Verwaltungsrecht

Unzulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs, Verweisung an das zuständige Gericht, polizeiliche Maßnahmen

Aktenzeichen  Au 8 E 22.301

Datum:
7.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 4141
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
VwGO § 40 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 98 Abs. 2 Sätze 2 und 3 StPO (analog)
GVG § 17a Abs. 2 und 4

 

Leitsatz

Tenor

I. Der beschrittene Verwaltungsrechtsweg ist unzulässig.
II. Der Rechtsstreit wird an das zuständige Amtsgericht * verwiesen.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt im vorläufigen Rechtsschutz die Überprüfung sowie die Herausgabe des von der Polizei am 29. Januar 2022 beschlagnahmten Pkw, amtliches Kennzeichen, samt Führerschein.
Der streitgegenständliche Pkw samt Führerschein wurde nach Aktenlage im Rahmen einer polizeilichen Maßnahme am 29. Januar 2022 ausweislich der jeweiligen Sicherstellungsprotokolle gemäß §§ 94, 98 StPO wegen des Verdachts eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr zur Strafverfolgung beschlagnahmt. Nach Auskunft des Antragsgegners befinden sich Pkw und Führerschein in einer Verwahrstelle; ein polizeiliches Freigabeschreiben (zur Herausgabe) liege dem Abschleppunternehmen noch nicht vor (vgl. Bl. 5 f. d.A.). Die Akten zum Vorgang befinden sich ferner nach Auskunft des Antragsgegners noch bei der zuständigen Polizeiinspektion; es werde geprüft, ob der Vorgang an die zuständige Staatsanwaltschaft abgegeben werde.
Der Antragsteller beantragt im Wege der einstweiligen Anordnung mit Schriftsatz vom 7. Februar 2022 sinngemäß,
dem Antragsgegner aufzugeben, den Pkw * mit dem amtlichen Kennzeichen * samt Führerschein an ihn herauszugeben.
Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgebracht, dass ein Polizist am 29. Januar 2022 um 17:10 Uhr ohne jeden sachlichen Grund mit einem Schlagstock die Seitenscheibe der Fahrerseite des streitgegenständlichen Pkw eingeschlagen, den Antragsteller anschließend festgenommen und gegen seinen Willen ins Gebäude der zuständigen Polizeiinspektion verbracht habe. Was seither mit seinem Pkw geschehen sei, wisse er nicht. Niemand habe ihm gesagt, was man ihm vorwerfe. Am 30. Januar 2022 hätten zwei Polizisten an seiner Haustüre geklingelt. Sie hätten ihm mitgeteilt, dass er sofort jemand schicken solle, der seinen Pkw aus der Verwahrstelle entfernen solle, da sonst erhebliche Kosten für Verwahrungsgebühren auf ihn zukommen würden. Am 3. Februar 2022 habe man ihm dort gesagt, dass sein Pkw noch nicht von der Polizei freigegeben wäre. Als Grund für ihr willkürliches ungesetzliches Handeln gebe die Polizei in ihrem Sicherstellungsprotokoll „gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr“ an. Dies sei eine Schutzbehauptung desjenigen Polizisten, welcher in seiner Wut, weil er die Türen des Pkw nach außen nicht habe öffnen können, mit einem Schlagstock die linke, vordere Autoscheibe zertrümmert habe. Da der Antragsteller ab 12. Februar um 9 Uhr in einem Skigebiet im Ausland ein Zimmer in einer Ferienpension bis 26. Februar 2022 gebucht und zum Teil schon im Voraus bezahlt habe, könne sein Antrag nicht im Schneckentempo bearbeitet werden. Er brauche mindestens zwei Tage Zeit, um die beschädigte Autotür reparieren zu lassen.
Auf die Antragsbegründung wird im Einzelnen Bezug genommen.
Der Antragsgegner beantragt sinngemäß,
den Rechtsstreit an das sachlich und örtlich zuständige Amtsgericht * zu verweisen.
Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgebracht, dass es sich bei der streitgegenständlichen Beschlagnahme des Pkw sowie des Führerscheins um eine Sicherstellung/ Beschlagnahme zur Strafverfolgung nach §§ 94, 98 StPO handele, die von dem zuständigen Jour-Staatsanwalt der Staatsanwaltschaft * angeordnet worden sei. Es handele sich nicht um eine polizeiliche Sicherstellung zur Gefahrenabwehr gemäß Art. 25 Abs. 1 PAG. Die Sicherstellung sei wegen des Verdachts der Begehung eines Straßenverkehrsdelikts erfolgt (Az. *).
Auf die Antragserwiderung wird im Einzelnen Bezug genommen.
Die Beteiligten wurden telefonisch zur Verweisung des Rechtsstreits an die ordentliche Gerichtsbarkeit angehört. Der Antragsteller erklärt sich mit der Verweisung einverstanden. Er habe bereits einen inhaltsgleichen Antrag beim Amtsgericht * gestellt. Auch der Antragsgegner erklärt sich mit der Verweisung unter Bezugnahme auf ihre Ausführungen in der Antragserwiderung einverstanden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren ergänzend Bezug genommen.
II.
Für das geltend gemachte Rechtsschutzbegehren ist der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet, § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Gemäß § 17a Abs. 2 und 4 GVG ist der Rechtsstreit an das zur Entscheidung sachlich und örtlich zuständige Gericht des einschlägigen Rechtswegs zu verweisen – hier das Amtsgericht, §§ 98 Abs. 2 Sätze 2 und 3 (analog), 162 Abs. 1 StPO i.V.m. Art. 5 Abs. 2 Nr. 6 GerOrgG.
Hierbei sind die §§ 17 ff. GVG auch im vorläufigen Rechtsschutzverfahren analog anwendbar. Die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs ist damit auch vorliegend im nach § 123 VwGO begehrten einstweiligen Rechtsschutz durch das Gericht zu prüfen. Denn die Bejahung des Rechtswegs und der Zuständigkeit bildet eine derart allgemeine Voraussetzung für jede gerichtliche Entscheidung, dass eine Unterscheidung zwischen verschiedenen Verfahrensarten keinen Sinn macht. Wird ein Eilantrag bei einem unzuständigen Gericht gestellt, bringt es für die Beschleunigung nichts, wenn der Antrag nicht an das zuständige Gericht verwiesen, sondern als unzulässig abgelehnt wird mit der Folge, dass er beim zuständigen Gericht neu gestellt werden muss (vgl. hierzu nur BayVGH, B.v. 20.7.2002 – 20 A 02.40066 und 20 A 02.40068 – juris Rn. 9).
Der von dem Antragsteller für sein mit dem Antrag vom 7. Februar 2022 verfolgtes Begehren beschrittene Verwaltungsrechtsweg ist unzulässig, indem hier gemäß §§ 98 Abs. 2 Sätze 2 und 3 (analog), 162 Abs. 1 StPO eine abdrängende Sonderzuweisung zur ordentlichen Gerichtsbarkeit besteht.
Der von einer Beschlagnahme betroffene Gewahrsamsinhaber, Eigentümer oder Besitzer vermag jederzeit – auch wenn er bei der Beschlagnahme anwesend war oder der Beschlagnahme nicht widersprochen hat – gemäß § 98 Abs. 2 Sätze 2 und 3 StPO eine richterliche Entscheidung zu beantragen (vgl. BeckOK StPO, § 98 Rn. 18). Da der Antragsteller die (Überprüfung der polizeilichen Maßnahme und) Herausgabe des dabei zur Strafverfolgung beschlagnahmten Pkw samt Führerschein begehrt, verfolgt er der Sache nach eine richterliche Entscheidung nach § 98 Abs. 2 Sätze 2 und 3 StPO über eine repressiv-polizeiliche Maßnahme.
Mithin ist nach § 98 Abs. 2 Sätze 2 und 3 StPO der ordentliche Rechtsweg gegeben. Sachlich und örtlich zuständig ist gemäß § 98 Abs. 2 Satz 3 StPO i.V.m. § 162 Abs. 1 StPO, jedenfalls aber gemäß § 98 Abs. 2 Satz 4 StPO, das Amtsgericht, da die Beschlagnahme in dessen Bezirk erfolgt ist, Art. 5 Abs. 2 Nr. 6 GerOrgG.


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