Verwaltungsrecht

Verlustfeststellung, Drogenstraftat, Betäubungsmittelabhängigkeit

Aktenzeichen  19 ZB 21.159

Datum:
11.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 12525
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

W 7 K 20.358 2020-11-16 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.
Der am … 1986 geborene Kläger, ein tschechischer Staatsangehöriger, der sich nach den Feststellungen der Beklagten am 27. Februar 2012 erstmals nachweislich im Bundesgebiet niederließ, wendet sich gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 16. November 2020, durch das seine Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 13. Februar 2020 abgewiesen worden ist. Mit diesem Bescheid hat die Beklagte den Verlust des Rechts auf Einreise und Aufenthalt für die Bundesrepublik Deutschland festgestellt (Nr. I des Bescheids), die Wirkungen der Feststellung des Verlusts des Freizügigkeitsrechts auf die Dauer von 4 Jahren ab Ausreise/Abschiebung befristet (Nr. II des Bescheids) und die Abschiebung unter Setzung einer Frist zur freiwilligen Ausreise, insbesondere nach Tschechien, angedroht (Nrn. III und IV des Bescheids).
Das der rechtlichen Überprüfung durch den Senat ausschließlich unterliegende Vorbringen in der Begründung des Zulassungsantrags (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) rechtfertigt keine Zulassung der Berufung. Die geltend gemachten Zulassungsgründe, deren Beurteilung sich grundsätzlich nach dem Zeitpunkt der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts richtet (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 15.1.2013 – 1 C 10.12 – juris Rn. 12), so dass eine nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage bis zum Zeitpunkt der Entscheidung in dem durch die Darlegung des Rechtsmittelführers vorgegebenen Prüfungsrahmen zu berücksichtigen ist (BayVGH, B.v. 20.2.2017 – 10 ZB 15.1804 – juris Rn. 7), liegen nicht vor.
1. Die Berufung des Klägers ist nicht aufgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestünden nur dann, wenn die Klägerseite im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11; B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16). Solche schlüssigen Gegenargumente liegen bereits dann vor, wenn im Zulassungsverfahren substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufgezeigt werden, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – juris Rn. 19). Es reicht nicht aus, wenn Zweifel lediglich an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen bestehen, auf welche das Urteil gestützt ist. Diese müssen vielmehr zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses begründen. Das wird zwar regelmäßig der Fall sein. Jedoch schlagen Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente nicht auf das Ergebnis durch, wenn das angefochtene Urteil sich aus anderen Gründen als richtig darstellt (BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4/03 – juris Rn. 9).
Der Kläger führt zur Begründung seines Zulassungsantrags aus, liege (wie bei ihm) die Ursache der Delinquenz auch in der Suchtmittelabhängigkeit, so sei die erfolgreiche Absolvierung einer Therapie zwingende Voraussetzung für ein denkbares Entfallen der Wiederholungsgefahr. Diese Möglichkeit werde dem Kläger abgeschnitten, die Verlustfeststellung sei „verfrüht“. Der Kläger befinde sich zurzeit in einer Drogentherapie. Verwiesen werde auf die Stellungnahmen des Bezirks U. vom 26. Juni 2020 und vom 25. November 2020. Es sei ein positiver Therapieverlauf festgestellt worden. Die „hier aufgeführten behandelnden Ärzte“ hätten als sachverständige Zeugen angehört werden müssen („Beweis: … Zeugnis des behandelnden Arztes Dr. J., … Zeugnis des Psychologen F. …“). Da im Zweifel für die Feststellung der Prognosetatsachen ein Sachverständigengutachten einzuholen sei, hätte zumindest eine Vernehmung dieser erfolgen müssen. Positiv sei auch zu bewerten, dass der Kläger einer Beschäftigung nachgehe. Die Beklagte habe zudem die Lebensumstände des Klägers nicht ausreichend berücksichtigt. Der Kläger sei seit dem 19. Juni 2017 verlobt. Bei der Verlobten handle es sich ebenfalls um eine tschechische Staatsangehörige, die Mutter eines nunmehr zwölfjährigen Sohnes sei, der den Kläger als seinen Stiefvater ansehe und zu seinem leiblichen Vater keinerlei Kontakt habe. Die Verlobte und der Kläger bewohnten bewusst zu keinem Zeitpunkt eine gemeinsame Wohnung im Hinblick darauf, dass der Kläger ein starker Raucher sei und die Verlobte an Asthma bronchiale leide. Zudem habe der Kläger versucht, gegenüber seiner Verlobten und deren Sohn seine Sucht zu verheimlichen. Unabhängig davon bestehe eine emotionale Verbundenheit zur Verlobten und dem Stiefsohn. Kontakt zur Familie in Tschechien habe der Kläger nicht. Die Verlobte und ihr Sohn, der hier eine Schule besuche, seien in Deutschland eingebunden. Es sei nicht einfach möglich, zurück nach Tschechien zu ziehen. Auch die Verlobte hätte als Zeugin vernommen werden müssen. Die Verlustfeststellung sei mangels Wiederholungsgefahr rechtswidrig.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils ergeben sich aus dem Zulassungsvorbringen des Klägers auch unter Berücksichtigung der aktuellen dargelegten Entwicklung nicht.
1.1 Die Einwendungen gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts, vom Kläger, der zwischen den Beteiligten unstreitig kein Daueraufenthaltsrecht gemäß § 4a Freizügigkeitsgesetz/EU erworben hatte (vgl. zu den Voraussetzungen dafür EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-424/10 u.a. – juris; BVerwG, U.v. 31.5.2012 – 10 C 8/12 – juris Rn. 15; Tewocht in Kluth/Heusch, Ausländerrecht 2. Aufl. 2021, § 4a FreizügG/EU Rn.12), gehe eine tatsächliche, gegenwärtige und hinreichend schwere Gefährdung der öffentlichen Ordnung aus, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre, greifen nicht durch.
Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU kann der Verlust des Rechts eines Unionsbürgers auf Einreise und Aufenthalt (§ 2 Abs. 1 FreizügG/EU) u.a. aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit festgestellt werden. Die Tatsache einer strafrechtlichen Verurteilung genügt für sich allein nicht, um die in § 6 Abs. 1 FreizügG/EU genannten Entscheidungen oder Maßnahmen zu begründen. Es dürfen nur im Bundeszentralregister noch nicht getilgte strafrechtliche Verurteilungen berücksichtigt werden, und diese nur insoweit, als die ihnen zu Grunde liegenden Umstände ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt. Es muss eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (§ 6 Abs. 2 FreizügG/EU; vgl. Art. 27 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 der RL 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, v. 29.4.2004, ABl. EU L 158 S. 77: Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt), wobei diese Feststellung im Allgemeinen bedeutet, dass in der Regel eine Neigung des Betroffenen bestehen muss, das Verhalten in Zukunft beizubehalten (EuGH, U.v. 22.5.2012 – C-348/09 – juris Rn. 33 f.; EuGH, U.v. 27.10.1999 – juris Rn. 29/30). Dieser Maßstab verweist – anders als der Begriff der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im deutschen Polizeirecht – nicht auf die Gesamtheit aller Rechtsnormen, sondern auf einen spezifischen Rechtsgüterschutz, nämlich ein Grundinteresse der Gesellschaft, das berührt sein muss (BVerwG, U.v. – 1 C 30.02 – juris Rn. 24).
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei spezialpräventiven Ausweisungsentscheidungen und deren gerichtlicher Überprüfung eine eigenständige Prognose zur Wiederholungsgefahr zu treffen (BVerwG, U.v. 15.1.2013 – 1 C 10.12 – juris Rn. 18). Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (BayVGH, U.v. 30.10.2012 – 10 B 11.2744 – juris Rn. 33 m.w.N.). An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind bei dieser Prognose umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (stRspr; vgl. z.B. BayVGH, U.v. 30.10.2012 – 10 B 11.2744 – juris Rn. 34; BVerwG, U.v. 4.10.2012 – 1 C 13.11 – Rn. 18). Auch der Rang des bedrohten Rechtsguts ist dabei zu berücksichtigen. Für die im Rahmen tatrichterlicher Prognose festzustellende Wiederholungsgefahr gilt mithin nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein differenzierender, mit zunehmenden Ausmaß des möglichen Schadens abgesenkter Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts (vgl. BVerwG, U.v. 15.1.2013 – 1 C 10/12 – juris Rn. 15). Dies bedeutet nicht, dass bei hochrangigen Rechtsgütern (wie Leben und Gesundheit, vgl. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) bereits jede auch nur entfernte Möglichkeit einer Wiederholungsgefahr eine Wiederholungsgefahr begründet (vgl. BVerwG, U.v. 15.1.2013 – a.a.O. Rn. 16, U.v. 4.10.2012 – a.a.O.).
Was die Prognose der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts im Hinblick auf Drogenstraftaten angeht, ist zudem festzuhalten, dass Betäubungsmitteldelikte zu den schweren, Grundinteressen der Gesellschaft berührenden und schwer zu bekämpfenden Straftaten gehören. Die Folgen, insbesondere für junge Menschen, können äußerst gravierend sein. Der Gerichtshof der Europäischen Union sieht in der Rauschgiftsucht ein „großes Übel für den Einzelnen und eine soziale und wirtschaftliche Gefahr für die Menschheit“ (vgl. EuGH, U.v. 23.11.2010 – RsC-149/09, „Tsakouridis“ NVwZ 2011, 221 Rn. 47). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat mehrfach klargestellt, dass es bei der Verurteilung eines Ausländers wegen eines Betäubungsmitteldelikts – wie vorliegend – in Anbetracht der verheerenden Auswirkungen von Drogen auf die Bevölkerung Verständnis dafür hat, dass die Vertragsstaaten in Bezug auf diejenigen, die zur Verbreitung dieser Plage beitragen, entschlossen durchgreifen (U.v. 30.11.1999 – Nr. 3437-97 „Baghli“ NVwZ 2000, 1401, U.v. 17.4.2013 – Nr. 52853/99 „Yilmaz“ NJW 2004, 2147; vgl. auch OVG NRW, B.v. 17.3.2005 – 18 B 445.05 – juris). Die von unerlaubten Betäubungsmitteln ausgehenden Gefahren betreffen die Schutzgüter des Lebens und der Gesundheit, welche in der Hierarchie der in den Grundrechten enthaltenen Werteordnung einen hohen Rang einnehmen. Rauschgiftkonsum bedroht diese Schutzgüter der Abnehmer in hohem Maße und trägt dazu bei, dass deren soziale Beziehungen zerbrechen und ihre Einbindung in wirtschaftliche Strukturen zerstört wird. Die mit dem Drogenkonsum häufig einhergehende Beschaffungskriminalität schädigt zudem die Allgemeinheit, welche ferner auch für die medizinischen Folgekosten aufkommen muss (BayVGH, B.v. 14.3.2013 – 19 ZB 12.1877).
Der Kläger ist im Bundesgebiet mehrfach einschlägig strafrechtlich in Erscheinung getreten. In den Jahren 2012 und 2014 erfolgen amtsgerichtliche Verurteilungen zu Geldstrafen wegen jeweils vorsätzlicher unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln. Mit strafgerichtlichem Urteil des Landgerichts A. vom 8. Mai 2019, rechtskräftig gegenüber dem Kläger seit 1. Juli 2019, wurde er wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren und 4 Monaten verurteilt. Den Urteilsgründen ist zu entnehmen, dass der Kläger und ein weiterer Angeklagter seit Anfang des Jahres 2017 in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken von einem weiteren Angeklagten geliefertes Rauschgift (Marihuana, Haschisch, Kokain, Ecstasy und Amphetamin) gewinnbringend weiterverkauften bzw. für den gewinnbringenden Weiterverkauf verwahrten. Hauptsächliche Aufgabe des Klägers sei es gewesen, die Drogen in verschiedenen Bunkern zu verwahren und Verkäufe im Straßenhandel zu realisieren. Der Gewinn aus den Geschäften sollte aufgeteilt werden. Das in den Bunkern des Klägers und eines weiteren Angeklagten sichergestellte Rauschgift überschritt den Grenzwert zur nicht geringen Menge um mehr als das 208-fache. Überwiegend habe es sich um Cannabis-Produkte gehandelt. Strafschärfend sei allerdings die große Menge an Betäubungsmitteln zu werten.
Wesentlicher Hintergrund der Delinquenz des Klägers war seine Suchtmittelabhängigkeit. Dem Strafurteil vom 8. Mai 2019 ist zu entnehmen, dass der Kläger im Alter von 17 Jahren das erste Mal Cannabis konsumierte. In der Folge sei es zu einer sehr raschen Steigerung der Konsummengen gekommen. Unmittelbar vor seiner Verhaftung (Untersuchungshaft ab 2.7.2018) habe er täglich 4 bis 5 g Marihuana konsumiert, insgesamt sei seit 15 Jahren ein ununterbrochener Konsum von Cannabis-Produkten vorgelegen. Etwa in Alter von 20 Jahren sei der Konsum von Methamphetamin dazugekommen. Anfänglich habe er täglich etwa 0,5 g konsumiert, ab dem 6. Monat seines Konsums sei der Kläger auf den intravenösen Konsum umgestiegen. Dieser Konsum sei ab dem März 2008 in einem Umfang von etwa 1 g pro Tag, ab dem Jahr 2015 in einem Umfang von 2 g pro Tag erfolgt. Ab dem Jahr 2017 habe sich der Konsum von Methamphetamin weitgehend auf Kokain verlagert, wobei der Konsum von Kokain zuletzt in einem Umfang von 2 g pro Tag in der Form von 4 Injektionen erfolgt sei. Der Sachverständige Dr. F. habe beim Kläger ein Abhängigkeitssyndrom von Cannabinoiden, bezüglich Stimulanzien bei Präferenzdroge Methamphetamin sowie ein Abhängigkeitssyndrom bezüglich Kokain (jeweils gegenwärtig abstinent unter den beschützenden Bedingungen der Untersuchungshaft) festgestellt. Insgesamt könne von einer Polytoxikomanie ausgegangen werden. Das Strafgericht kam zu der Einschätzung, dass der festgestellte Betäubungsmittelhandel zumindest auch dem Zwecke der Finanzierung der eigenen Abhängigkeit diente.
Die durch die Delinquenz indizierte Gefährlichkeit des Klägers ist bislang nicht beseitigt.
Der am 2. Juli 2018 festgenommene Kläger, der sich ab diesem Zeitpunkt zunächst in Untersuchungs- und danach in Strafhaft befunden hat, befindet sich weiterhin in dem seit 6. September 2019 begonnenen Maßregelvollzug. Er kann bislang keinen erfolgreichen Abschluss der Therapie vorweisen. Von einem Wegfall der Wiederholungsgefahr kann daher schon aus diesem Grund nicht ausgegangen werden.
Bei Straftaten, die auf einer Suchterkrankung des Ausländers beruhen, kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs von einem Wegfall der für die Ausweisung erforderlichen Wiederholungsgefahr nicht ausgegangen werden, solange der Ausländer nicht eine Drogentherapie erfolgreich abgeschlossen hat und die damit verbundene Erwartung eines künftig drogen- und straffreien Verhaltens auch nach Therapieende glaubhaft gemacht hat (siehe z.B. BayVGH, B.v. 29.5.2018 – 10 ZB 17.1739 – juris Rn. 9; B.v. 16.2.2018 – 10 ZB 17.2063 – juris Rn. 10; BayVGH, B.v. 7.2.2018 – 10 ZB 17.1386 – juris Rn. 10; BayVGH, U.v. 3.2.2015 – 10 B 14.1613 – juris Rn. 32 m.w.N.), da die Erfolgschancen einer Therapie im Allgemeinen bereits deutlich unter 50% liegen (vgl. Fabricius in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 9. Aufl. 2019, § 35 Rn. 46 ff.: nur 25% der beobachteten Personen blieben strafrechtlich unauffällig und dürften eine Chance der sozialen Reintegration und der gesundheitlichen Stabilisierung erlangt haben; „bescheidene Erfolge“; nach Klos/Görgen – Rückfallprophylaxe bei Drogenabhängigkeit, 2. Aufl. 2020, S. 18 ff ist mit Rückfällen zu rechnen und eine langfristige Therapiestrategie angezeigt, Rückfälle seien eher die Regel als die Ausnahme; nach der bundesweiten Rückfalluntersuchung 2004/2010 bis 2013 von Jehle/Albrecht/Hohmann-Fricke/Tetal „Legalbewährung nach strafrechtlichen Sanktionen“ – www.bmjv.de – wurden nach Delikten gemäß BtMG innerhalb des 1. bis 3. Jahres 45% der Straftäter erneut registriert, mit einer Zunahme von weiteren 11% auf 56% vom 4. bis 6. Jahr und weiteren 4% auf 60% innerhalb des 7. bis 9. Jahres des Beobachtungszeitraums; von der Gesamtpopulation der Straftäter wurden innerhalb von 3 Jahren 36% erneut verurteilt). Solange sich der Ausländer nicht außerhalb des Straf- bzw. Maßregelvollzugs bewährt hat, kann nicht mit der notwendigen Sicherheit auf einen dauerhaften Einstellungswandel und eine innerlich gefestigte Verhaltensänderung geschlossen werden, die ein Entfallen der Wiederholungsgefahr rechtfertigen würde (BayVGH, B.v. 13.10.2017 – 10 ZB 17.1469 – juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 6.5.2015 – 10 ZB 15.231 – juris Rn. 11).
Der Senat verkennt insoweit nicht, dass positive Elemente enthaltende Berichte der Entziehungsanstalt über den Therapieverlauf im Maßregelvollzug vorliegen. Unter dem 22. Juni 2020 führte die Therapieeinrichtung gegenüber der Staatsanwaltschaft u.a. aus, der bisherige Behandlungsverlauf des Klägers sei in der Gesamtschau immer noch als sehr zufriedenstellend zu bewerten, es sei zu keinen nachweisbaren Suchtmittelrückfällen gekommen. Trotz seiner Veränderungsmotivation und der glaubhaften Distanzierung vom Konsum illegaler Substanzen verfüge der Patient zum jetzigen Zeitpunkt allerdings noch nicht über ausreichend erprobte Rückfallpräventionsstrategien, die schon jetzt eine gute Legalprognose rechtfertigen würden. Außerhalb der strukturierenden Bedingungen des Maßregelvollzugs seien daher Suchtmittelrückfälle noch nicht mit ausreichender Sicherheit auszuschließen. Angesichts der Suchtbiografie des Patienten könnte diese zu einer Reaktualisierung früherer Konsummuster führen. In diesem Fall wären erneute Straftaten zumindest nach dem Anlassdelikt zu erwarten. Empfohlen werde die Anordnung der Fortdauer der Maßregel, um die bisher erworbenen Rückfallpräventionsstrategien in höheren Freiheitsgraden zu erproben und zu festigen. Unter dem 25. November 2020 erklärte die Therapieeinrichtung sodann gegenüber dem Landgericht (zusammenfassend), der Kläger befinde sich derzeit in der Lockerungsstufe D1. Er habe unter Erprobungen im sozialen Umfeld und im Job einen rückfallfreien und zufriedenstellenden Verlauf zu verzeichnen. Demnach werde die aktuelle therapeutische Entwicklung des Patienten als positiv erlebt. Der Patient solle nun unter Beweis stellen, dass er die anstehenden Belastungsfaktoren auch im Probewohnen gut meistern könne und weiterhin bereit sei, abstinent und deliktfrei zu leben. Demnach werde eine Weiterführung der Behandlung im Maßregelvollzug gemäß § 64 StGB empfohlen.
Bei der Einschätzung des Gewichts dieser Therapieberichte ist aber zu berücksichtigen, dass – wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 2. Mai 2017 (19 CS 16.2466 – juris, insb. Rn. 48) im Einzelnen dargelegt und belegt hat – zu einer effektiven Drogenbehandlung ein enges Vertrauensverhältnis erforderlich ist, der Therapeut kein verlängerter Arm des Staates ist und Therapieberichte keine objektive Bewertung oder gar Begutachtung darstellen, weswegen Therapiestellungnahmen als einseitige Stellungnahmen zu bewerten sind und die Therapieeinrichtung regelmäßig dann eine günstige Prognose abgibt, wenn sie – wie vorliegend – nicht vom Klienten durch einen erheblichen Verstoß gegen ihre Regeln zu einem disziplinarischen Therapieabbruch genötigt worden ist. Der Senat verkennt zudem nicht, dass der Kläger sich ersichtlich in einem Probewohnen befindet, einer Beschäftigung bei einem Schnellimbiss nachgeht und dass – mangels entgegenstehender Anhaltspunkte – von keinen Drogenrückfällen auszugehen ist. Allerdings ist bislang auch kein strafvollstreckungsrechtlicher Beschluss im Hinblick auf die Aussetzung der Vollstreckung, der weiteren Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und des Restes der Freiheitsstrafe zur Bewährung ergangen. Selbst im Falle eines (in Kürze ergehenden, der Kläger hat dazu nichts vorgetragen) strafvollstreckungsrechtlichen Aussetzungsbeschlusses (dieser würde zwar ein wesentliches Indiz darstellen, eine Bindung des Senats an die strafvollstreckungsgerichtlichen Prognosen betreffend die Straf- und Maßregelaussetzung zur Bewährung bestünde aber nicht) ist zu erwarten, dass der Kläger zunächst noch einem engmaschigen Kontroll- und Nachsorgekonzept aus Konsumverboten, Kontrollmaßnahmen, Resozialisierungsgeboten und Meldepflichten unterliegen wird. Im Übrigen haben die genannten positiven Prognoseanhaltspunkte wenig Gewicht, weil es allgemeiner Erfahrung (und der Absicht des Gesetzgebers) entspricht, dass insbesondere die Möglichkeit, eine zur Bewährung verfügte Strafrestaussetzung zu widerrufen, einen erheblichen Legalbewährungsdruck erzeugt, also zu erheblichen Anstrengungen in Richtung Selbstdisziplin und Lebensordnung führen kann. Dies ergibt sich u.a. daraus, dass die mit der Strafrestaussetzung zur Bewährung verbundene niedrigschwellige Möglichkeit einer Inhaftierung anerkanntermaßen wesentlich besser als die (nach einer Vollverbüßung meist eintretende) Führungsaufsicht geeignet ist, die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls zu mindern (Stree-Kinzig in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl. 2014, § 57 Rn. 14 m.w.N. und Rn. 1: „Damoklesschwert“). Zusätzlich wirkt auf das Verhalten des Klägers das laufende Verlustfeststellungsverfahren ein. Ein solches Verfahren entwickelt noch einmal mindestens denselben Legalbewährungsdruck wie eine Strafrestaussetzung zur Bewährung. Eine drohende Verlustfeststellung erzeugt insbesondere bei Personen mit Hafterfahrung (Ausgewiesene und Ausländer, denen gegenüber eine Verlustfeststellung ergangen ist, besitzen diese regelmäßig; auch beim Kläger ist dies der Fall) häufig einen Legalbewährungsdruck, der über denjenigen einer drohenden Inhaftierung hinausgeht; erst recht gilt dies für einen erlassenen, aber noch nicht bestandskräftigen Verlustfeststellungsbescheid. Zu diesem Legalbewährungsdruck trägt wesentlich der Umstand bei, dass im Verlustfeststellungsrechtstreit aktuelle Entwicklungen zu berücksichtigen sind.
Soweit der Kläger im Übrigen vorträgt, ihm werde die Möglichkeit abgeschnitten, erfolgreich eine Drogentherapie zu absolvieren, trifft dies (soweit er meint, ein Recht darauf zu haben) nicht zu. Künftige Entwicklungen, insbesondere Wirkungen einer zukünftigen therapeutischen Aufarbeitung von Straftaten sagen nichts über die aktuell vom Kläger ausgehende Gefährdung aus. Das Abwarten eines Therapie- oder Haftverlaufs ist daher nicht angezeigt (vgl. BVerwG, B.v. 11.9.2015 – 1 B 39/15 – juris Rn. 10).
Soweit der Kläger ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils darlegen will, indem er als Beweis für die nach seiner Einschätzung erfolgreiche Therapie seiner Drogenabhängigkeit einen Arzt und einen Psychologen benennt, die zu laden seien, verkennt er die Funktion des Zulassungsantragsverfahrens. Dieses ist nicht auf die Benennung von (sachverständigen) Zeugen ausgerichtet, sondern (im Hinblick auf die hier geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils) auf die Darlegung gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen die Feststellungen des Verwaltungsgerichts ernstlichen Zweifeln begegnen. Hier scheidet eine Berufungszulassung insoweit aus, weil sich schon im Zulassungsverfahren zuverlässig sagen lässt, dass das Verwaltungsgericht die Rechtssache im Ergebnis richtig entschieden hat und die angestrebte Berufung deshalb voraussichtlich keinen Erfolg haben wird (BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4/03 – juris Rn. 10). Soweit dem Vortrag des Klägers entnommen werden kann, dass er ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils wegen der Nichtanhörung der „aufgeführten behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen“ vor dem Verwaltungsgericht vorträgt, liegt der geltend gemachte Zulassungsgrund ebenfalls nicht vor. Es liegt nahe, dass der Kläger mit seinem Vorbringen insoweit den Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO geltend machen will. Der ersichtlich behauptete Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) liegt aber nicht vor. Ebenso wenig erweist sich das erstinstanzliche Urteil als verfahrensfehlerhaft, weil das Verwaltungsgericht kein Sachverständigengutachten eingeholt hat (dazu jeweils sogleich).
Festzuhalten ist schließlich, dass das im Verlustfeststellungsbescheid dargelegte Verhalten des Klägers auch eine schwerwiegende Gefahr der öffentlichen Ordnung im Sinne von § 6 Abs. 4 FreizügG/EU belegt.
1.2 Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Beklagte habe das ihr nach § 6 Abs. 1 und Abs. 3 FreizügG/EU eingeräumte Ermessen bei Erlass der Verlustfeststellung pflichtgemäß ausgeübt, ist nicht zu beanstanden.
Die Beklagte hat (auch durch die Aktualisierung bzw. Ergänzung ihrer Ermessenserwägungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht und im Zulassungsantragsverfahren mit Schriftsatz vom 22.2.2021) ermessensfehlerfrei festgestellt, dass das öffentliche Interesse am Schutz der öffentlichen Ordnung das private Interesse des Unionsbürgers an seinem Verbleib im Bundesgebiet deutlich überwiegt. Die Beklagte hat in ihrer Ermessensentscheidung zutreffend die Art und Schwere der vom Kläger begangenen Straftaten, die Dauer des Aufenthalts des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland, die familiäre Situation des Klägers, die Intensität der sozialen und kulturellen Bindungen zur Bundesrepublik Deutschland und zum Heimatstaat des Klägers berücksichtigt. Es war insoweit zu berücksichtigen, dass der Kläger im Bundesgebiet erheblich (und wiederholt) im Bereich der Rauschgiftkriminalität straffällig geworden und dafür erheblich belangt worden ist. Bei ihm besteht eine weiter anhaltende tiefgreifende Drogenproblematik. Weder die tschechische Staatsangehörige, mit der er nicht zusammenwohnt, aber nach seinem Vortrag seit 19. Juni 2017 verlobt ist (die Beklagte bezweifelt die Verlobung, im Strafverfahren wurde sie vom Kläger nicht erwähnt, obwohl seine Partnerin dort als Zeugin auftrat) noch deren 12-jähriger Sohn, für den eine besondere Beziehung zum Kläger behauptet wird, haben diesen davon abhalten können, Drogen zu konsumieren und Straftaten zu begehen. Offen kann bleiben, inwieweit die genannte Verlobte (deren Vernehmung als Zeugin im hiesigen Zulassungsantragsverfahren aus den bereits dargelegten Gründen ausscheidet) von der langanhaltenden und tiefgreifenden Drogenproblematik und der Rauschgiftkriminalität des Klägers wusste. Als Zeugin im Strafverfahren erklärte sie insoweit, sie habe von den Betäubungsmittelgeschäften des Klägers nichts mitbekommen, sie habe einen Konsum nicht gesehen, aber schon mal diesen „seltsamen Geruch nach irgendwas“ gerochen und ihr seien im hinteren Bereich eines Tisches öfters „grüne grasartige Krümel“ aufgefallen. In Anbetracht der Schwere der vom Kläger begangenen Straftaten und der von ihm ausgehenden Wiederholungsgefahr ist es jedenfalls für die (nach Behauptung) Verlobte und deren Sohn (nachvollziehbare Umstände, die auf eine besondere Bindung des Klägers zu diesem schließen lassen könnten, wurden nicht dargetan) zumutbar, den Kontakt auf andere Weise aufrechtzuerhalten oder auch (worauf das Verwaltungsgericht zu Recht hinweist) gemeinsam einen Wohnsitz in Tschechien zu nehmen. Zutreffend weist das Verwaltungsgericht zudem darauf hin, dass besondere Umstände, die einen Schulwechsel des Sohnes der tschechischen behaupteten Verlobten des Klägers ausschließen würden, weder vorgetragen noch sonst ersichtlich sind. Soweit der Kläger mit seinem Vortrag auch zum Ausdruck bringen will, die von der Beklagten vorgenommene Verlustfeststellung verstoße gegen Art. 8 EMRK bzw. Art. 6 Abs. 1 GG ergeben sich mithin auch aus diesem Vorbringen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, zumal der Kläger in Tschechien geboren ist und dort bis in das Erwachsenenalter hinein gelebt hat. Unabhängig von der Frage, ob mit der genannten tschechischen Staatsangehörigen eine familiäre Lebensgemeinschaft vorliegen könnte (der Kläger hat dazu nichts belegt oder glaubhaft gemacht, auch die getrennten Wohnungen sprechen dagegen), hat die Beklagte (dies unterstellt) jedenfalls in rechtlich nicht zu beanstandender Weise das öffentliche Interesse an einer Beendigung des Aufenthalts des Klägers höher gewichtet als dessen Interesse, weiterhin im Bundesgebiet zu leben. Dies gilt auch in Anbetracht der sozialen Bindungen des Klägers zur Bundesrepublik Deutschland (der Kläger war in Deutschland seit 2012 nach eigenem Vortrag verschiedentlich als Bauarbeiterhilfe, Küchenhilfe, Lagerarbeiter, kurzfristige Aushilfe tätig; (sonstige) Anhaltspunkte für über die Beziehung zu der genannten tschechischen Staatsangehörigen und deren Sohn hinausgehende Bindungen sind nicht erkennbar). Seine geringe Vorbildung und seine eher geringen Verdienstmöglichkeiten legen zudem nahe, dass der Kläger wiederum Straftaten zur Finanzierung seiner Rauschgiftsucht begeht.
1.3 Ernstliche Zweifel an der Befristungsentscheidung der Beklagten nach § 7 Abs. 2 Satz 5 FreizügG/EU, wonach die Wirkungen der Verlustfeststellungen von Amts wegen zu befristen sind, hat der Kläger nicht geltend gemacht. Sie sind auch nicht ersichtlich.
2. Die Rechtssache weist keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten auf, sodass die Berufung nicht gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen ist.
Der Kläger trägt vor, die Rechtssache weise besondere Schwierigkeiten in rechtlicher Hinsicht auf, dies ergebe sich aus dem Vortrag hinsichtlich des Vorliegens ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils.
Mit diesem Vorbringen genügt der Kläger den Anforderungen des Darlegungsgebots nach § 124 Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht.
Selbst wenn davon ausgegangen werden könnte, liegt eine besondere rechtliche Schwierigkeit der Rechtssache nicht vor. Eine Rechtssache weist besondere rechtliche Schwierigkeiten auf, wenn eine kursorische, aber sorgfältige, die Sache überblickende Prüfung der Erfolgsaussichten eine Berufung keine hinreichend sichere Prognose über den Ausgang des Rechtsstreits erlaubt. Die Offenheit des Ergebnisses charakterisiert die besondere rechtliche Schwierigkeit und rechtfertigt – insbesondere zur Fortentwicklung des Rechts – die Durchführung des Berufungsverfahrens. Dabei ist der unmittelbare sachliche Zusammenhang des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO mit Abs. 2 Nr. 1 VwGO in den Blick zu nehmen (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124 Rn. 16, 25, 27).
Davon ausgehend erlaubt die Prüfung der Erfolgsaussichten einer Berufung hier die Prognose, dass diese zurückzuweisen wäre. Da die vom Kläger vorgebrachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nicht bestehen, ist die Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO rechtlich nicht besonders schwierig.
3. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), die der Kläger ihr zumisst.
Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung ist, deren noch ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Dementsprechend verlangt die Darlegung (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung, dass eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist; ferner muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (stRspr vgl. z.B. BayVGH, B.v. 12.4.2019 – 10 ZB 19.275 – juris Rn. 7).
Der Kläger genügt davon ausgehend dem Darlegungsgebot des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht. Er formuliert schon nicht die insoweit von ihm zu erwartende konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage, führt lediglich aus, streitentscheidend sei hier die Prognose der Wiederholungsgefahr, weshalb eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gegeben sei. Anzumerken ist, dass die Problematik der Gefährlichkeit des Klägers hier von der Beklagten und dem Verwaltungsgericht zutreffend aufgrund einer Bewertung der Umstände des Einzelfalls behandelt wurde.
4. Sollte der Kläger mit seinen Ausführungen, das Verwaltungsgericht hätte ein Sachverständigengutachten einholen müssen, zumindest die benannten Zeugen (Arzt Dr. J., Psychologe F.) zur Frage der ausländerrechtlichen Wiederholungsgefahr vernehmen müssen, zudem hätte das Verwaltungsgericht (im Hinblick auf die familiären Verhältnisse) die (nach Behauptung) Verlobte des Klägers vernehmen müssen, beabsichtigt haben, den Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO geltend zu machen und einen Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) zu rügen, greift dieses Vorbringen nicht durch.
Eine Aufklärungsrüge kann nur Erfolg haben, wenn substantiiert dargetan wird, hinsichtlich welcher tatsächlicher Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei der Durchführung der vermissten Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären (BVerwG, B.v. 8.7.2009 – 4 BN 12.09 – juris Rn. 7). Diesen Darlegungsanforderungen genügt der Vortrag des Klägers nicht.
Im Übrigen verletzt ein Gericht seine Pflicht zur erschöpfenden Aufklärung des Sachverhalts grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die ein anwaltlich vertretener Beteiligter in der mündlichen Verhandlung nicht ausdrücklich beantragt hat (§ 86 Abs. 2 VwGO). Die Aufklärungsrüge dient nicht dazu, Versäumnisse Beteiligter, insbesondere das Unterlassen der Stellung von Beweisanträgen, zu kompensieren (BVerwG, B.v. 29.7.2015 – 5 B 36.14 – juris Rn. 7; B.v.18.12.2006 – 4 BN 30.06 – NVwZ-RR 2007, 285 = juris Rn. 2; BayVGH, B.v. 1.3.2018 – 8 ZB 17.1486 – juris Rn. 9; B.v. 18.10.2013 – 10 ZB 11.618 – juris Rn. 25). Dass ein Beweisantrag nicht gestellt wurde, ist nur dann unerheblich, wenn sich dem Gericht auch ohne ausdrücklichen Beweisantrag eine weitere Ermittlung des Sachverhalts hätte aufdrängen müssen. Die Aufklärungsrüge ist dabei nur dann erfolgreich, wenn das Gericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung Anlass zu weiterer Sachaufklärung hätte sehen müssen. Außerdem muss der Kläger darlegen, welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Aufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern das unterstellte Ergebnis zu einer für ihn günstigen Entscheidung geführt hätte (BVerwG, B.v. 16.3.2011 – 6 B 47.10 – juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 21.3.2012 – 10 ZB 10.100 – juris Rn. 22).
Der anwaltlich vertretene Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht keine Beweisanträge gestellt. Eine weitere Sachverhaltsermittlung musste sich für das Gericht auch nicht aufdrängen. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Ausführungen zu seinen privaten Verhältnissen gemacht und im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die (damals aktuellste) Stellungnahme der Entziehungsanstalt vom 22. Juni 2020 vorgelegt. Inwieweit eine weitere Sachverhaltsaufklärung durch Vernehmung der benannten Zeugen neue Erkenntnisse gebracht hätte, ist dem Zulassungsvorbringen nicht zu entnehmen.
Ebenso wenig musste es sich für das Verwaltungsgericht aufdrängen, ein Sachverständigengutachten einzuholen. Die Frage, ob von einem Ausländer eine Wiederholungsgefahr ausgeht, ist eine rechtliche Frage. Bei der Prognoseentscheidung zur Wiederholungsgefahr bewegt sich das Gericht regelmäßig in Lebens- und Erkenntnisbereichen, die Gerichten allgemein zugänglich sind. Gerade die Frage der Wiederholungsgefahr nach strafrechtlichen Verurteilungen kann daher grundsätzlich von Gerichten im Wege einer eigenständigen Prognose ohne Zuziehung eines Sachverständigen beurteilt werden (stRspr, BVerwG, U.v. 13.12.2012 – 1 C 20/11 – juris Rn. 23; BayVGH, B.v. 10.10.2017 – 19 ZB 16.2636 – juris Rn. 36, B.v. 8.11.2017 – 10 ZB 16.2199 – juris Rn. 7 m.w.N.). Eine Ausnahme kommt danach nur in Betracht, wenn die Prognose die Feststellung oder Bewertung von Umständen voraussetzt, für die eine dem Richter nicht zur Verfügung stehende Sachkunde erforderlich ist, wie es z.B. bezüglich der Frage des Vorliegens oder der Auswirkungen eines seelischen Leidens der Fall sein kann (BVerwG, B.v. 4.5.1990 – 1 B 82/89 – juris Rn. 7). Ein solcher Fall, bei dem ein Sachverständigengutachten ausnahmsweise als Hilfestellung in Betracht kommt (ohne die Prognoseentscheidung des Tatrichters zu ersetzen, BVerwG, U.v. 13.3.2009 – 1 B 20.08 – juris Rn. 5), liegt nicht vor. Insbesondere steht die Suchtmittelabhängigkeit des Klägers und deren symptomatischer Zusammenhang mit den Anlasstaten fest; dies wird vom Kläger auch nicht bestritten.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 47 Abs. 3, Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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