Verwaltungsrecht

Verjährter Erstattungsanspruch bei Leistungen der Jugendhilfe

Aktenzeichen  B 3 K 15.1001

Datum:
15.6.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SGB VIII SGB VIII § 89d Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1
SGB X SGB X § 111, § 113
BGB BGB § 203, § 212 Abs. 1 Nr. 1
AGSG AGSG § 52 S. 2

 

Leitsatz

1 Für die fristgerechte Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs genügt es, dass das Erstattungsbegehren unmissverständlich zum Ausdruck gebracht wird, der Wille, zumindest rechtssichernd tätig zu werden, somit deutlich erkennbar werden muss und dabei ausreichend klar wird, welche Leistungen zu erstatten sind, also zumindest die Umstände, die für die Entstehung des Erstattungsanspruchs maßgeblich sind, und der relevante Zeitraum, in dem die Sozialleistung erbracht wurde, hinreichend konkret mitgeteilt wurden. (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine Vorlage der vollständigen Prüfungsunterlagen ist für die rechtzeitige Geltendmachung des Erstattungsanspruchs nicht erforderlich. (redaktioneller Leitsatz)
3 Die bloße Anmeldung eines Anspruchs ist nicht gleichzustellen mit Verhandlungen über den Anspruch, hierfür wäre eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Anspruch erforderlich. Es genügen Äußerungen seitens des Schuldners, die den Gläubiger zu der Annahme berechtigen, dass der Schuldner sich auf Erörterungen über die Berechtigung von Ansprüchen einlasse. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

Über die Klage konnte gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten diesem Vorgehen zugestimmt haben.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Ein einredefreier Erstattungsanspruch der Klägerin nach § 89d Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 SGB VIII i. V. m. § 52 Satz 2 AGSG gegen den Beklagten ist nicht gegeben.
1.1 Zwar ist der Beklagte nach der Bestimmung durch das Bundesverwaltungsamt als Kostenschuldner der richtige Klagegegner, § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO i. V. m. § 89d Absätze 1 und 3 SGB VIII.
1.2 Auch ist kein Grund vorgetragen oder ersichtlich, weshalb die Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs nach § 89d Abs. 1 SGB VIII nicht vorliegen sollten. Ein Ausschluss nach § 111 Satz 1 SGB X scheidet aus. Mit Schreiben vom 02.08.2012 machte die Klägerin die Kosten für die Unterbringung von N.G. in der Zeit vom 22.11.2010 bis 02.01.2012 geltend. Da die konkrete Maßnahme am 03.01.2012 endete, lief die Ausschlussfrist frühestens am 03.01.2013 ab, § 26 Abs. 1 SGB X i. V. m. §§ 187, 188 BGB (vgl.: BVerwG, U. v. 17.12.2015, Az. 5 C 9/15 m. w. N.; VG Bayreuth, U. v. 16.03.2015, Az. B 3 K 13.619). Die Geltendmachung erfolgte vorher und war auch hinreichend substantiiert, zumal sie erkennen ließ, um welche Hilfeleistungen es sich im Einzelnen handelte und welche Beträge auf diese entfielen. Auch die Umstände des Anspruches waren ausreichend konkretisiert worden.
Soweit beklagtenseits in den § 111 SGB X eine Vorlagepflicht für die vollständigen Prüfungsunterlagen hineingelesen werden soll, überdehnt dies die Grenze des Wortlautes. § 111 SGB X verlangt nur die Geltendmachung des Anspruches; das bedeutet nach ständiger Rechtsprechung, dass das Erstattungsbegehren unmissverständlich zum Ausdruck gebracht wird, der Wille, zumindest rechtssichernd tätig zu werden, somit deutlich erkennbar werden muss und dabei ausreichend klar wird, welche Leistungen zu erstatten sind, also zumindest die Umstände, die für die Entstehung des Erstattungsanspruchs maßgeblich sind, und der relevante Zeitraum, in dem die Sozialleistung erbracht wurde, hinreichend konkret mitgeteilt wurden (BSG, U.v. 23.02.1999, Az. B 1 KR 14/97 R m. w. N.; BayVGH, U. v. 30.08.2004, Az. 12 B 00.1434; VG Stuttgart, U. v. 29.11.2004, Az. 8 K 1836/04). Dies ist mit der Rechnungsstellung vom 02.08.2012 geschehen, da bereits in der dieser vorausgehenden Korrespondenz die allgemeinen Umstände mitgeteilt worden waren – es hatte bereits eine Kostenübernahmeerklärung gegeben – und die einzelnen Kostenpunkte in der Rechnung hinreichend deutlich aufgezählt und konkretisiert worden waren. Diese Art der Geltendmachung reicht auch aus, um dem Anspruchsschuldner – dem Sinn der Ausschlussfrist entsprechend (vgl.: BVerwG, U. v. 17.12.2015, Az. 5 C 9/15; VG Stuttgart, U. v. 29.11.2004, Az. 8 K 1836/04) – zeitnah Kenntnis von den auf ihn zukommenden Ansprüchen zu verschaffen und ihm so zu ermöglichen, Rückstellungen zu bilden und sich mit dem Anspruch auseinander zu setzen. Nicht notwendig ist deshalb, dass das Bestehen der Leistungspflicht, die letztlich die Kostenerstattung auslöst, bei der Geltendmachung in allen Einzelheiten bewiesen wird (BVerwG, U. v. 10.04.2003, Az. 5 C 18/02 m. w. N.).
1.3 Der Erstattungsanspruch ist jedoch verjährt.
Erstattungsansprüche verjähren nach § 113 Abs. 1 Satz 1 SGB X in vier Jahren. Zwar handelt es sich bei dem Erstattungsanspruch nach § 89d SGB VIII nicht um einen solchen des Abschnittes der §§ 102 ff SGB X, doch ist § 113 SGB X gemäß § 37 Satz 1 SGB I auf diesen anwendbar.
1.3.1 Die Verjährungsfrist beginnt analog § 111 Abs. 1 SGB XII mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist (BayVGH, U. v. 23.11.2009, Az. 12 BV 08/2146; U. v. 03.12.2009, Az. 12 BV 08/2147; OVG Berlin-Brandenburg, U. v. 26.11.2014, Az. OVG 9 B 59.11; U. v. 27.02.2013, Az. OVG 9 B 57.11; OVG des Saarlandes, U. v. 23.05.2012, Az. 3 A 410/11; VG Würzburg, U. v. 24.01.2013, Az. W 3 K 11.1060). Dies ist mit der Erbringung der dem Erstattungsanspruch zugrunde liegenden Leistung der Fall (vgl.: BayVGH, U. v. 23.11.2009, Az. 12 BV 08.2146; U. v. 03.12.2009, Az. 12 BV 08.2147; VG Würzburg, U. v. 24.01.2013, Az. W 3 K 11.1060). Somit begann die Verjährungsfrist für die Erstattungsansprüche für Maßnahmen der stationären Hilfe aus dem Jahr 2010 mit Ablauf des 31.12.2010 zu laufen, da die Leistungen in diesem Jahr erbracht worden waren. Nach § 26 Abs. 1 SGB X i. V. m. § 188 Abs. 2 BGB endet die Verjährungsfrist damit mit Ablauf des 31.12.2014.
1.3.2 Eine Hemmung der Verjährungsfrist liegt nicht vor. Die von der Klägerin vorgetragenen Tatsachen reichen hierfür nicht aus.
Nach § 113 Abs. 2 SGB X finden die Regelungen des BGB betreffend der Hemmung, Ablaufhemmung, des Neubeginns und der Wirkung der Verjährung sinngemäß Anwendung. Dabei sind die Hemmungsvorschriften grundsätzlich eng auszulegen, da es sich bei diesen um Ausnahmeregelungen handelt; dies bedeutet, dass die Heranziehung weiterer Hemmungsregelungen außerhalb des BGB nicht möglich ist (vgl.: BSG, U. v. 19.09.2013, Az. B 3 KR 30/12 R).
1.3.2.1 Soweit eine Hemmung aufgrund eines Anerkenntnisses nach § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB behauptet wird, ist ein solches in Bezug auf den geltend gemachten Anspruch nicht ersichtlich. Anerkenntnis meint ein rein tatsächliches Verhalten des Schuldners gegenüber dem Gläubiger, aus dem sich das Bewusstsein vom Bestehen des Anspruchs unzweideutig ergibt (Palandt, BGB, 2016, § 212 Rn. 2 m. w. N.). Dies ist durch Auslegung zu ermitteln. Dabei ist es ausreichend, wenn der Schuldner den Anspruch dem Grunde nach anerkennt oder nur in Bezug auf die Höhe der Forderung Einwendungen erhebt (Palandt, a. a. O., Rn. 5)
Im Schreiben vom 11.10.2010 ist zwar eine allgemeine Kostenübernahme ausgesprochen worden, doch bezog sich diese allein auf die Maßnahme der Inobhutnahme und kann daher nicht auf die nachfolgenden Leistungen, deren Anspruchsvoraussetzungen und rechtliche Einordnung sich von denen der Inobhutnahme – als anderer Aufgabe – unterscheiden, erstreckt werden. Es ist insoweit nicht von einer Gesamtleistung auszugehen, sondern von einzelnen Hilfen (BVerwG, U. v. 17.12.2015, Az. 5 C 9/15; VG Münster, U. v. 19.05.2015, Az. 6 K 1095/14). Darüber hinaus führte dieses Anerkenntnis im Ergebnis nicht zu einer länger laufenden Frist, da es im Oktober 2010 abgegeben worden ist, der Beginn der neuen Verjährungsfrist also vor dem der ursprünglichen liegen würde.
Auch in den Schreiben vom 22.08. und 06.11.2012 sind keine Anerkenntnisse zu sehen. In beiden Schreiben wurde die Vorlage weiterer Nachweise gefordert und in letzterem ausdrücklich festgestellt, dass eine Anweisung der geforderten Summe erst nach Vorlage der angeforderten Unterlagen erfolgen könne. Hieraus lässt sich aus Sicht des Empfängers nicht entnehmen, dass sich der Beklagte des Bestehens eines Anspruches eindeutig bewusst war. Der Kostenerstattungsanspruch nach § 89d SGB VIII ist an bestimmte Tatbestandsmerkmale gebunden, wozu unter anderem auch gemäß § 89f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII die Gesetzmäßigkeit der kostenverursachenden Maßnahme gehört. Hier hatte der Beklagte die Vorlage der relevanten Gewährungsbescheide und der Hilfeplanfortschreibungen gefordert. Insoweit bezogen sich die begehrten Unterlagen auf das Tatbestandsmerkmal der Rechtmäßigkeit der kostenauslösenden Maßnahme. Ein etwaiges Anerkenntnis dem Grunde nach kann daraus folglich nicht herausgelesen werden. Zwar mag das Schreiben vom 06.11.2012 insoweit missverständlich sein, als davon geredet wird, dass erst nach Vorlage der Unterlagen der Rechnungsbetrag angewiesen werden kann, doch sind insoweit die Gesamtumstände zu berücksichtigen. Aus dem Zusammenspiel mit dem Schreiben vom 22.08.2012 ist ersichtlich, dass das Bestehen der Schuld eben nicht eindeutig zum Ausdruck gebracht wurde. Vielmehr sollte die Notwendigkeit der Vorlage der Unterlagen für die Auszahlung unterstrichen werden. Dies zeigt sich daran, dass im Schreiben vom 22.08.2012 eine solche Formulierung nicht vorhanden war und dem Schreiben vom 06.11.2012 eine Aufforderung der Kasse …bezüglich des geltend gemachten Betrages vorausging; auf diese nahm das Schreiben mit der Formulierung ersichtlich Bezug. Da bezüglich der neuen Maßnahme noch keine Entscheidung des Beklagten zur Kostenübernahme getroffen worden war, ist eine Auslegung als Anerkenntnis dem Grunde nach ausgeschlossen.
1.3.2.2 Verhandlungen im Sinne des § 203 BGB sind nicht ersichtlich. Zwar ist der Begriff der Verhandlung weit auszulegen, so dass jeder Meinungsaustausch über einen Anspruch oder dessen Grundlagen nach vorheriger Geltendmachung eines Anspruches, bei der klargestellt wird, worauf sich der Anspruch im Kern stützt, ausreicht. Es genügen damit Äußerungen seitens des Schuldners, die den Gläubiger zu der Annahme berechtigen, dass der Schuldner sich auf Erörterungen über die Berechtigung von Ansprüchen einlasse. Nicht ausreichend ist die bloße Anmeldung von Ansprüchen. (Palandt, a. a. O., § 203 Rn. 2)
1.3.2.2.1 § 203 BGB ist grundsätzlich auch in der vorliegenden Situation anwendbar (vgl.: OVG Münster, B. v. 26.01.2012, Az. 12 A 877/11).
Das seitens des Beklagten angeführte Urteil des BSG vom 12.02.2004, Az. B 13 RJ 58/03 R, spricht nicht dafür, die Anwendung des § 203 BGB auszuschließen (vgl.: von Wulffen/Schütze, SGB X, 2014, § 113 Rn. 9). Dieses verneinte die Anwendbarkeit des § 211 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BGB a. F., also § 204 Abs. 2 Satz 1 Alt 2 BGB n. F., betrifft also nicht den Fall der Verhandlung, sondern den der schwebenden Entscheidungsfindung nach Antragstellung durch den Bürger. Damit lag dieser Entscheidung eine andere Situation zugrunde: Es ging um das Verhältnis Bürger-Behörde. Vorliegend geht es aber um das Verhältnis Behörde-Behörde, die Beteiligten treffen also auf Augenhöhe aufeinander (BSG, U.v. 23.02.1999, Az. B 1 KR 14/97 R m. w. N.), so dass der Ausgangspunkt für die sinngemäße Anwendung der Hemmungsregelungen ein anderer ist. Zwar gilt auch hier nach § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB X der Amtsermittlungsgrundsatz, doch stehen sich hier zwei Behörden mit Amtsermittlungspflicht gegenüber, die gemäß § 20 Abs. 2 SGB X auch zur Ermittlung der für den „Gegner“ günstigen Umstände verpflichtet sind. Deshalb kann die Rechtsprechung des BSG, die für die Situation des vom Untersuchungsgrundsatz begünstigten Bürgers im Verhältnis zum verpflichteten Staat erging, nicht auf diese Situation übertragen werden. Durch den Verweis in § 113 Abs. 2 SGB X hat der Gesetzgeber – trotz der nur sinngemäßen Anwendbarkeit – zum Ausdruck gebracht, dass er die Anwendung der Regelungen zur Hemmung aus dem BGB wünscht. Da sich die Situation für Erstattungsansprüche nicht so stark von der Situation der Gleichordnung nach dem BGB unterscheidet, bestehen gegen die Anwendbarkeit der Regelungen des BGB keine Bedenken.
1.3.2.2.2 Eine inhaltliche Auseinandersetzung ist nicht gegeben. Vielmehr wurde allein über die Vorlage von prüffähigen Unterlagen korrespondiert, aber nicht über das Bestehen oder Nicht-Bestehen von Ansprüchen. Der Beklagte hatte nur die Vorlage von Unterlagen gefordert, die ihn in die Lage versetzen, sich an der Diskussion um Bestehen und Nicht-Bestehen beteiligen zu können. Zwar ist für die Verhandlung keine endgültige Meinungsbildung notwendig, sondern sie kann jederzeit eingeleitet werden. Auch setzt das Vorlageverlangen grundsätzlich eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Rechnung voraus, indem deren Inhalt und die für die Anspruchsgewährung notwendigen Nachweise geprüft werden müssen. Auch bringt das Vorlageverlangen zum Ausdruck, dass die vorgelegten Unterlagen nicht als ausreichend erachtet werden.
Es besteht jedoch ein Unterschied zwischen dem bloßen Verlangen von Unterlagen und einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit einem Anspruch, der im Verwaltungsprozess deutlich zu Tage tritt. Bei Erstattungsansprüchen ist beim Anspruchsschuldner ein strukturimmanentes Informationsdefizit gegeben, das nur durch den Anspruchsinhaber beseitigt werden kann. Der Anspruchsgegner ist auf die Informationsweitergabe des Anspruchsinhabers angewiesen. Ohne diese Informationen kann schon keine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Anspruch stattfinden, so dass inhaltlich nicht verhandelt werden kann. Insoweit unterscheidet sich diese Situation von der im Zivilrecht häufig vorliegenden Situation der bloß unvollständigen und ungleichmäßigen Informationsverteilung, bei der die inhaltliche Auseinandersetzung über das Bestehen des Anspruchs auch und insbesondere auf der Tatbestandsebene geführt wird, da zumeist unterschiedliche Informationslagen bestehen. Hinzu tritt, dass bei Behörden grundsätzlich der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 20 Abs. 1 SGB X) gilt, so dass diese selbst zur Ermittlung des „richtigen“ und nicht für sie günstigsten Sachverhaltes angehalten sind, und nach Art. 20 Abs. 3 GG an Recht und Gesetz gebunden sind, also grundsätzlich nur in rechtmäßiger Weise tätig werden dürfen und damit vorher die rechtliche Würdigung selbst vorzunehmen haben. Die inhaltliche Auseinandersetzung mit einem Anspruch ist bei Erstattungen aber erst nach Informationsbeschaffung und häufig nur auf rechtlicher Ebene möglich.
Von der Informationsbeschaffung ist insoweit der das Zivilrecht prägende Streit um die Richtigkeit von Informationslagen zu unterscheiden.
1.3.2.2.3 Unter Zugrundelegung dieser Gedanken war die Aufforderung des Beklagten vom 22.08.2012 aus Sicht eines objektiven Empfängers nicht als eine inhaltliche Auseinandersetzung über den Anspruch, sondern als bloßes Ergänzungsverlangen bezüglich der Rechnungsunterlagen zu verstehen. Eine inhaltliche Stellungnahme wird daraus nicht ersichtlich, da ausschließlich Unterlagen angefordert wurden, ohne auf die Begründetheit des Anspruches einzugehen. Aus der bloßen Anforderung konnte nicht per se darauf geschlossen werden, dass sich der Beklagte auf Erörterungen über die Berechtigung der Ansprüche einlassen will. Vielmehr wird aus den Schreiben klar, dass dazu – noch – keine Aussagen getroffen werden sollten. Ein ernsthafter Austausch von Meinungen ist nicht gegeben und auch nicht in Aussicht gestellt worden.
Soweit die Klägerin darauf verweist, dass in der Nachforderung von Unterlagen gleichsam das Bestreiten der Anspruchshöhe gesehen werden kann, ist dem nicht zu folgen. Zwar regelt § 89f SGB VIII, dass die Kosten nur soweit zu erstatten sind, als die Aufgabenerfüllung den Vorschriften des SGB VIII entspricht. Dies kann zu einem teilweisen oder auch vollständigen Ausschluss der Kostenerstattung führen. Jedoch kann aus dem bloßen Vorlageverlangen der Nachweise für die gesamte in Frage stehende Hilfeleistung an sich kein Bestreiten des Anspruchs oder dessen Höhe herausgelesen werden. Es wurden keine weiteren Nachweise für ein bestimmtes Tatbestandsmerkmal gefordert und auch kein konkretes Tatbestandsmerkmal bestritten, sondern lediglich – neutral – die Vorlage von prüfungsrelevanten Unterlagen gefordert.
Die erste inhaltliche Stellungnahme zu dem Anspruch fand mit Schreiben vom 30.04.2015 statt. Ab diesem Zeitpunkt wurde über das Bestehen des Anspruches aufgrund von Verjährung diskutiert.
2.3.3 Die Geltendmachung der Einrede der Verjährung beruhte nicht auf Ermessensfehlern. Es steht im Ermessen des Beklagten, ob er sich auf die Einrede der Verjährung beruft (vgl.: BSG, U. v. 14.03.2006, Az. B 4 RA 8/05 R; von Wulffen/Schütze, SGB X, 2014, § 113 Rn. 12). Zwar hat er am 19.03.2015 und damit nach dem Eintritt der Verjährung nochmals die Vorlage bestimmter Unterlagen auch bezüglich der Unterbringung im bereits verjährten Erstattungszeitraum verlangt, doch gehen diese Unterlagen in ihrem Nachweischarakter über das Jahr 2010 hinaus, so dass sie zumindest auch Erstattungsansprüche für das Jahr 2011 betreffen beziehungsweise deren Grundlage bilden. Insoweit ist in der auf die Vorlage der Unterlagen am 01. und 02.04.2015 erfolgten Berufung auf die Einrede der Verjährung kein widersprüchliches Verhalten zu sehen.
2.4 Auf die Frage der Verwirkung des Anspruchs kommt es damit schon nicht mehr an.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs.1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Absatz 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach § 124 und § 124a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung die Zulassung der Berufung beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth,
Hausanschrift: Friedrichstraße 16, 95444 Bayreuth oder
Postfachanschrift: Postfach 110321, 95422 Bayreuth,
schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für die Stellung des Antrags auf Zulassung der Berufung beim Verwaltungsgericht erster Instanz. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in den § 3 und § 5 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz bezeichneten Personen und Organisationen.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist.
Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München oder
Postfachanschrift in München: Postfach 340148, 80098 München,
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach,
einzureichen.
Es wird darauf hingewiesen, dass die Berufung nur zuzulassen ist,
1. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 4.826,40 € festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth,
Hausanschrift: Friedrichstraße 16, 95444 Bayreuth oder
Postfachanschrift: Postfach 110321, 95422 Bayreuth,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.
Die Frist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München oder
Postfachanschrift in München: Postfach 340148, 80098 München,
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach,
eingeht.


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