Verwaltungsrecht

Unwirksamkeit einer Beitrags- und Gebührensatzung

Aktenzeichen  20 B 17.1852

Datum:
18.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 31406
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 161 Abs. 2
BayKAG Art. 8

 

Leitsatz

Eine Beitrags- und Gebührensatzung ist unwirksam, wenn der Satzungsgeber aus Unkenntnis über die Kosten der Niederschlagswasserbeseitigung von der Erhebung gesonderter Niederschlagswassergebühren absieht.  (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 1 K 15.891 2016-03-15 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Das Verfahren wird eingestellt.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 15. März 2016 ist damit wirkungslos geworden.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 35,76 EUR festgesetzt.

Gründe

Nachdem die Beteiligten übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war das Verfahren nach §§ 125 Abs. 1 Satz 1, 92 Abs. 3 VwGO analog einzustellen und gem. § 161 Abs. 2 VwGO lediglich noch nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach ist damit wirkungslos geworden (§§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO).
Billigem Ermessen entspricht es vorliegend, die Kosten des Verfahrens der Beklagten aufzuerlegen, die in der mündlichen Verhandlung den Bescheid vom 6. Februar 2015, soweit er streitgegenständlich geworden ist, aufgehoben und den Kläger damit klaglos gestellt hat (Schübel-Pfister in Eyermann, 15. Aufl. 2019, § 161 Rn. 18). Des Weiteren wäre die Berufung der Beklagten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes aller Voraussicht nach erfolglos geblieben.
Schon die dem streitgegenständlichen Bescheid zugrunde liegende Beitrags- und Gebührensatzung der Beklagten vom 30. Juni 2006 i.d.F. der 5. Änderungssatzung vom 14. Dezember 2012 erweist sich wegen eines Verstoßes gegen das Äquivalenzprinzip als nichtig. In der dem Senat vorgelegten Kostenaufstellung der Entwässerungskosten und ihrer Umlegung auf die Gebührenpflichtigen wurden weder die Kosten für die Straßenentwässerung von den Gesamtkosten der grundstücksbezogenen umlagefähigen Entwässerungskosten abgezogen (BayVGH, U.v. 29.4.2010 – 20 BV 09.2010 – juris Rn. 66), noch ergibt sich daraus, wie hoch der Anteil der Kosten für die Beseitigung des Niederschlagswassers an den Gesamtkosten für die Entwässerung ist. Da nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Senats von der Erhebung einer gesonderten Gebühr für die Niederschlagswasserbeseitigung nur abgesehen werden darf, wenn die durch Gebühren zu deckenden Kosten für die Niederschlagswasserbeseitigung geringfügig sind (vgl. BayVGH, U.v. 31.3.2003 – 23 B 02.1937 – juris Leitsatz 1 und Rn. 31 und U.v. 17.2.2005 – 23 BV 04.1732 – juris Rn. 19), ist eine Beitrags- und Gebührensatzung unwirksam, wenn der Satzungsgeber aus Unkenntnis über die Kosten der Niederschlagswasserbeseitigung von der Erhebung gesonderter Niederschlagswassergebühren absieht. Folge ist ein zu hoher Gebührensatz für die Schmutzwasserbeseitigung zulasten der Gebührenpflichtigen, was zu einer unzulässigen Überdeckung der Abwassergebühren führt.
Zum anderen begegnet die zwischen den Beteiligten in Streit stehende sog. “Bagatellgrenze“ des § 10 Abs. 3a) BGS/EWS wegen Verletzung des Äquivalenzprinzips und des Gleichheitssatzes rechtlichen Bedenken. Die Festlegung derartiger Bagatellgrenzen darf nicht pauschal erfolgen; vielmehr muss sich ihre Rechtfertigung aus den konkreten Umständen im jeweiligen Gemeindegebiet ergeben (vgl. hierzu grundlegend BVerwG, B.v. 28.3.1995 – 8 N 3/93; OVG NRW. U.v. 3.12.2012 – 9 A 2646/11; OVG Schleswig, U.v. 10.12.2010 – 2 LB 24/10; BayVGH, B.v. 18.11.1999 – 23 N 99.1617 – alle juris). Schon das Vorliegen einer heterogenen Siedlungsstruktur im Gemeindegebiet der Beklagten, das aus einer Mischung unterschiedlicher baurechtlicher Nutzungsformen der beitragspflichtigen Grundstücke besteht, dürfte einer pauschalen Regelung entgegenstehen, wonach für 12 m³ Frischwasser, das nachweislich zur Gartenbewässerung verwendet und nicht in die Abwasserbeseitigungsanlage eingeleitet wurde, Abwassergebühren erhoben werden. Diese Regelung benachteiligt Gartengrundstücke, darunter in erster Linie solche, die Frischwassermengen in der Nähe des Grenzwertes zur Gartenbewässerung verwenden; für diese Grundstücke erhöht sich unter Anwendung des modifizierten Frischwassermaßstabs die Gebühr für das tatsächlich der Entwässerungsanlage zugeführte Abwasser unangemessen.
Der von der Vertreterin des Bayerischen Gemeindetages gegenüber der Beklagten als Rechtfertigung für eine pauschale „Bagatellgrenze“ von 12 m³ Frischwasser erwogene Gedanke der Vermeidung von Kontrollaufwand für die ordnungsgemäße Installation der Gartenwasserzähler und die Ermittlung der tatsächlich abziehbaren Wassermengen (vgl. Bl. 3 der Behördenakte) erweist sich als sachfremd, da er den Gebührenpflichtigen pauschal ein Verhalten unterstellt und gleichzeitig den rechtstreuen Gebührenschuldner benachteiligt. Soweit ein Einrichtungsträger Zweifel an der Richtigkeit von Zählerständen hat, könnte eine ordnungsgemäße Installation der Zähler und eine verbrauchsabhängige Erfassung der Wassermengen durch eine Satzungsregelung erreicht werden, die den Abzug für nachweislich zur Gartenbewässerung verwendetes Frischwasser erlaubt, wenn auf Kosten des Gebührenpflichtigen ein geeichter und verplompter Gartenwasserzähler verwendet wird (vgl. Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums des Innern v. 23.7.2009 – Auszug abgedruckt in Nitsche/Baumann/Mühlfeld, Satzungen zur Abwasserbeseitigung, Stand 6/2019, Erl. 69.83).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 53 Abs. 3 Satz 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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