Verwaltungsrecht

Verfolgung von Homosexuellen in Uganda

Aktenzeichen  M 5 K 17.40569

Datum:
30.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 25069
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3, § 4, § 78
AufenthG § 60

 

Leitsatz

In einer Gesellschaft, in der gleichgeschlechtliche sexuelle Beziehungen strafrechtlich sanktioniert sind und einen gesellschaftlichen Tabubruch darstellen, ist es unlogisch, dass eine freundschaftliche Beziehung urplötzlich in eine sexuelle Beziehung umschlägt, ohne dass sich beide Partnerinnen gegenseitig vergewissern. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.   

Gründe

1. Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klägerin hat kein Verfolgungs- oder Lebensschicksal geschildert, das die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 des Asylgesetzes/AsylG) rechtfertigen würde.
a) Der Vortrag der Klägerin ist unglaubhaft. Das gilt insbesondere für ihren Vortrag, sie sei bisexuell und befürchte daher eine Verfolgung bei einer Rückkehr nach Uganda.
Gerade in einer Gesellschaft wie der in Uganda, die gleichgeschlechtlicher Sexualität ablehnend gegenübersteht, ist das Bewusstwerden der eigenen auch gleichgeschlechtlichen Sexualität ein Schritt, der eine Abweichung der persönlichen sexuellen Orientierung von der gesellschaftlich erwarteten Orientierung bedingt. Das bedeutet eine Distanzierung von den gesellschaftlichen Konventionen, was sich nicht in einem einfachen Erkennen der eigenen abweichenden Orientierung erschöpft, sondern einen Prozess erfordert – gerade in einem eine solche Form der Sexualität ablehnenden Umfeld. Hierzu hat die Klägerin beim Bundesamt nichts vorgetragen. Auch die Einlassung in der mündlichen Verhandlung hierzu, dass sie sich nicht viel dabei gedacht habe, als sie sich auf eine sexuelle Beziehung mit einer Frau eingelassen habe, es sei “in Ordnung” gewesen, es sei wichtig, dass sie “in Frieden lebe und glücklich” sei, denn “mit den Männern hatte ich kein Glück”, ist völlig platt, künstlich und wirkt aufgesetzt. Das “innere Ringen” zwischen den gesellschaftlichen Erwartungen gegenüber ihrer sexuellen Veranlagung drängt sich geradezu auf. Denn die sexuelle Beziehung zu der Frau soll mehrere Jahre gegangen sein. Zum Zwiespalt zwischen den nach außen erwarteten Konventionen gegenüber der eigenen sexuellen Veranlagung hat die Klägerin auch nicht ansatzweise etwas vorgetragen, sondern sich auf Allgemeinplätze beschränkt (vgl. hierzu Berlit/Dörig/Storey, ZAR 2016, 332 ff.).
Unterstrichen wird die Unglaubhaftigkeit des Vortrags dadurch, dass er unlogisch und widersprüchlich ist. So wirkt das Umschlagen einer freundschaftlichen Beziehung zu einer Frau in Uganda in eine sexuelle Beziehung unlogisch, indem die Freundin ihr eines Tages gesagt habe, dass sie “Sex von ihr wolle”. In einer Gesellschaft, in der gleichgeschlechtliche sexuelle Beziehungen strafrechtlich sanktioniert sind und einen gesellschaftlichen Tabubruch darstellen, ist es unlogisch, dass eine freundschaftliche Beziehung urplötzlich in eine sexuelle Beziehung umschlägt, ohne dass sich beide Partnerinnen gegenseitig vergewissern.
Ein weiterer Widerspruch liegt darin, dass die Klägerin beim Bundesamt ausdrücklich angegeben hat, im “Cyber Center” eine Ausbildung in “IT-Grafik” gemacht zu haben (Anhörungsprotokoll S. 4, Frage 11). Wenn die Klägerin das in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bestritten hat, ist diese Aussage unglaubhaft. Denn die Aussagen beim Bundesamt wurden der Klägerin ausdrücklich nochmals rückübersetzt; sie hat ausdrücklich versichert, dass es keine Verständigungsschwierigkeiten gegeben habe (Anhörungsprotokoll S. 7).
Die Unglaubhaftigkeit des Vortrags wird auch dadurch untermauert, dass die Klägerin in einem Dorf in Österreich ihre Jacke mit allen Ausweispapieren und Geld verloren haben will, aber nicht danach gesucht oder versucht haben will, diese wieder zu finden. Das wäre das Naheliegendste gewesen. Stattdessen will sie auf den Bahnhof nach … gefahren sein, wo ihr eine unbekannte Person – obwohl die Leute in Österreich ansonsten sehr unfreundlich zu ihr gewesen sein sollen – Geld für eine Fahrkarte gegeben haben will. Damit will sie zielgerichtet nach … gefahren sein und habe dort ebenso zielgerichtet Asyl beantragt. Das wirkt völlig konstruiert, unlogisch und erfunden.
Den von der Klägerin vorgelegten Schreiben aus Uganda kommt keine Beweiskraft zu, dass daraus eine bisexuelle Veranlagung der Klägerin sowie eine sexuelle Beziehung zu einer Frau glaubhaft abzuleiten wären.
Das Schreiben von LGBTI Uganda ist diesbezüglich inhaltsleer. Dort wird nur allgemein “ihre (der Klägerin) Geschichte und ihr Anspruch bezeugt”.
Den beiden schriftlichen Erklärungen der beiden Frauen vom … April 2019, von denen eine die Freundin der Klägerin gewesen sein will, mit der sie eine Beziehung gehabt habe, und die andere eine enge Freundin, der die Klägerin ihre Veranlagung und ihre Beziehung zu einer Frau offenbart haben will, kann nur eine geringe Beweiskraft beigemessen werden, da sich das Gericht keinen persönlichen Eindruck der Glaubhaftigkeit der Unterzeichnerinnen machen und auch keine Nachfragen anbringen kann.
Im Kern ist das Schreiben der angeblichen Freundin hinsichtlich einer angeblichen sexuellen Beziehung auch inhaltsleer. Denn dort ist nur davon die Rede, dass diese Frau eine “Beziehung mit ihr (der Klägerin) gehabt” habe. Im englischen Originaltext ist ebenso nur von “relationship” die Rede. Der eigentlich zu belegende Kern – eine sexuelle Beziehung der beiden Frauen – ist darin gerade nicht genannt.
Die Aussagen über eine angebliche Beziehung der Klägerin mit einer Frau in Uganda und deren Bisexualität in einer weiteren schriftlichen Erklärung einer anderen Frau vom … April 2019 sind unglaubhaft. Es ist keine plausible Erklärung dafür ersichtlich, warum die Klägerin ihre bisexuelle Veranlagung und eine entsprechende Beziehung zu einer Frau mit Blick auf den gesellschaftlichen Tabubruch in Uganda, den ein solches Verhalten darstellt, einer anderen Frau anvertrauen und ihre Freundin dieser Frau sogar vorstellen sollte. Im Übrigen ist in dieser Erklärung unter Nr. 10 davon die Rede, dass die Klägerin “Opfer von Folter, Missbrauch und Spott wegen ihrer sexuellen Orientierung geworden” sein soll. Davon hat die Klägerin weder beim Bundesamt noch in der mündlichen Verhandlung etwas berichtet. Der Hinweis darauf, dass es ihr bei der Anhörung gesundheitlich schlecht gegangen sein soll, kann nicht verfangen. Denn sie hätte auf entsprechende Probleme hinweisen können und müssen. Schließlich hätte sie in dem seit Mai 2017 anhängigen Klageverfahren, in dem sie rechtskundig vertreten wird, eine entsprechende Ergänzung anbringen können. Das ist nicht erfolgt.
Das Schreiben einer weiteren Frau aus Uganda vom … April 2019 kann nicht für das gerichtliche Verfahren genutzt werden, da dieses Dokument trotz entsprechenden Hinweises nicht in deutscher Übersetzung vorgelegt wurde (§ 184 Abs. 1 Satz 1 GVG). Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass aus diesem Schreiben wesentlich andere oder neue, weitergehende Erkenntnisse gewonnen werden könnten. Eine Übersetzung von Amts wegen drängte sich daher nicht auf.
Auch die Aussage der Zeugin H.A.D., mit der die Klägerin ab Mai 2017 über etwa ein Jahr eine sexuelle Beziehung unterhalten haben will, ist nicht glaubhaft. Das Gericht glaubt der Zeugin zwar, dass sie zur Klägerin eine freundschaftliche Beziehung unterhalten hat und noch unterhalten mag. Nicht glaubhaft ist jedoch eine sexuelle Beziehung. Gerade die Wendung in einer Freundschaft zu einer sexuellen Beziehung – noch dazu unter gleichgeschlechtlichen Partnern – bedingt eine Vertrautheit und Einvernehmlichkeit. Die Erklärungen der Zeugin hierzu wirken platt und aufgesetzt. Das Interesse an einer sexuellen Beziehung zur Zeugin durch die Klägerin “habe sie gleich gemerkt”, das “merke frau einfach”, es sei wie ein “Funke der überspringt”, dass eine Beziehung “am Anfang etwas sehr Schönes und Zauberhaftes” sei, die Klägerin habe der Zeugin “von Anfang an gefallen”, wirkt aufgesetzt und wie auswendig gelernt. Die Versicherung der Einvernehmlichkeit der sexuellen Beziehung und der Schritt von einer freundschaftlichen zu einer sexuellen Beziehung wird nicht in nachvollziehbarer Weise geschildert. Das gilt auch mit Blick darauf, dass die Zeugin angegeben hat, dass es für sie nichts Außergewöhnliches sei, dass sie eine Person sehr attraktiv finde und das Ganze dann sehr schnell in eine sexuelle Beziehung hineingehe. Auch unter diesem Blickwinkel bedingt eine sexuelle Beziehung die nachvollziehbare Schilderung eines Punktes, an dem eine Einvernehmlichkeit hinsichtlich der Bereitschaft zu sexuellen Handlungen beider Partner erreicht ist. Diese Bereitschaft und Einvernehmlichkeit des anderen Partners muss für den einen Partner erkennbar und nachvollziehbar angegeben werden. Dazu sind auch auf Nachfragen der Klägerbevollmächtigten von der Zeugin oberflächliche Allgemeinplätze vorgetragen worden.
Insgesamt erscheint der Vortrag der Klägerin unlogisch, widersprüchlich und aufgesetzt. Er ist daher unglaubhaft.
b) Nach § 145 des Strafgesetzbuches (Penal Code Act, 1950) sind homosexuelle Handlungen sowohl zwischen Männern als auch Frauen unter Strafe gestellt (“Geschlechtsverkehr wider die Natur”). Am … Februar 2014 unterzeichnete der Präsident Ugandas ein Gesetz, das für gleichgeschlechtliche Handlungen Strafen bis zur Todesstrafe sowie eine Strafbarkeit für “Förderung der Homosexualität” und die “Unterstützung und Beihilfe zur Homosexualität” vorgesehen hat (Auskunft von amnesty international vom 30.8.2019 an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof). Dieses Gesetz wurde aber vom Verfassungsgericht im August 2014 für nichtig erklärt (Länderinformationsblatt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Stand 27.9.2017, S. 17). Die Diskussion um die letztlich erfolglose Gesetzesverschärfung 2014/15 sei danach abgeflacht (Auswärtiges Amt vom 2.7.2018 an das BAMF). Eine im Oktober 2019 von Ethik- und Integritätsminister Ugandas angekündigte Einführung der Todesstrafe für einvernehmliche homosexuelle Handlungen wurde wenige Tage später von einem Regierungssprecher dementiert (Auskunft von amnesty international vom 21.10.2019 an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof).
Die von anderen Verwaltungsgerichten in Bezug auf Homosexuelle in Uganda vertretene Ansicht (vgl. VG Regensburg, U.v. 4.9.2017 – RN 1 K 17.32818 – juris S. 12 m.w.N.), dass insoweit die Voraussetzungen der § 3 ff. AsylG erfüllt wären, kommt für den vorliegenden Fall von vornherein nicht zum Tragen. Denn die Klägerin hat nicht glaubhaft vortragen können, bisexuell zu sein.
c) Von der Unglaubhaftigkeit des Vortrags abgesehen ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass der ugandische Staat grundsätzlich schutzbereit und -fähig ist. Die politische Lage in Uganda kann als relativ stabil bezeichnet werden (Länderinformationsblatt Uganda des Österreichischen Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29. Juli 2017, S. 6 ff. – trotz Korruption).
Der Klägerin wäre es zumutbar gewesen, insbesondere nach ihrer angeblich erlittenen Vergewaltigung Schutz und Hilfe bei der Polizei zu suchen. Das gilt auch mit Blick auf die von ihr angeblich geschilderten “schlechten Erfahrungen” nach einem Verkehrsunfall. Dass sich das wiederholen würde, ist angesichts des Umstands, dass sie Opfer einer massiven Straftat geworden sein will, gerade nicht zwingend.
d) Das Bundesamt hat im Übrigen auch zu Recht die Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) und das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgelehnt. Es sind keine Gesichtspunkte vorgetragen oder sonst ersichtlich, die die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidungen in Frage stellen könnten.
Da die Klägerin vor ihrer Ausreise ihren Lebensunterhalt ohne weiteres bestreiten konnte, wird ihr das auch bei einer Rückkehr nach Uganda möglich sein. Da ihr Vortrag unglaubhaft ist, dass sie angeblich bisexuell veranlagt sei, kann sie hierfür auch auf die Hilfe ihrer Familie verwiesen werden.
2. Auch gegen die Rechtmäßigkeit des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 AufenthG bestehen keine Bedenken.
Zur weiteren Begründung wird auf den Bescheid des Bundesamtes verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
3. Die Klägerin hat als unterlegene Beteiligte nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Nach § 83 b AsylG ist das Verfahren gerichtskostenfrei.


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