Verwaltungsrecht

Unzulässige Beschwerde mangels Einhaltung des Vertretungszwangs

Aktenzeichen  4 CS 16.217

Datum:
8.2.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO §§ 67 II, IV 1, 146
EMRK EMRK Art. 6
EU-GR-Ch Art. 47 II 2

 

Leitsatz

Tenor

I.
Die Beschwerde des Antragstellers wird verworfen.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 625 € festgesetzt.

Gründe

Der Antragsteller hat mit einem selbst unterzeichneten Schreiben vom 30. Januar 2016 an das Verwaltungsgericht Augsburg vorsorglich „Beschwerde“ gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 14. Januar 2016 eingelegt und dabei handschriftlich vermerkt: „Ich vertrete mich selbst“.
Die Beschwerde ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht eingelegt worden ist. Der Antragsteller konnte, worauf er in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Beschlusses ausdrücklich hingewiesen worden ist, die Beschwerde wirksam nur durch zugelassene Prozessbevollmächtigte einlegen lassen (§ 67 Abs. 4 Satz 1, Abs. 2 VwGO).
Gegen diesen Vertretungszwang bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. z. B. BVerfG, B. v. 16.6.1983 – 1 BvR 664/83 – SozR 1500 § 166 Nr. 10 und juris; Kammerbeschluss v. 18.12.1991 – 1 BvR 1411/91 – juris Rn. 5 m. w. N. zum Vertretungszwang nach § 166 SGG). Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt ausgesprochen, dass die Anrufung der Gerichte von der Erfüllung bestimmter formaler Voraussetzungen abhängig gemacht werden darf, zu denen auch die ordnungsgemäße Vertretung durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten gehören kann (vgl. z. B. B. v. 12.1.1960 – 1 BvL 17/59 – BVerfGE 10, 264 bis 271). Diese dient sowohl den Interessen des betroffenen Bürgers, der ohne qualifizierte juristische Sachkunde weder die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels in zweiter oder höherer Instanz noch dessen Zulassungsvoraussetzungen abschätzen kann, als auch dem Interesse an einer geordneten Rechtspflege, insbesondere einem geordneten Gang des Verfahrens, dessen Vereinfachung, Beschleunigung und Sachlichkeit (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 67 Rn. 28).
Auch ein Verstoß gegen den durch Art. 6 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) garantierten Anspruch auf Zugang zum Gericht ist im Vertretungszwang nicht zu sehen (vgl. BSG, B. v. 21.8.2003 – B 3 P 8/03 – B – juris Rn. 6; B. v. 3.5.2011 – B 9 SB 21/11 B – juris Rn. 3; B. v. 10.12.2014 – B 5 R 378/14b – juris Rn. 2; s. auch EGMR, U. v. 10.5.2007 – 76680/01 – juris Rn. 106 ff. zur Qualifizierung einer Rüge, der Anwaltszwang verletze Art. 6 EMRK, als „offensichtlich unbegründet“). Schließlich verletzt der Vertretungszwang auch nicht Art. 47 Abs. 2 Satz 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EUGrdRCh), wonach sich jede Person vor Gericht beraten, verteidigen und vertreten lassen „kann“. Denn diese Kann-Vorschrift versperrt den Mitgliedstaaten keinesfalls die Möglichkeit, vor ihren Gerichten zweiter oder dritter Instanz einen Vertretungszwang vorzuschreiben (vgl. BSG, B. v. 10.12.2014 – B 5 R 378/14 – juris Rn. 2; B. v. 5.4.2011 – B 5 R 66/11b – juris Rn. 4; BFH, B. v. 22.7.2010 – V S 8/10 – juris Rn. 8). Auch vor dem EuGH besteht im Übrigen ein Vertretungszwang (vgl. Art. 19 Abs. 3 Satzung EuGH sowie Art. 58 Verfahrensordnung des Gerichtshofs).
Da der Antragsteller die Beschwerde vorliegend selbst eingelegt hat, ist sie unzulässig. Einer erneuten Einlegung des Rechtsmittels durch eine in § 67 Abs. 2 VwGO bezeichnete Person oder Organisation steht der Ablauf der Frist des § 147 Abs. 1 VwGO (18.1.2016, 24.00 Uhr) entgegen. Die Beschwerde ist daher als unzulässig zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 2 GKG i. V. m. Nr. 1.7.1 Satz 2 des Streitwertkataloges 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Danach beträgt der Streitwert hier ein Achtel des Streitwertes der Hauptsache, der mit 5.000 € anzusetzen wäre.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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