Verwaltungsrecht

Unzuverlässigkeit infolge Aufbewahrungsmangels

Aktenzeichen  M 7 K 18.2266

Datum:
6.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 52812
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 108, § 113 Abs. 1 S. 1
WaffG§ 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. b,§ 45 Abs. 2 S. 1
AWaffV § 13 Abs. 2
RDGEG § 3, § 5

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.  

Gründe

Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg.
Der Bescheid des Landratsamts vom 17. April 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Zu dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, hier des Bescheidserlasses, lagen die Voraussetzungen für den gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG gesetzlich zwingend vorzunehmenden Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis, vorliegend des Kleinen Waffenscheins (vgl. § 10 Abs. 4 Satz 4 WaffG i.V.m. Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 3 Nr. 2 und 2.1) vor.
Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist eine waffenrechtliche Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Eine waffenrechtliche Erlaubnis ist u.a. dann zu versagen, wenn der Betroffene die erforderliche Zuverlässigkeit i.S.d. § 5 WaffG nicht besitzt, § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG. Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen u.a. Personen nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden, § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG. Dabei trägt der Beklagte die materielle Beweislast für die Tatsachen, auf die der Widerruf der Erlaubnis gestützt wird.
Diese Voraussetzungen für den Widerruf des Kleinen Waffenscheins liegen hier vor. Die anlässlich der Wohnungsdurchsuchung am … August 2017 zu Tage getretene Aufbewahrungssituation ist eine nachträglich eingetretene Tatsache, die die Annahme fehlender Zuverlässigkeit des Klägers rechtfertigt. Auch die Verwahrung einer geladenen, nicht erlaubnispflichtigen Waffe stellt einen schwerwiegenden Verstoß gegen grundlegende Vorsichts- und Umgangsmaßregeln dar. Dieser Verstoß rechtfertigt auch die Prognose, dass der Kläger seine Waffen und Munition auch zukünftig nicht sorgfältig verwahren wird.
Die Kammer ist zu der Überzeugung gelangt, dass die Waffen des Klägers in geladenem Zustand aufbewahrt wurden.
§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO bestimmt, dass das Gericht nach seiner freien aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung entscheidet. Danach ist das Verwaltungsgericht verpflichtet, sich die gebotene Überzeugungsgewissheit zu verschaffen, die in dem Sinne bestehen muss, dass das Gericht die volle Überzeugung vom Vorliegen der entscheidungserheblichen Tatsachen und nicht nur von deren wahrscheinlichem Vorliegen erlangt hat. Beweisschwierigkeiten darf das Gericht nicht abstraktschematisch durch eine Verringerung des Beweismaßes, d.h. dadurch, dass statt voller Überzeugung des Gerichts nur ein hohes oder auch nur ein gewisses Maß an Wahrscheinlichkeit verlangt wird, oder durch Umkehr der Beweislast Rechnung tragen, sondern es muss diesen Schwierigkeiten im Rahmen der Beweiswürdigung Rechnung tragen (vgl. BVerfG, B.v. 11.12.1990 – 1 BvR 1170/90, 1 BvR 1174/90, 1 BvR 1175/90 – juris Rn. 34; BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 109.84 – juris Rn. 16). Dabei kann das Gericht seine Überzeugung auf die Würdigung von Indizien stützen, die sich aus den Umständen des Falles ergeben. Das Gericht ist bei einem mittelbaren, auf Indizien gestützten Beweis grundsätzlich frei, welche Beweiskraft es den Indizien im Einzelnen und in einer Gesamtschau für seine Überzeugungsbildung beimisst. Es hat jedoch alle wesentlichen Umstände vollständig zu berücksichtigen, darf nicht gegen Denk- oder Erfahrungssätze verstoßen und hat gemäß § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO im Urteil die für die Überzeugungsbildung wesentlichen Gesichtspunkte nachvollziehbar darzulegen. Soweit das Gericht einer bestimmten Tatsache eine Indizwirkung zuerkennt, ist dies unter Rückgriff auf tatsächliche Vermutungen und auf aus der allgemeinen Lebenserfahrung gewonnene, widerlegbare Erfahrungssätze grundsätzlich nur zulässig, wenn die unmittelbare Sachaufklärung und insbesondere auch eine Beweisaufnahme zu keinem gesicherten Ergebnis geführt haben oder führen (vgl. HessVGH, B.v. 29.12.2011 – 10 A 2128/10.Z – juris Rn. 11. m.w.N.).
Hier ist davon auszugehen, dass eine Aufklärung der Frage, ob sich die Waffen in geladenem oder ungeladenem Zustand im Tresor befunden haben, im Wege einer unmittelbaren Beweiserhebung nicht mehr möglich ist. Die Waffen waren dem Kläger bereits am 11. August 2017 wieder ausgehändigt worden. In Bezug auf ggf. bei der Polizei vorhandene Aufklärungsmöglichkeiten sind diese als ausgeschöpft anzusehen, da sich das Landratsamt ausweislich der Behördenakte bereits vor Erlass des Bescheids darum bemüht hat, von dort nähere Aussagen über den tatsächlichen Ladezustand der Waffen zu erhalten. Letztlich ist es dort jedoch bei der Aussage von PHM B. (zuletzt in seinem Aktenvermerk vom 3. April 2018) geblieben, dass im Nachhinein nicht mehr mit Sicherheit bestätigt werden kann, ob der Ladezustand durch die Beamten tatsächlich überprüft wurde. Auch eine Zeugeneinvernahme der Ehefrau des Klägers, der überdies auch ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht, ist nach Auffassung des Gerichts als nicht geeignet anzusehen, einen abschließenden Beweis über den Ladezustand der Waffen zu erbringen. Auch diese hat nach Aktenlage den Ladezustand vor Ort nicht überprüft und es bestehen auch ansonsten keine Anhaltspunkte dafür, dass ihr der konkrete Ladezustand der Waffen zu diesem Zeitpunkt bekannt war. Die Klägerseite hat hierzu im Übrigen auch nichts vorgetragen und auch keinen entsprechenden Beweis angeboten.
Im Hinblick auf den Untersuchungsgrundsatz des § 86 Abs. 1 VwGO ist das Gericht prozessual gehalten, naheliegende Beweismöglichkeiten auszuschöpfen. Dazu gehört auch der Indizienbeweis als mittelbarer Beweis (vgl. HessVGH, B.v. 29.12.2011 – 10 A 2128/10.Z – juris Rn. 14). Das Gericht misst den hier vorliegenden Indizien, insbesondere der eigenen Aussage des Klägers bei der Wohnungsdurchsuchung, dass die Waffen geladen waren, sowie dem Verzeichnis über sichergestellte/beschlagnahmte Gegenstände vom … August 2017 im Rahmen der mittelbaren Beweisführung eine maßgebliche Beweiskraft bei. Diese waren für die Überzeugungsbildung des Gerichts ausschlaggebend.
Aussagen des Betroffenen als „Zeugnis des Erklärenden gegen sich selbst“ kann grundsätzlich eine gewichtige Indizwirkung zukommen. Als Hilfstatsachen vermögen sie dem Gericht die Überzeugung vom Vorliegen der zu beweisenden Haupttatsache (hier also der inhaltlichen Richtigkeit der betreffenden Erklärung) zu vermitteln; diese Überzeugung des Gerichts kann allerdings durch Darlegungen des Betroffenen erschüttert werden, wenn dieser nachvollziehbar erklärt, aus welchem Grund die Angaben unzutreffend sind (vgl. HessVGH, B.v. 29.12.2011 – 10 A 2128/10.Z – juris Rn. 17 m.w.N).
Vorliegend ist es (auch zwischen den Beteiligten) unstreitig, dass der Kläger gegenüber den Polizeibeamten angegeben hat, dass die Waffen geladen waren. Der Inhalt der getätigten Aussage unterliegt daher keinen Zweifeln. Der Kläger hat den Ladezustand der Waffen positiv als „geladen“ angegeben, und nicht etwa darauf hingewiesen, dass die Waffen (möglicherweise) geladen sein könnten. In Anbetracht dieser Aussage wäre es weiterhin nachvollziehbar, wenn vor Ort eine tatsächliche Kontrolle des Ladezustands der Waffen unterblieben wäre, da die Polizeibeamten begründet davon hätten ausgehen können, dass die Waffen tatsächlich geladen waren.
Die nachträglichen Einlassungen des Klägers im Anhörungssowie im Klageverfahren bewertet das Gericht als unglaubhaft und daher nicht geeignet, die Annahme der inhaltlichen Richtigkeit der getätigten Aussage zu erschüttern. Im Hinblick auf die Äußerung des Klägers im Anhörungsverfahren ist dort bereits nicht schlüssig dargelegt, wie der Kläger zu der (nachträglichen) Erkenntnis gelangt ist, dass die Waffen nicht geladen waren und weshalb er – wenn sich, wie er dort vorträgt, zu keinem Zeitpunkt der Aufbewahrung der Waffen Munition im Patronenlager befand – gleichwohl eine derartige Aussage getätigt hat. So hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung auf entsprechende Nachfrage angegeben, er habe bei Abholung der Waffen bei der Polizei festgestellt, dass diese nicht geladen gewesen seien. Hieraus folgt jedoch keinesfalls zwangsläufig, dass die Waffen auch bei der Aufbewahrung im Tresor des Klägers nicht geladen waren. Denn es besteht keine begründete hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass Waffen nach einer polizeilichen Sicherstellung stets in dem Ladezustand ausgehändigt werden, in dem sie sich zum Zeitpunkt der Sicherstellung befunden haben, das hieße auch in geladenem Zustand, ausgehändigt werden. Eine solche wurde von Seiten des Klägers im Übrigen auch nicht vorgetragen. Soweit der Kläger sich im Klageverfahren dahingehend eingelassen hat, es habe sich bei der getätigten Aussage um eine Sicherheitsvorkehrung nach dem Grundsatz, eine Waffe zunächst immer als geladen zu betrachten, gehandelt, steht dies in eindeutigem Widerspruch zu seiner Aussage im Rahmen der Anhörung in seinem Schreiben vom … Dezember 2017. Dort hat er ausgeführt, er verstehe im Nachhinein betrachtet nicht, wie es zu der „falschen“ Angabe habe kommen können, es sei evtl. der äußerst unangenehmen Situation geschuldet gewesen (vor lauter Aufregung meine man das eine, sage aber schnell das Falsche). Demzufolge hätte es sich um eine versehentliche Falschaussage gehandelt. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger entsprechend der zuvor erfolgten schriftlichen Einlassung im Klageverfahren hingegen angegeben, es habe sich um eine (bewusste) Angabe gehandelt, damit es nicht zu einer Gefahrensituation hätte kommen können. Wenn die hinter der Aussage stehende Motivation gewesen wäre, einem – wie er in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat – bereits im Rahmen einer Bundeswehrausbildung sowie einer Jagdausbildung verinnerlichten Grundsatz zu folgen, wäre davon auszugehen, dass der Kläger dies bereits im Rahmen der Anhörung vorgetragen hätte. Dort hatte er aber gerade – im Widerspruch hierzu stehend – angegeben, dass er sich nicht erklären könne, wie es zu der (falschen) Aussage gekommen sei. Diesen Widerspruch konnte der Kläger auch auf den entsprechenden Vorhalt in der mündlichen Verhandlung hin nicht ausräumen. Er hat diesbezüglich lediglich angegeben, er habe versucht, die Situation so einfach wie möglich darzustellen und er habe die Begleitumstände nicht ausführlich schildern wollen. Hieraus folgt jedoch keine schlüssige Erklärung für die widersprüchlichen Äußerungen. Auch im Übrigen ergeben sich aus dem Vorbringen des Klägers keine überzeugenden Hinweise darauf, dass die Waffen entgegen seiner Aussage tatsächlich nicht geladen waren. In seinem Schreiben vom … Dezember 2017 hat der Kläger lediglich pauschal behauptet, es habe sich zu keinem Zeitpunkt der Aufbewahrung der beschlagnahmten Waffen Munition im Patronenlager befunden und die Waffen seien entladen gewesen. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger weiter angegeben, er habe die Waffen vor der Aufbewahrung immer entladen und eine Sicherheitskontrolle durchgeführt, es sei (aber) nicht klar gewesen, wie der Ladezustand gewesen sei, weil auch seine Ehefrau einen Kleinen Waffenschein besitze und die Waffen führen könne – seine Angabe sei (daher) eine Sicherheitsvorkehrung gewesen. Unabhängig von dem oben dargestellten Widerspruch dieser Einlassung (bewusste Vermeidung einer Gefahrensituation) zu der im Rahmen der Anhörung erfolgten (versehentliche Falschangabe) – erscheint diese Einlassung auch deshalb nicht glaubhaft, da in diesem Fall – auch unter Berücksichtigung der vom Kläger angeführten damaligen Stresssituation – naheliegender gewesen wäre anzugeben, dass die Waffen (möglicherweise) geladen sein könnten.
Ein weiteres Indiz für die Richtigkeit der Aussage des Klägers zum Ladezustand der Waffen ist zudem das Verzeichnis über sichergestellte/beschlagnahmte Gegenstände vom … August 2017. In diesem ist hinsichtlich beider verzeichneter Waffen jeweils der Zusatz „Geladen !!!“ enthalten, auch wenn dieser (allein) auf die Aussage des Klägers zurückzuführen sein sollte, was allerdings ebenfalls nicht positiv feststeht. Das Verzeichnis enthält somit eine in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang angefertigte Dokumentation des Ladezustands der Waffen zum Zeitpunkt der Sicherstellung bzw. Beschlagnahme. Der Kläger hat das Verzeichnis auch unterschrieben und dieser Aussage zum Ladezustand bei der Sicherstellung bzw. Beschlagnahme nicht nachweislich widersprochen.
Die Verwahrung einer geladenen Waffe in einem Sicherheitsbehältnis widerspricht den Anforderungen an eine sorgfältige Verwahrung i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG. Die Anforderungen an eine sorgfältige Verwahrung sind in § 36 WaffG sowie insbesondere in dem diesen gemäß § 36 Abs. 5 WaffG konkretisierenden § 13 der Allgemeinen Waffengesetz-Verordnung vom 27.10.2003 (BGBl. I S. 2123), zuletzt geändert durch Gesetz vom 30. Juni 2017 (BGBl I S. 2133), näher geregelt.
Gemäß § 36 Abs. 1 WaffG in der durch Gesetz vom 30. Juni 2017 (BGBl I S. 2133) geänderten, ab dem 6. Juli 2017 geltenden Fassung (vgl. wortgleich § 36 Abs. 1 Satz 1 WaffG a.F.) hat derjenige, der Waffen oder Munition besitzt, die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um zu verhindern, dass diese Gegenstände abhandenkommen oder Dritte sie unbefugt an sich nehmen. Eine ausdrückliche Regelung bezüglich einer nur ungeladenen Aufbewahrung von Waffen wurde mit der Gesetzesänderung zum 6. Juli 2017 in § 13 AWaffV normiert, wobei es sich hierbei lediglich um eine Klarstellung handelte (vgl. BT-Drs. 18/11239, S. 56). So ist auch bezüglich nicht erlaubnispflichtiger Waffen ausdrücklich und eindeutig in § 13 Abs. 2 AWaffV geregelt, dass die Aufbewahrung (auch) dieser Waffen nur ungeladen erfolgen darf (vgl. auch BayVGH, B.v. 24.11.2017 – 21 CS 17.1531 – juris Rn. 19). Die Verwahrung einer geladenen Waffe widerspricht daher, auch wenn es sich hierbei um eine erlaubnisfreie Waffe handelt, den Anforderungen an eine sorgfältige Verwahrung im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG. Insofern kommt es auch nicht darauf an, ob eine tatsächliche Gefährdung Dritter unter Umständen ausgeschlossen gewesen wäre. Die an Waffenbesitzer gestellten Anforderungen im Hinblick auf die sorgfältige Verwahrung sollen nicht nur die Allgemeinheit vor den Gefahren schützen, die sich daraus ergeben können, dass unberechtigten Dritten die einfache Wegnahme von geladenen und damit unmittelbar schussbereiten Waffen ermöglicht wird. Sie schützen vielmehr jede Person und damit auch den Waffenbesitzer selbst vor den Gefahren, die mit einer geladenen Waffe verbunden sind (vgl. BVerwG, B.v. 3.3.2014 – 6 B 36/13s – juris Rn. 5; VG Hamburg, U.v. 9.2.2016 – 4 K 2176/15 – juris Rn. 23). Im Übrigen verweist der Kläger in seinem Klagevorbringen selbst auf Gefahrensituationen, die sich aus dem geladenen Zustand einer Waffe ergeben können, indem er geltend macht, dass es eine allgemeine Sicherheitsvorkehrung von Waffenbesitzern sei, eine Waffe zunächst immer als geladen zu betrachten.
Der Kläger hat mit der Verwahrung geladener Waffen einen Verstoß gegen eine grundlegende Aufbewahrungsregel begangen. Da keine Anhaltpunkte dafür ersichtlich sind, dass es sich lediglich um einen situationsbedingten einmaligen bzw. kurzfristigen Verstoß gehandelt haben könnte, ist auch davon auszugehen, dass der Verstoß schwerwiegend ist. Der Kläger hat insoweit in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, er habe die Waffen in der letzten Zeit vielleicht einmal im Monat mit sich geführt. Er könne sich nicht an den Zeitpunkt erinnern, zu dem er die Waffen (vor der Wohnungsdurchsuchung) zuletzt aus dem Tresor genommen habe. Zudem ist auch von der Verantwortlichkeit des Klägers in Bezug auf die sorgfältige Aufbewahrung der Waffen auszugehen. Ausweislich des polizeilichen Übergabeberichts vom … August 2017 hat der Kläger während der Durchsuchung selbst geäußert, im Besitz von zwei erlaubnisfreien Waffen zu sein. Der Kläger hat demgegenüber im Klageverfahren auch nicht substantiiert bestritten, Besitzer der Waffen gewesen zu sein.
Der festgestellte Verstoß gegen grundlegende Vorsichts- und Umgangsmaßregeln rechtfertigt die Prognose, dass der Kläger auch künftig Waffen und Munition nicht sorgfältig verwahren wird.
Im Fall des § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG geht es um die auf Tatsachen gestützte Prognose eines spezifisch waffenrechtlich bedenklichen Verhaltens, aus dem mit hoher Wahrscheinlichkeit der Eintritt von Schäden für hohe Rechtsgüter resultiert (vgl. Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung zur Neuregelung des Waffenrechts, BT-Drs. 14/7758, S. 54). Bei der auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen zu erstellenden Prognose ist der allgemeine ordnungsrechtliche Zweck des Gesetzes zu berücksichtigen, beim Umgang mit Waffen und Munition die Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu wahren (§ 1 Abs. 1 WaffG), nämlich zum Schutz der Allgemeinheit diese vor den schweren Folgen eines nicht ordnungsgemäßen Umgangs mit Waffen zu bewahren (vgl. BT-Drs. 14/7758 S. 51). Die erforderliche Prognose hat sich am Zweck des Gesetzes zu orientieren. Nach dem Waffengesetz soll das mit jedem Waffenbesitz verbundene Sicherheitsrisiko möglichst gering gehalten und nur bei Personen hingenommen werden, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen (st. Rspr. BVerwG, vgl. B.v. 2.11.1994 – 1 B 215/93 – juris Rn. 10; B.v. 31.1.2008 – 6 B 4/08 – juris Rn. 5; st. Rspr. BayVGH, vgl. zuletzt B.v. 5.10.2017 – 21 Cs 17.1300 – juris Rn. 11). Dabei wird nicht der Nachweis verlangt, dass der Betroffene mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese nicht sorgfältig verwahren wird, sondern es genügt vielmehr allgemein nach tatrichterlicher Würdigung aller Umstände des Einzelfalls eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, B. v. 2.11.1994 – 1 B 215/93 – juris Rn. 10; B.v. 12.10.1998 – 1 B 245/97 – juris Rn. 6; B.v. 31.1.2008 – 6 B 4/08 – juris Rn. 5;). Im Bereich des Waffenrechts kann angesichts der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit ausgehen, ein Restrisiko nicht hingenommen werden. Bereits ein einmaliger Verstoß gegen die in § 36 WaffG normierten Aufbewahrungspflichten rechtfertigt die Feststellung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit (vgl. BayVGH, B.v. 2.10.2013 – 21 CS 13.1564 – juris Rn. 12 m.w.N.). Hat ein Waffenbesitzer in diesem Sinne bereits einmal versagt, ist allein das ein gewichtiges Indiz dafür, dass er das in ihn gesetzte Vertrauen nicht mehr verdient. Eine dahingehende Lebenserfahrung oder ein entsprechender Rechtssatz, dass erst ab einem weiteren Verstoß eine negative Zukunftsprognose gerechtfertigt ist, besteht nicht (st. Rspr. BayVGH, vgl. BayVGH, B.v. 28.11.2013 – 21 CS 13.1758 – juris Rn. 12; B.v. 22.12.2014 – 21 ZB 14.1512 – juris Rn. 12; B.v. 4.11.2015 – 21 CS 15.2023 – juris Rn. 15).
Ausgehend von diesen Maßstäben ist die Annahme gerechtfertigt, der Kläger werde auch zukünftig Waffen und Munition nicht sorgfältig verwahren. Aufgrund der Schwere des Verstoßes kann das Verhalten nicht als situative Nachlässigkeit minderen Gewichts eingestuft werden, die bei nur einmaligem Auftreten noch toleriert werden könnte (vgl. BVerwG, U.v. 22.10.2014 – 6 C 30/13 – juris Rn. 19). Angesichts der gesamten hier zu berücksichtigen Umstände besteht Anlass zu der Sorge, dass der Kläger auch künftig nicht sorgsam mit Waffen und Munition umgehen wird. Aufgrund der erheblichen Gefährlichkeit, die von geladenen Waffen ausgeht, ist das hier verbleibende Restrisiko eines erneuten Verstoßes gegen die grundlegenden Vorsichtsmaßregeln auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit als nicht hinnehmbar anzusehen. Wie bereits ausgeführt, kommt es nicht darauf an, ob und in welchem Umfang durch den Verstoß im Einzelfall eine konkrete Gefährdung der Allgemeinheit eingetreten ist. Der Schutz der Allgemeinheit vor von Waffen/Munition ausgehenden Gefahren soll gerade durch die geltenden Aufbewahrungsvorschriften erreicht werden. Dementsprechend berührt jeder Verstoß gegen die Aufbewahrungsvorschriften zugleich die Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit, jedenfalls im Sinn einer abstrakten Gefährdung (vgl. BayVGH, B.v. 2.10.2013 – 21 CS 13.1564 – juris Rn. 12; B.v. 24.2.2016 – 21 ZB 15.1949 – juris Rn. 20).
Der Kleine Waffenschein des Klägers war daher zwingend zu widerrufen, § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG.
Gegen die weitere Anordnung in dem streitgegenständlichen Bescheid betreffend die Rückgabe des Dokuments sowie die Zwangsgeldandrohung und Kostenentscheidung sind rechtliche Bedenken weder vorgetragen noch ersichtlich.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung – ZPO.


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