Verwaltungsrecht

Verfolgung wegen Wehrdienstentziehung und Apostasie im Iran

Aktenzeichen  W 8 K 17.30077

Datum:
23.8.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
AsylG AsylG § 3, § 4, § 25

 

Leitsatz

1 Die Sanktionen für Wehrdienstentziehung im Iran beschränken sich auf ein erneutes – verlängertes – Ableisten des Wehrdienstes sowie auf eine verspätete Ausstellung der Bescheinigung über die Ableistung des Wehrdienstes; nur ausnahmsweise erfolgt eine Gefängnisstrafe. Zudem beschränkt sich die Ahndung der Wehrdienstentziehung nicht auf politisch missliebige Personen und kann deshalb insgesamt nicht die Flüchtlingsanerkennung rechtfertigen. (Rn. 21 – 23) (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine Verfolgung wegen Übertritts zum Christentum im Iran ist nicht beachtlich wahrscheinlich, wenn die Konversion noch nicht vollzogen wurde und insbesondere die Taufe noch nicht erfolgt ist. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die Klage, über die entschieden werden konnte, obwohl nicht alle Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erschienen sind (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig, aber unbegründet.
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 2. Januar 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG sowie für die Feststellung von Abschiebungsverboten nach des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). Das Gericht folgt im Ergebnis sowie in der wesentlichen Begründung dem angefochtenen Bescheid und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Das Gericht ist insbesondere auch nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung nicht davon überzeugt, dass dem Kläger bei einer Rückkehr in den Iran politische Verfolgung oder sonst eine ernsthafte Gefahr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht.
Ein Ausländer darf gemäß § 3 ff. AsylG nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Verfolgungshandlungen müssen an diese Gründe anknüpfend mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (siehe zum einheitlichen Wahrscheinlichkeitsmaßstab BVerwG, U.v. 1.6.2011 – 10 C 25/10 – BVerwGE 140, 22; U.v. 27.4.2010 – 10 C 5/09 – BVerwGE 136, 377). Eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit liegt dann vor, wenn die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Maßgebend ist letztlich, ob es zumutbar erscheint, dass der Ausländer in sein Heimatland zurückkehrt (BVerwG, U.v. 3.11.1992 – 9 C 21/92 – BVerwGE 91, 150; U.v. 5.11.1991 – 9 C 118/90 – BVerwGE 89, 162). Über das Vorliegen einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit gegebenen Gefahr politischer Verfolgung entscheidet eine wertende Gesamtbetrachtung aller möglichen verfolgungsauslösenden Gesichtspunkte, wobei in die Gesamtschau alle Verfolgungsumstände einzubeziehen sind, unabhängig davon, ob diese schon im Verfolgerstaat bestanden oder erst in Deutschland entstanden und von dem Ausländer selbst geschaffen wurden oder ob ein Kausalzusammenhang zwischen dem nach der Flucht eingetretenen Verfolgungsgrund und entsprechend den schon in dem Heimatland bestehenden Umständen gegeben ist (BVerwG, U.v. 18.2.1992 – 9 C 59/91 – Buchholz 402.25, § 7 AsylVfG Nr. 1).
Aufgrund seiner prozessualen Mitwirkungspflicht hat ein Kläger (oder eine Klägerin) seine (ihre) Gründe für seine politische Verfolgung schlüssig und vollständig vorzutragen (§ 25 Abs. 1 und 2 AsylG, § 86 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz VwGO). Er muss unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich – als wahr unterstellt – bei verständiger Würdigung die behauptete Verfolgung ergibt. Bei den in die eigene Sphäre des Klägers fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen, muss er eine Schilderung abgeben, die geeignet ist, den Abschiebungsschutz lückenlos zu tragen. Unauflösbare Widersprüche und erhebliche Steigerungen des Vorbringens sind hiermit nicht vereinbar und können dazu führen, dass dem Vortrag im Ganzen nicht geglaubt werden kann. Bleibt ein Kläger hinsichtlich seiner eigenen Erlebnisse konkrete Angaben schuldig, so ist das Gericht nicht verpflichtet, insofern eigene Nachforschungen durch weitere Fragen anzustellen. Das Gericht hat sich für seine Entscheidung die volle Überzeugung von der Wahrheit, nicht bloß von der Wahrscheinlichkeit zu verschaffen (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 106.84 – BVerwGE 71, 180).
Dem Kläger ist es nicht gelungen, die für seine Ansprüche relevanten Gründe in der dargelegten Art und Weise geltend zu machen. Unter Zugrundelegung der Angaben des Klägers ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass eine begründete Gefahr (politischer) Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bestand bzw. besteht oder sonst eine ernsthafte Gefahr drohte oder droht. Der Kläger hat im Verlauf des Behördenverfahrens sowie des gerichtlichen Verfahrens, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, ungereimte und widersprüchliche Angaben gemacht. Des Weiteren wirkten die Aussagen des Klägers aufgrund seines Auftretens in der mündlichen Verhandlung zum Teil verworren und unzusammenhängend sowie plakativ und detailarm. Demgegenüber ließ er eine zweifelsfreie, in sich stimmige Verfolgungsgeschichte vermissen. Weiter stützt er seine Verfolgungsfurcht im Wesentlichen auf Vermutungen und Spekulationen. So bleiben letztlich nicht ausräumbare, durchgreifende Zweifel an der Glaubhaftigkeit des klägerischen Vorbringens und einer darauf beruhenden tatsächlich drohenden ernsthaften Gefahr.
Aber selbst wenn man die Kernaussagen des Klägers als wahr unterstellt, kann das Gericht nicht zu der Überzeugung gelangen, dass ihm aufgrund seines Vorbringens politische Verfolgung oder sonst eine ernsthafte Gefahr oder erniedrigende Behandlung bzw. gar die Todesstrafe mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht.
Auffällig sind schon die teils widersprüchlichen Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung. So gab er zunächst an, er habe keinen Wehrdienst geleistet, er sei vom Wehrdienst befreit gewesen. Er korrigierte seine Aussage anschließend dahin, dass er nicht vom Wehrdienst befreit gewesen sei, aber seinen Wehrdienst nicht angetreten habe. Kurz darauf räumte er ein, einmal eine Woche und einmal einen Monat Wehrdienst geleistet zu haben, nachdem der dazu gezwungen worden sei. Bei der Bundesamtsanhörung hat er noch angegeben, zwei Monate beim Militär gewesen zu sein. Auf Übungsplätzen habe er gelernt, wie man mit Pistolen und Gewehren umgehe.
Weiter sind die Angaben des Klägers zu seinem Motiv für die Wehrdienstentziehung widersprüchlich. Beim Bundesamt gab er an, er habe nicht für das Regime kämpfen wollen. Demgegenüber erklärte er in der mündlichen Verhandlung, er habe nicht zum Wehrdienst gewollt, weil er nicht habe getötet werden wollen.
Ungereimt und widersprüchlich sind auch die klägerischen Aussagen zu einem möglichen Kriegseinsatz. Beim Bundesamt gab der Kläger an, er sei festgehalten worden und habe im Syrienkrieg mitkämpfen und in den Krieg gehen sollen. Wiederholt erklärte er, er glaube er müsse in den syrischen Krieg und sterbe beim Kämpfen. „Modaferane Haram“ schicke die Iraner nach Syrien. Dies sei ein heiliger Platz. Dort seien Menschen begraben. Es sei ein Kriegs Platz. Demgegenüber erklärte er in der mündlichen Verhandlung am 23. August 2017, er sei aufgefordert worden in den Krieg zu ziehen. Man habe ihn aufgefordert nach Kerbela in den Irak zu gehen und dort auf den Schrein aufzupassen. Dort gebe es nur Verrückte, die sich in die Luft sprengten. Weiter stritt er in der mündlichen Verhandlung ab, beim Bundesamt gesagt zu haben, er habe eine Einverständniserklärung zur Teilnahme am syrischen Krieg unterschreiben sollen. Weiter bestritt er seine Aussage zum Platz Modaferane Haram.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht keine greifbaren Erkenntnisse hat, dass im Iran tatsächlich eine zwangsweise Entsendung von Wehrpflichtigen nach Syrien bzw. in den Irak erfolgt. Vielmehr erscheint es unwahrscheinlich, dass der iranische Staat neu eingezogene Wehrdienstleistende zwangsweise in ein umkämpftes Gebiet entsendet. Denn den öffentlich zugänglichen Quellen ist zu entnehmen, dass zwar entsprechende Befürchtungen bei angehenden Wehrdienstleistenden bestehen, jedoch werden seitens des iranischen Staates zum Syrieneinsatz bzw. in den Irak tatsächlich die Revolutionsgarden sowie freiwillige Milizen und Söldner eingesetzt, unter anderem auch afghanische Flüchtlinge im Iran (vgl. etwa Zeit Online, http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-04/iran-syrien-krieg-militaerdienst-soldaten-islamischer-staat vom 30.4.2017 und http://www.zeit.de/politik/ausland/2016-08/syrien-russland-iran-aleppo-buergerkrieg-kampfjets-luftangriffe vom 16.8.2016 sowie VG Bayreuth, U.v. 11.8.2016 – B 2 K 16.30837– juris m.w.N.). Auch gegenüber dem Bundesamt hatte der Kläger noch angegeben, man habe ihm gesagt, er solle eine Einverständniserklärung zur Teilnahme am syrischen Krieg unterschreiben oder er müsse ins Gefängnis.
Nicht weiter aufklärbar waren des Weiteren die Aussagen des Klägers zu angeblichen Verfolgungsmaßnahmen seitens der iranischen Behörden. Er gab nur an, er sei von der Polizei bzw. von Feldjägern zum Wehrdienst zurückgebracht worden. Die Feldjäger hätten nach ihm gesucht. Jedoch fällt auf, dass der Kläger nichts von Vorladungen oder sonstigen Schreiben staatliche Stellen zu berichten wusste, die eine Verfolgungsgefahr bzw. ein Verfolgungsinteresse des iranischen Staates belegen könnten, gerade wenn ihm tatsächlich eine Gefängnisstrafe drohen sollte.
Abgesehen von diesen Ungereimtheiten begründet auch eine Wehrdienstentziehung nicht die Annahme einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohende Gefahr politischer Verfolgung bei einer Rückkehr in den Iran. Zwar kann als Verfolgungshandlung nach § 3a Abs. 2 Nr. 3 AsylG die unverhältnismäßig oder diskriminierte Strafverfolgung oder Bestrafung als Verfolgung gelten. Dies gilt auch bei einer unverhältnismäßigen Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung. Jedoch ist festzuhalten, dass jeder Staat ein Recht hat, eine Streitkraft zu unterhalten, seine Staatsangehörigen zum Wehrdienst in dieser Streitkraft heranzuziehen und Personen, die sich dem Wehrdienst entziehen, angemessen zu bestrafen. Nach der aktuellen Auskunftslage ist die Verweigerung bzw. Umgehung des Wehrdienstes im Iran strafbar. Entzieht sich eine Person in Friedenszeiten für bis zu drei Monate (in Kriegszeiten 15 Tage) dem Wehrdienst, wird die Dauer des verpflichtenden Wehrdienstes um drei Monate verlängert, bei längerer Wehrdienstentziehung als drei Monate (in Kriegszeiten 15 Tage) wird die Dauer des Wehrdienstes um sechs Monate verlängert. Bei längerer Wehrdienstentziehung als ein Jahr (in Kriegszeiten zwei Monate) droht außerdem ein Strafverfahren vor dem Militärgericht. Weiter müssen Wehrdienstverweigerer mit dem Entzug sozialer und bürgerlicher Rechte, wie etwa dem Recht auf Arbeit, auf Bildung oder auf Gründung eines eigenen Unternehmens rechnen. Im Fall, dass sich die betreffende Person freiwillig doch noch zum Wehrdienst meldet, wird die Dauer des Wehrdienstes als Strafe um drei Monate verlängert. Bei Personen, die wegen Wehrdienstentziehung verhaftet werden, verlängert sich der Wehrdienst um sechs Monate (vgl. BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran v. 31.3.2016, S. 31 ff., sowie neuerdings v. 22.5.2017, S. 33 ff.; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Iran v. 8.12.2016, Stand: Oktober 2016, S. 12 und v. 9.12.2015, Stand: November 2015, S. 20). Die Sanktionen beschränken sich damit grundsätzlich auf ein erneutes – verlängertes – Ableisten des vollständigen Wehrdienstes sowie auf eine verspätete Ausstellung der Bescheinigung über die Ableistung des Wehrdienstes mit den damit verbundenen Folgen und nur ausnahmsweise erfolgt tatsächliche eine Gefängnisstrafe. Dies rechtfertigt nicht die Gewährung von Flüchtlingsschutz (vgl. VG Bayreuth, U.v. 11.8.2016 – B 2 K 16.30837– juris m.w.N.).
Denn die Gefahr selbst einer möglichen Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung begründet weder ein Anspruch auf Asylnoch auf Abschiebungsschutz. Denn die Einforderung staatsbürgerlicher Rechten, wie der Militärdienstleistungspflicht, stellt für sich alleine noch keine politische Verfolgung dar. Ebenso wenig handelt es sich bei den aus der Verweigerung dieser Pflichten resultierenden Konsequenzen wie der strafrechtlichen Ahndung und der zwangsweisen Durchsetzung der Wehrpflicht schon um Maßnahmen politischer Verfolgung. Nur wenn die Strafverfolgung aus politischen Gründen verschärft ist, kann es sich um eine politische Verfolgung handeln. Für die Annahme eines solchen Politmalus sind im Falle des Klägers jedoch keine Anhaltspunkte ersichtlich. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stellen die an eine Wehrdienstentziehung geknüpften Sanktionen, selbst wenn sie von totalitären Staaten ausgehen, nur dann eine flüchtlingsrelevante erhebliche Verfolgung dar, wenn sie nicht nur der Ahndung des Verstoßes gegen eine allgemeinen staatsbürgerlicher Pflicht dienen, sondern darüber hinaus den Betroffenen auch wegen seiner Religion, seiner politischen Überzeugung und eines sonst asylerheblichen Merkmals treffen sollen. Dies gilt jedoch nicht, wenn die verhängte Sanktion an eine alle Staatsbürger gleichermaßen treffende Pflicht anknüpft (vgl. BVerwG, B.v. 24.4.2017 – 1 B 22/17 – NVwZ 2017, 1204 m.w.N. sowie etwa VG Augsburg, U.v. 27.11.2006 – Au 7 K 05.30480 – juris; VG Düsseldorf, U.v. 8.11.2005 – 2 K 1497/04.A – juris). Eine möglicherweise so drohende Gefängnisstrafe begründet kein Abschiebungshindernis.
Vorliegend beschränkt sich die Ahndung der Wehrdienstentziehung im Iran nicht auf die Unterdrückung politisch oder religiös missliebiger Personen. Zudem hat der Kläger zu einer möglichen politisch motivierten Verfolgung nichts Greifbares vorgebracht. Während er gegenüber dem Bundesamt nur angab, er wolle nicht für das Regime kämpfen, erklärte er in der mündlichen Verhandlung auf ausdrückliche gerichtliche Frage, er sei dagegen gewesen, weil er nicht getötet werden wollen. Warum er nicht hingewollt habe? – Sie hätten ihn töten wollen. Er erwiderte, die Frage des Gerichts mit der Gegenfrage an das Gericht, ob der Richter getötet werden wollte. So fehlt sowohl für die Desertation ein asylerhebliches Motiv des Klägers als auch für die Ahndung der Wehrdienstentziehung durch den iranischen Staat eine asylerhebliche Zielrichtung. Für einen Politmalus ist nichts ersichtlich.
Auch eine mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohende Gefahr der Verhängung der Todesstrafe sieht das Gericht als nicht gegeben an. Selbst wenn die Angaben des Klägers zugrunde legt, im Jahr 2007 und 2010 wegen Alkoholvergehens zweimal mit Peitschenhieben bestraft worden zu sein. Zum einen ist festzuhalten, dass bis zur Ausreise Ende 2015 in diese Richtung nichts weiter passiert ist. Zum anderen gab der Kläger an, er habe zwar nach seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland Alkohol getrunken, aber seit er sich dem Christentum zugewandt habe, trinke er keinen Alkohol mehr. An dieser Aussage muss er sich festhalten lassen.
Das Gericht ist des Weiteren nicht davon überzeugt, dass für den Kläger eine ernsthafte flüchtlingsrelevante Verfolgungsgefahr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit aufgrund seiner Kontakte zum Christentum besteht. Das Gericht konnte sich nicht davon überzeugen, dass eine religiöse Praxis oder eine religiöse Betätigung, die im Iran verfolgt wird, für den Kläger zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig wäre. Denn nach der vorliegenden Erkenntnislage droht für christliche Konvertiten im Iran nur dann eine beachtliche wahrscheinliche Verfolgungsgefahr, wenn sie ihren Glauben in Gemeinschaft mit Anderen ausüben und sich religiös betätigen. Hinzu kommt, dass der Kläger – trotz ausdrücklicher Aufforderung zur weiteren Klagebegründung mit Hinweis auf § 87b Abs. 3 VwGO – erst zwei Tage vor der mündlichen Verhandlung ohne weitere Kommentierung eine Bestätigung des geistigen Leiters des Bauhaus e.V. Kitzingen vom 12. August 2017 übersandte, wonach er sich dem Christentum zugewandt habe und sich aktiv am Gemeindeleben beteilige, insbesondere die Gottesdienste sowie auch den Gottesdienst mit Glaubensunterricht speziell für Iraner besuche. Besonders fehlt es bis heute an einer Taufe des Klägers als Manifestation des Glaubenswechsels nach außen (vgl. dazu HessVG, B.v 23.2.2010 – 6 A 1389/09.A – Asylmagazin 2010, 120). Das Auswärtige Amt hat zudem in seiner Auskunft an das Verwaltungsgericht Schwerin vom 25. August 2015 ausdrücklich vermerkt, dass Apostasie, der Abfall vom Islam, nach Kenntnis des Auswärtigen Amtes in Iran erst angenommen wird, wenn der eigentliche Übertritt in eine andere, dem Islam nicht zurechenbare Glaubensgemeinschaft vorgenommen wird. Im Falle christlicher Glaubensgemeinschaften wäre für einen solchen Apostasievorwurf die Taufe notwendig. Im Übrigen hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich erklärt, er sei Christ geworden und habe sich zwei Kreuze auf dem linken Unterarm tätowieren lassen, aber er sei noch nicht getauft. Er taste sich erst langsam an das Christentum heran. Er wolle erst noch die Bekanntschaft mit dem Christentum machen, bevor er sich taufen lasse. Damit hat der Kläger selbst eingeräumt, dass er die Konversion zum Christentum noch nicht vollzogen hat. Vor diesem Hintergrund fehlt es an einer Grundlage, die als Basis für die Annahme einer möglichen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden religiösen Verfolgung des Klägers bei einer Rückkehr in den Iran dienen könnte.
Schließlich ist auch nicht anzunehmen, dass dem Kläger sonst bei einer Rückkehr politische Verfolgung droht, etwa wegen ihres Auslandsaufenthalts oder ihrer Asylantragstellung in Deutschland. Auslandsaufenthalte sind nicht verboten. Zwar kann es bei der Rückkehr in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen; die Befragung geht in Ausnahmefällen mit einer ein- bis zweitägigen Inhaftierung einher. Darüber hinaus kommt es jedoch zu keinen staatlichen Repressionen. Keiner westlichen Botschaft ist bisher ein Fall bekannt geworden, in dem Zurückgeführte darüber hinaus staatlichen Repressionen ausgesetzt waren. Zudem wurde auch kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. Zurzeit gibt es keine Hinweise auf eine Veränderung dieser Praxis. Schließlich können Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, von der iranischen Vertretung ein Passersatzpapier bekommen und in den Iran zurückkehren. Mit dieser „gesetzlichen Wiedereinreise“ werden die früheren illegalen Ausreisen legalisiert (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Iran vom 9.12.2015, Stand: November 2015 und vom 8.12.2016, Stand: Oktober 2016). Vorstehendes gilt auch in Bezug auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 9. März 2010 (R.C./Sweden, Nr. 41827/07). Denn die dort entschiedene Fallkonstellation ist nicht mit der hier vorliegenden vergleichbar, weil der Europäische Gerichtshof in jenem Fall seiner Beurteilung eine Vorverfolgung (Demonstrationsteilnahme mit anschließender Verhaftung und Folter) als substanziiert glaubhaft gemacht zugrunde gelegt hat (OVG NRW, B.v. 10.2.2017 – 13 A 293/17.A – juris; B.v. 16.6.2011 – 13 A 1188/11. A – Asylmagazin 2011, 246; VGH BW, U.v. 15.4.2015 – A 3 S 1459/13 – juris; SächsOVG, U.v. 14.1.2014 – A 2 A 911/11 – juris; BayVGH, B.v. 25.2.2013 – 14 ZB 13.30023 – juris; B. v. 21.1.2013 – 14 ZB 12.30456 – juris; OVG Lüneburg, B.v. 13.5.2011 – 13 LA 176/10 – AuAS 2011, 174).
Nach dem vorstehend Gesagten sind weiter insgesamt betrachtet keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG oder von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllt wären. Im Übrigen wird auf den angefochtenen Bundesamtsbescheid Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Gründe abgesehen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Dies gilt auch hinsichtlich der Begründung der Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sowie der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG abzuweisen.


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