Verwaltungsrecht

Unzulässige Klage auf Gewährung vorbeugenden Rechtsschutzes gegen Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen

Aktenzeichen  AN 15 K 18.02434

Datum:
13.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 14550
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 43
BayPAG Art. 42, Art. 43

 

Leitsatz

Bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass gegen den Kläger polizeiliche Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen beabsichtigt sind, fehlt es für eine Klage auf vorbeugenden Rechtsschutz dagegen am qualifizierten Rechtsschutzbedürfnis. (Rn. 13 – 15) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

Die Klage hat in Bezug auf den Hauptantrag und auf den Hilfsantrag keinen Erfolg.
Die Klage ist im Hinblick auf den Hauptantrag bereits unzulässig, da der Kläger kein Rechtsschutzbedürfnis besitzt. Somit hat die Klage insoweit keinen Erfolg.
In Bezug auf den vom Kläger geltend gemachten vorbeugenden Rechtschutz führt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 28. November 2019 (10 CE 19.2234) im Hinblick auf das fehlende Rechtsschutzbedürfnis Folgendes aus:
„Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz ist vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Gewaltenteilung und des im Ausgangspunkt reaktiv konzipierten Gebots eines effektiven Rechtsschutzes in Art. 19 Abs. 4 GG grundsätzlich nicht vorbeugend ausgestaltet. Ein Abweichen von dieser Grundentscheidung kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn der nachträgliche Rechtsschutz mit unzumutbaren Nachteilen für den Betroffenen verbunden wäre. Danach ist für einen vorbeugenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO – ebenso wie für eine in der Hauptsache erhobene vorbeugende Feststellungsklage – ein qualifiziertes, gerade auf die Inanspruchnahme vorbeugenden vorläufigen Rechtsschutzes gerichtetes Rechtsschutzinteresse notwendig. Dieses ist grundsätzlich zu verneinen, solange der Antragsteller in zumutbarer Weise auf den von der Verwaltungsgerichtsordnung im Regelfall als angemessen und ausreichend angesehenen nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden kann. Es ist in der Regel zumutbar, die Verwaltungsmaßnahme abzuwarten und anschließend Rechtsmittel hiergegen einzulegen sowie – falls erforderlich – um vorläufigen Rechtsschutz nach § 80, § 80a VwGO nachzusuchen. Ein qualifiziertes Rechtschutzbedürfnis ist hingegen zu bejahen, wenn ohne die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes die Gefahr bestünde, dass vollendete, nicht mehr rückgängig zu machende Tatsachen geschaffen würden oder wenn ein nicht mehr wiedergutzumachender Schaden entstünde (vgl. OVG NW, B.v. 25.8.2017 – 13 B 762/17 – juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 30.11.2010 – 9 CE 10.2468 – juris Rn. 20; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 123 Rn. 37; Schoch in Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, Stand: Juli 2019, § 123 Rn. 45).
Gemessen hieran besteht für das im Eilverfahren geltend gemachte vorbeugende Rechtsschutzbegehren des Antragstellers auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens kein Rechtsschutzinteresse. Für die Vermutung des Antragstellers, dass der Antragsgegner anlässlich der im Jahr 2018 durchgeführten Personenkontrollen Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen ergreifen könnte, gibt es keinen Anhalt. Der Antragsgegner hat klargestellt, dass solche Maßnahmen nicht getroffen worden seien. Der nachträgliche Rechtsschutz ist entgegen der Auffassung des Antragstellers auch nicht wegen der Einschränkung der Benachrichtigungspflichten bei unerheblicher Betroffenheit im Sinne des Art. 50 Abs. 1 Satz 5 PAG als nicht ausreichend oder angemessen zu erachten. Denn danach kann nach Ermessen eine Benachrichtigung nur gegenüber den Personen, die selbst nicht Adressat der Maßnahmen waren und die in nur unerheblicher Weise betroffen sind, eine Benachrichtigung unterbleiben (Bär in BeckOK Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, Möstl/ Schwabenbauer, Stand: 1.2.2019, Art. 50 PAG Rn. 24). Zielpersonen von Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen sind demzufolge nicht von dieser Ausnahme der Benachrichtigungspflicht erfasst.Die weiteren Ausführungen des Antragstellers zur Begründung seiner Beschwerde, u.a. in Bezug auf die Klärungsbedürftigkeit strittiger Rechtsfragen, die Auswirkungen der PAGNovelle im Zusammenhang mit Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen und deren Bewertung in der Praxis, Literatur und Rechtswissenschaft sowie zur europarechtlichen Fragestellungen, tangieren allenfalls materiellrechtliche Probleme, verhalten sich aber nicht zu der hier entscheidungserheblichen Frage des (fehlenden) Rechtschutzinteresses für den begehrten vorbeugenden Eilrechtsschutz.“
Das erkennende Gericht schließt sich diesen überzeugenden Ausführungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, die auch für das Hauptsacheverfahren Geltung besitzen, in vollem Umfang an und kann auch vor dem Hintergrund des aktuellen Vorbringens des Klägers nichts für das Vorliegen eines qualifizierten Rechtsschutzbedürfnisses erkennen.
Auch gibt es nach wie vor keine Anhaltspunkte für beabsichtigte polizeiliche Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen im Hinblick auf den Kläger. Sollte zukünftig durch die Polizei tatsächlich eine Telekommunikationsüberwachung im Hinblick auf den Kläger durchgeführt werden bzw. der Diensteanbieter des Klägers zur Mitwirkung verpflichtet werden, so besteht in diesem Fall ausreichender Rechtsschutz des Klägers dadurch, dass derartige Maßnahmen gemäß Art. 42 Abs. 6 PAG und Art. 43 Abs. 8 PAG grundsätzlich dem Richtervorbehalt unterliegen bzw. bei Gefahr im Verzug gemäß Art. 92 Abs. 3 PAG unverzüglich eine nachträgliche richterliche Bestätigung der Maßnahme einzuholen ist.
Die Klage ist somit in Bezug auf den Hauptantrag unzulässig. Nichts anderes gilt im Hinblick auf den Hilfsantrag. Auch insoweit fehlt dem Antragsteller das (qualifizierte) Rechtsschutzbedürfnis.
Eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nach Art. 267 AEUV ist nicht angezeigt, da es aufgrund der Unzulässigkeit der Klage auf die vom Kläger aufgeworfenen Fragestellungen zur Vereinbarkeit der Art. 42, 43 PAG mit dem Unionsrecht nicht ankommt.
Die Klage ist mithin mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.


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