Besitzes erlaubnisfreier Schusswaffen und Munition sowie den Widerruf seines Kleinen Waffenscheins.
Das Verwaltungsgericht hat seine entsprechende Klage mit Urteil vom 4. Dezember 2019 abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten sei zu Recht ergangen. Es seien Tatsachen bekannt geworden, die Bedenken im Hinblick auf die persönliche Eignung des Klägers im Sinne des § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bzw. § 6 Abs. 1 Satz 1 WaffG begründeten. Dieser sei in eine tätliche Auseinandersetzung verwickelt gewesen, im Zuge derer er in eine Klinik in M. eingeliefert wurde. Dort sei eine Blutalkoholkonzentration von 2,1 Promille festgestellt worden. Dies sei eine Höhe, die nach dem aktuellen Stand der Alkoholforschung auf deutlich normabweichende Trinkgewohnheiten und eine entsprechende Alkoholgewöhnung hindeute, mit der ein erhöhtes Gefährdungspotenzial einhergehe. Trotz daraufhin erfolgter, berechtigter Aufforderung der Beklagten habe der Kläger kein seine Eignung zum Waffenbesitz bestätigendes, amts- oder fachärztliches bzw. fachpsychologisches Zeugnis beigebracht, weswegen die Beklagte gemäß § 4 Abs. 6 Satz 1 AWaffV auf eine entsprechende Nichteignung des Klägers habe schließen dürfen.
Mit dem vorliegenden Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzziel weiter. Er ist der Auffassung, die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, es fehle ihm an der erforderlichen waffenrechtlichen Zuverlässigkeit und persönlichen Eignung, sei rechtsfehlerhaft.
Die Beklagte hat sich im Zulassungsverfahren nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie des vorgelegten Behördenakts verwiesen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der sinngemäß geltend gemachte Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen unter Berücksichtigung des Vortrags in der Zulassungsbegründung, auf dessen Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 124 a Abs. 5 VwGO) nicht. Der Bescheid der Beklagten vom 17. November 2017, mit dem dem Kläger unter anderem der Erwerb und Besitz von erlaubnisfreien Schusswaffen und Munition unbefristet untersagt und sein Kleiner Waffenschein widerrufen wurde, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 VwGO). Der Senat teilt im Ergebnis die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass beim Kläger Tatsachen die Annahme rechtfertigen, er sei alkoholbedingt persönlich nicht geeignet, Waffen zu erwerben oder zu besitzen. Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, die Beklagte habe ihrer Entscheidung einen Vorfall zugrunde gelegt, der keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür liefere, dass es ihm an der erforderlichen waffenrechtlichen Zuverlässigkeit und persönlichen Eignung fehle. Dem ist jedoch nicht zu folgen.
Rechtsgrundlage für die angegriffene Verfügung sind §§ 41 Abs. 1 Nr. 2, 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Abs. 2 WaffG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 1.b), Abs. 6 Satz 1 AWaffV. Für waffenrechtliche Eignungszweifel im Zusammenhang mit Alkohol gelten nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs die für das Fahrerlaubnisrecht entwickelten Grundsätze entsprechend (BayVGH, B.v. 15.8.2016 – 21 CS 18.1247). Zwar mag die noch unter Geltung des § 15 b StVZO a.F. ergangene frühere Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (B.v. 3.6.2013 – 21 C 13.835), auf die sich das Verwaltungsgericht bezieht und nach der eine Blutalkoholkonzentration von 2,09 Promille ohne Hinzutreten weiterer Tatsachen für sich genommen bereits Eignungszweifel im Hinblick auf eine mögliche Alkoholabhängigkeit rechtfertigt, mit dem Inkrafttreten der Fahrerlaubnis-Verordnung überholt sein, nachdem bei einem Ersttäter, der unter Alkoholeinfluss ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr mit einer Blutalkoholkonzentration von wenigstens 1,6 Promille führt, ohne weiteres nur der Verdacht auf Alkoholmissbrauch gerechtfertigt ist (§ 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV). Zwar wird im Fahrerlaubnisrecht auch aktuell ab einer Grenze von 2,0 Promille Blutalkoholkonzentration vom möglichen Vorliegen einer Alkoholabhängigkeit ausgegangen, wenn adäquate Trunkenheitssymptome fehlen (Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 2. Auflage 2017, § 11 FeV, Rn. 21 m.w.N.). Solche Feststellungen wurden aber in Bezug auf den Kläger nicht getroffen.
Unabhängig von der Frage, ob beim Kläger tatsächlich ausreichende Anhaltspunkte für eine mögliche Alkoholabhängigkeit bestanden, lagen jedenfalls Tatsachen vor, die die Annahme rechtfertigten, dass der Kläger aufgrund in seiner Person liegender Umstände mit Waffen und Munition nicht vorsichtig oder sachgerecht umgehen kann und dass die konkrete Gefahr einer Fremd- oder Selbstgefährdung besteht. Im Zusammenhang mit dem anlassgebenden Vorfall hat der Kläger eine Blutalkoholkonzentration von mehr als 1,6 Promille erreicht. Nicht ernstlich zweifelhaft ist in diesem Zusammenhang auch unter Berücksichtigung des Vortrags in der Zulassungsbegründung zunächst, dass die beim Kläger in der N.-Klinik im Anschluss an die tätliche Auseinandersetzung bestimmte Blutalkoholkonzentration eine einer – wie auch immer gearteten – „amtlichen Feststellung“ mittels „Messung durch ein geeignetes Gerät“ gleichwertige Aussagekraft hat; das folgt bereits aus der lediglich beispielhaften Aufzählung in § 6 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Waffengesetz (WaffVwV) vom 5. März 2012 (BAnz. Nr. 47a). Soweit der Kläger außerdem meint, im Hinblick auf die zwischen dem Angriff und dem Alkoholtest in der Klinik liegende Zeitspanne von ca. einer halben Stunde könne auch die Möglichkeit eines Nachtrunks nicht ausgeschlossen werden, überzeugt dies schon angesichts des Umstands, dass er unmittelbar im Anschluss an die gewalttätige Auseinandersetzung im Rettungswagen zur weiteren Abklärung seiner Verletzungen in die Klinik verbracht und dort auf Alkohol getestet wurde, nicht.
Darüber hinaus hat der Kläger in diesem alkoholisierten Zustand entweder – legt man die Angaben der weiteren an dem Vorfall beteiligten Personen zu Grunde (vgl. Bl. 38 ff. d. BA.) – eine Reizstoffpistole oder aber – legt man seine eigenen Angaben zugrunde – ein Reizstoffspray mitgeführt und gegen einen Menschen eingesetzt, der dadurch so massive gesundheitliche Beeinträchtigungen erlitt, dass er mit einem Rettungswagen in eine Klinik verbracht werden musste. Sowohl bei einer Reizstoffpistole als auch bei einem Reizstoffspray kann es sich um Waffen oder gleichgestellte Gegenstände im Sinne des Waffengesetzes handeln (Münchener Kommentar zum StGB, 3. Auflage 2018, § 1 WaffG, Rn. 95 ff. m.w.N.). Vor diesem Hintergrund besteht weiter zumindest der Verdacht, dass der Kläger in maßgeblich alkoholisiertem Zustand eine Waffe oder einen gleichgestellten Gegenstand geführt und benutzt hat. Insgesamt sind damit ausreichende Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass der Kläger Alkoholmissbrauch betrieben hat und aus diesem Grund waffenrechtlich ungeeignet sein könnte.
Sind Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die persönliche Eignung nach § 6 Abs. 1 WaffG begründen, so hat die zuständige Behörde der betroffenen Person auf Kosten der betroffenen Person die Vorlage eines amts- oder fachärztlichen oder fachpsychologischen Zeugnisses über die geistige oder körperliche Eignung aufzugeben (§ 6 Abs. 2 WaffG). Weigert sich der Betroffene in einem solchen Fall, sich auf eigene Kosten untersuchen zu lassen, oder bringt er der zuständigen Behörde das von ihr geforderte Gutachten aus von ihm zu vertretenden Gründen nicht fristgerecht bei, darf die Behörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen.
Neben der nicht zutreffenden Behauptung, der anlassgebende Vorfall sei für die Aufforderung zur Beibringung eines Gutachtens nicht ausreichend, hat der Kläger keine Einwände gegen deren Rechtmäßigkeit vorgebracht, sodass auch ansonsten kein Anlass besteht, hieran zu zweifeln (vgl. § 124 a Abs. 5 VwGO). Unter teilweiser Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens macht der Kläger weiter geltend, die Beklagte habe nicht berücksichtigt, dass er sich bei der gewalttätigen Auseinandersetzung in einer Notwehrsituation befunden habe und keinerlei Feststellungen dahingehend getroffen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang er bereits zuvor wegen Alkoholgenusses auffällig geworden sei. Der Umstand indes, dass sich der Kläger im Rahmen der tätlichen Auseinandersetzung, nach der er zur Behandlung ins Krankenhaus eingeliefert wurde, in einer Notwehrsituation befunden haben will, verhilft seinem Zulassungsbegehren schon deshalb nicht zum Erfolg, weil er nicht entscheidungserheblich gewesen ist. Ausschlaggebend für die Einschätzung, ihm fehle es an der waffenrechtlichen Eignung, ist vielmehr die bei ihm im Anschluss an diese tätliche Auseinandersetzung festgestellte Höhe seiner Blutalkoholkonzentration von 2,1 Promille sowie das mögliche Führen und der mögliche Gebrauch einer Waffe oder eines gleichgestellten Gegenstandes (vgl. oben) sowie seine Weigerung, das – auch in den Augen des erkennenden Senats zu Recht – angeforderte Gutachten beizubringen. Hieraus ergibt sich zugleich, dass die Beklagte nicht verpflichtet war, zusätzliche Feststellungen zu eventuellen weiteren, alkoholbedingten Auffälligkeiten des Klägers in der Vergangenheit zu treffen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 u. 2 GKG, § 47 Abs. 1 u. 3 GKG und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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