Verwaltungsrecht

Untersagung gewerblicher Altkleidersammlung

Aktenzeichen  20 ZB 17.1916

Datum:
11.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 193
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KrWG § 17 Abs. 3 S. 3 Nr. 1, § 18 Abs. 5 S. 2 Alt. 2
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3

 

Leitsatz

1 Private Altkleider-Sammlungen sind nicht als Bestandssammlung in die Betrachtung des Status quo einzubeziehen, wenn sie bestandskräftig oder sofort vollziehbar untersagt wurden oder deren Anzeigen zurückgenommen wurde. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2 Es ist nicht Aufgabe der zuständigen Abfallbehörde, den Umfang der angezeigten Sammlung auf das gerade noch verträgliche Maß zu beschränken. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 17 K 16.5747 2017-07-27 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 20.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin zeigte mit Schreiben vom 13. August 2012, ergänzt durch Schreiben vom 25. September 2012 und 29. Oktober 2012 eine gewerbliche Sammlung von Altkleidern und Altschuhen im Landkreis Weilheim-Schongau (Landkreis) an. Der Beklagte forderte die Klägerin mit Schreiben vom 12. August 2016 auf, Unterlagen zu der klägerseits geltend gemachten, vor dem 1. Juni 2012 durchgeführten Bestandssammlung vorzulegen. Mit weiterem Schreiben vom 24. Oktober 2016 hörte der Beklagte die Klägerin zur beabsichtigten Untersagung der Sammlung an.
Das Landratsamt untersagte mit Bescheid vom 9. Dezember 2016 der Klägerin, gewerbliche Sammlungen von Alttextilien und Altschuhen aus privaten Haushaltungen im Landkreis durchzuführen. Derartige gewerbliche Sammlungen seien spätestens eine Woche nach Zustellung des Bescheides einzustellen. Für den Fall der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung sei die Tätigkeit spätestens eine Woche nach Bestandskraft des Bescheides einzustellen (Nr. 1.1 des Bescheides). Die Klägerin wurde verpflichtet, sämtliche im Landkreisgebiet bestehenden Sammelcontainer innerhalb einer Woche nach Zustellung des Bescheids bzw. bei Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung innerhalb einer Woche nach Bestandskraft des Bescheids zu entfernen (Nr. 1.2). Die sofortige Vollziehung der Nummern 1.1 und 1.2 wurde angeordnet (Nr. 2) und bei Zuwiderhandlung gegen die Nummer 1.1 ein Zwangsgeld in Höhe von 3.000 Euro, bei Zuwiderhandlung gegen die Nummer 1.2 für jeden nicht fristgerecht entfernten Sammelbehälter ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000 Euro angedroht (Nr. 3). Der Klägerin wurden die Kosten des Verfahrens auferlegt, wobei eine Gebühr in Höhe von 250 Euro und Auslagen in Höhe von 4,11 Euro festgesetzt wurden (Nr. 4 und 5).
Die fristgerecht hiergegen zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhobene Klage wies dieses mit Urteil vom 27. Juli 2017 ab. In der Begründung führte es aus, dass die Klage zulässig, aber unbegründet sei. Es seien einerseits Tatsachen bekannt, aus denen sich Bedenken gegen die Zuverlässigkeit des Anzeigenden oder der für die Leitung und Beaufsichtigung der Sammlung verantwortlichen Person ergäben, § 18 Abs. 5 Satz 2, 1. Alt. KrWG (wird ausgeführt). Daneben könne die Untersagung auf § 18 Abs. 5 Satz 2, 2. Alt. i.V.m. § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG gestützt werden, weil die Klägerin die Gewährleistung der ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung der Abfälle nicht hinreichend dargelegt habe (wird ausgeführt). Zudem lägen auch die Voraussetzungen einer Untersagung gemäß § 18 Abs. 5 Satz 2, 2. Alt. i.V.m. § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, 2. Alt. KrWG vor, weil der gewerblichen Sammlung der Klägerin überwiegende öffentliche Interessen entgegenstünden. Es sei von einer wesentlichen Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers auszugehen (§ 17 Abs. 3 Satz 2, 2. Alt. KrWG), weil der Beigeladene eine im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG hochwertige getrennte Erfassung und Verwertung der Abfälle durchführe, die Sammlung der Klägerin nicht wesentlich leistungsfähiger sei und die in der Vorschrift enthaltene Regelvermutung nicht widerlegt sei. § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG stelle eine widerlegbare Vermutung auf. In einem ersten Schritt seien die Anteile des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers sowie der rechtmäßig durchgeführten privaten Sammlungen am Gesamtaufkommen zu ermitteln. Hier habe der Beigeladene im Jahr 2016 762,67 t und gemeinnützige Sammler 68,58 t gesammelt. Hinzu kämen rechtmäßig sammelnde gewerbliche Sammlungen mit insgesamt 120,20 t. Das gesamte Aufkommen an Alttextilien habe damit 2016 951,45 t betragen, so dass auf den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger ein Anteil von 80,16% entfallen sei. In einem zweiten Schritt sei eine Prognose der anstehenden Veränderungen durch die streitgegenständliche Sammlung im Zusammenwirken mit anderen Sammlungen vorzunehmen. Hier seien nicht nur die klägerische Sammlung, sondern alle weiteren gewerblichen Sammlungen einzustellen, die zwar angezeigt, aber noch nicht bestandskräftig untersagt seien, insbesondere solche, deren Untersagung für sofort vollziehbar erklärt worden sei. Nach den Angaben des Beklagten seien hier neben der streitgegenständlichen Sammlung noch die Sammlungen von D… mit 60 t, der Eu… mit 96 t und der AG … mit 84 t angezeigt sowie sofort vollziehbar untersagt. Hinzu komme die Sammlung von E…- … mit 160 t, die nach Angaben dieser Firma bislang noch nicht durchgeführt werde. Anhaltspunkte dafür, dass die Sammlung nicht mehr durchgeführt werden solle, lägen nicht vor. Zusammen mit der Sammlung der Klägerin, die nach ihren eigenen Angaben einen Umfang von jährlich maximal 120 t aufweise, seien somit angezeigte Sammlungen mit einem Gesamtvolumen von 520 t zu berücksichtigen. Ausgehend davon ergebe sich ein zu prognostizierender Rückgang des Anteils des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers um 54,65% auf 25,51%, so dass die Irrelevanzschwelle hier deutlich überschritten sei. Außergewöhnliche Umstände, bei deren Vorliegen von der Irrelevanzschwelle abgewichen werden könne, seien nicht ersichtlich. Zu einem anderen Ergebnis käme man auch dann nicht, wenn man davon ausginge, dass die neu hinzukommenden 520 t nicht vollständig zu Lasten der Sammlung des Entsorgungsträgers gingen, sondern sich der Rückgang anteilsmäßig auf die vorhandenen Sammlungen verteile. Dann würde sich der Anteil des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers um 80,16% von 520 t, d.h. um 416,83 t reduzieren, was einen Rückgang des Anteils von 80,16% auf 36,35%, mithin um 43,81% entspräche, so dass auch bei dieser Rechenmethode die Irrelevanzschwelle signifikant überschritten wäre.
Gemäß § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG sei eine Untersagung zwar nur dann möglich, wenn die Einhaltung der in § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 oder 4 KrWG genannten Voraussetzungen anders nicht zu gewährleisten sei. Diese Regelung stelle eine besondere Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dar, die Untersagung sei als ultima ratio anzusehen. Ein milderes Mittel, um die Erfüllung der Voraussetzungen nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG sicherzustellen, wie etwa Auflagen oder Bedingungen, sei vorliegend aber nicht ersichtlich, insbesondere weil auch Bedenken gegen die Zuverlässigkeit der Klägerin bestünden und die ordnungsgemäße und schadlose Verwertung nicht nachgewiesen sei. Eine räumliche oder mengenmäßige Beschränkung der Sammlung im Hinblick auf den Umstand, dass im Landkreis noch zahlreiche weitere gewerbliche Sammlungen angezeigt und untersagt würden, sei nicht praktikabel. Die Bestimmung individueller Mengenkontingente für jeden einzelnen gewerblichen Sammler, die in ihrer Summe gerade noch keine wesentliche Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung begründeten, sei dagegen oft schwierig. Insbesondere müsste die Mengenbegrenzung bei jeder neuen Anzeige eines gewerblichen Sammlers neu berechnet und festgesetzt werden. Es sei nicht Aufgabe der zuständigen Abfallbehörde, den Umfang der angezeigten Sammlung auf das gerade noch verträgliche Maß zu beschränken. Dabei sei unter Verhältnismäßig-keitsgesichtspunkten auch zu berücksichtigen, dass der Klägerin nicht die gesamte Sammlungstätigkeit, sondern nur die Sammlung im Landkreisgebiet untersagt worden sei. Ebenso wenig seien Vertrauensschutzgesichtspunkte nach § 18 Abs. 7 KrWG zu berücksichtigen. Die Klägerin habe weder konkret vorgetragen, noch sei es sonst ersichtlich, dass sie ihre gewerbliche Sammlung bereits vor dem 1. Juni 2012 durchgeführt habe.
Die Klägerin begründet ihren fristgerecht gestellten Antrag auf Zulassung der Berufung dahingehend, dass die Untersagung nicht auf § 18 Abs. 5 Satz 2, 2. Alt. KrWG gestützt werden könne. Das Verwaltungsgericht verkenne, dass der Beklagte sämtliche neu hinzugetretenen Sammlungen (neben der Klägerin Eu…, D… und AG …*) unter Bezugnahme nahezu identischer Versagungsgründe untersagt habe. Er dürfe im vorliegenden Fall mit Verweis auf eine Beeinträchtigung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers allenfalls einzelne dieser Sammlungen untersagen, nicht jedoch sämtliche Sammlungen, denn jede einzelne Sammlung würde isoliert betrachtet nicht zu einer Beeinträchtigung führen. Dem Beklagten obliege ein Auswahlermessen, das pflichtgemäß auszuüben sei. Dass die Sammlung der E…- … mit angezeigten 160 t bislang gar nicht ausgeführt worden sei und eine Sammlung nach deren eigenen Angaben und in Anbetracht der jahrelangen Untätigkeit von diesem Unternehmen wohl auch nicht ernsthaft erwogen werde, sei vom Verwaltungsgericht rechtsfehlerhaft als unbeachtlich bewertet worden. Da die Untersagung gegen die D… durch Rücknahme des Antrags auf Zulassung der Berufung bestandskräftig geworden sei, sei diese Sammlung bei der Bewertung zukünftig nicht mehr von Relevanz. Ebenfalls lasse das Verwaltungsgericht unberücksichtigt, dass die streitgegenständliche Sammlung im Rahmen der Anwendung der Grundsätze des Bundesverwaltungsgerichts gemäß Urteil vom 30. Juni 2016 (Az. 7 C 4.15) als Bestandssammlung zu berücksichtigen wäre, weil die Sammlung auch nach Auffassung des Verwaltungsgerichts völlig zu Recht bereits im Jahre 2012 aufgenommen worden sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (B.v. 30.1.2017 – 20 CS 16.1416 – insbesondere Rn. 29 bis 35) praxistauglich konkretisiert worden sei, sei bei der Bewertung der Auswirkungen des Marktzutritts eines gewerblichen Sammlers dessen Sammlung nicht isoliert, sondern im Zusammenwirken mit anderen Sammlungen zu betrachten. Richtigerweise müssten sämtliche seitens des Beklagten untersagten Sammlungen daher als Bestandssammlungen betrachtet werden, weil diese bereits seit vielen Jahren rechtmäßig durchgeführt worden seien. Dem Bundesverwaltungsgericht gehe es um schützenswerte Interessen bereits laufender Sammlungen, die mithin auch im vorliegenden Fall zu berücksichtigen seien. Daneben werde die Untersagung dem Gebot der Verhältnismäßigkeit nicht gerecht. Eine Untersagung nach § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG setze voraus, dass die Einhaltung der in § 17 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 3 und 4 KrWG genannten Voraussetzungen anders nicht zu gewährleisten sei. Die Untersagung einer Sammlung sei danach nur unter sehr engen Voraussetzungen zulässig, deren Ermittlung die Behörde vor die Notwendigkeit einer umfassenden Ermittlung des Sachverhalts, einer komplexen rechtlichen Bewertung in mehreren Prüfschritten sowie einer entsprechend vollständigen und lückenlosen Dokumentation aller Prüfschritte und deren Ergebnis veranlasse. Inhaltlich fundierte Erwägungen zur Verhältnismäßigkeit fehlten im Urteil des Verwaltungsgerichts völlig. Daneben habe das Verwaltungsgericht rechtsfehlerhaft auf eine Unzuverlässigkeit der Antragstellerin wegen Verletzung der Anzeigepflicht und wegen vermeintlicher straßenrechtlicher Verstöße geschlossen (wird ausgeführt). Neben dem Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) lägen auch besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache vor (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Die Rechtssache verursache sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht größere, d.h. überdurchschnittliche, das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten. Außerdem liege grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO vor. Die Rechtssache weise im Hinblick und unter Bezugnahme auf die vorstehenden Darlegungen rechtliche Fragen auf, die für die Berufungsinstanz entscheidungserheblich seien und im Sinne der Rechtseinheit einer Klärung bedürften.
Der Beklagte beantragt,
den Antrag auf Zulassung der Berufung abzulehnen.
An der Richtigkeit des Urteils bestünden keine ernstlichen Zweifel. Sie ergäben sich nicht daraus, dass das Verwaltungsgericht ein dem Beklagten obliegendes Auswahlermessen unter mehreren angezeigten Sammlungen verkannt hätte. Denn bei einer Sammlung, die untersagt werde, weil Bedenken gegen die Zuverlässigkeit des Sammlers bestünden oder weil die ordnungsgemäße und schadlose Verwertung des Sammelguts nicht gewährleistet erscheine, könne es nicht darauf ankommen, ob sie isoliert betrachtet auch noch die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers gefährde. Diese Gründe sprächen aber auch, wenn man von einer Auswahlentscheidung ausgehen würde dafür, dass mit der Klägerin nicht die falsche ausgewählt worden sei. Dass die noch nicht durchgeführte Sammlung der E…- … nicht in die Betrachtung einbezogen worden sei, begründe ebenso keine ernstlichen Zweifel. Denn bei dieser handele es sich um eine jedenfalls mögliche Zusatzbelastung im Sinne des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Juni 2016 (Az. 7 C 4.15 – juris, Rn. 54), da diese Firma in einer E-Mail an das Landratsamt vom 8. Februar 2017 geäußert habe, dass weiterhin geplant sei, die Sammlung durchzuführen. Davon abgesehen werde die Irrelevanzschwelle auch dann überschritten, wenn die 160 t pro Jahr gemäß der Anzeige der Firma E…- … … GmbH nicht in die Betrachtung einbezogen worden wäre (wird ausgeführt). Dass die Untersagung gegenüber der D… GmbH inzwischen durch Rücknahme des Antrags auf Zulassung der Berufung gegen das insoweit ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts bestandskräftig geworden sei, sei irrelevant, da der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils derjenige der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht sei. Die Sammlung der Klägerin sei auch nicht als Bestandssammlung zu berücksichtigen gewesen. Das Verwaltungsgericht zähle die Sammlung der Klägerin ersichtlich nur zu den in einem zweiten Schritt im Zusammenwirken mit anderen hinzutretenden Sammlungen zu betrachtenden Sammlungen. Diese Einordnung sei korrekt, nachdem eine untersagte Sammlung logischerweise nicht als den Marktanteil des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers mit prägende Bestandssammlung eingeordnet werden könne, wenn ermittelt werden solle, ob sie ein Überschreiten der Irrelevanzschwelle bewirke oder dazu beitrage. Die Richtigkeit dieser Sichtweise bestätige das Bundesverwaltungsgericht in den Urteilen vom 11. Juli 2017 (7 C 35.15 – juris Leitsatz 1, Rn. 17 ff. und 7 C 36.15 – juris Rn. 20 ff.). Zum anderen berücksichtigten diese Urteile die jeweils streitbetroffene Sammlung eindeutig nicht bei einem Status Quo bzw. bei einem Marktanteil des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers, sondern als hinzutretende Sammlung, die den Marktanteil des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers schmälere (BVerwG a.a.O., Rn. 32 bzw. 35).
Mit Schriftsatz vom 20. November 2017 vertiefte die Klägerseite ihre Ausführungen.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die Behördenakten, die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts und die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 27. Juli 2017 bleibt ohne Erfolg, da die geltend gemachten Zulassungsgründe entweder schon nicht in einer § 124 Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Art und Weise dargelegt wurden (hierzu 1.) oder nicht vorliegen (hierzu 2. und 3.).
1. Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache i.S. von § 124a Abs. 2 Nr. 3 VwGO erfordert, dass der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert, dass er ausführt, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist und erläutert, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist sowie dass er schließlich darlegt, weshalb der Frage eine über die einzelfallbezogene Rechtsanwendung hinausgehende Bedeutung zukommt (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 72). Im vorliegenden Fall hat die Klägerin bereits keine grundsätzlich klärungsbedürftige Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert. Damit sind die Darlegungsanforderungen nicht erfüllt.
2. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts begegnet keinen ernstlichen Zweifeln i.S. des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils liegen vor, wenn die angegriffene Entscheidung mit überwiegender (bzw. hoher) Wahrscheinlichkeit unrichtig ist. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils sind begründet, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BayVGH, B.v. 5.7.2011 – 20 ZB 11.1146 – juris) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – NVwZ-RR 2004, 542). Schlüssige Gegenargumente liegen dann vor, wenn der Rechtsmittelführer substantiiert rechtliche oder tatsächliche Anhaltspunkte aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis nicht richtig ist (BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BVR 2001/10 – NVwZ 2011, 546). Ist das Urteil des Verwaltungsgerichts kumulativ auf mehrere Begründungen gestützt, die jede für sich den Urteilsausspruch trägt, gilt, dass die Zulassungsvoraussetzungen grundsätzlich für jede der Begründungen gegeben sein müssen (Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 32. Ergänzungslieferung Oktober 2016, § 124, Rn. 25).
Das Verwaltungsgericht hat vorliegend die Abweisung der gegen die Untersagungsverfügung des Landratsamts gerichteten Anfechtungsklage der Klägerin auf drei jeweils eigenständig tragende Begründungen gestützt, und zwar Bedenken gegen die Zuverlässigkeit der Klägerin (§ 18 Abs. 5 Satz 2, 1. Alt. KrWG), die nicht ausreichende Darlegung, wie die ordnungsgemäße und schadlose Verwertung der gesammelten Abfälle gewährleistet werde (§ 18 Abs. 5 Satz 2, 2. Alt. i.V.m. § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG) und schließlich der Sammlung entgegenstehende überwiegende öffentliche Interessen (§ 18 Abs. 5 Satz 2, 2. Alt. i.V.m. § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 KrWG). Dies bedeutet im Ergebnis, dass ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung schon dann nicht bestehen, wenn hinsichtlich einer dieser selbstständig tragenden Begründungen keine ernstlichen Zweifel bestehen.
Dies ist hier jedenfalls hinsichtlich der Begründung des Verwaltungsgerichts, dass die streitgegenständliche Sammlung der Klägerin nach § 18 Abs. 5 Satz 2, 2. Alt. KrWG i.V.m. § 17 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3 KrWG untersagt werden konnte, der Fall.
Die Klägerin trägt insoweit vor, dass das Verwaltungsgericht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Juni 2016 (7 C 4.15) falsch auf den Sachverhalt angewendet habe. Tatsächlich hätten die Sammlungen der Klägerin sowie der Eu… GmbH und der AG … als Bestandssammlungen gewertet werden und damit bereits bei der Betrachtung des Status Quo Berücksichtigung finden müssen. Für diese Argumentation spricht zwar, dass das Bundesverwaltungsgericht in dem genannten Urteil vom 30. Juni 2016 auf Rn. 55 ausführt, dass neben den anstehenden Veränderungen bereits rechtmäßig durchgeführte Sammlungen mit den tatsächlichen Sammelmengen in den Blick zu nehmen seien. Sie bildeten den Rahmen, in dem sich die Sammlung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers bewährt und behauptet habe. Das Bundesverwaltungsgericht hat aber auch ausgeführt, dass derartige Bestandssammlungen nur mit den tatsächlich erzielten Sammelmengen in die Berechnung des Status Quo einzubeziehen seien (a.a.O. Rn. 55). Die Klägerin hat aber weder im gerichtlichen Verfahren noch im Zulassungsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof dargelegt, in welchem Umfang sie tatsächlich im Jahr 2016 (auf das das Verwaltungsgericht bei der Ermittlung der Sammelmengen abgestellt hat) tatsächlich Altkleider im Zuständigkeitsgebiet des Landratsamts gesammelt hat. Mangels eines entsprechenden berücksichtigungsfähigen Vortrags vermag die Argumentation der Klägerin keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu begründen. Denn auch wenn man von ihrer rechtlichen Position ausgehen würde, wäre eine Berechnung mangels Angabe der tatsächlichen Sammelmenge nicht möglich.
Im Übrigen entspricht es auch der bisherigen Rechtsprechung des Senats, in Fällen wie dem vorliegenden die streitgegenständliche Sammlung bei der Betrachtung des Status quo nicht zu berücksichtigen: So hat der Senat in seinem Beschluss vom 30. Januar 2017 (20 CS 16.1416 – juris Rn. 32) ausgeführt, dass private Sammlungen nicht in die Betrachtung des Status quo einzubeziehen seien, die bestandskräftig oder sofort vollziehbar untersagt seien oder deren Anzeigen zurückgenommen worden seien. Die Sammlung der Klägerin wurde mit Anordnung der sofortigen Vollziehung (Ziff. 2 des Bescheids vom 19. Dezember 2016) untersagt und war daher auch aus diesem Grunde nicht zu berücksichtigen. Daneben hat auch das Bundesverwaltungsgericht in seinen Entscheidungen vom 11. Juli 2017 (7 C 35.15 – juris Rn. 32 und 7 C 36.15 – juris Rn. 35) die dort streitgegenständlichen Sammlungen allein bei der Betrachtung der Auswirkungen der angezeigten Sammlungen auf die Sammlung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers berücksichtigt.
Letztlich aus den gleichen Gründen waren auch die Sammlungen der Eu…, der AG … und der D… bei der Betrachtung des Status quo nicht zu berücksichtigen. Denn auch diese waren jeweils sofort vollziehbar vom Beklagten untersagt worden (Bescheide v. 19. Dezember 2016, Ziff. 2).
Auch die Angriffe der Klägerin gegen die Prognose der Auswirkungen der streitgegenständlichen Sammlung führen nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit der Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass die streitgegenständliche Sammlung zusammen mit allen anderen gewerblichen Sammlungen, die angezeigt, aber nicht bestandskräftig untersagt sind (S. 22 UA, vgl. auch BVerwG, U.v. 30.6.2016 – 7 C 4.15 – juris Rn. 54 und BayVGH, B.v. 30.1.2017 – 20 CS 16.1416 – juris Rn. 33), zu berücksichtigen ist.
Ob die inzwischen, nach Rücknahme des Antrags auf Zulassung der Berufung gegen das klageabweisende Urteil des VG München (vgl. U.v. 27.7.2017 – M 17 K 17.11; BayVGH, B.v. 13.10.2017 – 20 ZB 17.1917) bestandskräftig untersagte Sammlung der D… bei der Prognose der anstehenden Veränderungen durch die angezeigten Sammlungen (noch) zu berücksichtigen ist oder nicht, kann im Ergebnis dahingestellt bleiben: Denn auch ohne die mit einer jährlichen Sammelmenge von 60 t angezeigte Sammlung der D… belaufen sich die angezeigten gewerblichen Sammlungen auf eine jährliche Summe von 460 t (Klägerin: 120 t; Eu…: 96 t; AG …: 84 t; E…- …: 160 t). Angesichts von tatsächlichen Sammelmengen des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers von 762,67 t im Jahr 2016 (80,16%), der gemeinnützigen Sammler von 68,58 t (7,20%) und der gewerblichen Sammler von 120,20 t (12,63%) würde das Hinzutreten dieser Sammelmenge beim öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger jedenfalls zu einer Reduzierung der Sammelmenge über die Irrelevanzschwelle hinaus und damit zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers führen: Denn auch wenn man zu Gunsten der Klägerin davon ausginge, dass die zusätzlichen Sammelmengen sich anteilig auf alle bisherigen Sammler verteilten, würde sich der Anteil des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers um 368,73 t und damit 38,76% der tatsächlichen Sammelmenge 2016 von 951,45 t reduzieren.
Auch die Frage, ob die Sammlung der E…- … überhaupt als mögliche Zusatzbelastung zu berücksichtigen ist (was angesichts der Tatsache, dass diese Sammlung zwar angezeigt, aber über Jahre noch nicht tatsächlich durchgeführt wurde, auch unter Berücksichtigung der im Zulassungsverfahren vorgelegten Email vom 8. Februar 2017 durchaus zweifelhaft sein mag), kann im Ergebnis dahingestellt bleiben. Denn selbst wenn man die angezeigte Menge dieser gewerblichen Sammlung nicht berücksichtigt, ist die Irrelevanzschwelle überschritten: Als Zusatzbelastung wäre dann eine Sammelmenge von 300 t (Klägerin: 120 t; Eu…: 96 t; AG …: 84 t) zu berücksichtigen. Unter der zugunsten der Klägerin angenommenen Prämisse (s.o.), dass die zusätzlichen Sammelmengen sich anteilig auf die bisherigen Sammler verteilen, würde sich der Anteil des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers dann um 240,48 t und damit 25,27% der tatsächlichen Sammelmenge 2016 reduzieren.
Soweit die Klägerin im Zulassungsverfahren die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Verhältnismäßigkeit der Untersagung nach § 18 Abs. 5 Satz 2, 2. Alt. KrWG angreift, kann sie ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung begründen. Denn es fehlt ihren Ausführungen an einer Darlegung, wie durch eine mildere Maßnahme des Beklagten eine Beeinträchtigung der überwiegenden öffentlichen Interessen i.S.v. § 17 Abs. 3 KrWG hätte verhindert werden können (vgl. insoweit auch BVerwG, U.v. 11.7.2017 – 7 C 35.15 – juris, Rn. 33). Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass eine räumliche oder mengenmäßige Beschränkung der Sammlung (und wohl auch der übrigen angezeigten gewerblichen Sammlungen) im Hinblick auf den Umstand, dass im Landkreis noch zahlreiche weitere gewerbliche Sammlungen angezeigt und untersagt worden seien, nicht praktikabel sei. Die Bestimmung individueller Mengenkontingente für jeden einzelnen gewerblichen Sammler, die in ihrer Summe gerade noch keine wesentliche Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung begründeten, sei dagegen oft schwierig. Insbesondere müsste die Mengenbegrenzung bei jeder neuen Anzeige eines gewerblichen Sammlers neu berechnet und festgesetzt werden. Es sei nicht Aufgabe der zuständigen Abfallbehörde, den Umfang der angezeigten Sammlung auf das gerade noch verträgliche Maß zu beschränken. Dabei sei unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten auch zu berücksichtigen, dass der Klägerin nicht die gesamte Sammlungstätigkeit, sondern nur die Sammlung im Landkreisgebiet untersagt worden sei (UA S. 25 m.w.N.). Die bloße Aussage der Klägerin im Zulassungsverfahren, das Verwaltungsgericht habe sich zur Frage, ob eine mildere Maßnahme hier ausreichend sei, keine Gedanken gemacht, vermag angesichts der dargestellten Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu Möglichkeit und Praktikabilität einer Mengenbegrenzung durch Auflagenbescheide ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung nicht zu begründen.
Da damit eine der drei vom Verwaltungsgericht selbstständig nebeneinander herangezogenen Begründungen für die Rechtmäßigkeit der Untersagung keinen ernstlichen Zweifeln begegnet, ist das Vorbringen zu den übrigen beiden Begründungssträngen unerheblich.
3. Auch eine besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeit i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt nicht vor. Eine Rechtssache weist besondere rechtliche Schwierigkeiten auf, wenn sie das normale Maß erheblich übersteigende, signifikant vom Spektrum verwaltungsgerichtlicher Verfahren abweichende Schwierigkeiten aufweist (Happ in Eyermann, VwGO, § 124 Rn. 27). Besondere tatsächliche Schwierigkeiten liegen bei einem besonders unübersichtlichen oder schwierig zu ermittelnden Sachverhalt vor (Happ a.a.O. Rn. 33). Keiner dieser Fälle liegt hier vor, insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Der Streitwert war nach § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziffer 2.4.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit festzusetzen.
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig, § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO.


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