Verwaltungsrecht

Verhinderung einer Beschlussfassung, sog. Grundsatzbeschluss

Aktenzeichen  M 7 E 20.2267

Datum:
26.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 11288
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 42 Abs. 2, § 67 Abs. 4 S. 4, 7, § 123 Abs. 1, § 154 Abs. 1
BGB § 1004 Abs. 1 S. 1
GKG § 1 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2§ 53 Abs. 2 Nr. 1
RDGEG § 3, § 5
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 Art. 3 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Beschussfassung über einen sog. Grundsatzbeschluss.
Der Antragsteller ist als Vertreter der Partei Alternative für Deutschland (im Folgenden: AfD) Mitglied des Antragsgegners. Der Antragsgegner ist der Bezirksausschuss des Stadtbezirks 16 des Landeshauptstadt München.
Auf der Tagesordnung für die am 27. Mai 2020, 19:00 Uhr stattfindende Sitzung des Antragsgegners befindet sich unter dem Tagesordnungspunkt 3.7 „Sonstige Anträge“ folgender Antrag der Bündnis 90/Die Grünen Fraktion und der Fraktionsgemeinschaft SPD/Die Linke vom 17. Mai 2020: „Grundsatzbeschluss: Keine Zusammenarbeit mit der AfD – für ein weltoffenes und demokratisches München“.
Daraufhin hat der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten am 25. Mai 2020 Antrag im einstweiligen Rechtsschutz stellen lassen.
Der Bevollmächtigte des Antragstellers trägt vor, der Antrag enthalte nicht nur für ein lokales Organ einer zur Bundesrepublik Deutschland gehörenden Gemeinde selbstverständliche Bekenntnisse, wie das Bekenntnis zum Grundgesetz von 1949, sondern auch Erklärungen geschichtlicher und rein parteipolitischer Natur. In den Erklärungen geschichtlicher Natur werde die AfD und ihre gewählten Vertreter fälschlicherweise und böswillig in die Nähe des Nationalsozialismus und der durch den Nationalsozialismus begangenen Verbrechen gebracht, weil die Vertreter der AfD wie die Nationalsozialisten demokratisch gewählt worden seien und die AfD in weiten Teilen rechtsextrem sei. In dem parteipolitischen Teil des sog. Grundsatzbeschlusses werde u.a. erklärt, dass die AfD keine demokratischen Inhalte vertrete, dass keine politischen Absprachen oder gemeinsame Initiativen mit ihr möglich seien und dass nicht mit ihrer Stimme zu kalkulieren sei. Der eingereichte Antrag sei nicht gesetzmäßig und verstoße gegen die Satzung für die Bezirksausschüsse der Landeshauptstadt München. Nach § 2 der Satzung für die Bezirksausschüsse der Landeshauptstadt München dienten die Bezirksausschüsse der Erörterung und Durchsetzung stadtbezirksbezogener Anliegen. Der Antrag habe jedoch eindeutig keinen Stadtbezirksbezug. Es handle sich um eine parteipolitische Resolution, welche weit über die Äußerungsbefugnisse eines lokalen Organs gehe. Mit dem Antrag werde beabsichtigt, den Antragsgegner für parteipolitische Interessen zu missbrauchen. Bezirksausschüsse dürften sich nur mit stadtbezirksbezogenen Angelegenheiten befassen, da sie kein allgemein politisches Mandat und insbesondere kein parteipolitisches Mandat erfüllen würden. Somit müsse sich jede Äußerung eines Bezirksausschusses im Rahmen seiner Aufgaben bewegen, also eine rechtliche Grundlage haben, sowie sachlich und nicht abwertend sein. Darüber hinaus solle durch den sog. Grundsatzbeschluss der Antragsteller als Mitglied des Antragsgegners ausgegrenzt und seiner politischen Grundrechte beraubt werden, indem der Antragsgegner diesen diskriminieren solle. Der Antragsgegner würde bereits bei einer Abstimmung dieses sog. Grundsatzbeschlusses seine Pflicht zur politischen Neutralität verletzten, weil er sich anmaße, die politische Auseinandersetzung wie Absprachen zwischen BA-Mitgliedern oder gemeinsamen Initiativen von BA-Mitgliedern steuern zu können. Der sog. Grundsatzbeschluss habe eine Diskriminierung und Entwürdigung des Antragstellers als gewählten Vertreter der AfD zur Folge. Die Bezirksausschüsse seien lokale Organe der Landeshauptstadt München, die die Gleichbehandlung aller Parteien und die Chancengleichheit im politischen Meinungs- und Willensbildungsprozess aller gewählten Vertreter sicherstellen müssten. Eine Beschlussfassung über den Antrag würde gegen das auch für lokale Organe von Gemeinden geltende Gleichbehandlungsprinzip verstoßen. Dieser grundsätzliche Anspruch auf Gleichbehandlung und Chancengleichheit folge aus dem Grundsatz der Parteienfreiheit gemäß Art. 21 Abs. 1 GG, dem Verbot einer Diskriminierung politischer Anschauungen gemäß Art. 3 Abs. 1 GG, der Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG. Der sog. Grundsatzbeschluss verletze den Antragsteller auch in seiner Ehre, da er ihn als gewählten Vertreter der AfD mit Nationalsozialisten vergleiche und daraus „Umgangsregeln“ mit dem Antragsteller ableite, die nicht in Einklang mit der Bezirksausschuss-Satzung und höchstrangigem Recht stünden. Für Kriegsdienstverweigerer wie den Antragsteller stelle dieser Vergleich psychisch eine besondere Belastung dar. Die im Antragsgegner vertretenen Mitglieder könnten außerhalb einer BA-Sitzung über den sog. Grundsatzbeschluss abstimmen, wie sie wollten und ihre politische Meinung innerhalb der geltenden Gesetze kundtun. Der Antragsgegner dürfe sich jedoch als lokales Organ der Landeshauptstadt München nicht für parteipolitische Interessen missbrauchen lassen und nicht unsachlich sein bzw. nicht ohne rechtliche Grundlage Beschlüsse fassen. Dieser dürfe nicht gegen seine Satzung verstoßen und auch nicht die Grundrechte und die Ehre eines BA-Mitglieds verletzen.
Der Antragsteller beantragt,
Der Antragsgegner wird bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Zulässigkeit des sog. Grundsatzbeschlusses „Keine Zusammenarbeit mit der AfD“ im Hauptsacheverfahren im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, keinen Beschluss zu fassen, keine sonstigen Entscheidungen zu treffen und keine sonstigen Maßnahmen vorzunehmen, die geeignet sind, die Zielsetzung des sog. Grundsatzbeschlusses zu ermöglichen.
Der Antragsgegner beantragt,
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsgegner trägt vor, der Antrag sei unzulässig, da der Antragsteller nicht in seinen mitgliedschaftlichen Rechten als Bezirksausschussmitglied verletzt sei. Auch im Übrigen sei keine Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechts des Antragstellers ersichtlich. Dieser habe daher kein Rechtsschutzbedürfnis. Der Antrag sei zudem unbegründet, da der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht habe. Der Antragsgegner sei zu der Entscheidung über den vorliegenden Tagesordnungspunkt zuständig, da es sich um eine innerorganisatorische Festlegung der Zusammenarbeit innerhalb des Gremiums zu Beginn der Amtsperiode handle. Innerhalb der bestehenden Zuständigkeit des Antragsgegners sei es diesem nicht verwehrt, die vorliegende Resolution zu beschließen. Diese sei inhaltlich nicht zu beanstanden. Es handle sich um eine politische Meinungsäußerung der Bezirksausschussmitglieder. Diese hätten als politische Mandatsträger das Rechte, insbesondere auch in Angelegenheiten des Bezirksausschusses ihre Meinung frei und uneingeschränkt zu äußern. Begrenzt werde deren Meinungsfreiheit durch die ihnen ausdrücklich in der Gemeindeordnung auferlegten Sonderpflichten und durch die allgemeinen Gesetze i.S.d. Art. 5 Abs. 2 GG. Die vorliegenden Äußerungen gingen jedoch nicht über das hinaus, was von der Meinungsfreiheit im politischen Diskurs gedeckt sei. Bei der Abstimmung im Bezirksausschuss gelte der Grundsatz des freien Mandats in seinem Kernbestand. Deshalb würden die Bezirksausschussmitglieder bei der Abstimmung nach ihrem Gewissen entscheiden. Damit sei es unvereinbar, wenn ihnen von vorne herein die Möglichkeit genommen werde, einen Tagesordnungspunkt zu behandeln, der in der Zuständigkeit des Bezirksausschusses liege. Eine Ehrverletzung des Antragstellers sei nicht ersichtlich.
Mit Schriftsatz vom 26. Mai 2020 erwiderte der Bevollmächtigte des Antragstellers, der Antrag sei zulässig, da der Antragsgegner bereits mit der Aufnahme des sog. Grundsatzbeschlusses in die Tagesordnung seine politische Neutralität gegenüber dem Antragsteller verletze, weil er dadurch in die parteipolitischen Auseinandersetzungen seiner Mitglieder massiv eingreife und somit die subjektiven Rechte des Antragstellers als Bezirksausschussmitglied angreife. Eine Beschlussfassung über den Antrag verstoße zudem gegen das für Verwaltungsorgane geltende Gleichbehandlungsprinzip. Der Antrag sei auch begründet, da sich der Anordnungsanspruch allein schon aus dem beabsichtigten massiven Eingriff in die Grundrechte des Antragstellers als Bezirksausschussmitglied ergebe. Darüber hinaus fehle dem Tagesordnungspunkt eindeutig der notwendige Stadtbezirksbezug. Es handle sich um allgemein politische Äußerungen, über die ohne eine rechtliche Grundlage abgestimmt werden solle. Letztendlich sei der sog. Grundsatzbeschluss gegenüber dem Antragsteller unsachlich und abwertend.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte ergänzend Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Der Antrag ist bereits unzulässig.
Dem Antragsteller fehlt die erforderliche Antragsbefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO analog.
Auf Grund der Akzessorietät zwischen vorläufigem Rechtsschutz und Hauptsacheverfahren ist auch im Verfahren nach § 123 VwGO Zulässigkeitsvoraussetzung, dass der Antragsteller entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt ist (vgl. Adelheit/Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 123 Rn. 69). Es muss daher nach dem Vorbringen des Antragstellers zumindest möglich erscheinen, dass dieser in eigenen Rechten verletzt ist oder ihm eine solche Verletzung droht, mithin ein subjektives Recht des Antragstellers in Rede steht, dass infolge des Handelns oder Unterlassens des Antragsgegners möglicherweise verletzt wird (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 123 Rn. 41a). Dabei ist vorliegend zu beachten, dass es sich um einen Kommunalverfassungsstreit handelt, da die Beteiligten Organteil (Mitglied des BA 16) und Gesamtorgan (BA 16) desselben kollegialen Gesamtorgans sind (vgl. Glaser in Widtmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, 29. EL Mai 2018, Art. 49 Rn. 20). Folglich kann gegen Maßnahmen, die die Bezirksausschüsse oder einzelne Bezirksausschussmitglieder in ihren Rechten verletzten, im Wege der kommunalverfassungsrechtlichen Streitigkeit vorgegangen werden (vgl. Glaser in Widtmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, 29. EL Mai 2018, Art. 60 Rn. 7). Aus dem sich aus § 42 Abs. 2 VwGO ergebenden Grundgedanken eines subjektiv-rechtlich geprägten Rechtsschutzes (Geltendmachung einer subjektiven Rechtsverletzung) folgt, dass grundsätzlich auch im Kommunalverfassungsstreit nur die Verletzung subjektiver Rechte geltend gemacht werden kann (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 42, Rn. 172, Stichwort Kommunalverfassungsstreit). Die zur Nachprüfung gestellte Maßnahme muss dabei rechtserheblich sein oder sich zumindest zu einem die Rechtsstellung des Antragstellers beeinträchtigenden, rechtserheblichen Verhalten verdichten können. Als rechtserhebliche Maßnahme kommt jedes Verhalten des Antragsgegners in Betracht, das geeignet ist, die Rechtsstellung des Antragstellers zu beeinträchtigen. Erforderlich ist, dass der Antragsteller durch die angegriffene Maßnahme in seinem Rechtskreis konkret betroffen wird. Handlungen, die nur vorbereitenden oder bloß vollziehenden Charakter haben, scheiden als Angriffsgegenstand im Organstreit aus (vgl. BVerfG, B.v. 4.12.2014 – 2 BvE 3/14 – juris Rn. 27)
Der Antragsteller kann sich jedoch nicht darauf berufen, bereits durch die mögliche Beschlussfassung über den Antrag in seinen, ihm als Mitglied des Antragsgegners zustehenden, ihm eine subjektive Rechtsposition vermittelnden Organrechten verletzt zu werden.
Zwar spricht einiges dafür, dass der Antrag voraussichtlich keinen zulässigen Beratungs- und Beschlussgegenstand darstellen dürfte. Denn dieser dürfte keinen die Aufgaben und Befugnisse der Bezirksausschüsse der Landeshauptstadt München betreffenden Inhalt zum Gegenstand haben (vgl. §§ 2 Abs. 1, 9 Abs. 1 Satz 1 der Satzung für die Bezirksausschüsse der Landeshauptstadt München [„stadtbezirksbezogene Anliegen“, „in Angelegenheiten aus dem Zuständigkeitsbereich des Stadtrats, deren Bedeutung auf den Stadtbezirk begrenzt ist“]). Insbesondere beschränkt sich dieser nach seinem Wortlaut nicht lediglich auf eine innerorganisatorische Festlegung der Zusammenarbeit innerhalb des Gremiums zu Beginn der Amtsperiode („für ein weltoffenes und demokratisches München“, „Mit diesem Grundsatzbeschluss stellen wir auch klar: München ist vielfältig und auf dieser Vielfalt werden wir die Zukunft unserer Stadt gestalten!“). Vielmehr dürfte der Antrag wohl ausschließlich eine generelle, die politische Überzeugung wiederspiegelnde Aussage zur fraktionsübergreifenden Zusammenarbeit betreffen. Dies mag zwar zulässiger Gegenstand einer partei- bzw. fraktionsinternen Organisation und Zielsetzung sein, dürfte jedoch kein zulässiger Beratungsgegenstand eines Bezirksausschusses sein, da diese primär als Instrumente der Dezentralisierung sowie der Dekonzentration die bürgerschaftliche Mitwirkung stärken und (durch die Überwindung einer „Rathausferne“ der Bevölkerung in großen) bürgernahe Entscheidungen fördern sollen (vgl. Engels in BeckOK KommunalR Bayern, 5. Ed. 1.3.2020, Art. 60 Rn. 1). Demgegenüber dürfte ein Beschluss des Antragsgegners rechtswidrig sein, wenn er als bloße Gesinnungsbekundung zu allgemein politischen, nicht stadtbezirksbezogenen Fragen Stellung nimmt. Denn dem Bezirksausschuss kommt weder ein allgemeines Recht auf politische Meinungsäußerung noch eine Sachwalterstellung für Interessen der Bürgerschaft zu. Dementsprechend dürften Stellungnahmen des Antragsgegners zu bundes- bzw. landespolitischen Fragen insoweit nur rechtmäßig sein, wenn ein örtlicher Bezug dargetan werden kann (vgl. Glaser in Widtmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, 29. EL Mai 2018, Art. 6 Rn. 4). Wie bereits dargelegt, ist ein solch spezifischer, stadtbezirksbezogener Bezug vorliegend nicht deutlich erkennbar, so dass es dem Antragsgegner wohl verwehrt sein dürfte, eine, dem Antrag entsprechende, allgemeinpolitische Frage der Zusammenarbeit mit der Partei der AfD zum Gegenstand seiner Tätigkeit zu machen.
Allerdings hat das einzelne Mitglied bereits keinen Anspruch darauf, dass bestimmte Anträge nicht zur Abstimmung gestellt werden. Denn aus dem Antragsrecht eines jeden Bezirksausschussmitglieds (vgl. § 7 Abs. 2 der Geschäftsordnung für die Bezirksausschüsse der Landeshauptstadt München) folgt vielmehr das Recht, das Gremium zu einem Beschluss zu zwingen, der sich mit dem Antrag befasst. Denn da das Gremium nur im Rahmen einer Sitzung, zu der es vom Vorstand ordnungsgemäß geladen wurde (vgl. §§ 8, 11 der Satzung für die Bezirksausschüsse der Landeshauptstadt München sowie §§ 6, 12 der Geschäftsordnung für die Bezirksausschüsse der Landeshauptstadt München), Beschlüsse fassen kann und die Mitglieder nicht selbst Anträge auf die Tagesordnung setzen können, bedeutet dies, dass der Vorstand verpflichtet ist, jeden Antrag eines Mitgliedes ohne inhaltliche Vorprüfung auf die Tagesordnung als Beratungsgegenstand aufzunehmen (vgl. zu Art. 46 GO: Glaser in Widtmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, 29. EL Mai 2018, Art. 46 Rn. 16).
Schließlich kann der Antragsteller nicht geltend machen, er werde durch die Beratung und Beschlussfassung in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verletzt. Zum einen handelt es sich bei dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht nicht um ein Organrecht, sodass der Antragsteller insoweit nicht in seiner Rechtsstellung als Mitglied des Antragsgegners verletzt wird. Zudem anderen ergänzt das in Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG verankerte allgemeine Persönlichkeitsrecht die im Grundgesetz normierten Freiheitsgrundrechte und gewährleistet die engere persönliche Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen. Der Inhalt dieses Rechts ist nicht abschließend und allgemein beschrieben. Zu den anerkannten Inhalten gehören das Verfügungsrecht über die Darstellung der eigenen Person, die soziale Anerkennung sowie die persönliche Ehre. Eine wesentliche Gewährleistung ist der Schutz vor Äußerungen, die geeignet sind, sich abträglich auf das Ansehen der Person, insbesondere ihr Bild in der Öffentlichkeit, auszuwirken. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt die Person insbesondere vor verfälschenden oder entstellenden Darstellungen, die von nicht ganz unerheblicher Bedeutung für die Persönlichkeitsentfaltung sind (vgl. BVerfG, B.v. 3.6.1980 – 1 BvR 185/77 – juris Rn. 12 ff.) Die bloße Beratung und Beschlussfassung erscheint nicht geeignet, sich abträglich auf das Ansehen des Antragstellers weder in Bezug auf seine politische Betätigung noch auf seine Person selbst auszuwirken und diesen in seiner persönlichen Ehre zu verletzen, da in dem Antrag der Antragsteller weder als Person benannt wird noch die Vertreter der AfD persönlich angesprochen werden. Vielmehr heißt es darin im Wesentlichen, dass die AfD als Partei, die mit ihr verbundenen Organisationen und Vereine keine demokratischen Inhalte vertreten würden und infolge dessen keine Absprachen mit der AfD getroffen, keine gemeinsamen politischen Initiativen mit der AfD vorgenommen werden sowie nicht mit den Stimmen der AfD kalkuliert werden solle. Insoweit richtet sich der Inhalt des Antrags gegen die Partei der AfD als solche. Ob dies der Antragsteller auf sich als Person bezieht oder Dritte auf den Antragsteller als Person übertragen, unterliegt insoweit der persönlichen Interpretation im Rahmen der von Art. 5 Abs. 1 GG geschützten freien Meinungsbildung.
Im Übrigen fehlt es auch am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers. Bei Begehren um vorläufigen vorbeugenden Rechtsschutz – wie vorliegend – besteht das Rechtsschutzbedürfnis i.d.R. nur, wenn ein besonderes schützenswertes Interesse gerade an der Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes besteht, weil der Verweis auf den nachgängigen Rechtsschutz – einschließlich des einstweiligen Rechtsschutzes – mit für den Antragsteller unzumutbaren Nachteilen verbunden wäre (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, vor § 40 Rn. 25). Der Antragsteller hat vorliegend nicht begründet, weshalb es ihm unzumutbar wäre, die Beratung sowie die von ihm befürchtete Beschlussfassung abzuwarten. Es wurde nicht dargelegt, warum es für ihn nicht zumutbar ist, abzuwarten, ob der in Rede stehende Grundsatzbeschluss in der Sitzung am 27. Mai 2020 überhaupt entsprechend dem Antrag getroffen wird sowie ob dieser ggf. in der Folge vom Oberbürgermeister des Landeshauptstadt München gemäß Art. 59 Abs. 2 GO beanstandet, sein Vollzug ausgesetzt und soweit erforderlich eine Entscheidung der Rechtsaufsichtsbehörde herbeigeführt wird (vgl. § 11 der Satzung für die Bezirksausschüsse der Landeshauptstadt München).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß §§ 1 Abs. 2 Nr. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG in Anlehnung an die Nummer 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.


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