Verwaltungsrecht

Unzulässiger Antrag auf einstweiligen Recht

Aktenzeichen  M 19 S 20.50153

Datum:
18.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 20247
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 4, Asb. 5
Dublin-III-VO Art. 27 Abs. 4

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die Abschiebung nach Griechenland im Rahmen des sog. Dublin-Verfahrens. Er wendet sich gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 12. Februar 2020, mit dem sein Asylantrag als unzulässig abgelehnt worden ist.
Am 19. Februar 2020 erhob er Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München (M 19 K 20.50150) und beantragte gleichzeitig,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid anzuordnen.
Mit Schreiben vom 9. April 2020 erklärte die Antragsgegnerin, dass sie dem Antragsteller gegenüber die Vollziehung der Abschiebungsanordnung nach § 80 Abs. 4 VwGO i.V.m. Art. 27 Abs. 4 Dublin-III-VO ausgesetzt hat, weil „im Hinblick auf die Entwicklung der Corona-Krise (…) Dublin-Überstellungen nicht zu vertreten sind“. Weiter erklärte die Antragsgegnerin: „Die abgegebene Erklärung gilt unter dem Vorbehalt des Widerrufs.“
Mit Schreiben vom 15. April 2020 hat das Gericht den Antragsteller aufgefordert, eine prozessbeendende Erklärung abzugeben. Der Antragsteller hat hierauf nicht reagiert.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist unzulässig.
Die Antragsgegnerin hat die Vollziehung der Abschiebungsanordnung von Amts wegen nach § 80 Abs. 4 VwGO ausgesetzt. Diese Aussetzungsentscheidung stellt als Gegenstück zum vorliegend gesetzlich angeordneten Sofortvollzug die aufschiebende Wirkung des Rechtsmittels mit Ex-nunc-Wirkung wieder her (vgl. Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 80 Rn. 104). Kommt daher der erhobenen Klage gegen den Bescheid vom 12. Februar 2020 nunmehr aufschiebende Wirkung zu, ist der erhobene Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht mehr statthaft.
Misst man der Entscheidung der Behörde nach § 80 Abs. 4 Satz 1 VwGO demgegenüber „nur“ ein rechtsdogmatisch von der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung zu unterscheidendes Vollziehungsverbot bei, würde nicht schon die Statthaftigkeit, aber das Rechtsschutzbedürfnis des Antrags entfallen. Denn auch nach dieser Ansicht ist der Rechtsschutzsuchende „im Ergebnis (…) so gestellt, als führte sein Rechtsbehelf zum Eintritt der aufschiebenden Wirkung“ (Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, EL 22, Stand: September 2011, § 80 Rn. 317).
Die Zulässigkeit des Antrags bleibt vor diesem Hintergrund nicht deshalb erhalten, weil die Antragsgegnerin erklärt hat, dass die Aussetzung der Vollziehung unter dem Vorbehalt des Widerrufs steht. Denn diese Erklärung gibt nur die ohnehin bestehende Rechtslage wieder. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts legt sich durch eine Aussetzung der Vollziehung „die Behörde keine Bindungen auf, die es ihr für die Zukunft erschweren, die Möglichkeiten auszuschöpfen, die ihr der Gesetzgeber mit dem Wegfall der aufschiebenden Wirkung zubilligt“ (BVerwG, B.v. 17.9.2001 – 4 VR 19/01 – NVwZ-RR 2002, 153/153). Die zuständige Behörde kann, soweit keine anderweitigen rechtlichen Bindungen bestehen, die Aussetzungsentscheidung ändern oder aufheben. Aus dem Fehlen einer § 80 Abs. 7 VwGO entsprechenden Regelung folgert das Bundesverwaltungsgericht allerdings, dass die Aussetzungsentscheidung nicht jederzeit geändert oder aufgehoben werden darf. Zu einer Neubeurteilung berechtigen allerdings veränderte rechtliche oder tatsächliche Umstände (vgl. BVerwG, B.v. 17.9.2001 – 4 VR 19/01 – NVwZ-RR 2002, 153/153), im konkreten Fall etwa der Wegfall der Pandemie. Dass sich die Antragsgegnerin mit dem erklärten Widerrufsvorbehalt von diesen bundesgesetzlichen Bindungen lösen möchte – und deshalb das Fortbestehen der Zulässigkeit des Antrags zu erwägen sein könnte – ist nicht ersichtlich. In jedem Falle kann eine künftige Änderungsentscheidung der Antragsgegnerin durch den Antragsteller zum Gegenstand eines weiteren Rechtsschutzverfahrens gemacht werden.
Der Antrag war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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